Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (10. Kammer) - 10 TaBV 35/11
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 23. September 2011, Az.: 5 BV 24/11, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten über die Einrichtung einer Einigungsstelle.
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Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) betreibt ein Alten- und Pflegeheim in A.-Stadt mit etwa 100 Pflegeplätzen. Sie beschäftigt dort insgesamt 83 Mitarbeiter. Antragssteller ist der aus vier Mitgliedern bestehende Betriebsrat (Beteiligter zu 1). Mit Bescheid 04.10.2010 (Bl. 113/114 d.A.) hat die Stadt A. der Arbeitgeberin aus brandschutzrechtlichen Gründen aufgegeben, insgesamt 11 im Einzelnen aufgeführte Mängel am Betriebsgebäude zu beseitigen. Der Bescheid hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
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„Bauaufsichtliche Verfügung
Wir fordern Sie auf, unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 04.11.2010, die nachfolgend aufgeführten Mängel zu beseitigen und die geforderten Unterlagen vorzulegen:
…
6. Im gesamten Gebäude sind Bekleidungen einschließlich Unterdecken, Dämmstoffe und Einbauten in den Fluren aus nicht brennbaren Baustoffen (A gem. DIN 4102) herzustellen. Einrichtungen müssen mindestens aus schwer entflammbaren Baustoffen bestehen. Siehe auch brandschutztechnische Stellungnahme der Bezirksregierung Z.-Stadt vom 09.01.1991, Az.: 127 - 230.
…
9. In den Fluren sind zum Teil Kabelkanäle verlegt worden. Die Brandlasten in Form von Kabeltrassen sind gemäß Leitungsanlagenrichlinie nicht zulässig. Die Kabel sind in bauaufsichtlich zugelassenen Kabelkanälen zu verlegen oder entsprechend feuerhemmend (F30 gem. DIN 4102) abzuschotten. Ein entsprechender Nachweis ist vorzulegen.
…“
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Die Arbeitgeberin, die gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt hat, hat die Maßnahmen zu Ziffer 6 und 9 bisher nicht umgesetzt.
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Mit am 24.06.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Betriebsrat das Verfahren 5 BV 15/11 zur Einrichtung einer Einigungsstelle eingeleitet und zur Begründung ausgeführt, es bestünde Streit über die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG wegen nicht umgesetzter Auflagen der Stadtverwaltung. Die Einigungsstelle sei zuständig, denn bei der Findung eines Kompromissvorschlages bezüglich Brandschutzes seien unterschiedliche Maßnahmen möglich und gangbar. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 05.07.2011 den Antrag abgewiesen, da der Betriebsrat für die Einrichtung einer Einigungsstelle kein Rechtsschutzinteresse dargelegt habe. Seinem Vorbringen lasse sich nicht entnehmen, dass die Arbeitgeberin ernsthafte Verhandlungen verweigert habe oder entsprechende Verhandlungen gescheitert seien. Der Beschluss vom 05.07.2011 (Az.: 5 BV 15/11) ist rechtskräftig, nachdem der Betriebsrat seine Beschwerde mit Schriftsatz vom 18.08.2011 zurückgenommen hat (Az.: 10 TaBV 31/11).
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Mit Schriftsatz vom 31.08.2011 leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren zur Errichtung einer Einigungsstelle ein. In entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG wird von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge abgesehen und stattdessen Bezug genommen auf Ziffer I der Gründe des Beschlusses des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 23.09.2011, Az.: 5 BV 24/11 (dort S. 2-8 = Bl. 62-68 d. A.).
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Das Arbeitsgericht hat am 23.09.2011 folgenden Beschluss verkündet:
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Herr Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Y.-Land X. W. wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand zeitlicher Rahmen bzgl. Umsetzung der bauaufsichtlichen Verfügung vom 04.10.2010 der Stadtverwaltung A.-Stadt bzgl. Ziffer 6 und 9
sowie
Umsetzung der Ziffer 6 der bauaufsichtlichen Verfügung vom 04.10.2010 der Stadtverwaltung A.-Stadt hinsichtlich brandschutztechnischer Ausgestaltung
bestellt.
Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.
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Zur Darstellung der Entscheidungsbegründung des Arbeitsgerichts wird auf Ziffer II des erstinstanzlichen Beschlusses (dort S. 8-17 = Bl. 68-77 d.A.) Bezug genommen. Gegen diesen Beschluss, der ihr am 28.09.2011 zugestellt worden ist, hat die Arbeitgeberin mit am 12.10.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 12.10.2011 unter gleichzeitiger Begründung Beschwerde eingelegt.
