Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Berufungskammer) - 2 Sa 84/18
Tenor
1. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 30. April 2018 (1 Ca 1329/17) in Hinblick auf die geänderte Antragstellung in den Punkten 1 und 2 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Zulage für die Monate Juli 2017 bis Juni 2018 in Höhe von insgesamt 2.328 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 194 Euro seit dem 01.08.2017, 194 Euro seit dem 01.09.2017, 194 Euro seit dem 01.10.2017, 194 Euro seit dem 01.11.2017, 194 Euro seit dem 01.12.2017, 194 Euro seit dem 01.01.2018, 194 Euro seit dem 01.02.2018, 194 Euro seit dem 01.03.2018, 194 Euro seit dem 01.04.2018, 194 Euro seit dem 01.05.2018, 194 Euro seit 01.06.2018, 194 Euro seit dem 01.07.2018 zu zahlen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um eine tarifvertragliche Ausgleichszulage nach Versetzung und Herabgruppierung in Folge einer betrieblichen Reorganisation.
- 2
Die konzerneingebundene Beklagte hat im Bereich der Hansestadt die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung betrieben. Im Betrieb waren im Streitzeitraum rund 400 Arbeitnehmer beschäftigt.
- 3
Der 1964 geborene Kläger ist bei der Beklagten unter Berücksichtigung von arbeitsvertraglich anerkannten Beschäftigungszeiten bei Vorarbeitgebern seit Mai 1990 beschäftigt. Nach dem insoweit heute noch maßgeblichen Anstellungsvertrag vom 8. April 1994 finden auf das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Bindungsklausel die jeweils geltenden Bestimmungen des Manteltarifvertrages Anwendung. Damit verweist der Arbeitsvertrag auf einen Manteltarifvertrag, den die Konzernobergesellschaft der Beklagten mit der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie als Konzerntarifvertrag zuletzt in der Fassung mit Gültigkeit ab Januar 2016 abgeschlossen hat (im Folgenden abgekürzt mit MTV bezeichnet). Die Vergütung erfolgt nach dem in demselben Rahmen verabredeten Vergütungstarifvertrag.
- 4
Der Kläger war bei der Beklagten ursprünglich als gewerblicher Arbeitnehmer eingestellt worden ("Rohrleger II"). Er ist im Laufe der Jahre innerbetrieblich aufgestiegen. Vor der hier streitigen Reorganisationsmaßnahme war der Kläger zuletzt Leiter des Sachgebiets Technischer Kundenservice. Dieses Sachgebiet war – neben einem weiteren Sachgebiet – für die Bewirtschaftung der von der Beklagten eingesetzten Wasserzähler an den Verbrauchsstellen zuständig.
- 5
Der Streit der Parteien steht in einem Zusammenhang mit einer von der Beklagten im Mai bzw. Juni 2016 beschlossenen und im Laufe des Jahres 2017 umgesetzten Reorganisation der Bewirtschaftung der von der Beklagten eingesetzten Wasserzähler an den Verbrauchsstellen. Im Zuge dieser Maßnahme hat der Kläger seinen bisherigen Arbeitsplatz verloren und wird nunmehr nur noch als Vorarbeiter und stellvertretender Sachgebietsleiter beschäftigt.
- 6
Bis zu der Reorganisation waren für die Bewirtschaftung der Wasserzähler zwei Sachgebiete zuständig. Beide Sachgebiete waren in den Organisationsbereich Kundenservice (KS) eingegliedert. Beide Sachgebiete waren örtlich angesiedelt auf dem Betriebsgelände an der Kläranlage in B..
- 7
Das größere der beiden Sachgebiete (Sachgebiet Wasserzählerbewirtschaftung – KS W) war für die Bewirtschaftung der sogenannten Hauswasserzähler zuständig, also der Wasserzähler, mit denen der Wasserverbrauch in Wohnungen und zu Wohnzwecken genutzten Häusern gemessen wird. Diese Wasserzähler kommen auch im gewerblichen Bereich zum Einsatz, wenn sich der dortige Wasserverbrauch im Rahmen hält. Leiter dieses Sachgebiets war seinerzeit Herr K.. Ihm unterstanden sechs Arbeitnehmer.
- 8
Das kleinere der beiden Sachgebiete (Sachgebiet Technischer Kundenservice – KS T) war für die Bewirtschaftung der Verbrauchsmessgeräte, die bei Großabnehmern eingesetzt werden, zuständig. Leiter dieses Sachgebiets war der Kläger. Ihm unterstanden zwei weitere Arbeitnehmer.
- 9
Das Alltagsgeschäft der Zählerbewirtschaftung besteht darin, die an den Verbrauchsstellen eingesetzten Wasserzähler routinemäßig (kalendergesteuert) auf ihre Funktionstüchtigkeit zu überprüfen und die notwendigen Eichungen der eingesetzten Messgeräte vorzunehmen und zu überwachen. In diesem Zusammenhang kommt es zu einem regelmäßigen Austausch, der bei den Kunden eingesetzten Verbrauchsmessgeräte. Zusätzlich sind diese und vergleichbare Arbeiten vorzunehmen, wenn Kunden Handlungsbedarf anmelden oder aus vergleichbaren Gründen, die Messgeräte an den Verbrauchsstellen außerplanmäßig kontrolliert werden müssen (Havarie, Beschädigungen, Undichtigkeiten und Ähnliches). Letztlich gehört zum Alltagsgeschäft auch noch die Installation und Deinstallation von sogenannten Standrohren, die bei einem nur vorübergehenden Bedarf des Kunden zum Einsatz kommen (beispielsweise Baustellenwasser oder Wasserzapfstellen auf Festwiesen).
- 10
Die in den beiden Sachgebieten eingesetzten operativ tätigen Arbeitnehmer treffen sich morgens am Sitz der Sachgebiete (seinerzeit Kläranlage B.), nehmen dort ihre Tagesaufträge an und erledigen diese dann mit Hilfe der betrieblichen Fahrzeuge. Wasserzähler, die im Laufe des Tages verbaut werden müssen, wurden vor der Reorganisation dem kleineren Zwischenlager entnommen, das auf dem Betriebsgelände der Kläranlage eingerichtet war. Die beim Kunden ausgebauten Wasserzähler wurden zum Feierabend hin in das Zwischenlager verbracht. Die operativ eingesetzten Arbeitnehmer nehmen im Laufe des Tages gelegentlich auch Bargeld der Kunden in Empfang, beispielsweise von Kunden, die für vorübergehende Zwecke ein Standrohr aufgestellt bekommen haben. Dieses Geld wird zum Feierabend hin im Bereich Kundenservice abgegeben, der sich mit seinen dafür zuständigen Stellen ebenfalls auf dem Betriebsgelände der Kläranlage in B. befindet.
