Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 113/13
Tenor
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Die Anschluss-Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu ¾ und im Übrigen die Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher fristloser Kündigungen aus Mai 2011. Es handelt sich insoweit um die dritte und vierte Kündigung aus einer Serie von Kündigungen, die im Kern auf demselben Lebenssachverhalt beruhen.
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Der 1961 geborene geschiedene inzwischen aber wieder fest liierte Kläger ist gelernter Baufacharbeiter. Noch zu DDR-Zeiten wurde er Angestellter der Volkspolizei. Seit 1986 ist er bei der Deutschen Reichsbahn angestellt und hat dort bis zur Neuordnung der Bahnunternehmen in Zusammenhang mit der Privatisierung von Post und Bahn 1994 in verschiedenen Positionen gearbeitet. Seit diesem Zeitpunkt ist er dem Bundeseisenbahnvermögen, der Beklagten, zugeordnet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden zumindest auch aufgrund umfangreicher vertraglicher Inbezugnahmen die jeweils geltenden Tarifverträge für die Angestellten des Bundeseisenbahnvermögens Anwendung. Aufgrund der seit 1986 anerkannten Dienstzeit ist der Kläger danach ordentlich nicht mehr kündbar.
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Im Rahmen seiner Anstellung bei der Beklagten ist der Kläger als gewählter Geschäftsführer der betrieblich anerkannten Sozialeinrichtung Bahn-Landwirtschaft Bezirk B-Stadt e.V. (im Folgenden mit BLw abgekürzt) seit 2004 in dem Betrieb des Vereins in B-Stadt eingesetzt. Dem Betrieb gehören neben dem Kläger als Geschäftsführer zwei weitere Mitarbeiterinnen (B. und A. W., Mutter und Tochter) an, weitere Arbeitnehmer sind nicht angestellt. Der BLw betreibt sein Geschäft unter derselben Adresse wie die Beklagte in B-Stadt. Der BLw hat dort aber eigene Räume und ist nicht Teil der dortigen Dienststelle der Beklagten.
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Die Bahn-Landwirtschaft (BLw) ist eine anerkannte Sozialeinrichtung des Bundeseisenbahnvermögens und der Deutschen Bahn AG, die im gesamten Bundesgebiet entlang der Strecken der ehemaligen Deutschen Bundesbahn und Deutschen Reichsbahn vornehmlich kleingärtnerisch und landwirtschaftlich nutzbare Flächen für die Nachfolgeeigentümer gemäß Eisenbahn-Neuordnungsgesetz im Rahmen von Generalpachtverträgen treuhänderisch verwaltet. Diese Verwaltung erfolgt über den Hauptverband der Bahn-Landwirtschaft e. V. mit seinen 15 rechtlich selbstständigen Mitgliedern, den BLw Bezirken, welche ebenfalls in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisiert sind.
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Nach der Satzung des BLw Bezirk B-Stadt e.V. kann zum – stets hauptamtlichen – Geschäftsführer des Vereins von den Mitgliedern nur gewählt werden, wer bei der Beklagten beschäftigt ist. Die Beklagte hat wiederum den Dienstposten 2224, zugeordnet der Dienststelle Ost mit Sitz in A-Stadt, eingerichtet, auf dem die jeweiligen Geschäftsführer der BLw Bezirk B-Stadt geführt werden. Diesen Dienstposten hatte der Kläger seit dem 1. November 2004 inne, Dienstort war seit diesem Zeitpunkt B-Stadt (Anlage K 2, hier Blatt 6). Der Dienstposten ist nach der Einkommensgruppe G 11 bewertet und der Kläger hat auf diesem Dienstposten zum Zeitpunkt der hier streitigen Kündigungen aus dem Jahre 2011 rund 3.800 Euro brutto monatlich verdient.
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Seit Anfang 2009 war der Kläger in Personalunion gleichzeitig auch im Auftrag der Beklagten in der Funktion als Geschäftsführer des BLw Bezirk A-Stadt e.V. tätig. Die dortige Mitgliederversammlung hatte sich allerdings gegen die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer ausgesprochen, weshalb es aus diesem Bereich immer wieder zu Reibereien und nach Darstellung des Klägers auch zu Anfeindungen gegen seine Person gekommen war. Der Kläger sieht seine hiesige Kündigung als Teil des Störfeuers, dass von dem B. Bezirk des BLw ausgeht.
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Der Kläger gehört mit einem Grad der Behinderung von 30 zum Kreis der behinderten Menschen. Eine Gleichstellung liegt nicht vor. Der Kläger war gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten in der Dienststelle Ost der Beklagten, der sein Dienstposten zugeordnet war, und er hat dieses Amt erst am 26. Oktober 2010 aufgrund der Neuwahl der Vertrauensperson verloren. Zeitgleich war er auch Ersatzmitglied im Personalrat und wurde gelegentlich zu Sitzungen herangezogen, zuletzt zu der Personalratssitzung am 4. März 2010.
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Dem Kläger wird im Kern vorgeworfen, er habe pornographische und kinderpornographische Bild- und Video-Dateien auf ihm dienstlich zur Verfügung gestellten elektronischen Geräten gespeichert. Außerdem wirft ihm die Beklagte vor, er habe sie und das Gericht durch wissentlich falschen Vortrag aus Anlass der Übergabe einer externen Festplatte darüber zu täuschen versucht, dass die aufgefundenen kritischen Dateien auf einer privaten statt einer dienstlichen Festplatte gespeichert gewesen seien. Dem liegt folgendes Geschehen zu Grunde.
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Der Kläger weilte vom 28. September 2009 bis zum 12. Oktober 2009 im genehmigten Erholungsurlaub und nutzte diese Zeit für einen Aufenthalt in Schottland. Schon kurz nach Antritt der Reise haben sich seine Mitarbeiterinnen B. und A. W. mit dem im Dienstzimmer des Klägers gelagerten Hausschlüssel Zugang zu seiner privaten Wohnung verschafft, wobei zwischen den Parteien im Streit steht, ob dies mit Einverständnis des Klägers zum Zwecke des Blumengießens erfolgt ist, oder eigenmächtig unter Ausnutzung der Kenntnis von dem in der Dienststelle gelagerten Hausschlüssel. Bei dieser Gelegenheit haben jedenfalls die beiden Damen im Keller der Wohnung des Klägers in dort gelagerten Kartons Zeitschriften, Videokassetten, CDs und ähnliche Speichermedien gefunden, die den Eindruck vermittelten, dass auf ihnen pornographisches Bildmaterial gespeichert sei.
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Die beiden Mitarbeiterinnen hatten den Eindruck, dass sich darunter auch kinderpornographisches Material befindet. Daher hatten sie unter Einschaltung von Rechtsanwalt T., B-Stadt, am 1. Oktober 2009 Strafanzeige gegen den Kläger erstattet. Am 3. Oktober 2009 kam es deshalb zu einer Hausdurchsuchung beim Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch im Ausland weilte. Dabei wurde unter anderem eine externe Festplatte, die unter der Marke FUJITSU Siemens Storagebird in den Handel gelangt war, beschlagnahmt. Diese Festplatte hat eine Speicherkapazität von 1,5 Terabyte (TB) und sie trägt die Seriennummer SNR YSXM024334 (diese Festplatte wird im Weiteren hier abgekürzt als HDD 4334 bezeichnet – in der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte wird dieses Gerät unter der Bezeichnung cf-2009-0231-0003 geführt und die in dem Gerät eingebaute Festplatte unter der Bezeichnung cf-2009-0231-0003-1; vgl. Untersuchungsbericht des Landeskriminalamtes vom 9. Dezember 2009, in Kopie hier Blatt 151 ff).