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Sie macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der erneute Antrag des Betriebsrates unzulässig sei, weil ihm der Einwand der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) entgegenstehe. Der erhobene Anspruch auf Einrichtung einer Einigungsstelle zum selben Regelungsgegenstand sei bereits mit Beschluss vom 05.07.2011 im ersten Verfahren (Az.: 5 BV 15/11) rechtskräftig aberkannt worden. Das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates zur Durchführung des vorliegenden Verfahrens erfolgt sei. Nach den Bekundungen der vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugin habe ein Betriebsratsmitglied bei der Beschlussfassung gefehlt. Eine eventuell zuvor telefonisch eingeholte Zustimmung sei nicht zulässig. Das im Sitzungsprotokoll angegebene Abstimmungsergebnis mit 4 Ja-Stimmen könne angesichts der Tatsache, dass ein Mitglied des vierköpfigen Betriebsrates gefehlt habe, nicht zutreffen.
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Im Übrigen habe das Arbeitsgericht verkannt, dass die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Die bauaufsichtliche Verfügung der Stadt A. vom 04.10.2010 stütze sich auf § 15 LBauO. Es sei bereits fraglich, ob Normen der Landesbauordnung Regelungen über den Gesundheitsschutz i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG darstellten. Sie sei an den Bescheid vom 04.10.2010 gebunden. Ihr verbleibe kein Ermessensspielraum, weil die Stadtverwaltung die durchzuführenden Maßnahmen konkret festgelegt habe. Hinsichtlich der noch nicht erfüllten Punkte 6 und 9 des Bescheides bestünden zwischen ihr und der Stadt unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Umsetzung der geforderten Maßnahmen. Hinzu komme, dass sie dem Betriebsrat mehrfach Gespräche zum Thema Brandschutz angeboten und zu keinem Zeitpunkt Verhandlungen abgelehnt habe. Außerdem habe sie dem Betriebsrat umfassende Unterlagen zu den Brandschutzmaßnahmen übergeben. Schließlich seien Vertreter des Betriebsrates bei den Ortsterminen mit Brandschutzbeauftragten der Stadtverwaltung am 11.08.2011 und 04.10.2011 anwesend gewesen. Einwendungen habe der Betriebsrat nicht erhoben. Es bestehe damit kein Dissens hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise. Die Errichtung einer Einigungsstelle sei daher schlichtweg nicht erforderlich. Im Übrigen sei die Anzahl von jeweils zwei Beisitzern im Hinblick auf die Bedeutung und den Umfang der Angelegenheit nicht erforderlich. Wegen weiterer Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 12.10.2011 (Bl. 89-94 d.A.) verwiesen.
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Die Arbeitgeberin beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 23.09.2011, Az.: 5 BV 24/11, abzuändern und den Antrag abzuweisen.
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Der Betriebsrat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe seines am 31.10.2011 eingegangenen Schriftsatzes vom 24.10.2011 (Bl. 104-110 d.A.), auf den Bezug genommen wird, als zutreffend. Für die Einigungsstelle bestehe durchaus ein Spielraum für Entscheidungen. Die Regelungen über Brand- und Gesundheitsschutz ergeben sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z.B. § 15 LBauO, § 3 a ArbStättV, § 5 ArbSchG, Landesgesetz über Wohnformen und Teihabe (LWTG)). Gerade der Beurteilungsspielraum und die Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV machten deutlich, dass unterschiedliche Regelungen zur betrieblichen Umsetzung vorhanden seien, an deren Ausgestaltung er mitzuwirken habe. Dieser Ausgestaltungsspielraum werde nur zum Teil durch die Vorgaben der Stadt A. in der bauaufsichtlichen Verfügung vom 04.10.2010 eingeschränkt.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften der Anhörungstermine Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Akte 5 BV 15/11.
II.
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Die form -und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Arbeitgeberin ist gemäß §§ 98 Abs. 2, 87 Abs. 2, 88 und 89 ArbGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats auf Einrichtung der begehrten Einigungsstelle zum erstinstanzlich tenorierten Regelungsgegen-stand zu Recht stattgegeben.
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Der zuletzt gestellte Antrag des Betriebsrates ist, wie vom Arbeitsgericht unter Ziffer II. seiner Beschlussgründe mit rechtlich vollumfänglich zutreffenden Erwägungen ausgeführt wurde, zulässig und begründet. Auf die Darlegungen des erstinstanzlichen Gerichts nimmt die Beschwerdekammer zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug. Die Angriffe der Beschwerde rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrates auf Einrichtung einer Einigungsstelle als zulässig angesehen.
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1.1. Der Zulässigkeit des neuerlichen Antrags steht insbesondere nicht die Rechtskraft der Entscheidung in dem zwischen den Beteiligten geführten Beschlussverfahren 5 BV 15/11 entgegen.
