Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (6. Kammer) - 6 Ta 263/11

Tenor

Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 29. September 2011 - 10 Ca 1222/11 - aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird für den Kläger zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Bezirksrevisorin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen vom Arbeitsgericht nicht berücksichtigten Anspruch auf Prozesskostenvorschuss als einsetzbares Einkommen im Rahmen gewährter ratenfreier Prozesskostenhilfe für eine auf Zahlung von Arbeitsentgelt gerichtete Klage.

2

Der anwaltlich nicht vertretene Kläger verfolgte mit seiner am 01. Juli 2011 zur Rechtsantragstelle erklärten Klage Vergütungsansprüche für Mai und anteilig für Juni 2011.

3

Nach der vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt der gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger über eigene Einnahmen in Höhe von 535,58 € brutto monatlich. Hierauf entfallen Lohn- und Kirchensteuerbeträge von 56,13 € und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 83,11 € monatlich.

4

Die Einkünfte seiner Ehefrau belaufen sich per Saldo auf 3.101,91 € netto pro Monat. Hierin sind Kindergeldleistungen in Höhe von 368,-- € enthalten. Für die private Krankenversicherung fallen Ausgaben in Höhe von 232,35 € monatlich.

5

Durch Beschluss vom 29. September 2011 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung.

6

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Vertreterin der Landeskasse mit dem zuletzt gestellten Antrag, eine Einmalzahlung, die 120,50 € nicht unterschreiten sollte, anzuordnen.

7

Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, für die Prozesskostenhilfe sei als Vermögenswert sei der Prozesskostenvorschussanspruch des Klägers gegenüber seiner Ehefrau nach § 1360 a BGB zu berücksichtigen. Bei einer arbeitsrechtlichen Zahlungsstreitigkeit handele es sich um eine persönliche Angelegenheit im Sinne des § 1613 a Abs. 4 BGB.

8

Unter Berücksichtigung der Auffassung der Vertreterin der Landeskasse ergäbe sich für die PKH-Rate folgende Berechnung:

9

Einkünfte

        

Nettoeinkommen

 3101,91

Kindergeld

 368,00

                 

Abzüge nach § 82 Abs.2 SGB XII

        

private Krankenversicherung

 238,78

                 

Freibeträge

        

Freibetrag § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO

 182,00

Freibetrag der Partei nach § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO

 400,00

Freibetrag 1. Kind, geb. am: 10.04.2004

 276,00

Freibetrag 2. Kind, geb. am: 09.01.2008

 237,00

                 

sonstige Kosten

        

Wohnkosten (anteilig)

 797,83

Nebenkosten (anteilig)

 154,02

Abzahlungsverpflichtungen (anteilig, vgl. Bl. 2 PKH-Heft)

 199,80

                 
                 

Ergebnis

        

anrechenbares Einkommen

 984,48

gerundet

 984,00

                 

PKH-Rate

 534,48

10

Die zu erwartenden Gerichtskosten nach Nr. 8201 KV-GKG aus einem Gegenstandswert in Höhe von 1.008,-- € zuzüglich bislang angefallener Zustellungskosten für drei Zustellungen in Höhe von je 3,50 € ergäben den Betrag von 120,50 €.

11

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung insbesondere die Auffassung vertreten, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die eine Kündigungsschutzklage als persönliche Angelegenheit mit der Folge eines Prozesskostenvorschussanspruches gewertet habe, sei auf eine Klage auf Arbeitsentgelt nicht in vergleichbarer Weise zu übertragen.

12

Zu den weiteren Begründungsansätzen des Arbeitsgerichts wird auf den Nichtabhilfebeschluss vom 18. November 2011 (Bl. 53 - 56 d. PKH-Heftes) Bezug genommen.

13

Die Vertreterin der Landeskasse hat an ihrer Auffassung im Schriftsatz vom 20. September 2011 festgehalten und insbesondere auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. März 2009 - 2 Ta 25/09 - abgehoben.