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Nach Rückkehr aus seinem Urlaub hat der Kläger auf Anraten seines Anwalts in der Strafsache, möglicherweise auch aufgrund eines ergänzenden Durchsuchungsbeschlusses vom 5. Oktober 2009, am 7. Oktober 2009 noch einen Laptop an die Polizei ausgehändigt, den er im Urlaub bei sich hatte. Es handelt sich dabei um den zu Dienstzwecken vom BLw angeschafften Laptop der Marke Sony Vaio (Polizei und Staatsanwaltschaft bezeichnen dieses Gerät mit cf-2009-0231-0005, vgl. Blatt 154, hier im Folgenden als Laptop bezeichnet).
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Die beiden Mitarbeiterinnen des Klägers beim BLw machten sich Sorge, dass der Kläger sie nach seiner Urlaubsrückkehr wegen der erstatteten Strafanzeige unfair behandeln könnte. Beiden wurden daher zunächst Arbeitsräume in B-Stadt zugewiesen, zu denen der Kläger keinen Zugang hatte. Diese Maßnahme ist dann aber zum Jahresende 2009 aus nicht aufgeklärten Gründen aufgehoben worden. Anfang 2010 hatte der Kläger dann seine beiden Mitarbeiterinnen in sein Büro zitiert. Der Inhalt des dann folgenden Gespräches ist streitig geblieben. Unstreitig ist allerdings, dass man über die Strafanzeige geredet hat und der Kläger den beiden Damen Vorwürfe gemacht hat, dass nunmehr seine berufliche Zukunft auf dem Spiel stehe.
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Nach Darstellung der Beklagten hat dieses Gespräch die beiden Mitarbeiterinnen des Klägers so verunsichert, dass sie nunmehr Frau Rechtsanwältin H., N., um Rat gefragt haben. Frau Rechtsanwältin H. hat dann unter dem 12. April 2010 erneut Strafanzeige gegen den Kläger erstattet und zwar nunmehr unter anderem auch wegen widerrechtlicher Drohungen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen in dem vorerwähnten Personalgespräch (Blatt 375 Akte Vorprozess). Gleichzeitig hat die Rechtsanwältin ihre Anzeige in Abschrift der Hausspitze der Beklagten in Bonn vorgelegt und dringend um Unterstützung gebeten.
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In engem zeitlichen Zusammenhang zu dieser zweiten Strafanzeige und nach einer ersten Akteneinsicht in die Ermittlungsakte durch den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten im April 2010 kam es zu zwei Kündigungen, die die Beklagte dem Kläger gegenüber ausgesprochen hatte, die heute nicht mehr in Streit sind und die beide das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet haben.
- 15
Das Arbeitsverhältnis war zunächst mit Schreiben vom 4. Mai 2010 von der Beklagten außerordentlich und fristlos gekündigt worden (1. Kündigung). Da die Beklagte für diese Kündigung keine Zustimmung des Personalrats im Sinne von § 96 Absatz 3 SGB IX in Verbindung mit § 47 BPersVG hatte, ist die Kündigung während des ersten Kündigungsrechtsstreits (Vorprozess) am 20. Oktober 2010 mit Zustimmung des Klägers zurückgenommen worden.
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Gegenstand des erwähnten früheren Kündigungsrechtsstreits (Vorprozess) war im Weiteren noch die Kündigung vom 10. Mai 2010 (2. Kündigung). Der dagegen angestrengte Kündigungsschutzprozess war in beiden Instanzen erfolgreich. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sind davon ausgegangen, dass die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat wissentlich falsch zu Lasten des Klägers über den seinerzeitigen Erkenntnisstand der Staatsanwaltschaft unterrichtet habe (ArbG Schwerin 20. Oktober 2010 – 2 Ca 1072/10; LAG Mecklenburg-Vorpommern 14. Februar 2012 – 1 Sa 331/10 – das Gericht hat die Akte antragsgemäß beigezogen, sie wird hier als Vorprozess bezeichnet).
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In zeitlichem Zusammenhang mit den vorstehend beschriebenen ersten beiden Kündigungen aus Mai 2010 ist der Kläger mit Verfügung vom 26. April 2010 von seiner Aufgabe als Geschäftsführer der BLw Bezirk B-Stadt entbunden worden (Anlage B1, hier Blatt 23) und wird – nach dem ebenfalls alsbald beendeten zusätzlichen Geschäftsführerverhältnis für den BLw Bezirk A-Stadt – organisatorisch „als Mitarbeiter des Personalmehrbestandes“ am Dienststellensitz in A-Stadt geführt. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt. Diese Arbeitsunfähigkeit dauerte mindestens an bis in den Oktober 2011.
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Noch während des Vorprozesses hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Kläger abgeschlossen (Staatsanwaltschaft Schwerin 120 Js 29320/09). Im Ergebnis der Ermittlungen ist vom Amtsgericht Schwerin unter dem 23. Februar 2011 gegen den Kläger wegen Verstoß gegen § 184b StGB ein Strafbefehl ergangen in Höhe von 80 Tagessätzen je 40 Euro (Kopie hier Blatt 143 ff). Der Vorwurf bezieht sich auf eine CD-ROM sowie drei Disketten mit kinderpornographischen Bilddateien, die in den Kisten im Keller der Wohnung des Klägers aufgefunden wurden.
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Auf dem dienstlichen Laptop und auf der beschlagnahmten Festplatte HDD 4334 wurde zwar auch verdächtiges Bild- und Videomaterial aufgefunden. Da aber nach Einschätzung des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft nicht klar war, ob es sich um kinderpornographisches oder um jugendpornographisches Material (strafbar erst sei 2008) handelt und sich auch der Zeitpunkt, zu dem der Kläger sich diese Dateien verschafft hatte, nicht zweifelsfrei feststellen ließ, wurde die Strafverfolgung wegen der Dateien auf diesen Speichermedien ausdrücklich nach § 154a StPO fallen gelassen (vgl. staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 20. Januar 2011 in Sachen 126 Js 29320/09, als Anlage B 27 überreicht, hier Blatt 581).
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Der Kläger hat den Strafbefehl gegen sich hingenommen. Er ist nach einem Vermerk auf dem Strafbefehl in der Ermittlungsakte am 19. März 2011 rechtskräftig geworden (hier Blatt 143).
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Zwischen den Parteien steht in Streit, wann die Beklagte von dem Erlass des Strafbefehls Kenntnis erlangt hat. Unstreitig hatte sie bereits im Februar 2011 Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragt und ihr wurde diese am 2. Mai 2011 gewährt durch Aushändigung an die Prozessbevollmächtigen der Beklagten. Diese haben die Akte gesichtet und die Beklagte in Person von Frau P., Leiterin der Dienststelle Ost (A-Stadt), am 4. Mai 2011 über die sich daraus ergebenden Erkenntnisse unterrichtet.
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Daraufhin hat sich die Beklagte entschlossen, das Arbeitsverhältnis zum Kläger abermals außerordentlich und fristlos zu kündigen und zwar einmal wegen erwiesener schwerer arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen und zum anderen sicherheitshalber auch wegen des Verdachts schwerer arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen.
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Unter dem 9. Mai 2011 wurde der Personalrat zu der beabsichtigten Tatkündigung angehört (Anlage B 1, hier Blatt 109 ff). Der Vorgang ist dort am 10. Mai 2011 eingegangen. Der Personalrat hat in seiner Sitzung vom 13. Mai 2011 beschlossen, keine Stellungnahme abzugeben, weshalb die Beklagte dem Kläger sodann unter dem 16. Mai 2011 eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen hat (3. Kündigung – Kopie Blatt 7), die der Kläger im Rahmen der vorliegenden Klage (Gerichtseingang am 1. Juni 2011) angegriffen hat.