- 11
Da sich das Hauptlager für die Wasserzähler auf dem Gelände des Wasserwerks in der Nähe des Hauptbahnhofs befindet, gab es vor der Reorganisation einen regelmäßigen Fahrdienst zum Gerätetransport zwischen dem Hauptlager am Wasserwerk und dem Zwischenlager an der Kläranlage. Dafür war einer der dem Kläger zugeordneten Mitarbeiter sachgebietsübergreifend zuständig, der zusätzlich als sachgebietsübergreifende Sonderzuständigkeit, den in beiden Sachgebieten eingesetzten Fuhrpark betreut hatte (beispielsweise die Abwicklung von Reparaturen sowie die Überwachung der Termine für die Hauptuntersuchung und die Inspektionen).
- 12
Als Sachgebietsleiter hatte der Kläger in der alten Struktur – umgangssprachlich ausgedrückt – einen Bürojob. Er hat die ihm unterstellten Mitarbeiter angeleitet und eingeteilt. Er hat einen Kalender geführt, damit die zeitgesteuerten Kontrollen und Wartungen der Messgeräte rechtzeitig eingeplant und durchgeführt werden. Außerdem war er zuständig für die Einhaltung der Eichfristen und den Dialog mit dem Eichamt. Zusätzlich war er für das dem Sachgebiet zugeteilte Budget verantwortlich. Letztlich war er auch zuständig für die Materiallogistik, er musste also dafür sorgen, dass den ihm unterstellten Mitarbeitern zum richtigen Zeitpunkt im erforderlichen Umfang neue Wasserzähler und andere benötigte Materialen zur Verfügung standen. Operativ tätig war er in der seinerzeitigen Stellung nicht. Der Kläger war vor der Veränderung als Leiter des alten Sachgebiets Technischer Kundenservice (KS T) tariflich eingruppiert in die Vergütungsgruppe IX (Stufe 7) des den MTV ergänzenden Vergütungstarifvertrages.
- 13
Die Reorganisation der Bewirtschaftung der Wasserzähler ist in Zusammenarbeit mit einer externen Unternehmensberatung geplant und umgesetzt worden. Das von der Beklagten in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung aufgesetzte Projekt nennt sich OPTIMAL. Das Ziel des Projekts ist die "Optimierung der Technischen und Kaufmännischen Bereiche" der Beklagten. Darüber verhält sich ein Satz PowerPoint-Folien, von denen der Kläger das Deckblatt und die Folie von Seite 43 vorgelegt hat (Anlage K 11, hier Blatt 25 f, es wird Bezug genommen). Die geplante Reorganisation im Bereich der Zählerbewirtschaftung wird dort wörtlich wie folgt beschrieben:
- 14
"– Bereich KS T und KS W werden unter einer Führungskraft zusammengefasst
– Die Führung des Bereichs wird Hr. K. übernehmen
– Parallel zeitgleich hierzu wird der gesamte Bereich (KS T und KS W) räumlich von der ZKA … in das WW … verlagert
–
– Fr. Z. wird als Stabsstelle von Hr. K. die Planung und Dokumentation beider Bereiche übernehmen und ebenfalls örtlich im WW … tätig sein.
– …"
- 15
Im Mai bzw. Juni 2016 hat sich die Beklagte in Umsetzung dieser Planung entschieden, das Sachgebiet Technischer Kundenservice (KS T) mit dem Sachgebiet Wasserzählerbewirtschaftung (KS W) unter der neuen einheitlichen Bezeichnung Zählermanagement zusammenzulegen. Dieses neue Sachgebiet ist im Zuge der Veränderungen aus dem Bereich Kundenservice ausgegliedert und dem Bereich Zentraldienste angegliedert worden.
- 16
In der mündlichen Verhandlung hat die Personalleiterin der Beklagten erklärt, in dem Bereich Zentraldienste seien die technisch geprägten Sachgebiete zusammengefasst, also all die Sachgebiete, die – bildhaft gesprochen – für das zuständig sind, was sich "unter der Erde" abspielt. Ergänzend hat sie ausgeführt, die Angliederung des Sachbereichs Zählermanagement habe es nicht erforderlich gemacht, Veränderungen in der Führung dieses Bereichs vorzunehmen. Dieser Bereich hat vor der Veränderung rund 70 Arbeitnehmer umfasst. Er war früher in drei Meisterbereiche aufgeteilt, nach der Veränderung umfasst er vier Meisterbereiche.
- 17
Das neue Sachgebiet Zählermanagement umfasst die Arbeitnehmer der bisherigen Sachgebiete Wasserzählerbewirtschaftung (KS W) und Technischer Kundenservice (KS T).
- 18
Die Leitung des neuen Sachgebiets Zählermanagement hat die Beklagte dem bisherigen Leiter des Sachgebiets Wasserzählerbewirtschaftung übertragen. Seine Eingruppierung (Vergütungsgruppe X) hat sich für ihn dadurch nicht geändert. Als Stabsstelle ist ihm wie geplant Frau Z. zur Seite gestellt worden, um ihn von den Verwaltungsaufgaben der Dokumentation und Planung zu entlasten. Dazu wurde Frau Z. höhergruppiert. Der Kläger hat seine bisherige Stelle als Sachgebietsleiter verloren. Ihm wurde eine im Zuge der Veränderungen neu geschaffene Stelle als Vorarbeiter in dem neuen Sachgebiet zugewiesen. Als Vorarbeiter vertritt er den Sachgebietsleiter bei dessen Abwesenheit. Der Mitarbeiter des Klägers, der bisher sachgebietsübergreifend für die Transporte zwischen Haupt- und Zwischenlager und für die Betreuung des Fuhrparks zuständig war, hat diese Sonderzuständigkeiten im Rahmen der Umsetzung der Planung verloren, was für ihn eine Rückgruppierung zur Folge hatte.
- 19
Innerhalb des neu geschaffenen Sachgebiets gibt es nach wie vor eine erkennbare Trennung zwischen der Bewirtschaftung der Hauswasserzähler und der Bewirtschaftung der Verbrauchsmessgeräte für Großabnehmer. Der Kläger und die beiden ihm zugeordneten gewerblichen Arbeitnehmer sind auch in der neuen Struktur weiterhin für die Großabnehmer zuständig. Zusätzlich sind der Kläger und seine Untergebenen inzwischen aber auch zuständig für das Wechseln von Hauswasserzählern. In der mündlichen Verhandlung konnte geklärt werden, dass der Kläger und seine Leute allerdings nicht im Rahmen der routinemäßigen Betreuung der Hauswasserzähler eingesetzt werden. Sie werden vielmehr immer erst dann zuständig, wenn ein anstehender Zähleraustausch von den dafür zuständigen Arbeitnehmern nicht routinemäßig im vorgegebenen Zeitfenster erledigt werden kann, weil beispielsweise der Standort des Zählers nur schwer zugänglich ist oder das Leitungsmaterial rund um den Zähler mängelbehaftet ist. Als Vorarbeiter nimmt der Kläger inzwischen auch wieder am operativen Geschäft teil. Eine Budgetverantwortung hat er in der neuen Position nicht mehr. Er ist aber nach wie vor zuständig für die Eichangelegenheiten im Bereich der Großabnehmer. Der Kläger schätzt ein, er sei zu 50 Prozent seiner Arbeitszeit operativ eingesetzt und zu 50 Prozent der Arbeitszeit mit Führungs- und Verwaltungsaufgaben befasst.
