Beschluss vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen (5. Kammer) - 5 Ta 170/19

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 04.07.2019 – 4 BV 28/18 – wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig, mit dem dieses den Antrag des Betriebsrats auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückgewiesen hat.

2

Die Arbeitgeberin stellte den Arbeitnehmer B. unbefristet in ihren Betrieb ein. Dies geschah, obwohl die von ihr mit Schreiben vom 05.10.2018 beantragte Zustimmung zur Einstellung dieses Arbeitnehmers mit Schreiben vom 08.10.2018, mit dem der Betriebsrat der Einstellung widersprach, zurückgewiesen worden ist. Deswegen hat der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Braunschweig ein Beschlussverfahren eingeleitet, mit welchem seinem Begehren, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Einstellung des Arbeitnehmers H. B. aufzuheben, entsprochen worden ist. Dieser Beschluss ist am 20.02.2019 verkündet worden.

3

Bereits unter dem 15.03.2019 beantragte die Arbeitgeberin zum Aktenzeichen 7 BV 51/19 vor dem Arbeitsgericht Braunschweig wiederum, die nunmehr erneut beantragte Zustimmung zur Einstellung ab dem 15.03.2019 zu ersetzen sowie festzustellen, dass die mit Wirkung ab 15.03.2019 erfolgte vorläufige Einstellung des Arbeitnehmers H. B. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

4

Mit Schreiben vom 15.04.2019 beantragte der Betriebsrat, gegen die Arbeitgeberin ein Zwangsgeld festzusetzen, welches durch die Aufhebung der Einstellung des Arbeitnehmers H. B. abzuwenden sei.

5

Unter dem 02.05.2019 beantragte die Arbeitgeberin erneut die verweigerte Zustimmung zur Versetzung dieses Arbeitnehmers H. B. ersetzen zu lassen und die Feststellung, dass diese personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Dieses Verfahren wird zum Aktenzeichen 2 BV 9/19 geführt.

6

Zunächst hat das Arbeitsgericht Braunschweig mit Beschluss vom 17.05.2019 dem Begehren des Betriebsrates entsprochen. Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin, in der diese behauptet hat, die ursprüngliche personelle Maßnahme sei einvernehmlich mit Ablauf des 14.03.2019 beendet worden, hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde entsprochen und mit Beschluss vom 04.07.2019 den ursprünglich am 27.06.2019 getroffenen Beschluss aufgehoben.

7

Dieser Beschluss ist dem Betriebsrat am 08.07.2019 zugestellt worden. Mit einem am 08.07.2019 eingegangenen Schriftsatz hat er sofortige Beschwerde eingelegt, verbunden mit dem Ziel, ein Zwangsgeld festzusetzen. Er wendet sich gegen die Annahme, die Einstellung im Sinne des BetrVG sei durch die hier vorgenommene Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz rückgängig gemacht worden. Es entspreche nicht der Wirklichkeit, dass der Arbeitnehmer B. zumindest für einen kurzen zeitlichen Moment nicht mehr im Betrieb der Schuldnerin beschäftigt sei.

8

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur weiteren Veranlassung vorgelegt.

II.

A.

9

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 78 ArbGG, 567 ff. ZPO statthaft und insgesamt zulässig.

B.

10

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat der angefochtene Beschluss vom 04.07.2019 das ursprünglich angeordnete Zwangsgeld aufgehoben und damit den Zwangsgeldantrag des Betriebsrates zurückgewiesen. In diesem Zusammenhang kann ausdrücklich auf sich beruhen, ob der dem Zwangsvollstreckungsverfahren zugrundeliegende Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig, der der Arbeitgeberin aufgegeben hat, die Einstellung des Arbeitnehmers H. B. aufzuheben, tatsächlich von ihr umgesetzt und erfüllt worden ist. Es kann auf sich beruhen, ob dieser Arbeitnehmer am 14.03.2019 aus dem Betrieb ausgegliedert und erst am 15.03.2019 in den Betrieb wieder eingegliedert worden ist. Es kommt bei einer Fallkonstellation, wie der vorliegenden, nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer für eine logische Sekunde, einen Tag, ein Wochenende oder sogar eine ganze Woche im Betrieb nicht tätig gewesen ist. Denn der Vollstreckungstitel des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 20.09.2019 ist gewissermaßen prozessual erledigt. Es ist im Nachhinein eine Konstellation eingetreten, die den durch Beschluss festgestellten Anspruch des Betriebsrates betreffen und ihn zu Nichte machen. Eine derartige Einwendung kann aufgrund der Besonderheiten des § 101 BetrVG direkt in diesem Verfahren nach § 101 Satz 2 BetrVG geltend gemacht werden. Sie ist vom Vollstreckungs- und Beschwerdegericht unmittelbar zu berücksichtigen, ohne dass es einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO bedarf.