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Wegen der beabsichtigten Verdachtskündigung ist der Kläger dann unter dem 9. Mai 2011 zu den Vorwürfen angehört worden (Kopie als Anlage K 5 überreicht, hier Blatt 10 ff, es wird Bezug genommen). Er hat sich mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 12. Mai 2011 (Kopie als Anlage K 6 überreicht, hier Blatt 12 ff, es wird Bezug genommen) geäußert. Aus der Sicht der Beklagten hat diese Stellungnahme den Kläger nicht entlastet. Die Beklagte hat sich daher entschlossen, nunmehr auch die Verdachtskündigung auszusprechen.
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Der Personalrat wurde mit Anschreiben vom 17. Mai 2011 zu der beabsichtigten Verdachtskündigung angehört (Beiakte Blatt 217 ff, wegen des genaueren Inhalts wird Bezug genommen). Das Schreiben ist beim Personalrat am 17. Mai 2011 eingegangen. Der Personalrat tagte am 20. Mai 2011. Der stellvertretende Vorsitzende – die Vorsitzende war, so die Beklagte, arbeitsunfähig erkrankt – teilte der Beklagten am frühen Nachmittag desselben Tages mit, dass man die Frist verstreichen lassen werde. Danach stellt die Beklagte dem Kläger diese Kündigung mit Datum 20. Mai 2011 (4. Kündigung) an diesem Tage gegen 17:50 Uhr zu.
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Der Kläger hat die Kündigung vom 20. Mai 2011 mit einer weiteren Kündigungsschutzklage, die am 6. Juni 2011 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, gerichtlich angegriffen. Dieser Rechtsstreit (Arbeitsgericht Schwerin – 2 Ca 1008/11 und später 1 Ca 2429/11) ist dann noch vor dem Arbeitsgericht mit dem hiesigen Rechtsstreit verbunden worden (dieser Aktenteil wird hier als Beiakte bezeichnet).
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Soweit sich die beiden noch streitgegenständlichen Kündigungen ergänzend auf den Vorwurf des versuchten Betruges stützen, geht es um den folgenden Sachverhalt.
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Der Kläger hat sich privat eine mit der beschlagnahmten Festplatte (HDD 4334) baugleiche Festplatte der Marke FUJITSU Siemens Storagebird mit einer Speicherkapazität von ebenfalls 1,5 TB zugelegt. Diese Festplatte trägt die Seriennummer SNR YSYV004374 (hier wird diese Festplatte zukünftig mit HDD 4374 bezeichnet). Diese Festplatte wurde so gut wie gar nicht benutzt, jedenfalls sind auf ihr keine verdächtigen Bilddateien gespeichert. Auf das Verlangen der Beklagten bzw. des BLw, die ihm dienstlich überlassenen elektronischen Speichermedien herauszugeben, hatte sich der Kläger zunächst auf einen Kaufvertrag zwischen ihm und dem BLw, nach dem er diese Geräte zu Eigentum erworben habe, berufen. Der BLw hat diesen Kaufvertrag für unwirksam gehalten und hat den Kläger daher vor dem Amtsgericht Berlin-Wedding auf Herausgabe verklagt. Dieser Rechtsstreit endete im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 10. März 2011 durch einen Vergleich, nach dem der Kläger sich verpflichtet hat, die angeblich übereigneten Geräte an den BLw herauszugeben (Kopie des Protokolls hier Blatt 236). Gegenstand des Vergleiches war auch die streitige Festplatte FUJITSU Siemens Storagebird. In Erfüllung der Pflichten aus dem Vergleich hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht im Vorprozess am 22. Juni 2011 die privat erworbene Festplatte HDD 4374 an die Beklagte herausgegeben (vgl. Protokoll der öffentlichen Sitzung, Blatt 469 Vorprozess, sowie das im Protokoll erwähnte Dokument „Teilrückabwicklung“, Blatt 473 Vorprozess; auf beide Dokumente wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen).
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In Zusammenhang mit der Übergabe dieser verdachtsfreien Festplatte (HDD 4374) an die Beklagte hat der Kläger argumentiert, die beschlagnahmte Festplatte (HDD 4334) sei die von ihm privat erworbene Festplatte. Sollten sich also auf der beschlagnahmten Festplatte verdächtige Bilddateien auffinden lassen, so handele es sich allein um Probleme im Privatbereich des Klägers ohne einen dienstlichen Bezug. In dem außergerichtlichen Anschreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 12. Mai 2011 (Kopie als Anlage K 6 überreicht, hier Blatt 12 ff, es wird Bezug genommen) an die Beklagte im Rahmen der Anhörung zu der Verdachtskündigung (4. Kündigung) heißt es bezogen auf die beschlagnahmte HDD 4334 wörtlich (hier Blatt 12 R):
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„Die beschlagnahmte Festplatte stand zu keinem Zeitpunkt im Eigentum des [BLw]. Ihnen dürfte bekannt sein, dass der [BLw] einen Zivilrechtsstreit gegenüber unserem Mandanten geführt hat. Gegenstand in diesem Zivilrechtsstreit war u.a. die Herausgabe der Festplatte Fujitsu-Siemens 1,5 TB. Diese Festplatte war im Rahmen der Klageschrift vom 20.08.2010 dahingehend näher definiert worden, dass sie unter dem 10.07.2009 zum Preis von 159,00 € angeschafft worden sei. Diese Festplatte, unter dem 10.07.2009 zum Preis von 159,00 € angeschafft, war und ist zu keinem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Unser Mandant hatte und hat diese Festplatte … durchgängig in seinem Besitz.“
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Aufgrund weiterer Recherchen, die die Beklagte nach Ausspruch der beiden Kündigungen aus Mai 2011 angestellt hat, und der Einführung der Rechercheergebnisse in den hiesigen Rechtsstreit, ist zwischen den Parteien inzwischen unstreitig, dass es die beschlagnahmte HDD 4334 war, die vom Kläger am 10. Juli 2009 mit der ec-Karte des BLw zu dessen Lasten bei SATURN in R. erworben wurde (Kaufbeleg als Kopie aus den Buchhaltungsunterlagen des BLw von der Beklagten als Anlage B 20 zur Akte gereicht, hier Blatt 515 und 526). Die HDD 4374, die der Kläger der Beklagten als die am 10. Juli 2009 dienstlich erworbene Festplatte vor dem LAG übergeben hat, ist dagegen nach Angaben des Herstellers erst im September 2009 überhaupt produziert worden und danach in den Handel gelangt. Nach Angaben des Herstellers wurde sie nicht über die Ladenkette SATURN in den Handel gebracht.
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Die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger von Anfang an wusste, dass die Festplatte, die er vor dem Landesarbeitsgericht als die dienstliche Festplatte des BLw an die Beklagte ausgehändigt hat, nicht die Festplatte war, die er zu dienstlichen Zwecken am 10. Juli 2009 bei SATURN erworben hat. Die Beklagte folgert daraus, dass der Kläger die Beklagte über die wahren Zusammenhänge täuschen wollte, um den Vorwurf zu entkräften, auf der dienstlichen Festplatte seien verbotene oder jedenfalls anstößige private Dateien abgespeichert gewesen. – Um diese erst nach Ausspruch der dritten und vierten Kündigung gewahr gewordenen Umstände in den Rechtsstreit einführen zu können, hat die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat noch nachträglich unter dem 1. Dezember 2011 angehört Anlage B 24, hier Blatt 536 ff). Der Personalrat hat dazu mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 mitgeteilt, er habe das Schreiben zur Kenntnis genommen (Anlage B 25, hier Blatt 543).