- 20
Die Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes an den Kläger wurde wegen der von der Beklagten als erforderlich angesehenen Rückgruppierung im Wege einer Änderungskündigung umgesetzt. Der Kläger hatte sich zunächst gerichtlich gegen die Änderungskündigung gewehrt, hat die Klage jedoch einige Monate später noch vor einer Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgenommen. Mit Ablauf der Kündigungsfrist aus der Änderungskündigung wird der Kläger seit Juli 2017 nur noch aus der Vergütungsgruppe VIII (Stufe 7) des den MTV ergänzenden Vergütungstarifvertrages entlohnt.
- 21
Der Kläger war vor den Veränderungen als Leiter des alten Sachgebiets tariflich eingruppiert in die Vergütungsgruppe IX (Stufe 7) des den MTV ergänzenden Vergütungstarifvertrages. Das Tabellenentgelt hatte dort zuletzt 3.344 Euro brutto monatlich betragen. In der neuen Position als Vorarbeiter ist der Kläger der Vergütungsgruppe VIII (Stufe 7) des den MTV ergänzenden Vergütungstarifvertrages zugeordnet. Sein Tabellenentgelt hat dort zunächst monatlich lediglich noch 3.150 Euro brutto betragen, woraus sich eine Differenz in Höhe von 194 Euro brutto monatlich ergibt. Diese Differenz bildet – nach Abänderung und teilweiser Einschränkung des Klagebegehrens im Berufungsrechtszug – für die 12 Monate von Juli 2017 bis Juni 2018 den verbliebenen Streitgegenstand der vorliegenden Klage.
- 22
Der Kläger ist der Ansicht, er habe nach § 15 II Nr. 6 MTV dauerhaft einen Anspruch auf eine Ausgleichszulage, da sein Arbeitsplatz im Zuge einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne von § 15 I Nr. 1 MTV weggefallen sei. Da die Beklagte trotz Aufforderung vorgerichtlich nicht bereit war, entsprechende Zahlungen zu leisten, verfolgt der Kläger sein Begehren mit einer Klage, die beim Arbeitsgericht im Oktober 2017 eingegangen ist, mit einem Zahlungsantrag für die Monate Juli bis September 2017 und einem Feststellungsantrag für die anschließende Zeit weiter.
- 23
Das Arbeitsgericht Rostock hat der Klage mit Urteil vom 30. April 2018 (1 Ca 1329/17) stattgegeben und den Streitwert auf etwas unter 7.000 Euro festgesetzt. In der Hauptsache lautet der Tenor wie folgt:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Zulage für die Monate Juli bis September 2017 in Höhe von 582 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 194 Euro seit dem 01.08.2017, 194 Euro seit dem 01.09.2017 und 194 Euro seit dem 01.10.2017 zu zahlen,
- 25
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.07.2017 eine Zulage gemäß § 15 II Nr. 6 Abs. 3 des einschlägigen Manteltarifvertrages, die die Vergütungsdifferenz der Vergütungsgruppe IX und der Vergütungsgruppe VIII ausgleicht, derzeit 194 Euro brutto, zu zahlen.
- 26
Das Arbeitsgericht hat angenommen, die betrieblichen Veränderungen, die zum Wegfall der bisherigen Stelle des Klägers geführt hätten, stellten eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne von § 15 I Nr. 1 MTV dar, weil es jedenfalls bezogen auf den Bereich der Zählerbewirtschaftung dort zu einer grundlegenden Änderung der Arbeitsabläufe gekommen sei. Daher sei die Beklagte dauerhaft zur Zahlung der Ausgleichszulage nach § 15 II Nr. 6 MTV verpflichtet. – Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.
- 27
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingereichte und fristgerecht begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt.
- 28
Während der Rechtsstreit im Berufungsrechtszug anhängig war, ist der Betrieb der Beklagten mit Wirkung zum 1. Juli 2018 auf eine kommunal beherrschte GmbH übergegangen. Der Kläger klagt weiterhin nur gegen seinen bisherigen Arbeitgeber, die Beklagte. Er hat aber im Einverständnis mit der Beklagten sein Klagebegehren wie folgt abgeändert und eingeschränkt:
- 29
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Zulage für die Monate Juli 2017 bis Juni 2018 in Höhe von insgesamt 2.328 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 194 Euro seit dem 01.08.2017, 194 Euro seit dem 01.09.2017, 194 Euro seit dem 01.10.2017, 194 Euro seit dem 01.11.2017, 194 Euro seit dem 01.12.2017, 194 Euro seit dem 01.01.2018, 194 Euro seit dem 01.02.2018, 194 Euro seit dem 01.03.2018, 194 Euro seit dem 01.04.2018, 194 Euro seit dem 01.05.2018, 194 Euro seit dem 01.06.2018, 194 Euro seit dem 01.07.2018 zu zahlen.
- 30
Die Beklagte steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die tariflichen Voraussetzungen für die Zahlung der Ausgleichszulage nicht erfüllt seien. Die Beklagte kritisiert, das Arbeitsgericht habe den Manteltarifvertrag falsch ausgelegt. Der Kläger sei nicht von einer Rationalisierungsmaßnahme im tariflichen Sinne betroffen.
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Die hier streitigen organisatorischen Veränderungen hätten schon nicht wie in § 15 I Nr. 1 MTV vorausgesetzt den Zweck verfolgt, die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsorganisation zu verbessern.
- 32
Die Herauslösung der beiden alten Sachgebiete aus dem kaufmännisch geprägten Bereich Kundenservice und ihre Zuordnung zum technisch geprägten Bereich Zentraldienste sei erfolgt, da sich in der Vergangenheit gezeigt habe, dass es zu Reibungsverlusten bei der kaufmännischen Führung des technischen Personals gekommen sei. Durch die Zuordnung zum Bereich Zentraldienste unterstehe das Sachgebiet nunmehr einer technischen Leitung, was erwarten lasse, dass es zu einer besseren Verständigung komme.
- 33
Auch die örtliche Veränderung habe nicht der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit gedient. Die vorgenommene Ortsveränderung sei rein kaufmännisch betrachtet sogar unwirtschaftlich gewesen, da man am alten Standort nun leerstehende Flächen ohne Nutzen aber mit Kosten habe und am neuen Standort erst aufwendig durch den Aufbau von Büro-Containern Flächen für die notwendigen Arbeitsplätze geschaffen werden mussten.
- 34
Zu der örtlichen Veränderung der Sachgebiete behauptet die Beklagte erstmals im Berufungsrechtszug nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ergänzend, es sei behördlicherseits ("im Rahmen einer Normenkontrolle") kritisiert worden, dass die hygienischen Bedingungen des Zwischenlagers für die Wasserzähler in der Nähe der Kläranlage unzureichend seien. Die Veränderungen seien lediglich eine Reaktion auf den dadurch entstandenen Handlungsdruck.