14

Der Kläger seinerseits hat im Beschwerdeverfahren mit dem Schreiben vom 04. Januar 2012 (Bl. 65 u. 66 d. A.) Stellung bezogen.

15

Auf den weiteren Akteninhalt wird verwiesen.

II.

16

Die nach § 127 Abs. 3 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Vertreterin der Landeskasse ist b e g r ü n d e t.

17

Der Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 29. September 2011 ist aufzuheben.

18

Dem Kläger durfte die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nach § 115 Abs. 4 ZPO nicht bewilligt werden, da die Prozesskosten 1. Instanz vier Monatsraten und die sich aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge nicht übersteigen.

19

Insoweit trifft den Kläger nach näherer Festsetzung durch das Arbeitsgericht die Verpflichtung, die nach Nr. 8201 KV-GKG aus einem Gegenstandswert von 1.008,-- € anfallenden Gerichtskosten und Zustellungskosten für drei Zustellungen zu zahlen.

20

Im Rahmen beantragter Prozesskostenbewilligung war beim Kläger gemäß § 115 Abs. 3 ZPO ein seinem Vermögen zuzurechnender Prozesskostenvorschussanspruch gemäß § 1360 a Abs. 4 BGB gegenüber seiner Ehefrau zu berücksichtigen. Die für die Prozesskostenhilfeentscheidung auch aus Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 GG (BVerfG RPfleger 2001, 188) resultierende Prämisse, minderbemittelten Parteien Prozesskostenhilfe zu gewähren, ist nicht gegeben. Der vorliegend arbeitsgerichtliche Streit, gerichtet auf Zahlung von Arbeitsentgelt für Mai und anteilig Juni 2011, ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Vertreterin der Landeskasse eine persönliche Angelegenheit des klagenden Ehegatten im Sinne von § 1360 a Abs. 4 BGB. Danach gilt, dass in Fällen, in denen der Ehegatte nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, zu tragen, den anderen Ehegatten die Verpflichtung trifft, ihm diese Kosten vorzuschießen. Für arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 05. April 2006 (- 3 AZB 61/04) eine - "persönliche Angelegenheit" im Sinne von § 1360 a Abs. 4 BGB u. a. mit der Begründung angenommen, dass beide Ehegatten einander verpflichtet seien, durch ihre Arbeit die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 Satz 1 BGB) und das Recht beider Ehegatten bestünde, erwerbstätig zu sein (§ 1356 Abs. 2 Satz 1 BGB). Mit der Entscheidung, Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zu sein, würde das Leben der Ehegatten zu einem ganz wesentlichen Teil durch das Arbeitsverhältnis bestimmt und geprägt.

21

Nach Meinung der Beschwerdekammer stellen Vergütungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis einen zentralen, die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Ehe berührenden Faktor dar. Sie umgreifen die wirtschaftliche Lage und Existenz - der ihren beiden Kindern gegenüber unterhaltspflichtigen - Ehegatten (vgl. BGH Beschluss vom 25. November 2009 - XII ZB 46/09 = NJW 2010, 372).

22

Die Wertungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofes sind auf Vergütungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, die regelmäßig zum Bestreiten des gemeinsamen Lebensunterhaltes dienen, - es wird aus "einem Topf" gewirtschaftet - zu übertragen. Insoweit kann der Auffassung des Arbeitsgerichts im Anschluss an das Landesarbeitsgericht Hamm (Beschluss vom 07.12.2009 - 14 Ta 489/09 -) zu einer bloßen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und einer mittelbaren Bedeutung für die damit verbundene Entlastung der Unterhaltspflicht nicht gefolgt werden.

23

Der Prozesskostenvorschuss ist entsprechend der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15.12.2009 - 8 Ta 289/09 - nach Prozesskostenhilfe-Richtlinien zu errechnen. Ausgehend von den in den Gründen unter I dargestellten Werten würden die Bewilligungsvoraussetzungen für eine Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der Prozesskostenhilfebestimmungen der Zivilprozessordnung (§ 115 Abs. 4 ZPO) nicht erreicht.

24

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen in der grundsätzlichen Bedeutung (§ 574 ZPO).

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