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Das Arbeitsgericht Schwerin hat der Klage bezüglich der Tatkündigung vom 16. Mai 2011 mit seinem Urteil vom 13. März 2013 stattgegeben, die weitere Klage, mit der sich der Kläger auch gegen die Verdachtskündigung vom 20. Mai 2011 zur Wehr gesetzt hat, jedoch abgewiesen. – Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
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Mit seiner rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger nach wie vor das Ziel, auch die Kündigung vom 20. Mai 2011 (4. Kündigung, Verdachtskündigung) für unwirksam zu erklären. Die Beklagte hat Anschlussberufung eingelegt und verfolgt mit diesem Rechtsmittel das Ziel, die Klage auch in Hinblick auf die Tatkündigung vom 16. Mai 2011 (3. Kündigung) abweisen zu lassen.
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Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe die Klage wegen der Verdachtskündigung vom 20. Mai 2011 zu Unrecht abgewiesen. Es liege schon kein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Außerdem könne sich die Beklagte nicht auf den erlassenen Strafbefehl stützen, da insoweit die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Absatz 2 BGB schon lange verstrichen gewesen sei. Die Personalratsbeteiligung sei vor Ausspruch der Kündigung nicht abgeschlossen gewesen, denn die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass der stellvertretende Vorsitzende des Personalrats befugt gewesen sei, die Beklagte über die Beschlusslage zu unterrichten.
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Ein wichtiger Grund zur Kündigung sei nicht erkennbar. Der Kläger bestreitet, dass die dem Strafbefehl zu Grunde liegenden Feststellungen zutreffen. Er habe nur deshalb kein Rechtsmittel gegen den Strafbefehl eingelegt, weil er in Sorge gewesen sei, dass seine Reputation unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens noch größeren Schaden erleiden würde. Im Übrigen hätten die dem Strafbefehl zu Grunde liegenden Feststellungen keinerlei dienstlichen Bezug, denn die Strafverfolgung wegen möglicherweise verdächtiger Bilddateien auf dem dienstlichen Laptop und der HDD 4334 sei aufgrund der unklaren Beweislage ausdrücklich eingestellt worden und seien damit nicht Gegenstand des Strafbefehls. Aus dem allein aus dem privaten Umfeld herrührenden Strafbefehl ergebe sich keine so starke Belastung des Dienstverhältnisses, dass man von einer fehlenden persönlichen Eignung für die Fortsetzung des Dienstverhältnisses sprechen könne.
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Der Kläger weist auch den Vorwurf zurück, er habe auf dienstlichen Geräten und Speichermedien verbotene Bild- oder Videodateien gespeichert. Die staatsanwaltliche Ermittlungsakte sei insoweit unergiebig, da diesbezüglich die Ermittlungen ohne verwertbare Feststellungen eingestellt worden seien. Der Kläger räumt allerdings ein, dass sich auf dem Laptop und der HDD 4334 pornographisches Bildmaterial befindet. Er meint aber, daraus ergebe sich kein Kündigungsgrund. In seiner Rechtsstellung als Geschäftsführer sei es ihm erlaubt gewesen, diese Geräte auch privat zu nutzen. Außerdem sei es technisch kein Problem, eventuelle Belastungen der Speichermedien aus dem privaten Bereich rückstandslos zu beseitigen.
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Soweit sich die Beklagte wegen der Kündigung auf den erlassenen Strafbefehl beziehe, sei die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Absatz 2 BGB zum Zeitpunkt des Ausspruchs der dritten und vierten Kündigung (16. und 20. Mai 2011) bereits abgelaufen gewesen sei. Der Strafbefehl stamme bereits aus Februar 2011 und er sei noch im März 2011 rechtskräftig geworden. Bei der mündlichen Verhandlung in der Herausgabeklage vor dem Amtsgericht Berlin-Wedding am 10. März 2011 (Protokoll hier Blatt 236) habe die klägerische Prozessbevollmächtigte dem dortigen Prozessgegner BLw von dem erlassenen Strafbefehl berichtet und auch berichtet, dass kein Einspruch eingelegt werden solle. Davon habe auch Frau P., Leiterin der Dienststelle Ost der Beklagten, Kenntnis erlangt, da sie dem Rechtsstreit als Zuschauerin beigewohnt habe (dieser Umstand steht nicht in Streit). Der Kläger werde jetzt schon seit Jahren mit einer Vielzahl von außerordentlichen Kündigungen überzogen, obwohl sich der Sachverhalt noch nie verändert habe und die Beklagte schon zeitnah zu der ersten Akteneinsicht durch den damaligen Prozessbevollmächtigten im April 2010 vollständige Kenntnis aller kündigungsrelevanten Umstände bekommen habe. Demnach handele es sich bei den beiden hier noch streitgegenständlichen Kündigungen also um bloße Trotz- oder Wiederholungskündigungen.
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Letztlich müsse jedoch die Kündigung im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung scheitern, da der Kläger bereits seit 1986 bei der Bahn beschäftigt sei. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Beklagte durch die beiden unwirksamen Kündigungen aus Mai 2010 den Kläger rechtswidrig daran gehindert habe, sein Amt als Personalrat im Verhinderungsfalle für ordentliche Mitglieder auszuüben, wodurch er dann bei Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigungen im Mai 2011 keinen besonderen Kündigungsschutz mehr genossen habe.
- 40
Zum Vorwurf der Täuschung und des versuchten Prozessbetruges hat sich der Kläger zum Schluss nur noch darauf berufen, dass er wohl in der Aufregung nach der Hausdurchsuchung und dem folgenden jahrelangen Rechtsstreit die Identität der beiden baugleichen Festplatten verwechselt haben müsse. Bis zum Nachweis des Gegenteils durch die Beklagte im hiesigen Rechtsstreit sei er jedenfalls davon überzeugt gewesen, dass es sich bei der beschlagnahmten Festplatte um die von ihm privat erworbene Festplatte handele. Ihm fehle die Erinnerung, wann und aus welchem Anlass er die private Festplatte erworben habe.
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Der Kläger beantragt,
- 42
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13.März 2013 (1 Ca 2428/11) abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 20. Mai 2011 beendet wurde;
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2. Die Anschlussberufung zurückzuweisen.
- 44
Die Beklagte beantragt,
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1. die Berufung zurückzuweisen;
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2. im Wege der Anschlussberufung das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern, soweit das Arbeitsgericht für den Kläger entschieden habe, und auch insoweit die Klage abzuweisen.
- 47
Die Beklagte stützt die beiden Kündigungen auf den ergangenen Strafbefehl, auf die unter Verstoß gegen §§ 184b, 184c StGB gespeicherten Dateien auf dem Laptop und auf der HDD 4334 und ergänzend auch auf den Versuch des Klägers, die Beklagte und das Gericht über die Eigentumsverhältnisse an der HDD 4334 zu täuschen.
- 48
Die Beklagte meint, allein schon der gegen den Kläger erlassene Strafbefehl belaste das Arbeitsverhältnis so schwer, dass eine weitere Fortführung nicht möglich sei. Jedenfalls sei die Kündigung wegen der Zweckentfremdung der ihm zu dienstlichen Zwecken überlassenen Speichermedien gerechtfertigt. Der Kläger habe die Speichermedien zur Durchführung von Straftaten verwendet, damit komme eine weitere Zusammenarbeit nicht in Betracht. Bei der Bewertung der Pflichtverletzung sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Kläger mit nicht unbeachtlicher krimineller Energie versucht habe, über die Eigentumsverhältnisse an der HDD 4334 zu täuschen.