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Durch die Veränderungen sei es auch nicht wie tariflich gefordert zu einer Veränderung der Arbeitsabläufe gekommen. Die Tarifvertragsparteien hätten erkennbar den Begriff des Arbeitsablaufs ihrer Regelung zu Grunde gelegt, wie er auch im Betriebsverfassungsrecht gebraucht werde. Mit dem Arbeitsablauf seien die Prozesse gemeint, durch die mit Hilfe der Arbeitnehmer und der Betriebsmittel die betrieblichen Zwecke verwirklicht werden. In diesem Bereich habe sich durch die streitigen Veränderungen nichts geändert. Eigentlich sei nur die früher wie heute gleiche Einheit Zählerbewirtschaftung innerhalb der betrieblichen Hierarchie anders angedockt worden ("formal-organisatorische Änderung").
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Im Übrigen und vor allem fehle es aber an der tariflich geforderten grundlegenden Änderung der Arbeitsabläufe. Das Arbeitsgericht habe es versäumt, diesen im Tarifvertrag verwendeten Begriff auszulegen, sondern habe dazu lediglich ein Ergebnis festgestellt, ohne dies näher zu begründen. Man könne jedenfalls nicht wie das Arbeitsgericht von einem tiefgreifenden Eingriff in die Unternehmensstruktur sprechen.
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Wenn man den Begriff grundlegend auslege, ergebe sich, dass es der Wille der Tarifvertragsparteien gewesen ist, den in § 15 I Nr. 1 MTV verwendeten Begriff grundlegend genauso zu verstehen, wie er in § 111 BetrVG verwendet wird. Daraus sei zu folgern, dass eine betriebliche Veränderung erst dann grundlegend im Sinne von § 15 I Nr. 1 MTV sein könne, wenn sie – wie in § 111 Satz 1 BetrVG vorgesehen – auch wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge habe. Diese Schwelle sei vorliegend nicht annährend erreicht. Die Anzahl der Mitarbeiter sei unverändert geblieben.
- 38
Die Beklagte verhalte sich auch rechtskonform, wenn sie sich weigere, weitere Teile des PowerPoint-Foliensatzes, der im Projekt OPTIMAL entstanden ist, dem Gericht vorzulegen. Dazu sei sie schon materiell-rechtlich gar nicht befugt, da dem die Urheberrechte der externen Unternehmensberatung entgegenstünden. Zudem sei es auch prozessual und unter Berücksichtigung der Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast nicht geboten, weitere Teile des Foliensatzes dem Gericht vorzulegen. Denn der Kläger habe bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung und trotz intensiver Befragung durch das Gericht keinerlei Hinweise darauf gegeben, in welchen Bereichen oder Sachgebieten außerhalb der hier erörterten Veränderungen es ebenfalls zu Veränderungen gekommen sei.
- 39
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 30. April 2018, Az. 1 Ca 1329/17, abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
- 41
Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Berufung unter Berücksichtigung seiner Klageänderung zurückzuweisen.
- 43
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages. Die tariflichen Voraussetzungen für die von ihm geforderte dauerhafte Zahlung der Ausgleichszulage nach § 15 II Nr. 6 MTV seien erfüllt.
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Es spiele keine Rolle, ob die Veränderungen im Bereich der Zählerbewirtschaftung in der Praxis tatsächlich zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit geführt hätten. Denn nach dem Tarifvertrag reiche es aus, dass die Maßnahmen mit dem Ziel ergriffen worden seien, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Das sei vorliegend der Fall, was sich schon daraus ergebe, dass durch die Zusammenfassung der beiden Sachgebiete zu einem neuen Sachgebiet eine Sachgebietsleiter-Stelle eingespart werden konnte.
- 45
Die Maßnahmen hätten auch zu einer Veränderung der Arbeitsabläufe geführt. Die Arbeitsabläufe hätten sich auch grundlegend verändert. Von einer grundlegenden Änderung der Arbeitsabläufe müsse man "denklogisch" schon deshalb ausgehen, weil die Veränderungen in das Maßnahmebündel eingebunden seien, das in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung im Projekt OPTIMAL erarbeitet wurde. Ausweislich des Titels der Bemühungen, habe es sich um die Ermittlung von Rationalisierungspotential gehandelt. Im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast wäre es an der Beklagten gewesen, das Ergebnis der Einschaltung dieser Gesellschaft umfassend vorzutragen. Er – der Kläger – habe keinen Einblick in die Einzelheiten, die sich aus dem Projekt OPTIMAL ergeben. Er habe nur die beiden vorgelegten Folien (Deckblatt und Seite 43) vorlegen können, da die Beklagte sich auf diese Folien im Rahmen des Änderungskündigungsschutzprozesses berufen hatte. Da die Beklagte der Obliegenheit, den gesamten Foliensatz vorzulegen, nicht nachgekommen sei, könne und müsse das Gericht von einem größeren Maßnahmebündel ausgehen. Jedenfalls erscheine die Berufung der Beklagten auf die Urheberrechte der Unternehmensberatungsgesellschaft, die einer Vorlage aller Folien vor Gericht angeblich entgegenstünde, als vorgeschoben.
- 46
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 47
Die Berufung ist nicht begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 15 II Nr. 6 MTV dauerhaft einen Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage in Höhe von derzeit 194 Euro brutto monatlich hat. Wegen der geänderten Antragstellung ist der klägerische Anspruch im Berufungsrechtszug unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteil in seinen Punkten 1 und 2 neu zu titulieren.
I.
- 48
Der Kläger hat für den Streitzeitraum Anspruch auf die von ihm geforderte Ausgleichszulage nach § 15 II Nr. 6 MTV, da er seinen bisherigen Arbeitsplatz durch eine Rationalisierungsmaßnahme in Gestalt einer "grundlegenden Änderung … der Arbeitsabläufe" im Sinne von § 15 I Nr. 1 MTV verloren hat und er lediglich auf einem schlechter bewerteten anderen Arbeitsplatz mit einer geringeren Vergütung weiter beschäftigt werden kann.
1.
- 49
Der zumindest auch kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anwendbare MTV hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, den folgenden Wortlaut:
- 50
"§ 15 Schutz bei Maßnahmen zu wirtschaftlicher und zweckmäßiger Umgestaltung von Arbeitsplätzen
- 51
… Soweit für Arbeitnehmer durch Rationalisierungsmaßnahmen nachteilige Folgen entstehen, streben die Tarifvertragsparteien mit diesen Bestimmungen an, diese Folgen zu vermeiden oder unvermeidliche wirtschaftliche Nachteile nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit auszugleichen oder sie zu mildern.
- 52
I. Begriff der Rationalisierungsmaßnahme
- 53
1. Rationalisierungsmaßnahmen sind vom Arbeitgeber zum Zwecke einer rationelleren Arbeitsweise – Verbesserung der Wirtschaftlichkeit – veranlasste grundlegende Änderungen der Produktionsverfahren, der Arbeitsmethoden oder der Arbeitsabläufe, die ein Sinken der tariflichen Wertigkeit der Arbeitsplätze oder deren Wegfall zur Folge haben.