11

Im Einzelnen:

1.

12

Durch die neuen personellen Maßnahmen, die Gegenstand des Verfahrens 7 BV 51/19 waren und Gegenstand des Verfahrens 2 BV 9/19 sind, ist eine Einwendung entstanden, die dem ursprünglichen Vollstreckungstitel des Betriebsrates entgegensteht. § 101 BetrVG hindert den Arbeitgeber auch während eines Aufhebungsverfahrens nicht, von der ursprünglichen Maßnahme Abstand zu nehmen, für die selbe Stelle ein neues Besetzungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuleiten, den Betriebsrat über die beabsichtigte Einstellung desselben Arbeitnehmers zu unterrichten und ihn um Zustimmung hierüber zu ersuchen. Zwar kann der Arbeitgeber eine ohne Beteiligung des Betriebsrats und damit betriebsverfassungswidrig durchgeführte Einstellung nicht teilen und deren Aufhebung nach § 101 BetrVG dadurch verhindern, dass er hinsichtlich dieser bereits erfolgten Einstellung nur das Beteiligungsverfahren nachholt. Er kann jedoch ein neues Mitbestimmungsverfahren einleiten und hierdurch von der ursprünglich beabsichtigten Einstellung Abstand nehmen (BAG vom 21.11.2018 – 7 ABR 16/17).

13

Darüber hinaus lässt die Systematik der §§ 99 bis 101 BetrVG folgendes erkennen:

14

Führt der Arbeitgeber das Verfahren gemäß §§ 99, 100 BetrVG durch, dann darf er den Arbeitnehmer auch ohne dass eine Zustimmung des Betriebsrates vorliegt, in seinen Betrieb eingliedern und ihn beschäftigen. Das neue Beteiligungsverfahren, welches die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 15.03.2019 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingeleitet hat, ist eine Einwendung, welche im Nachhinein im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO die Rechtswirksamkeit des Vollstreckungstitels zu Nichte macht und im Nachhinein einen Erlaubnistatbestand schafft. Vorstehende Konstellation ist beispielsweise damit zu vergleichen, dass ein Arbeitgeber aufgrund einer rechtsunwirksamen Kündigung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt wird und im Folgenden eine erneute Kündigung ausspricht, die diesem Weiterbeschäftigungstitel die Wirksamkeit nimmt (allerdings dieses im Verfahren gemäß § 767 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden muss).

2.

15

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Beschwerdegericht dürfen vorstehend aufgezeigte Konstellation unmittelbar im Zwangsvollstreckungsverfahren berücksichtigen, ohne dass es einer Vollstreckungsgegenklage der Arbeitgeberin gemäß § 767 Abs. 1 ZPO bedurft hätte. Denn das Verfahren nach § 101 BetrVG ist eine Sondervorschrift zu § 85 Abs. 1 ArbGG, der auf die allgemeinen Vorschriften der Zwangsvollstreckung verweist (Fitting, 29. Auflage, § 101 Randnummer 12 n.w.N.). Die Besonderheit besteht darin, das Satz 2 dieser Vorschrift die Verhängung eines Zwangsgeldes von der Klärung bzw. Feststellung abhängig macht, der Arbeitgeber habe die personelle Maßnahme nicht aufgehoben. Im normalen allgemeinen Zwangsvollstreckungsverfahren findet sich eine derartige Verknüpfung der fehlenden Erfüllung eines streitgegenständlichen Titels und der Verhängung von Zwangsmaßnahmen nicht. Die besondere Struktur des § 101 Satz 2 BetrVG führt dazu, dass der verurteilte Arbeitgeber Einwendungen gegen den Vollstreckungstitel, die im Nachhinein entstanden sind, bereits in diesem Zwangsvollstreckungsverfahren geltend machen kann und nicht auf die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO zu verweisen ist.

16

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

3.

17

Gegen diese Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt, da sie im Gesetz nicht vorgesehen ist und vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen wird.

 


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