- 49
Auch die notwendige Interessenabwägung könne nicht zu Gunsten des Klägers ausfallen. Das Arbeitsverhältnis sei auch unabhängig von den pornographischen Neigungen des Klägers belastet gewesen und zwar zum einen wegen des fragwürdigen Versuchs des Klägers die unnötig erworbenen elektronischen Geräte vom BLw zu erwerben, als auch durch die mehr an privaten Interessen ausgerichtete Handhabung des Klägers bei der Anschaffung und der Nutzung elektronischer Geräte für die Dienststelle.
- 50
Die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Absatz 2 BGB sei gewahrt. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Arbeitgeber mit der Kündigung zuwarten dürfe, bis die strafrechtlichen Ermittlungen abgeschlossen seien. Das habe die Beklagte hier gemacht. Sie habe rechtzeitig einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt und sie sei vorschriftswidrig vom Amtsgericht nicht über den Ausgang des Verfahrens unterrichtet worden (Verstoß gegen Ziffer 16 MiStrA). Es könne ihr daher nicht angelastet werden, dass zwischen dem Erlass und der Rechtskraft des Strafbefehls einerseits und dem Ausspruch der weiteren Kündigungen andererseits noch mehrere Wochen verstrichen seien.
- 51
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 52
Das arbeitsgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage. Die Berufungen beider Parteien sind daher unbegründet.
I.
- 53
Die Anschlussberufung der Beklagten ist nicht begründet. Zurecht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Kündigung vom 16. Mai 2011 (3. Kündigung) das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat. Das Berufungsgericht macht sich die Begründung des Arbeitsgerichts ausdrücklich zu Eigen.
1.
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Ein Kündigungsgrund ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass gegen den Kläger am 23. Februar 2011 ein Strafbefehl erlassen worden ist. Der Strafbefehl stützt sich allein auf Verfehlungen des Klägers aus dem privaten Bereich ohne dienstlichen Bezug.
a)
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Aus dem Strafbefehl ergibt sich zwar eine Belastung, der das Arbeitsverhältnis dadurch ausgesetzt ist, dass der Kläger – ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes – einen Strafbefehl wegen strafbarer Vergehen außerhalb des Arbeitsverhältnisses erhalten hat. Das reicht für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wegen fehlender persönlicher Eignung für den öffentlichen Dienst allerdings nicht aus. Die Beklagte darf zwar vom Kläger als Angehörigem des öffentlichen Dienstes erwarten, dass er sich auch im privaten Bereich so benimmt, dass aus dem Privatleben keine Belastung des Ansehens des öffentlichen Dienstes zu besorgen ist. Dabei gelten allerdings keine starren Maßstäbe. Vielmehr richtet sich das Maß der notwendigen Rücksichtnahme auf die Interessen des öffentlichen Dienstes nach der Stellung des Beschäftigten im öffentlichen Dienst (BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 583/12 – NJW 2014, 244 = DB 2013, 2749). Insoweit hat das Arbeitsgericht vorliegend zutreffend eine relevante Belastung des Arbeitsverhältnisses verneint. Maßgebend ist, dass der Kläger weder hoheitliche Befugnisse hatte noch überhaupt mit der Erfüllung öffentlichen Aufgaben im engeren Sinne betraut war. Dass er seine Aufgabe überhaupt als Mitglied des öffentlichen Dienstes versehen hatte, hängt nur mit dem Charakter des BLw als Betriebliche Sozialeinrichtung zusammen und dem Interesse der Beklagten über die Gestellung des hauptamtlichen Geschäftsführers die für die Verwendung öffentlicher Mittel notwendige Kontrolle ausüben zu können.
b)
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Die Vorstellung der Beklagten, mit den Taten, die dem Strafbefehl zu Grunde liegen, habe der Kläger auch seine Pflichten aus § 6 des Tarifvertrages für die Angestellten des Bundeseisenbahnvermögens (AnTV BEV – kopierte Auszüge aus dem AnTV hier Blatt 147 ff) in Verbindung mit der Arbeitsordnung für Angestellte (Anlage 4 zu dem TV) in einem solchen Maße verletzt, dass dies eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könne, trifft nicht zu. Ähnlich wie es § 8 BAT vorsieht, sieht der Tarifvertrag insoweit vor, dass sich der Angestellte so zu verhalten habe, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werde. Auch insoweit gelten jedoch keine starren Maßstäbe. Das, was vom Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erwartet wird, hängt von seinen Befugnissen und von seiner konkreten Arbeitsaufgabe ab, an Arbeitnehmer mit hoheitlichen Befugnissen sind beispielsweise strengere Maßstäbe anzulegen als an andere Angehörige des öffentlichen Dienstes ohne hoheitliche Befugnisse (BAG 20. Juni 2013 aaO).
- 57
Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger durch sein außerdienstliches Verhalten, das dem Strafbefehl zu Grunde liegt, seine Pflichten aus § 6 AnTV nicht verletzt hat. Da der Kläger weder hoheitliche Befugnisse hat noch überhaupt an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben im engeren Sinne beteiligt war, dürfen die Anforderungen an die Pflichten aus § 6 AnTV nicht überspannt werden. Zusätzlich ist zu beachten, dass sich das Fehlverhalten des Klägers auf einen sehr privaten intimen Lebensbereich der Person bezieht, in den grundsätzlich arbeitsvertragliche Pflichten nicht hineinreichen können. – Selbst wenn man aber hilfsweise annimmt, dass der Kläger seine Pflichten aus § 6 AnTV allein schon dadurch verletzt hat, dass er sich überhaupt strafbar gemacht hat, würde Art und Ausmaß dieser Pflichtverletzung noch keinen wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB darstellen. Bei allem Verständnis für die Abscheu, die das Vergehen des Klägers auslöst, muss betont werden, dass eine nachhaltige Beeinträchtigung der Beklagten durch das außerdienstliche Verhalten nicht ersichtlich ist.
2.
- 58
Die Kündigung lässt sich auch nicht auf den Umstand stützen, dass auf der Festplatte der Beklagten (HDD 4334) eine Videodatei abgespeichert ist, die entweder Kinder- oder Jugendpornographie beinhaltet.
a)
- 59
Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die im Rahmen der Anschlussberufung streitige 3. Kündigung vom 16. Mai 2011 wirksam wäre, wenn man dem Kläger nachweisen könnte, dass er sich die auf der HDD 4334 aufgefundene Videodatei mit kinder- oder jugendpornographischem Inhalt selber verschafft hat.
- 60
Das Gericht hat die Videodatei zwar nicht selbst in Augenschein genommen. Das war jedoch auch nicht erforderlich. Die Beklagte hat im Rechtsstreit ausreichend deutlich vorgetragen, was in dem Video zu sehen ist (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 10. August 2011 Seite 12, hier Blatt 96) und hat dem Kläger sogar noch im Rahmen seiner Anhörung vom Landeskriminalamt gefertigte Standbilder aus dem Video zur besseren Beurteilung zur Verfügung gestellt. Dem ist der Kläger vor und während des Rechtsstreits allein mit der – später aufgegebenen – Behauptung entgegen getreten, die von der Polizei beschlagnahmte Festplatte sei seine private gewesen. Damit gilt der Parteivortrag der Beklagten über den Inhalt der Videodatei als zugestanden. Damit steht für das Gericht fest, dass die Videodatei kinder- oder jugendpornographische Bildsequenzen beinhaltet.
