Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 TaBV 12/12


Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.02.2012, Az.: 7 BV 4/12, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand Interessenausgleich.

2

Die Beteiligte zu 1) ist Pächterin und Betreiberin des C.. Der Beteiligte zu 2) ist der für den Betrieb der Beteiligten zu 1) gebildete Betriebsrat.

3

Anfang Dezember 2011 gab die Beteiligte zu 1. dem Beteiligten zu 2. bekannt, dass sie eine Restrukturierung ihrer Betriebsstätte plane. In einem ersten Gespräch am 09.12.2011 überreichte die Beteiligte zu 1. dem Beteiligten zu 2. den Entwurf eines Interessenausgleichs (Bl. 55 ff d.A.), den weiteren Entwurf einer „Betriebsvereinbarung Sozialauswahl“ und eine Präsentation ihres Restrukturierungskonzepts, dem als Anlage ein aktuelles Organigramm und ein Zielorganigramm beigefügt waren (Bl. 58 ff d.A.).

4

Der Beteiligte zu 2. übersendete der Beteiligten zu 1. unter Datum vom 13.12.2011 einen ersten Fragenkatalog zu ihrer unternehmerischen Planung.

5

Am 16.12.2011 und am 20.12.2011 fanden jeweils Verhandlungsrunden zwischen den Betriebspartnern statt, wobei der Inhalt der Gespräche streitig ist.

6

Mit E-Mail vom 06.01.2012 (Bl. 82 ff d.A.) informierte die Beteiligte zu 1. den Beteiligten zu 2. darüber, dass das ursprüngliche Restrukturierungskonzept eingeschränkt werden solle. Auf die Schließung des "E" (Gastronomiebereich) werde verzichtet, und auch im Hotelbereich sollen keine Stellen abgebaut werden.

7

Am 11.01.2012 legte der Betriebsrat einen zweiten Fragenkatalog vor.

8

Am 12.01.2012 kamen die Betriebspartner zu einem weiteren Gespräch zusammen. Wegen Abwesenheit der wirtschaftlichen Beraterin des Betriebsrats fanden an diesem Tag keine Verhandlungen zum Interessenausgleich statt.

9

Am 13.01.2012 fand ein "Expertenmeeting" unter Beteiligung von Vertretern der Beteiligten und der betriebswirtschaftlichen Beraterin des Beteiligten zu 2) statt, das der Beantwortung von Fragen des Beteiligten zu 2) dienen sollte.

10

Am 18.01.2012 verhandelten die Beteiligten über den Interessenausgleich, wobei der Inhalt der geführten Gespräche im Einzelnen streitig ist.

11

Im Anschluss an diesen Verhandlungstermin erklärte die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 18.01.2012 (Bl. 85 ff d.A.), dass sie den Betriebsrat umfassend unterrichtet habe. Einigkeit habe sich nicht erzielen lassen, so dass "die Voraussetzungen des Scheiterns der freien Verhandlungen" vorlägen. Sie bot unabhängig davon an, am 19.01.2012 für ergänzende Informationen zur Verfügung zu stehen und am 20.01.2012 erneut zu verhandeln. Darüber hinaus unterbreitete sie den Vorschlag, am 31.01.2012 erneut zu verhandeln und für den Fall der Nichteinigung bereits jetzt eine Einigungsstelle einzusetzen, die am 07. oder 08.02.2012 tagen soll.

12

Der Beteiligte zu 2. reagierte hierauf mit Schreiben vom 23.01.2012 (Bl. 142ff. d.A.) und rügte, dass eine umfassende Unterrichtung nach § 111 BetrVG noch nicht vorliege, insbesondere fehlten Informationen zur geplanten Leistungsverdichtung und der Umverteilung der Arbeitstätigkeiten sowie zu geplanten Versetzungen. Der Betriebsrat erklärte sich bereit, ein Alternativkonzept zu erstellen, über welches am 31.01.2012 verhandelt wird. Keine Bereitschaft bestand, bereits jetzt im Vorfeld der einvernehmlichen Errichtung einer Einigungsstelle zuzustimmen.

13

Mit ihrem am 24.01.2012 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Antrag hat die Beteiligte zu 1) die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich Restrukturierung Betriebsstätte C." begehrt.

14

Die Beteiligte zu 1. hat erstinstanzlich folgendes vorgetragen:

15

In der Verhandlung vom 18.01.2012 habe der Betriebsrat mitgeteilt, dass seine Fragen im Wesentlichen vollständig beantwortet worden seien. Zuvor sei in den Verhandlungsrunden vom 16.12.2011, 20.12.2011 und 18.01.2012 umfassend zum Restrukturierungskonzept verhandelt worden. Soweit der Betriebsrat in seinem Schreiben vom 23.01.2012 nun behauptet, bis zum 17.01.0212 sei nur ca. die Hälfte der Informationen erteilt worden, solle dies dazu dienen, die Verhandlungen hinauszuzögern. Sie habe dem Betriebsrat weitere Verhandlungstermine zum Interessenausgleich am 14.12.2011, 06.01.2012, 10.01.2012, 16.01.2012, 19.01.2012 und 20.01.2012 angeboten. Hier hätte sich der Betriebsrat umfassend informieren können. Diese Termine seien jedoch nicht angenommen worden.