- 54
2. Maßnahmen aufgrund gesetzlicher, gerichtlicher oder behördlicher Anordnungen, Auflagen und Entscheidungen usw. aufgrund des Auslaufens oder der Kündigung von Konzessionsverträgen, Wasserlieferungsverträgen mit Lieferanten oder Abnehmern u. ä. sind nicht Gegenstand dieser Bestimmungen.
- 55
3. Ebenfalls nicht Gegenstand dieser Bestimmungen sind Außerdienststellungen von Betrieben oder Betriebsteilen im Zusammenhang mit dem Auslaufen ihrer technischen oder wirtschaftlichen Nutzbarkeit oder wegen der Beendigung des Betriebszwecks sowie Betriebsübergänge gemäß § 613a BGB.
- 56
Il. Arbeitsplatzsicherung
- 57
1. Im Rahmen der Rationalisierungsmaßnahmen steht die Weiterbeschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer auf anderen Arbeitsplätzen im Vordergrund.
- 58
2. Der Arbeitgeber bemüht sich, die vom Wegfall von Arbeitsplätzen infolge von Rationalisierungsmaßnahmen betroffenen Arbeitnehmer mit einer gleichwertigen Tätigkeit unter Berücksichtigung der bisher erworbenen beruflichen betrieblichen Kenntnisse und Erfahrungen auf freien Arbeitsplätzen vorrangig im bisherigen oder in einem anderen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens weiter zu beschäftigen, gegebenenfalls nach einer Schulungsmaßnahme.
- 59
3. Ist eine Weiterbeschäftigung nach Nr. 2 nicht möglich oder lehnen die Arbeitnehmer einen ihnen nach Nr. 2 angebotenen Arbeitsplatz aus wichtigen Gründen ab, so bemüht sich der Arbeitgeber, die betroffenen Arbeitnehmer mit einer angemessenen Tätigkeit auf freien Arbeitsplätzen im bisherigen oder in einem anderen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens weiter zu beschäftigen, gegebenenfalls nach einer Schulungsmaßnahme.
- 60
…
- 61
6. Bei einer Weiterbeschäftigung nach Nr. 3 erhält der betroffene Arbeitnehmer vom Zeitpunkt der Weiterbeschäftigung an eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen seiner bisherigen und seiner neuen Grundvergütung nach folgender Abstufung:
- 62
…
- 63
An Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet und dem Unternehmen mindestens 20 Jahre ununterbrochen angehört haben, wird der volle Betrag der Zulage auf Dauer gezahlt.
- 64
…"
2.
- 65
Der Arbeitsplatz des Klägers ist infolge einer Rationalisierungsmaßnahme weggefallen. Der Wegfall seiner bisherigen Tätigkeit als Sachgebietsleiter beruht auf einer von der Beklagten veranlassten grundlegenden Änderung der Arbeitsabläufe zum Zwecke einer rationelleren Arbeitsweise im Sinne von § 15 I MTV.
a)
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Die Beklagte hat im Zuge der Reorganisation der Bewirtschaftung der Wasserzähler die dort bisher geltenden Arbeitsabläufe verändert.
aa)
- 67
Die Tarifvertragsparteien haben im Manteltarifvertrag nicht definiert, was sie unter Arbeitsablauf im Sinne von § 15 I Nr. 1 MTV verstehen. Verwenden Tarifvertragsparteien Rechtsbegriffe, die auch vom Gesetzgeber verwendet werden, kann und muss man im ersten Zugriff davon ausgehen, dass sie die Begriffe in demselben Sinne verwenden wie der Gesetzgeber. Es ist daher zutreffend, wenn die Beklagte meint, der Begriff Arbeitsablauf in § 15 I Nr. 1 MTV sei dort mit dem Sinn verwendet worden, wie er beispielsweise in § 90 BetrVG verwendet wird.
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Unter Arbeitsablauf im Sinne von § 90 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG wird die Umgestaltung des Arbeitsprozesses verstanden. Damit ist das Geschehen bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben gemeint (so BAG 26. Mai 1998 – 3 AZR 23/97 – AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie = NZA 1999, 210). Diese noch recht vage und nicht von inneren Spannungen freie Formulierung (Arbeitsablauf = Umgestaltung?) gewinnt Kontur, wenn man sich klarmacht, in welchem Rahmen und zu welchem Zweck der Arbeitgeber die Arbeitsabläufe definiert und implementiert. Es geht um die Erreichung des betrieblichen Zwecks, der etwa in der Herstellung eines bestimmten Produkts oder dem Anbieten einer bestimmten Dienstleistung liegen kann. Der Arbeitsablauf umfasst damit nicht nur die gesamte Definition der Arbeitsaufgaben auf den einzelnen Arbeitsplätzen einschließlich der Definition der Interaktionen mit den zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln, sondern insbesondere auch die Definition der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Arbeitsplätzen, damit in der Summe die betrieblichen Zwecke auch erreicht werden. Der Begriff des Arbeitsablaufs ist daher untrennbar verbunden mit dem Bild eines Produktionsbetriebes, in dem aus einer Anzahl von Roh- und Hilfsstoffen mit Hilfe der Arbeitnehmer und der dort eingesetzten Maschinen ein fertiges Produkt entsteht. In diesem Bild durchlaufen die Stoffe den Betrieb, um ihn dann am Ende als fertiges Produkt zu verlassen. Der Arbeitsablauf ist sozusagen die Schablone, nach der das Produkt entsteht. Er beschreibt und definiert alle Schritte, die dafür erforderlich sind. Das ist das vom Bundesarbeitsgericht angesprochene "Geschehen bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben."
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In diesem Sinne ist der Begriff Arbeitsablauf in § 90 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG sogar der weitergehende Begriff im Vergleich zu den ebenfalls dort genannten Arbeitsverfahren (GK/Weber § 90 BetrVG Rz.16). Im Betriebsverfassungsrecht werden die Begriffe Arbeitsverfahren und Arbeitsablauf allerdings nicht streng voneinander abgegrenzt, wozu schon deshalb kein Anlass besteht, weil das Gesetz daran keine unterschiedlichen Rechtsfolgen knüpft. Für den vorliegenden Fall der Verwendung des Begriffs Arbeitsablauf in § 15 I Nr. 1 MTV kann man ebenfalls von dem umfassenden Begriff des Arbeitsablaufs ausgehen, der die dort daneben verwendeten konkreteren Begriffe Produktionsverfahren und Arbeitsmethoden umschließt. Alle drei Begriffe haben letztlich "das Geschehen bei der Erfüllung der Arbeitsaufgaben" im Blick. Bei den Produktionsverfahren steht dabei die technische Unterstützung des eingesetzten Personals im Fokus, bei den Arbeitsmethoden die sinnvolle Interaktion zwischen Mensch und Maschine und beim Arbeitsablauf das Ineinandergreifen aller Aspekte des Produktionsprozesses.
bb)
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Legt man diesen Maßstab zu Grunde, sind die Arbeitsabläufe im Bereich der Bewirtschaftung der Wasserzähler durch die 2016 beschlossene und 2017 umgesetzte Reorganisation zumindest in dreifacher Hinsicht verändert worden.