- 61
Der- oder diejenige, die die Videodatei auf die Festplatte aufgespielt hat, hat diese Datei in Besitz genommen im Sinne von §§ 184b, 184c StGB. Damit ist die dienstliche Festplatte der Beklagten (HDD 4334) zur Durchführung einer Straftat verwendet worden. Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht davon aus, dass dies ein Umstand ist, der an sich den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 BGB erlaubt.
b)
- 62
Die Kündigung lässt sich jedoch nicht auf diesen Grund stützen, da der Beklagten der Nachweis nicht gelungen ist, dass der Kläger die fragliche Datei auf die Festplatte aufgespielt hat, was dieser stets bestritten hat.
- 63
Zum Tatnachweis fehlt es an dem ständigen Gewahrsam des Klägers an der Festplatte. Vielmehr hatten auch weitere Personen Zugriffsmöglichkeit auf die Festplatte. Da die beiden Damen W. während der urlaubsbedingten Abwesenheit des Klägers Ende September und Anfang Oktober 2009 Zugang zu der Wohnung des Klägers hatten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese die fragliche Datei während dieser Zeit auf die Festplatte aufgespielt haben. Ein solches Vorgehen mag zwar fern liegen, kann aber nicht als bloße Schutzbehauptung abgetan werden, da die Umstände unter denen sich die beiden Damen Kenntnis von dem Inhalt der Kisten im Keller der Wohnung verschafft haben, darauf hindeuten, dass diese auch gezielt gegen den Kläger vorgegangen sein könnten.
- 64
Im Übrigen ist nach der Korrektur des Sachvortrags des Klägers zu den Eigentumsverhältnissen an der beschlagnahmten Festplatte inzwischen auch streitig, ob dem Kläger – unterstellt, er habe das Video aufgespielt – klar war, dass er das Video auf einer dienstlichen Festplatte abspeichere.
II.
- 65
Die klägerische Berufung ist ebenfalls nicht begründet. Zurecht hat das Arbeitsgericht die Klage wegen der Verdachtskündigung vom 20. Mai 2011 (4. Kündigung) abgewiesen. Diese Kündigung ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 20. Mai 2011 beendet.
1.
- 66
Die Kündigung ist als außerordentliche Verdachtskündigung wirksam, da der dringende Verdacht besteht, dass der Kläger die Videodatei mit kinder- oder jugendpornographischem Inhalt auf die dienstliche Festplatte HDD 4334 aufgespielt hat und sich damit den Besitz an dieser „Schrift“ im strafrechtlichen Sinne verschafft hat.
- 67
Die Festplatte HDD 4334 war von ihrem Kauf im Juli 2009 bis zu ihrer Beschlagnahme Anfang Oktober 2009 nahezu im ausschließlichen Besitz des Klägers. Selbst nach seinem eigenen Vortrag hatte er diese Festplatte immer entweder bei sich zu Hause oder in seiner Aktentasche. Wenn er sie im Büro benutzt hatte, hatte er sie nicht dort liegen lassen, sondern wieder mit sich genommen. Damit muss man eigentlich davon ausgehen, dass alle Dateien, die sich zum Zeitpunkt der Beschlagnahme auf der Festplatte befunden haben, vom Kläger dort abgespeichert worden sein müssen. Allerdings hätten theoretisch auch die beiden Mitarbeiterinnen des Klägers beim BLw, Mutter und Tochter W., die Möglichkeit gehabt, Dateien auf die Festplatte aufzuspielen, weil sie sich während des Urlaubs des Klägers Ende September 2009 und Anfang Oktober 2009 Zugang zu seiner Wohnung verschafft hatten und sie dort nicht nur Blumen gegossen, sondern auch die persönlichen Verhältnisse des Klägers ausspioniert hatten.
- 68
Trotz der objektiv gegebenen Möglichkeit, dass die Datei auch durch andere aufgespielt worden sein könnte, bleibt ein dringender Verdacht, dass diese vom Kläger selbst aufgespielt wurde. Zum einen hat der Kläger eine auch von ihm eingeräumte Neigung, Bild- und Videodateien sexuellen Inhalts zu sammeln. Zum andere muss das Gericht aufgrund des Strafbefehls auch davon ausgehen, dass diese Neigung auch Dateien mit kinderpornographischen Szenen einschließt. Der Kläger hat zwar hier im Rechtsstreit vorgetragen, er sei nur deshalb nicht gegen den Strafbefehl vorgegangen, weil er befürchte, durch eine mündliche Verhandlung zu dem Gegenstand noch mehr an Reputation zu verlieren, auch wenn er freigesprochen werden sollte. Damit hat er aber noch nicht substantiiert zu den Vorwürfen aus dem Strafbefehl Stellung genommen, obwohl sie Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung waren. Der Vortrag der Beklagten, man habe beim Kläger kinderpornographische Dateien gefunden, gilt daher prozessual als nicht bestritten (§ 138 Absatz 4 ZPO).
- 69
Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht davon aus, das damit ausreichende Verdachtsmomente gegen den Kläger vorliegen.
2.
- 70
Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Vorkommnisse eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen.
a)
- 71
Die Verwendung dienstlich angeschaffter Geräte zur Begehung von Straftaten ist an sich geeignet eine Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Das trifft auch auf den vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu. Auf die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen.
- 72
Die Verwendung der Festplatte HDD 4334 zur Speicherung von strafrechtlich verbotenen Filmaufnahmen mit kinder- oder jugendpornographischem Inhalt wiegt schwer, denn die Festplatte ist mindestens zu einem Teil aus Steuermitteln angeschafft worden. Rein formal hat die Festplatte zwar der BLw (und nicht die Beklagte) bezahlt. Als anerkannte Sozialeinrichtung der Bahn muss der BLw allerdings nicht kostendeckend wirtschaften, sondern lebt auch von der direkten und indirekten Bezuschussung durch das Bundeseisenbahnvermögen.
- 73
Der Kläger kann nicht mit dem Argument gehört werden, in seiner Stellung als Geschäftsführer des BLw sei es ihm erlaubt gewesen, dienstliche Geräte auch privat zu verwenden. Einen entsprechenden Nachweis ist er schuldig geblieben. Denn während es für die private Mitbenutzung des Mobiltelefons ausdrückliche und unstreitige Absprachen gab, nach denen der Kläger monatlich 20 Euro (zuletzt sogar mehr) an den BLw bezahlt hat, fehlt eine entsprechende Abrede für die private Nutzung der dienstlichen Festplatte. Die Argumentation des Klägers, diese monatliche Kostenbeteiligung habe zum Schluss nicht nur das Telefon sondern auch die Festplatte und den Laptop umfasst, kann nur als Notlüge bezeichnet werden. Denn nach dem letzten Stand des Parteivortrages wusste er gar nicht, dass er – wohl aus Versehen – die dienstliche Festplatte zu privaten Zwecken verwendet hatte. Wenn ihm aber gar nicht klar war, dass er eine dienstliche Festplatte privat nutzt, fällt es schwer anzunehmen, es gäbe dazu eine rechtsgeschäftliche Absprache. Zudem hat der Kläger nicht dargelegt, mit wem er die private Nutzung der dienstlichen Festplatte abgesprochen haben will.
