Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (7. Kammer) - 7 Sa 414/11

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.06.2011 - 4 Ca 2791/10 - aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten zum Einen über die Wirksamkeit einer Versetzung der Beklagten und zum Anderen darüber, ob dem Kläger ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellung deren Unwirksamkeit zusteht.

2

Der Kläger war auf der Grundlage zuletzt eines Arbeitsvertrages aus dem Jahr 1999 bei der Beklagten tätig.

3

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie. Sie unterhielt im Jahr 2010 zwei Betriebe (C-Stadt, zirka 170 Arbeitnehmer, A-Stadt, zirka 270 Arbeitnehmer). Bei Abschluss des Arbeitsvertrags des Klägers mit der Rechtvorgängerin der Beklagten unterhielt die damalige Arbeitgeberin lediglich einen einzigen Betrieb am Standort C-Stadt. Im Arbeitsvertrag ist unter anderem folgende Klausel enthalten:

4

„1. Der Mitarbeiter wird als Technischer Angestellter eingestellt.

Die Z behält sich vor, dem Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens eine andere, gleichwertige Tätigkeit zu übertragen.

2. [...]

Dienstsitz ist C-Stadt.“

5

Der für das Betriebsgrundstück der Beklagten in C-Stadt abgeschlossene Mietvertrag endete am 31.12.2010. Die Unternehmensleitung der Beklagten hat beschlossen, den Betrieb C-Stadt bis zum 31.12.2010 an den Standort A-Stadt zu verlegen; dies ist auch geschehen.

6

Im September 2010 hat die Beklagte gegenüber ihren Arbeitnehmern Änderungskündigungen ausgesprochen mit dem Angebot, künftig in A-Stadt zu arbeiten. Mit Schreiben vom 26.11.2010 hat die Beklagte unter anderem den Kläger gebeten, bereits ab dem 13.12.2010 in A-Stadt zu arbeiten. Dies hat der Kläger abgelehnt. Das Arbeitsverhältnis ist zwischenzeitlich beendet; die Parteien streiten insoweit nur noch über die Wirksamkeit der Versetzung sowie die Frage, inwieweit dem Kläger Arbeitsentgelt bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteht. Letztere Frage ist Streitgegenstand eines gesondert geführten arbeitsgerichtlichen Verfahrens, das rechtshängig ist.

7

Der Kläger hat vorgetragen,

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die streitgegenständliche Versetzung sei rechtsunwirksam, weil mit seinem schriftlichen Arbeitsvertrag unvereinbar.

9

Der Kläger hat beantragt,

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es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers vom 9. Dezember 2010 von C-Stadt nach A-Stadt rechtswidrig und unwirksam ist.

11

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte hat vorgetragen,

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die Versetzung sei rechtswirksam; der Kläger sei verpflichtet gewesen, seine Tätigkeit in A-Stadt fortzusetzen.

15

Hinsichtlich des weiteren unstreitigen und streitigen Parteivorbringens des ersten Rechtszuges wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 2 bis 7 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 118 bis 123 d.A.) Bezug genommen.

16

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 29.06.2011 - 4 Ca 2791/10 - festgestellt, dass die Versetzung des Klägers vom 09.12.2010 von C-Stadt nach A-Stadt rechtsunwirksam ist. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 119 bis 129 d.A. Bezug genommen.

17

Gegen das ihr am 07.07.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 18.07.2011 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 10.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

18

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, da das Arbeitsverhältnis spätestens am 31.03.2011 - unstreitig - sein Ende gefunden habe, sei die Klage bei Abschluss der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz bereits unzulässig gewesen. Ein Feststellungsinteresse bestehe insoweit nicht (mehr).

19

Im Übrigen sei die streitgegenständliche Versetzung rechtswirksam gewesen.

20

Zur weiteren Ergänzung der Darstellung der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 10.08.2011 (Bl. 184 bis 211 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 212 bis 216 d.A.) Bezug genommen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.06.2011, Az.: 4 Ca 2791/10, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, zum einen sei das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben und zum anderen sei die streitgegenständliche Versetzung rechtsunwirksam.

26

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 19.09.2011 (Bl. 217 bis 221 d.A.) Bezug genommen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

28

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 26.09.2011.

Entscheidungsgründe

I.