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Bereits die Ausgliederung der Zählerbewirtschaftung aus dem Bereich Kundenservice und ihre Eingliederung in den Bereich Zentraldienste hat zu einer Veränderung der Arbeitsabläufe geführt, da der Sachgebietsleiter Zählermanagement nunmehr einen neuen Vorgesetzten hat. Dass damit der bisher gültige Arbeitsablauf verändert werden sollte, ergibt sich schon aus dem Vortrag der Beklagten selbst, die geltend macht, die Veränderung sei vorgenommen worden, um – in den Worten des Gerichts – die gelegentlich zu beobachtenden Reibungsverluste in der Kommunikation der kaufmännisch geprägten Vorgesetzten mit den technisch geprägten Untergebenen zukünftig vermeiden zu können. Mit anderen Worten hat man eine Veränderung vorgenommen, um die Erreichung der betrieblich gesteckten Ziele zu erleichtern. Daher muss man diese Maßnahme als eine Veränderung des Arbeitsablaufs begreifen. Damit handelt sich eben gerade nicht – wie von der Beklagten gemeint – nur um eine sozusagen beliebige oder gar zufällige "formal-organisatorische" Maßnahme.
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Auch die Aufgabe des Zwischenlagers in B. hat zu einer Veränderung des Arbeitsablaufs geführt. Das liegt auf der Hand und bedarf daher hier nur einer stichwortartigen Skizzierung. Durch die Aufgabe des Zwischenlagers wird Lagerfläche, die bisher für den Produktionsablauf erforderlich war, frei. Das ist eine Veränderung des Arbeitsablaufs, da die Lagerflächen zu den Produktionsmitteln gehören, mit deren Hilfe die Arbeitnehmer zur Erreichung der betrieblichen Zwecke beitragen. Wegen der Aufgabe des Zwischenlagers muss dieses auch nicht mehr bewirtschaftet werden. Auch das ist eine Veränderung des Arbeitsablaufs, da jetzt kein Arbeitnehmer mehr das Lager bewirtschaften muss. Wie bereits durch das Arbeitsgericht hervorgehoben ändern sich damit die innerbetrieblichen Wege der Aufgabenerledigung.
- 73
Eine weitere Veränderung des Arbeitsablaufs ist in der Schaffung der Stabsstelle für Frau Z. im Sachgebiet Zählermanagement zu sehen. Dieser Aspekt ist zwar in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich erörtert worden. Das Gericht kann seine Entscheidung dennoch auf diesen Aspekt stützen, da er zwischen den Parteien nicht in Streit steht. Die Einrichtung und Besetzung dieser Stabsstelle führt zu einer deutlichen Veränderung des Arbeitsablaufs. Der Leiter des Sachgebiets, Herr K., wird damit von administrativen Aufgaben entlastet. Diese Aufgaben werden gebündelt und nunmehr konzentriert einer dafür geeigneten Person, die eine Stabsstelle einnimmt, übertragen. Damit wird zum einen der Aufgabenzuwachs auf der Stelle von Herrn K., der in der neuen Einheit rund 50 Prozent mehr Untergebene hat, ausgeglichen. Zum anderen kann man diese Maßnahme auch als den Versuch deuten, bisher aufgetretene Defizite innerhalb der alten Struktur bei der Planung und Dokumentation durch die beiden Sachgebietsleiter zu überwinden.
b)
- 74
Das Berufungsgericht muss auch davon ausgehen, dass die Reorganisation erfolgt ist, um im tariflichen Sinne zu einer "Verbesserung der Wirtschaftlichkeit" zu gelangen.
- 75
Allgemein spricht man von einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, wenn sich das Verhältnis des Aufwandes zum Ertrag verbessern lässt, was entweder durch eine Verringerung des Aufwandes oder durch eine Erhöhung des Ertrages oder auch durch eine Kombination beider Wirkfaktoren erreicht werden kann. Maßgebend ist dafür nicht der in die Vergangenheit gerichtete Rückblick, sondern der Blick in die Zukunft. Gefordert ist also ein prognostischer Maßstab. Deshalb hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass es für die Bewertung an dieser Stelle entscheidend darauf ankommt, zu welchem Zweck der Arbeitgeber seine Maßnahmen ergriffen hat. Sollte sich später rückblickend herausstellen, dass sich die erhofften Effekte bezogen auf die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit nicht eingestellt haben, kann das den Charakter der betrachteten Maßnahme nicht verändern.
- 76
Das Arbeitsgericht ist von diesem Maßstab ausgegangen und hat angenommen, es liege eine Maßnahme zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit vor, da sie von der Beklagten im Rahmen einer umfassenden und aufwendig organisierten Untersuchung der Möglichkeiten der "Optimierung der Technischen und kaufmännischen Bereiche" (OPTIMAL) ergriffen worden ist. Das ist zutreffend.
- 77
Schon wenn man nur auf die Lohnkosten der eingesetzten Arbeitnehmer schaut, lässt sich die damit erzielte Kostenersparnis erkennen. Denn die Reorganisation hat die Herabgruppierung von zwei Mitarbeitern bedingt, während es im Gegenzug nur zu einer Höhergruppierung gekommen ist.
- 78
Dies gilt erst recht, wenn man die Hoffnungen der Beklagten, auf die Effekte der Einzelmaßnahmen in Bezug auf die Erleichterung des Arbeitsablaufs mit in die Betrachtung einbezieht. Die drei Kernelemente der Reorganisation, nämlich die Angliederung des neu entstandenen Sachgebiets an den technisch geprägten Bereich Zentraldienste, die Aufgabe des Zwischenlagers in B. sowie die Schaffung der Stabsstelle im Sachgebiet zur Entlastung des Sachgebietsleiters und zur Konzentration der administrativen Aufgaben auf eine dafür geeignete Person, dienen dazu, zu einer rationelleren Arbeitsweise im Sinne des Tarifvertrages zu gelangen.
- 79
Dass es sich um eine Maßnahme zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit handelt, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass mit der Umsetzung der Veränderungen nicht unerhebliche Anlaufkosten verbunden sind, die vielleicht auf Jahre hinaus die positiven Effekte übertreffen werden. Das ist ein in vergleichbaren Zusammenhängen häufig zu beobachtendes Phänomen. Wenn Arbeitgeber Reorganisationsmaßnahmen zum Zwecke einer rationelleren Arbeitsweise vornehmen, obwohl die dabei anfallenden Umsetzungs- und Anlaufkosten die positiven Effekte zu übertreffen scheinen, kann und darf das Gericht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber vorab ebenfalls eine Kosten-Nutzen-Rechnung vorgenommen hat und diese für ihn so positiv ausgefallen ist, dass es für ihn trotzdem sinnvoll erscheint, die Maßnahme umzusetzen.
