Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (1. Kammer) - 1 Ta 15/12
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 14.12.2011 - 8 Ca 1762/11 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe
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I. In dem vorliegenden Verfahren begehrt der beschwerdeführende Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung eines höheren Wertes des Gegenstands seiner anwaltlichen Tätigkeit.
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Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.04.2011 als Filialleiter zu einem Bruttojahresgehalt von 59.900,- Euro beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 06.09.2011 zum 31.10.2011 gekündigt. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage und beantragte darüber hinaus, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet habe.
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Die Parteien haben den Rechtsstreit durch Abschluss eines Vergleichs beendet. Darin vereinbarten sie unter anderem die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Zeugnisses entsprechend eines vom Kläger vorgelegten Entwurfs (Ziffer 2).
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Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert mit Beschluss vom 14.12.2011 für das Verfahren auf 4.991,67 Euro und für den Vergleich auf 9.983,33 Euro festgesetzt. Dabei hat das Gericht den Kündigungsschutzantrag mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers bewertet. Für Ziffer 2 des Vergleichs hat das Gericht einen Mehrwert in Höhe eines weiteren Bruttomonatsgehalts angesetzt.
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Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.12.2011 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte mit einem am selben Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er begehrt die Bewertung des Kündigungsschutzantrages mit 3, jedoch mindestens 2 Bruttomonatsgehältern. Zur Begründung hat er ausgeführt, bei der Bewertung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger ein überdurchschnittliches Gehalt bezogen und für die Begründung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten ein 10jähriges Arbeitsverhältnis aufgegeben habe.
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as Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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II. 1.Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist nach § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde form - und fristgerecht erhoben und ist auch sonst zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt auch den Wert von 200,- Euro.
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2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
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Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag zu Recht mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers bewertet.
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Gemäß § 23 Abs. 1 RVG in Verbindung mit § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG ist bei der Bewertung einer Bestandsstreitigkeit höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend. Dabei ist ausgehend von diesem Höchstbetrag auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.12.2011 - 1 Ta 272/11). Bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zu sechs Monaten beträgt der Streitwert einen Monatsverdienst, von sechs bis zwölf Monaten zwei Monatsverdienste und von mehr als einem Jahr drei Monatsverdienste (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 07.04.2010 - 1 Ta 88/10). Mit dieser Rechtsprechung hat sich das Beschwerdegericht insbesondere der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 30.11.1984 (NZA 1985, 369) angeschlossen. In diesem Beschluss hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgericht sich eingehend (vgl. Langtext bei juris) mit der Festsetzung des Gebührenstreitwertes im Kündigungsschutz-verfahren auseinandergesetzt. Das Bundesarbeitsgericht hat in überzeugender Art und Weise unter Hinweis auf die damalige Rechtsprechung und insbesondere die Rechtsprechung von anderen Senaten des Bundesarbeitsgerichts begründet, dass ein Arbeitsverhältnis in den ersten sechs Monaten unter Anlegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise noch nicht den Wert hat, den etwa ein langjähriges Arbeitsverhältnis inne hat, da der Gesetzgeber an die Dauer des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses in zahlreichen Fällen gesetzliche Folgen knüpft. So greifen nach Überschreiten einer Bestandsdauer von sechs Monaten besondere gesetzliche Schutzrechte (u.a. nach § 1 Abs. 1 KschG, § 4 BurlG, § 8 BetrVG), weshalb es gerechtfertigt ist, hier eine erste Wertungsgrenze anzunehmen. Bei einer Bestandsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr ist dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses daher ein gegenüber dem Zeitraum unter sechs Monaten gesteigerter Wert zuzuerkennen, welcher typischerweise mit zwei Bruttomonatsgehältern anzusetzen ist, bevor sich nach Ablauf von einem Jahr das Arbeitsverhältnis derart verfestigt hat, dass die Festsetzung eines Vierteljahresgehalts regelmäßig als angemessen erscheint. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise findet ihren gesetzlichen Niederschlag auch im Gedanken der Geringerbewertung wertloser Forderungen in § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG. Auch im Rahmen der Insolvenzordnung bestimmt sich gem. § 182 InsO der Wert des Streitgegenstandes einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, nach dem Betrag der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist.
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Der Wert eines Kündigungsrechtsstreits wächst somit in der Regel zunehmend mit der Bestandsdauer. Ausnahmen von diesen Bewertungsregeln kommen insbesondere dann in Betracht, wenn sich der Bestand eines Arbeitsverhältnisses aufgrund des Vorliegens von Sonderkündigungsschutzrechten wie nach § 9 Abs. 1 MuSchG bereits vor Ablauf von 6 Monaten verfestigt hat.
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Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, vorliegend sei eine erhöhte Bewertung wegen des besonderen wirtschaftlichen Interesses des Klägers am Bestand seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der überdurchschnittlichen Entlohnung und der zuvor erfolgten Aufgabe eines langjährigen Arbeitsverhältnisses vorzunehmen. Diese Aspekte vermögen jedoch eine vom Regelfall abweichende höhere Bewertung nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das objektiv zu ermittelnde Interesse des Klägers an einem weiteren Bezug einer überdurchschnittlichen Vergütung bereits mit der Ansetzung eines Verfahrenswertes in Höhe dieser tatsächlich erzielten Vergütung seinen Niederschlag findet. Es ist darüber hinaus nicht erkennbar, inwiefern die Aufgabe eines langjährig früheren Beschäftigungsverhältnisses zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers am Erhalt dieses Arbeitsverhältnisses gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse eines sonstigen vergleichbaren Arbeitnehmers gesteigert haben könnte, so dass eine erhöhte Bewertung gerechtfertigt wäre. Dieser Aspekt hat nicht - etwa durch arbeitsvertragliche Vereinbarung - seinen Niederschlag gefunden und hätte somit zu einem erhöhten Bestandsschutz des neuen Arbeitsverhältnisses geführt. Vielmehr handelt es sich bei der Aufgabe eines alten Arbeitsverhältnisses und damit des bestehenden Kündigungsschutzes um ein allgemeines Risiko, welches jeder Arbeitnehmer bei der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses typischerweise eingeht, um möglicherweise bessere Arbeitsbedingungen oder sonstige gewünschte Veränderungen zu erzielen. Auch insoweit erfüllen die vorliegenden Umstände keinen vom Regelfall abweichenden Ausnahmetatbestand, der eine erhöhte Bewertung rechtfertigen könnte.
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Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG zurückzuweisen.
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Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.
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Referenzen
- InsO § 182 Streitwert 1x
- RVG § 23 Allgemeine Wertvorschrift 1x
- 1 Ta 88/10 1x (nicht zugeordnet)
- RVG § 33 Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren 2x
- § 4 BurlG 1x (nicht zugeordnet)
- 8 Ca 1762/11 1x (nicht zugeordnet)
- RVG § 25 Gegenstandswert in der Vollstreckung und bei der Vollziehung 1x
- § 3 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 8 Wählbarkeit 1x
- Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (1. Kammer) - 1 Ta 272/11 1x
- § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- MuSchG § 9 Kündigungsverbot 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x