16

Die Beteiligte zu 1. hat erstinstanzlich beantragt,

17

eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich Restrukturierung Betriebsstätte C." einzusetzen, Herrn Vorsitzenden Richter am LAG H., S., zum Vorsitzenden zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer auf zwei für jede Seite festzusetzen,

18

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

19

den Antrag zurückzuweisen,

20

hilfsweise

21

eine Einigungsstelle mit dem Regelungsinhalt "Interessenausgleich" einzurichten unter dem Vorsitz des Herrn L., Vorsitzender Richter am ArbG a.D., sowie jeweils zehn Beisitzern für jede Seite festzusetzen.

22

Die Beteiligte zu 1. hat weiterhin beantragt,

23

den Hilfsantrag abzuweisen.

24

Der Beteiligte zu 2. hat vorgetragen,
dass von einem Scheitern der freien Verhandlungen nicht ausgegangen werden könne, da die Beteiligte zu 1. ihrer Verpflichtung zur umfassenden Unterrichtung über die geplante Betriebsänderung bislang noch nicht nachgekommen sei. Sie habe nicht einmal die rudimentärsten Auskünfte zu der gesamten geplanten Maßnahme erteilt. Insbesondere seien zu den Themenkomplexen der Leistungsverdichtung und der Versetzungen im Rahmen der Betriebsänderung keine Informationen erteilt worden. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 1) zu Saisonbeginn Neueinstellungen geplant habe. Auch zur Neuverteilung der Aufgaben nach dem Personalabbau fehle es an Informationen, zumal sich seit der ersten Information im Dezember 2011 das Konzept der Beteiligten zu 1. hinsichtlich der abzubauenden Stellen geändert habe.

25

Es bestünden Bedenken gegen die vorgeschlagene Person des Einigungsstellenvorsitzenden, weil zwischen ihm und der Beteiligten zu 1. im Vorfeld bereits Vorgespräche stattgefunden hätten und auch ein Termin für die Sitzung der Einigungsstelle bereits abgesprochen worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass dem beantragten Vorsitzenden bereits ein entsprechender Sachverhalt seitens der Beteiligten zu 2. nahegelegt worden sei.

26

In den Terminen vom 16.12.2011 und vom 20.12.2011 habe sich die Beteiligte zu 1. konsequent geweigert, über einen Interessausgleich zu sprechen, wenn nicht zuvor die Betriebsvereinbarung zur Sozialauswahl abgeschlossen werde.

27

Während die Beteiligte zu 1. zumindest seit 6 Monaten Kenntnis von den wirtschaftlichen Problemen habe, werde jetzt von ihm verlangt, dass er sich innerhalb weniger Tage ein Bild der Lage mache und einen Interessenausgleich abschließe.

28

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 09.02.2012, Az. 7 BV 4/12, dem Antrag der Beteiligten zu 1 mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Anzahl der Beisitzer für jede Seite auf vier festgesetzt wird. Der Hilfsantrag des Beteiligten zu 2. ist zurückgewiesen worden. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Antrag der Beteiligten zu 1. zum einen zulässig sei. Insbesondere sei ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, da eine wesentliche sachbezogene Unterrichtung des Betriebsrats erfolgt sei und die Beteiligte zu 1. einen ausreichenden Versuch zu einer Verhandlungslösung unternommen habe. Der Antrag sei auch begründet, da die Einigungsstelle im Hinblick auf die §§ 111, 112 BetrVG nicht offensichtlich unzuständig sei. Gegen den von der Beteiligten zu 1. vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden bestünden keine Bedenken. Irgendeine sachliche Begründung für die Ablehnung sei durch den Betriebsrat nicht dargelegt worden. Im Hinblick auf die geplante Umsetzung einer umfassenden Restrukturierungsmaßnahme mit erheblichem Personalabbau in verschiedenen Bereichen erweise sich die Besetzung der Einigungsstelle mit jeweils 4 Beisitzern auf jeder Seite als angemessen.

29

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 16.02.2012 zugestellt worden ist, hat der Betriebsrat am 01.03.2012 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig wie folgt begründet:

30

Eine wesentliche sachbezogene Unterrichtung durch die Beteiligte zu 1. sei bislang nicht erfolgt. Eine ordnungsgemäße Unterrichtung läge erst dann vor, wenn sich der Betriebsrat ein vollständiges Bild von der geplanten Maßnahme und deren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer machen könne. Hier könne der Betriebsrat insbesondere nicht erkennen, auf welchen konkreten Arbeitsplätzen es zukünftig zu Leistungsverdichtungen in welchem Umfang komme, ob es sich aufgrund der Leistungsverdichtungen um Versetzungen handele, wie viele Arbeitnehmer überhaupt von Leistungsverdichtung und/oder Versetzung betroffen und in welchem Umfang Änderungskündigungen geplant seien. Ohne diese grundlegenden Informationen seien die Betriebsparteien auch gehindert gewesen, überhaupt Verhandlungen zu führen, da nicht erkennbar gewesen sei, was genau verhandelt werden solle.