- 80
Der Charakter der Reorganisation im Bereich der Zählerbewirtschaftung als Rationalisierungsmaßnahme kann durch die Beklagte auch nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, es hätte behördliche Bedenken gegen die weitere Aufrechterhaltung des Zwischenlagers in der Nähe der Klägeranlage in B. gegeben ("im Rahmen einer Normenkontrolle"). Insoweit gibt es zunächst ein prozessuales Hindernis. Denn der Kläger hat diesen sehr vage vorgetragenen Gesichtspunkt bestritten und die Beklagte hat nicht weiter erläutert, was sie unter "im Rahmen einer Normenkontrolle" konkret versteht.
- 81
Aber auch in der Sache kann das Gericht der Beklagten in diesem Punkt nicht folgen. Denn es gibt keine unwirtschaftlichere Arbeitsweise als eine rechtswidrige Arbeitsweise. Die Überwindung einer rechtswidrigen Arbeitsweise dient daher auch dann der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, wenn mit der Überwindung des widerrechtlichen Zustandes zusätzliche Kosten verbunden sind.
c)
- 82
Die Reorganisation des Bereichs der Zählerbewirtschaftung hat auch zu einer grundlegenden Veränderung des dortigen Arbeitsablaufs geführt.
aa)
- 83
Gefordert ist insoweit der Vergleich des bisherigen Arbeitsablaufs mit dem neuen Arbeitsablauf in der von der Reorganisation betroffenen Organisationseinheit. Darauf hat schon das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 26. Mai 1998 (aaO Rz. 32) abgestellt.
- 84
Grundlegend ist die Veränderung, wenn sie im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zu einer wesentlichen Veränderung geführt hat. Maßgebend ist dafür die Bewertung durch die Teilnehmer des betroffenen Verkehrskreises. Das hat das Bundesarbeitsgericht für die insoweit vergleichbare Entfaltung des Versetzungsbegriffs aus § 95 Absatz 3 BetrVG bereits mehrfach so entschieden (vgl. nur BAG 26. Mai 1988 – 1 ABR 18/87 – AP Nr. 13 zu § 95 BetrVG 1972 = DB 1988, 2158 = NZA 1989, 438; BAG 27. März 1980 – 2 AZR 506/78 – AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht = DB 1980, 1603). Daran lehnt sich das Berufungsgericht an.
bb)
- 85
Die Rechtsansicht der Beklagten, grundlegend könne eine Veränderung der Arbeitsabläufe nur dann sein, wenn sie erhebliche Nachteile für die Belegschaft oder wesentliche Teil der Belegschaft nach sich ziehen, wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.
- 86
Der von der Beklagten dafür herangezogene Vergleich mit § 111 BetrVG gibt die von der Beklagten gezogenen Folgerungen nicht her. Zutreffend ist insoweit nur, dass auch in § 111 Satz 3 Nrn. 4 und 5 BetrVG der Begriff grundlegend in einem ähnlichen Sinnzusammenhang wie in § 15 I Nr. 1 MTV verwendet wird. Es trifft aber nicht zu, dass das Bundesarbeitsgericht den Begriff grundlegend dahin auslegt, dass er nur erfüllt ist, wenn damit erhebliche Nachteile für die Belegschaft oder wesentliche Teil der Belegschaft einhergehen. Denn das Erfordernis der erheblichen Nachteile ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 111 Satz 1 BetrVG. Wenn, dann ist also nur die Aussage erlaubt, dass es in § 111 BetrVG der Auslegung des Begriffs grundlegend in seinem Grenzbereich nicht bedarf, weil sich in diesem Grenzbereich in aller Regel keine erheblichen Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft feststellen lassen. Damit führt die von der Beklagten gezogene Parallele zu § 111 BetrVG für den vorliegenden Zusammenhang zu keinem zusätzlichen Erkenntnisgewinn.
- 87
Der Vortrag der Beklagten, diese Gleichsetzung von grundlegend mit den erheblichen Nachteilen für die Belegschaft oder erheblichen Teilen der Belegschaft im Sinne von § 111 Satz 1 BetrVG sei jedenfalls von den Tarifvertragsparteien des MTV so gewollt gewesen, ist unergiebig. Unabhängig von der Frage, inwieweit ein bestimmter Regelungswille der Tarifvertragsparteien überhaupt eine Bedeutung für die Auslegung des Tarifvertrages haben kann, hat die Beklagte vorliegend keine Umstände vorgetragen, aus denen das Gericht auf einen dahingehenden Willen der Tarifvertragsparteien schließen könnte.
- 88
Im Übrigen hat schon das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang zutreffend hervorgehoben, dass der Begriff der Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des Tarifvertrages nicht notwendig deckungsgleich sein müsste mit dem Begriff der Betriebsänderung aus § 111 BetrVG. Die von der Beklagten bevorzugte Auslegung von § 15 I Nr. 1 MTV würde jedoch dazu führen, dass eine Rationalisierungsmaßnahme allenfalls dann vorliegen kann, wenn gleichzeitig eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG vorliegt. Der Rationalisierungsschutz aus § 15 MTV hat – wie vom Arbeitsgericht zutreffend betont – nicht den Zweck, einen Sozialplan zu ersetzen. Vielmehr dient er dazu, den Arbeitnehmern auch unterhalb der Schwelle einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG einen gewissen Schutz zu gewähren.
cc)
- 89
Gemessen an der vorstehenden Auslegung des Begriffs ist vorliegend von einer grundlegenden Veränderung der Arbeitsabläufe im Bereich der Zählerbewirtschaftung auszugehen, die durch die 2016 beschlossene und 2017 umgesetzte Reorganisation dieses Bereiches bewirkt wurden.
(i)
- 90
Darauf deutet bereits die Anzahl der Arbeitnehmer hin, deren Arbeitsaufgaben sich im Zuge der Reorganisation verändert haben.
- 91
Das Gericht geht davon aus, dass in der alten Struktur mit den beiden Sachgebieten dort insgesamt 10 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Zu der Anzahl der im ehemaligen Sachgebiet KS W beschäftigten Arbeitnehmer gibt es keine Feststellung im Urteil des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht hatte lediglich einmal zu Protokoll die Feststellung aufgenommen, dass dort "mindestens sieben Arbeitnehmer" beschäftigt sind (Protokoll Kammerverhandlung vom 19. April 2018 Seite 2, hier Blatt 111). Da weder der Kläger noch die Beklagte später diese Feststellung weiter konkretisiert oder gar korrigiert haben, geht das Berufungsgericht davon aus, dass im Sachgebiet KS W zuletzt einschließlich des Sachgebietsleiters sieben Arbeitnehmer beschäftigt waren, woraus sich insgesamt 10 Beschäftigte in beiden Organisationseinheiten ergeben.