- 74
Da die ungewöhnliche Konstruktion der Gestellung des Geschäftsführers des BLw durch die Beklagte in erster Linie sicherstellen soll, dass die eingesetzten öffentlichen Gelder beim BLw auch entsprechend der Zwecke der Sozialeinrichtung und unter Berücksichtigung des Grundsatzes des sparsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln verwendet werden, wiegt das Vergehen des Klägers besonders schwer. Denn der Kläger hat damit selbst öffentliche Gelder missbräuchlich eingesetzt, wo er gerade dazu eingesetzt war, solchen Missbrauch zu verhindern.
b)
- 75
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zwar die lange Dienstzugehörigkeit des Klägers zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Zu seinen Lasten ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung im Mai 2011 auch noch durch andere Vorfälle belastet war.
aa)
- 76
Neben dem hier als Grund zur Kündigung stehenden Missbrauch der dienstlichen Festplatte zum Abspeichern einer verbotenen Videodatei hat der Kläger das Arbeitsverhältnis auch durch die Umstände, die zu dem Strafbefehl geführt haben, belastet. Diese Belastung, deren Einzelheiten oben beschrieben und bewertet wurden, reicht zwar für sich als Kündigungsgrund nicht aus, sie muss aber im Rahmen der Interessenabwägung zu Lasten des Klägers Berücksichtigung finden.
bb)
- 77
Im Weiteren war das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der hier streitigen Kündigungen auch durch die nicht allein an dienstlichen Interessen orientierte Anschaffungspolitik bezüglich elektronischer Geräte beim BLw Bezirk B-Stadt belastet, wobei diese Belastung sich noch dadurch verschlimmert hat, dass der Kläger dann noch durch ein zweifelhaftes Rechtsgeschäft versucht hatte, sich die wohl unnötig angeschafften elektronischen Geräte vom BLw übereignen zu lassen.
cc)
- 78
Letztlich war das Arbeitsverhältnis auch noch dadurch schwer belastet, dass der Kläger im Rahmen der Anhörung zu der hier streitigen Kündigung die Beklagte über die Eigentumsverhältnisse an der beschlagnahmten Festplatte HDD 4334 belogen hat.
- 79
Nach den Recherchen der Beklagten zu der Herkunft der beiden Festplatten der Marke FUJITSU-Siemens Storagebird (1,5 TB) und dem Zugeständnis des Klägers steht inzwischen fest, dass die klägerischen Beteuerungen aus seiner Stellungnahme zur Kündigungsabsicht der Beklagten vom 12. Mai 2011, die beschlagnahmte Festplatte sei seine privat gewesen, objektiv falsch war. Aufgrund der Umstände muss das Gericht davon ausgehen, dass der Kläger sich wissentlich falsch eingelassen hat.
- 80
Der Kläger hat bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte mit Hilfe der Angaben des Händlers und des Herstellers der Festplatte HDD 4334 das Gegenteil beweisen konnte, mit einer Überzeugungskraft, die Zweifel keinen Platz gelassen hat, die Behauptung aufgestellt, bei der beschlagnahmten Festplatte handele es sich um seine privat erworbene Festplatte diesen Typs. Nach Aufdeckung dieser falschen Einlassung hat sich der Kläger auf die Aussage zurückgezogen, dann müsse er eben die beiden Festplatten verwechselt haben. Das ist unglaubwürdig und muss als Schutzbehauptung gewertet werden. Da die private Festplatte des Klägers (HDD 4374) erst im September 2009 produziert worden ist und danach erst in den Fachhandel gelangt sein kann, drängt sich vielmehr die Vermutung auf, dass der Kläger diese Festplatte nach der Beschlagnahme der dienstlichen Festplatte überhaupt erst erworben hat, um dann mit ihr den scheinbaren Beweis zu führen, dass die beschlagnahmte Festplatte seine private gewesen sei.
- 81
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass er sich die baugleiche Festplatte aufgrund seiner ausgeprägten Technik-Affinität zunächst arglos angeschafft hat, hat er in Zusammenhang mit der Fokussierung seines Parteivortrages auf das Argument, die beschlagnahmte Festplatte sei seine privat erworbene, seine Arglosigkeit verloren. Denn jeder andere in der Position des Klägers hätte vor einer dahin gehenden Einlassung kurz nochmals den Inhalt der Festplatte geprüft, die sich noch in seinem Besitz befindet. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass auch der Kläger dies gemacht hat. Dabei hätte der Kläger erkennen können, dass sich die verdächtige Videodatei, deren Existenz der Kläger nicht in Frage gestellt hat, nicht auf der in seinem Besitz befindlichen Festplatte zu finden ist. Das hätte jeden anderen in der Position des Klägers dazu veranlasst, darüber nachzudenken, ob die verdächtige Videodatei nicht vielleicht doch auf der zuerst erworbenen und später dann beschlagnahmten Festplatte befunden haben könnte, nämlich der dienstlich erworbenen HDD 4334.
- 82
Da der Kläger sich, wie auch seine Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht ergeben hat, ansonsten aus dem Kopf sehr gut an seine unterschiedlichsten externen Festplatten erinnern und diese unterscheiden kann, ist es eigenartig, dass er nur die beiden baugleichen hier interessierenden Festplatten verwechselt haben will. Im Weiteren fällt auf, dass sich der Kläger zu dem Zweck der Anschaffung der privaten Festplatte (HDD 4374) nicht weiter einlassen konnte; er hat sogar vorgetragen, den Zeitpunkt des Kaufes nicht mehr zu erinnern. Auch konnte er zum routinemäßigen Gebrauch und Einsatz dieser privaten Festplatte bei sich nichts weiter vortragen. Das ist insgesamt lebensfremd und nicht nachvollziehbar. Das Schweigen des Klägers dazu wird vom Gericht vielmehr als stilles Einverständnis mit dem Vortrag der Beklagten gewertet.
- 83
Letztlich spricht für den Vorsatz des Klägers bei seinem falschen Parteivortrag auch noch der Umstand, dass die Eigentumsverhältnisse an der beschlagnahmten Festplatte für die Wirksamkeit der Kündigung von ausschlaggebender Bedeutung waren. Das ergibt sich aus den obigen Ausführungen zum Kündigungsgrund, auf die insoweit verwiesen wird.
- 84
Der Kläger war im Übrigen zu dem Zeitpunkt seines Parteivortrages im Mai 2011 der einzige, der wusste, dass es zwei baugleiche Festplatten gibt, von denen auf einer die verdächtige Datei abgespeichert ist und von denen eben nur eine die privat erworbene Festplatte sein konnte. Wenn er in einer solchen Situation, die ja tatsächlich verwechslungsträchtig ist, mit dem Brustton vollster Überzeugung davon spricht, die beschlagnahmte Festplatte sei seine private, handelt er entweder vorsätzlich, oder er bezieht sein Wissen aus Unterscheidungsmerkmalen der Platten, die er nicht in den Rechtsstreit eingeführt hat. Das Ergebnis bleibt dasselbe. Der Kläger hat, obwohl sich ihm die Zweifel eigentlich förmlich hätten aufdrängen müssen, in der Anhörung im Mai 2011 – und im Übrigen kurz nach Ausspruch der Kündigung auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht im Vorprozess im Juni 2011 – bei seinem Vortrag zu den Eigentumsverhältnissen an der beschlagnahmten Festplatte für Zweifel keinen Raum gelassen. Auch das ist eine vorsätzlich falsche Einlassung.
- 85
Die falsche Einlassung wirkt schwer, da sie in der Tat geeignet gewesen wäre, das Obsiegen im Kündigungsschutzprozess herbeizuführen. Mit der bereits im Mai 2011 bei der Anhörung angelegten Argumentation wäre die Beklagte später also auf falscher Tatsachenbasis durch das Gericht gezwungen worden, dem Kläger weiter Lohn und Brot zu bieten. Daher hat diese Täuschung schon das Gewicht eines Betruges zu Lasten der Beklagten mit erheblichsten finanziellen Auswirkungen. Das Gericht hält diesen Aspekt für so gewichtig, dass bereits dies allein eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätte. Die Verwertung dieses Sachverhaltsaspekts im vorliegenden Kündigungsrechtsstreit ist einschränkungslos möglich, da das Täuschungsmanöver des Klägers vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vollzogen wurde und auch der Personalrat noch nachträglich zu diesem Aspekt der Kündigung angehört wurde.
3.