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Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der formellen und materiellen Rechtskraft fähig (BAG Beschluss vom 06.06.2000 - 1 ABR 21/99 - NZA 2001, 156, m.w.N.). Ein neues Verfahren ist nach der heute in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannten ne-bis-in-idem-Lehre grundsätzlich unzulässig, wenn es denselben Streitgegenstand eines anderen, bereits rechtskräftig abgeschlossenen Prozesses betrifft. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Bei einem Prozessurteil, mit dem allein über die Zulässigkeit der Klage, nicht aber über die streitige Sache selbst befunden wird, erstreckt sich die Rechtskraft nur auf den jeweils behandelten verfahrensrechtlichen Punkt und nicht auf den materiell-rechtlichen Streitgegenstand. Die materielle Rechtskraft des Prozessurteils besagt damit nur, dass die Klage aus dem in den Entscheidungsgründen konkret genannten Grund unzulässig war und ist; wird der prozessuale Mangel zu eben diesem Punkt behoben, ist der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt allerdings in einer Weise verändert, dass die Rechtskraft des ersten Urteils einer erneuten Entscheidung durch das Gericht nicht im Wege steht (vgl. Musielak/Musielak ZPO 8. Aufl. § 322 Rn. 44; Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 322 Rn. 1 a; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 66. Aufl. § 322 Rn. 60; jeweils mit zahlreichen Nachweisen). Diese Grundsätze gelten auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.
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Das Arbeitsgericht hat im Verfahren 5 BV 15/11 mit Beschluss vom 05.07.2011 rechtskräftig festgestellt, dass der Antrag des Betriebsrates auf Einrichtung einer Einigungsstelle zum damaligen Zeitpunkt mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig war. Zur Zulässigkeit des Antrags nach § 98 ArbGG gehöre, dass der Antragsteller geltend mache, dass entweder die Gegenseite Verhandlungen verweigert oder aber mit dem ernsten Willen zur Einigung geführte Verhandlungen gescheitert seien (ErfK/Koch 12. Aufl. § 98 ArbGG Rn. 2).
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Im vorliegenden Verfahren, das seit dem 01.09.2011 anhängig ist, trägt der Betriebsrat nunmehr vor, dass zwei „Gesprächsversuche“ zwischen den Beteiligten in Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten keinen Erfolg gehabt hätten. Aus dem jetzigen Antrag vom 31.08.2011 geht damit hervor, dass vor der zweiten Anrufung des Gerichts zur Errichtung einer Einigungsstelle aus Sicht des Betriebsrates ernsthaft verhandelt wurde. Das genügt, denn in diesem Zusammenhang dürfen die Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse nicht überspannt werden. Vielmehr ist dem Beschleunigungszweck des § 98 ArbGG Rechnung zu tragen, wonach beim Auftreten von Meinungsverschiedenheiten in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit möglichst rasch eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung stehen soll (GMP/ Matthes/Schlewing ArbGG 7. Aufl. § 98 Rn. 15; m.w.N.). Damit konnte der Betriebsrat die Einrichtung einer Einigungsstelle zum Thema Brandschutzmaßnahmen hier ein weiteres Mal gerichtlich geltend machen, ohne dass dem die Rechtskraft der Entscheidung aus dem Vorprozess 5 BV 15/11 entgegensteht. Rechtskräftig wurde damals die Unzulässigkeit des Antrags, der unter denselben Umständen nicht wiederholt werden durfte.
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1.2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Beschluss des Betriebsrats vom 30.08.2011 zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens und der Vollmachtserteilung an den Verfahrensvertreter den für die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats geltenden Anforderungen genügt und daher wirksam ist.
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Das Arbeitsgericht hat am 23.09.2011 eine Beweisaufnahme durchgeführt, um festzustellen, dass ein wirksamer Betriebsratsbeschluss vorliegt. An der turnusmäßigen Betriebsratssitzung vom 30.08.2011 haben nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zumindest drei von insgesamt vier Betriebsratsmitgliedern teilgenommen (Frau U., Frau T., Frau S.). Die vom Arbeitsgericht vernommene Zeugin T. konnte sich nicht mehr erinnern, ob das vierte Betriebsratsmitglied R. an der Sitzung teilgenommen hat. Selbst wenn Herr R. - wie die Arbeitgeberin behauptet - am 30.08.2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sein sollte, könnte er laut Zeugenaussage gleichwohl an der Sitzung teilgenommen haben. Die Zeugin konnte allerdings nicht ausschließen, dass Herr R. nicht erschienen und seine telefonische Zustimmung eingeholt worden ist.