- 92
Für drei dieser zehn Arbeitsplätze sind veränderte Arbeitsaufgaben definiert worden, was sich indirekt aus den notwendigen Herab- und Höhergruppierungen ergibt. Das ist der bisherige Arbeitsplatz des Klägers als Sachgebietsleiter, der im übertragenen Sinne in eine Vorarbeiterstelle mit schlechterer Eingruppierung im neuen Sachgebiet umgewidmet wurde. Das ist zum anderen der Mitarbeiter des Klägers, der In Folge des Wegfalls seiner administrativen Sonderaufgaben (Fuhrpark) herabgruppiert wurde. Und schließlich geht es um den aufgewerteten Arbeitsplatz der Mitarbeiterin Z.. Damit betrifft die Reorganisation mindestens 30 Prozent der Arbeitsplätze in der Organisationseinheit. Berücksichtigt man zusätzlich, dass sich auch der Arbeitsplatz des neuen Sachgebietsleiters verändert hat (mehr Untergebene und im Gegenzug weniger Bürokratie), sind sogar 40 Prozent der Arbeitsplätze unmittelbar von der Reorganisation betroffen. Schon dies rechtfertigt nach Überzeugung des Berufungsgerichts die Feststellung, dass sich die Arbeitsabläufe grundlegend im Sinne von § 15 I Nr. 1 MTV geändert haben.
(ii)
- 93
Erst recht muss man von einer grundlegenden Veränderung der Arbeitsabläufe im Sinne von § 15 I Nr. 1 MTZV ausgehen, wenn man zusätzlich Anlass und Zweck der vorgenommenen Veränderungen in den Blick nimmt. Auch dieses Kriterium ist in den wertenden Gesamtvergleich einzubeziehen, da damit die Bedeutung der Veränderungen für die Beklagte miterfasst wird.
- 94
Insoweit kann man eine hohe Bedeutung der Veränderungen für die Beklagte feststellen, da die drei Kernpunkte der Reorganisation allesamt zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ergriffen worden sind. Man hat die örtliche Ansiedlung der Organisationseinheit verändert, um eine engere Bindung an die Zentraldienste zu ermöglichen und um das Zwischenlager aufgeben zu können. Man hat die hierarchische Eingliederung der Organisationseinheit verändert, um die beobachteten Reibungsverluste bei der Führung der Organisationseinheit in der alten Struktur zukünftig zu vermeiden. Und man hat die administrativen Aufgaben auf eine dafür geeignete Arbeitnehmerin konzentriert, damit der Sachgebietsleiter sich besser um sein vergrößertes Sachgebiet kümmern kann.
- 95
(iii)
- 96
Ergänzend nimmt das Gericht auch noch die Folgen der Veränderungen für die betroffenen Arbeitnehmer in den Blick, die die Feststellung stützen, dass es sich vorliegend um eine grundlegende Veränderung der Arbeitsabläufe handelt. Denn für alle Arbeitnehmer gilt nunmehr ein neuer Arbeitsort. Dieser liegt zwar nach wie vor innerhalb des Stadtgebiets. Je nach Lage des Wohnsitzes der Beschäftigten kann dies jedoch zu einer erheblichen Verlängerung des Anfahrtsweges zur Arbeit führen.
d)
- 97
Auch die weiteren Voraussetzungen für die Zahlung der Ausgleichszulage nach § 15 II Nr. 6 MTV sind erfüllt.
- 98
Der Kläger hat durch die Reorganisation seinen bisherigen Arbeitsplatz verloren. Im beiderseitigen Einvernehmen bekleidet er inzwischen den neu entstandenen Arbeitsplatz als Vorarbeiter des neu entstandenen Sachgebiets. Damit liegt ein Fall von § 15 II Nr. 3 MTV vor. Der Anwendungsbereich für die Zahlung der Ausgleichszulage ist eröffnet. Aufgrund seines Alters und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit steht dem Kläger dauerhaft eine volle Ausgleichszulage zu. Das dazu vom Kläger aufgemachte Zahlenwerk ist von der Beklagten nicht in Frage gestellt worden. Es liegt auch der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde.
4.
- 99
Die Nebenforderungen in Form von Verzugszinsen sind ebenfalls begründet. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, die mit der Berufung nicht angegriffen worden sind, wird Bezug genommen.
II.
- 100
Das Gericht weist noch gesondert darauf hin, dass die Fassung des Tenors in dem vorliegenden mit Entscheidungsgründen versehenen Urteil von der Fassung des Tenors abweicht, wie er am 10. Dezember 2019 verkündet wurde. Der verkündete Tenor lautete lediglich auf die Zurückweisung der Berufung der Beklagten. Angesichts der im Tatbestand wiedergegebenen veränderten Antragstellung des Klägers im Berufungsrechtszug ist dieser Tenor fehlerhaft. Da es sich um einen offensichtlich versehentlich falsch gefassten Tenor handelt, ist dieser Fehler in der vorliegenden Fassung des Urteils mit Tatbestand und Entscheidungsgründen in Anlehnung an § 319 ZPO von Amts wegen korrigiert worden.
- 101
Aus der Antragstellung der Parteien, mit der beide Teile der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht durchgeführt wurden, ist erkennbar, dass die Parteien im Berufungsrechtszug nicht mehr um die Zurückweisung der Berufung verhandelt haben, sondern allein noch um den im Berufungsrechtszug allein gestellten veränderten klägerischen Zahlungsantrag für die zwölf Monate von Juli 2017 bis einschließlich Juni 2018. Das Gericht hat es lediglich versäumt, den von ihm ausweislich der Entscheidungsgründe eingenommenen Rechtsstandpunkt in einen Urteilstenor zu fassen, der den gestellten Anträgen entspricht. Es handelt sich um eine Unrichtigkeit bzw. ein Versehen auf Grund einer "technischen Fehlleistung“ und eines "banalen Irrtums“. § 319 ZPO dient dazu, derartige Justizirrtümer korrigieren zu können (Feskorn in Zöller § 319 ZPO RNr. 1).
- 102
In diesem Sinne kann auch ein Urteilstenor berichtigt werden (Feskorn in Zöller § 319 ZPO RNr. 24). Der Tenor eines Urteils kann korrigiert werden, wenn eine Divergenz zwischen dem Urteilsausspruch (Tenor) und der vom Gericht beabsichtigten Entscheidung vorliegt. Das ist hier der Fall. Die vom Gesetz geforderte Offensichtlichkeit (Evidenz) des Fehlers ergibt sich vorliegend daraus, dass der verkündete Tenor den tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts unvollkommen wiedergibt. Diese Feststellung ergibt sich auch, wenn man nicht auf die Binnensicht des Gerichts, sondern auf die den Parteien bekannten Umstände abstellt. Denn im Rahmen der Einführung in die Sach- und Rechtslage hatte das Gericht nochmals im zweiten Teil der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2019 auf die geänderte Antragstellung und den damit veränderten Streitgegenstand des Berufungsverfahrens hingewiesen. Diese geänderte Antragstellung war im Rahmen der mündlichen Verhandlung für das Gericht zudem auch der Anknüpfungspunkt, um mit den Parteien nochmals Vergleichsgespräche zu führen. Insofern kann kein Zweifel daran bestehen, über welchen Anspruch das Gericht ein Urteil gefällt hat.
III.
- 103
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da das vom ihr eingelegte Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 ZPO). Ein Anlass zur Veränderung der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts besteht nicht.
- 104
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.
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