- 86
Die Kündigung ist nicht außerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Absatz 2 BGB erklärt worden.
- 87
Die Frist nach § 626 Absatz 2 BGB beginnt in dem Moment zu laufen, in dem die kündigungsberechtigte Person ausreichende Kenntnisse von dem Kündigungsgrund hat. Da bei einer Verdachtskündigung die Anhörung des Betroffenen unabdingbar ist, kann bei einer solchen Kündigungsart die Kündigungserklärungsfrist im Regelfall nicht vor der abschließenden Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zu laufen beginnen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12. Mai 2011 (Anlage K 6, hier Blatt 12 ff) zu den gegen ihn bestehenden Verdachtsmomenten Stellung genommen. Gemessen an diesem Datum war die Kündigungserklärungsfrist bei Zugang der Kündigung am 20. Mai 2011 noch nicht abgelaufen.
- 88
In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass ein Arbeitgeber, der zwar Hinweise auf einen Kündigungsgrund hat, diesen Hinweisen aber nicht ernsthaft und zügig nachgeht, gegebenenfalls so zu behandeln ist, als ob die Kündigungserklärungsfrist bereits mit Kenntnis der ersten Verdachtsmomente zu laufen begonnen habe. Aber selbst unter Anwendung dieser Rechtsprechung scheitert die Kündigung nicht an § 626 Absatz 2 BGB.
- 89
Erste Verdachtsmomente gegen den Kläger ergaben sich schon nach der Durchsuchung seiner Wohnung und der Beschlagnahme von verdächtigen Materialien Anfang Oktober 2009, von der die Beklagte bereits zeitnah Kenntnis erlangt hatte. Insoweit war die Beklagte aber nicht gehalten, eigene Ermittlungen zu eröffnen, da ihr bekannt war, dass Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Der Arbeitgeber darf solche staatlichen Untersuchungen abwarten, ohne Gefahr zu laufen, das Kündigungsrecht wegen § 626 Absatz 2 BGB zu verlieren. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden durch den Strafbefehl vom 23. Februar 2011 abgeschlossen, der am 19. März 2011 rechtskräftig geworden war. Zuverlässige Kenntnis von dem Strafbefehl hat die Beklagte in Person von Frau P., Leiterin der Dienststelle Ost, erst durch den Bericht ihrer Prozessbevollmächtigten über die Anfang Mai 2011 erfolgte Einsicht in die Ermittlungsakte am 4. Mai 2011 erlangt. Von diesem Zeitpunkt an hat die Beklagte zügig und ohne nicht erklärbaren Verzug die notwendigen weiteren Schritte eingeleitet, so dass man ihr nicht vorhalten kann, sie habe die Aufklärung nur halbherzig oder zögerlich betrieben.
- 90
Vor dem 4. Mai 2011 hatte die Beklagte keine zuverlässige Kenntnis von dem Strafbefehl gegen den Kläger. Insbesondere die Mitteilung des Klägers bzw. seiner Prozessbevollmächtigten aus Anlass des Herausgaberechtsstreits vor dem Amtsgericht Berlin-Wedding am 10. März 2011 hat diese Kenntnis nicht mit der notwendigen Sicherheit vermittelt, denn es hatte sich nur um eine mündliche Mitteilung ohne Vorlage von Dokumenten gehandelt. Aus ihr konnte die Beklagte noch nicht schließen, auf welche Feststellungen der Strafbefehl gründet. Außerdem war der Strafbefehl zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig, so dass sich die Beklagte nicht auf das Wort des Klägers verlassen konnte, man werde keinen Einspruch einlegen.
- 91
Die notwendige Kenntnis von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konnten erst Recht nicht durch die erste Akteneinsicht durch die früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten im April 2010 vermittelt werden. Das zeigt schon ein Blick auf den Vorprozess, den der Kläger letztlich gewonnen hat, weil sich herausgestellt hat, dass die Ermittlungen seinerzeit noch gar nicht abgeschlossen waren und die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen gerade noch ausgestanden hatte. Seinerzeit war lediglich der Sachverhalt durch die örtliche Polizei unter Mithilfe des LKA soweit aufgeklärt, dass er einer abschließenden strafrechtlichen Würdigung durch die Staatsanwaltschaft zugeführt werden konnte. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber in einem solch heiklen Fall keine eigenen Bewertungen vornimmt, sondern die Bewertung der Fakten durch die Fachleute bei den Ermittlungsbehörden abwartet. Dass die abschließende Bewertung aufgrund des teilweisen Verzichts auf die Strafverfolgung für das Erkenntnisinteresse der Beklagten herzlich wenig erbracht hat, war nicht vorauszusehen und rechtfertigt daher eine andere Bewertung des Zuwartens der Beklagten nicht.
4.
- 92
Selbstverständlich hat die Beklagte ihr Recht, dem Kläger wegen der Videodatei auf der Festplatte HDD 4334 zu kündigen, auch nicht durch die ersten Kündigungsversuche im Frühjahr 2010 verloren. Beide Kündigungen sind an formalen Problemen der Beteiligung der Personalvertretung gescheitert, so dass eine arbeitsgerichtliche Bewertung des Sachverhalts noch gar nicht vorliegt. Einer erneuten Kündigung steht daher der Rechtsgedanke der Trotz- oder Wiederholungskündigung nicht entgegen.
5.
- 93
Die Kündigung ist auch nicht wegen § 79 Absatz 4 BPersVG unwirksam. Die Beklagte hat die Personalvertretung umfassend über den Kündigungsgrund unterrichtet und die Kündigung ist auch nicht vor Abschluss des Beteiligungsverfahrens ausgesprochen worden. Es kann dahinstehen, ob der stellvertretende Vorsitzende des Personalrats zuständig war, die Beklagte über den Ausgang der Beratungen zu der Kündigung zu unterrichten. Denn selbst wenn er nicht die zuständige Vertretungsperson für den Personalrat gewesen sein sollte, hatte er doch der Beklagten die Kenntnis der Beschlusslage zuverlässig vermittelt, so dass diese nicht bis zum Eingreifen der Zustimmungsfiktion nach § 79 Absatz 3 BPersVG zuzuwarten brauchte (so zutreffend BAG 16. September 2004 – 2 AZR 511/03 – AP Nr. 142 zu § 102 BetrVG 1972 zu der mit § 79 Absatz 3 BPersVG vergleichbaren Rechtslage nach § 102 BetrVG). Außerdem hat der insoweit beweisbelastete Kläger keine Tatsachen in den Rechtsstreit eingeführt, aus denen das Gericht schließen könnte, der stellvertretende Vorsitzende sei für die Unterrichtung der Beklagten über die Beschlusslage nicht zuständig gewesen.
III.
- 94
Da beide Berufungen ohne Erfolg geblieben sind, hat jede Partei die Kosten ihrer Berufung zu tragen (§ 97 ZPO). Bei der sich daraus ergebenden Quotelung der Kosten hat das Gericht die Anschlussberufung der Beklagten wegen der 3. Kündigung vom 16. Mai 2011 wegen der kurz darauf erfolgten 4. Kündigung mit nur einem Bruttomonatslohn bewertet. Die klägerische Berufung hat dagegen den vollen Wert einer Kündigungsschutzklage (3 Bruttomonatsgehälter), da um den weiteren unbegrenzten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestritten wurde. Daraus ergibt sich die ausgesprochene Kostenquote von 1/4 zu 3/4 zu Lasten des Klägers.
- 95
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.
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- BPersVG § 79 3x
- 2 AZR 511/03 1x (nicht zugeordnet)
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- 1 Ca 2428/11 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- BPersVG § 47 1x
- 126 Js 29320/09 1x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
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