29

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

30

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

31

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts besteht im Hinblick auf die Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz für die geltend gemachte Feststellung kein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO (mehr); die Klage ist folglich unzulässig und somit unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.

32

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dieses für eine Feststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse setzt voraus, dass der Kläger sein Begehren nicht auf einfachere Weise, zum Beispiel mit einer Leistungsklage, geltend machen kann, eine Unsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses besteht, ein Bedürfnis für eine baldige richterliche Feststellung vorhanden ist und eine Entscheidung des Gerichts geeignet ist, den Rechtsfrieden zwischen den Parteien wieder herzustellen (vgl. Dörner/Luczack/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2011, S. 3114 ff.). Die grundsätzlich damit bestehende Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage ist nur dann nicht gegeben, wenn ihre Rechtskraft weitergeht als die der Leistungsklage (BAG, 30.11.1987 EzA § 37 BetrAVG 1972 Nr. 88) oder wenn zu erwarten ist, dass der Beklagte auch ohne Leistungsbefehl einem Feststellungsurteil nachkommen wird. Einzelne Vorfragen oder Elemente eines Rechtsverhältnisses sind im Übrigen nur dann mit einer Feststellungsklage isoliert einklagbar, wenn damit der Streit der Parteien insgesamt beigelegt werden kann (BAG, 21.04.2010 EzA § 256 ZPO 2002 Nr. 9).

33

Zwar kann nach Maßgabe dieser Voraussetzungen grundsätzlich eine Feststellungsklage im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, die sich gegen die Rechtswirksamkeit einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Versetzung richtet, zulässig sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn im Übrigen zwischen den Parteien im Rahmen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses kein Streit besteht, es also lediglich um den Inhalt oder Ort der durch die Versetzung betroffenen Arbeitstätigkeit geht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles aber nicht gegeben.

34

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist unstreitig beendet; eine gerichtliche Feststellungsentscheidung hätte also keinerlei Auswirkungen für die Zukunft bezogen auf den Inhalt des Beschäftigungsanspruchs bzw. den Arbeitsort des Klägers. Die Feststellung wäre folglich allein auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum gerichtet. Zum anderen ist hier der einfachere Weg der Leistungsklage, der auch im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung weitergehenden Rechtsschutz bietet, nicht nur naheliegend, sondern bereits beschritten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass ein auf Annahmeverzug gerichtetes Klageverfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit bereits rechtshängig ist. In diesem Zusammenhang ist unter anderem auch - als Vorfrage - die Frage der Wirksamkeit der Versetzung zu prüfen. Nicht ausgeschlossen ist es aber auch, dass es im Hinblick auf die weiteren Voraussetzungen für einen Annahmeverzugslohnanspruch auf die Beurteilung dieser Frage gar nicht ankommt, weil zum Beispiel unabhängig von der Rechtsmäßigkeit der Versetzung dem Grunde nach aufgrund der arbeitsvertraglichen Klausel, deren Auslegung zwischen den Parteien streitig ist, im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls (§ 315 BGB) es sich ohnehin um eine rechtswidrige Weisung gehandelt hat oder aber die sonstigen Voraussetzungen des Annahmeverzuges nicht gegeben sind, zum Beispiel, was als Überprüfungsgegenstand naheliegt, weil die einstweilige Unterlassung der veränderten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ein böswilliges Unterlassen im Sinne des § 615 BGB darstellt. Da weitere Streitfragen zwischen den Parteien, bezogen auf die Versetzung nach ihrem tatsächlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen vorliegend nicht ersichtlich sind, liefe eine inhaltliche Entscheidung der Kammer letztlich auf ein - unzulässiges - Rechtsgutachten für einen in der Vergangenheit liegenden und letztlich abgeschlossenen Zeitraum hinaus. Auch kann, wie dargelegt, mit einer Feststellungsentscheidung der Kammer der Rechtsfriede zwischen den Parteien nicht abschließend hergestellt werden, weil damit gerade die Frage eines etwaigen Annahmeverzugsentgeltanspruchs sich nicht abschließend klären lässt.

35

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Klage des Klägers auf die Berufung der Beklagten abzuweisen.

36

Die Kostenentscheidung folge aus § 91 Abs. 1 ZPO.

37

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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