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Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann dahinstehen, ob drei oder vier Mitglieder des vierköpfigen Betriebsrates mit „Ja“ gestimmt haben. Eine etwaige fehlerhafte telefonische Einholung der Zustimmung des Betriebsratsmitglieds R. wäre ohne Einfluss auf das Abstimmungsergebnis geblieben, denn in der Sitzung hat die Mehrheit von drei Anwesenden einen entsprechenden Beschluss gefasst.
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2. Der nach alledem zulässige Antrag, den der Betriebsrat im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht so präzisiert hat, dass er nunmehr dem Bestimmtheitsgebot genügt, ist auch begründet.
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Die Einigungsstelle ist für die erstinstanzlich tenorierten Regelungsgegenstände - und nur für diese - nicht offensichtlich unzuständig. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Eine offensichtliche Unzuständigkeit mit der Folge der Ablehnung der Einsetzung der Einigungsstelle ist nur anzunehmen, wenn die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint (Schwab/Weth/Walker ArbGG 2. Aufl. § 98 Rn. 36; GMP/ Matthes/Schlewing a.a.O. § 98 Rn. 8, 9). Ob die Einigungsstelle letztlich zuständig ist, hat sie als Vorfrage selbst zu prüfen.
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Vorliegend hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 11.08.2011 in dem Verfahren 5 BV 11/11 zwischen den Beteiligten geklärt, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, soweit der Arbeitgeberin in der bauaufsichtlichen Verfügung der Stadt A. vom 04.10.2010 aufgegeben worden ist,
6. im gesamten Gebäude Bekleidungen einschließlich Unterdecken, Dämmstoffe und Einbauten in den Fluren aus nicht brennbaren Baustoffen (A gem. DIN 4102) herzustellen, wobei die Einrichtungen mindestens aus schwer entflammbaren Baustoffen bestehen müssen
sowie
9. in den Fluren verlegte Kabelkanäle in bauaufsichtlich zugelassenen Kabelkanälen zu verlegen oder entsprechend feuerhemmend (F30 gem. DIN 4102) abzuschotten und einen entsprechenden Nachweis vorzulegen.
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In diesen Fällen ist aus Sicht des Arbeitsgerichts ein Handlungsspielraum der Arbeitgeberin festzustellen. Soweit in Ziffer 6 des Bescheides angeordnet wird, Bekleidungen aus nicht brennbaren Stoffen herzustellen, sei der Formulierung, dass die Einrichtung mindestens aus schwer entflammbaren Baustoffen bestehen müsse, zu entnehmen, dass es hier einen Ermessensspielraum zwischen mehreren möglichen Maßnahmen zur Erfüllung der Pflicht gebe. Auch Ziffer 9 der bauaufsichtlichen Verfügung vom 04.10.2010 lasse der Arbeitgeberin einen Entscheidungsspielraum, die nicht gemäß Leitungsanlagenrichtlinie zulässigen Kabeltrassen entweder in bauaufsichtlich zugelassenen Kabelkanälen zu verlegen oder die zurzeit bestehenden Kabeltrassen feuerhemmend abzuschotten. Auch insoweit sei eine Wahlmöglichkeit für die Arbeitgeberin gegeben. Da ihr die Entscheidung bzgl. der genannten Maßnahmen bleibe, auf welche Art und Weise sie ihrer Handlungspflicht genüge, bestehe auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
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Angesichts dieser Entscheidung des Arbeitsgerichts, das dem Betriebsrat zu Ziffern 6 und 9 ein Mitbestimmungsrecht zusteht, kann von eine offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle keine Rede sein. Zwar hat die Arbeitgeberin gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 11.08.2011 Beschwerde eingelegt (Az.. 10 (3) TaBV 37/11). Ob diese Beschwerde durchgreift, ist im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG nicht zu prüfen.
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3. Das Arbeitsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Besetzung der Einigungsstelle mit zwei Beisitzern je Seite angemessen ist. Damit eröffnet sich für jede Seite die sinnvolle Möglichkeit einen Betriebsangehörigen und einen Außenstehenden zum Beisitzer zu bestellen, um so betriebliche Kenntnisse und externe Fachkenntnisse für die Einigungsstelle nutzbar zu machen.
III.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 4 ArbGG unanfechtbar.
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Referenzen
- ArbGG § 98 Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder einer Rechtsverordnung 6x
- ArbGG § 87 Grundsatz 1x
- ArbGG § 88 Beschränkung der Beschwerde 1x
- ArbGG § 89 Einlegung 1x
- ZPO § 322 Materielle Rechtskraft 1x
- § 15 LBauO 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 a ArbStättV 1x (nicht zugeordnet)
- ArbSchG § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen 1x
- § 3 ArbStättV 1x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 87 Mitbestimmungsrechte 2x
- ArbGG § 69 Urteil 1x
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