31

Terminabsprachen über den Kopf eines der Beteiligten hinweg seien sehr wohl geeignet, Vorbehalte gegenüber der vorgeschlagenen Person des Einigungsstellenvorsitzenden zu begründen.

32

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

33

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.02.2012, Az. 7 BV 4/12,
abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

34

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

35

die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen.

36

Die Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, die Beschwerde sei schon als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht hinreichend begründet sei. Im Übrigen verteidigt sie die erstinstanzliche Entscheidung.

37

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.

II.

38

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthaft und innerhalb der in § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG vorgeschriebenen Frist eingelegt und hinreichend begründet worden gemäß §§ 98 Abs. 2, 87 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 513, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO.

39

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

I.

40

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 1. auf Einrichtung der begehrten Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Interessenausgleich Restrukturierung Betriebsstätte C.“ zu Recht stattgegeben. Die Angriffe der Beschwerde rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

41

1. Der Antrag der Beteiligten zu 1. ist zulässig.

42

a) Die Beteiligte zu 1. verfolgt ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Einrichtung einer Einigungsstelle nach den §§ 76 BetrVG, 98 ArbGG. Der Antrag ist auch im Hinblick auf den Regelungsgegenstand hinreichend bestimmt.

43

b) Entgegen der Ansicht des Betriebsrats besteht hier auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

44

aa) Im Falle des § 98 ArbGG kann das Rechtsschutzbedürfnis fraglich sein, wenn die Betriebspartner in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit nicht einmal gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG den Versuch unternommen haben, mit Einigungswillen zu verhandeln, sondern sofort die Einigungsstelle angerufen wird. Denn damit haben sie sich der gesetzlich vorgegebenen Möglichkeit begeben, auf "einfachem" Weg ohne ein vorgeschaltetes gerichtliches Einigungsstellenbesetzungsverfahren zur Lösung eines betriebsverfassungsrechtlichen Konfliktfalls zu gelangen. Allerdings dürfen die Anforderungen in dem Zusammenhang nicht überspannt werden. Es ist dem spezifischen Regelungszweck des § 98 ArbGG Rechnung zu tragen. Namentlich durch die verkürzten Fristen, die Alleinentscheidung des Vorsitzenden in beiden Instanzen und die begrenzte Zuständigkeitsprüfung (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass bei Meinungsverschiedenheiten in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit möglichst rasch eine Einigungsstelle zur Verfügung stehen soll, um den Konflikt zu regeln. Dieser Beschleunigungszweck würde unterlaufen oder zumindest doch in Frage gestellt, wenn an das Kriterium, vorab verhandelt zu haben, zu hohe Anforderungen gestellt würden. § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat keine Anspruchsqualität, so dass es jedem Betriebspartner überlassen bleibt, im konkreten Einzelfall die Kommunikation abzubrechen und zur Beilegung aufgetretener Meinungsverschiedenheiten auf die Bildung einer Einigungsstelle hinzuwirken (so zutreffend LAG Hamm 04.10.2010 - 13 TaBV 74/10 – zitiert nach juris, zu I der Gründe).

45

bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze fanden hier ernsthafte Verhandlungen statt, deren Scheitern die Beteiligte zu 1. am 18.01.2012 feststellen durfte. Die Beteiligte zu 1. hat dem Betriebsrat ihre Präsentation des Restrukturierungskonzeptes sowie den Entwurf eines Interessenausgleichs am 09.12.2011 überreicht. Durch die Beifügung des aktuellen und des Zielorganigramms sind Informationen erteilt worden, in welchen Bereichen die Beteiligte zu 1. den Abbau von Arbeitsplätzen und damit Leistungsverdichtungen plant. In den nachfolgenden Wochen fanden mehrere Gesprächsrunden zwischen den Betriebsparteien statt. Auf die eingegangenen Fragenkataloge des Betriebsrats erfolgten Antworten durch die Beteiligte zu 1.. Die wirtschaftliche Beraterin des Betriebsrats ist am 13.01.2012 über das Konzept der Beteiligten zu 1. informiert worden. Sie hat sich mit diesem Konzept auseinandergesetzt, bevor am 18.01.2012 zwischen den Betriebspartnern über den Interessenausgleich verhandelt worden ist. Dieser Verhandlungstermin fand über einen Monat nach Übergabe der Unterlagen an den Betriebsrat statt. Dass die Beteiligte zu 1. die Verhandlungen nach diesem Termin für gescheitert erklärte, erfolgte nicht ohne Anlass, sondern im Hinblick darauf, dass in diesem Termin zum einen keine Einigung erzielt werden konnte, zum anderen seitens des Beteiligten zu 2. kein Alternativkonzept vorgelegt worden war.

46

Dass der Betriebsrat im Rahmen seiner Beschwerde weitere konkrete Fragen aufwirft, zu denen er sich bislang nicht hinreichend unterrichtet sieht, führt nicht dazu, an der Durchführung ernsthafter Verhandlungen durch die Beteiligte zu 1. zu zweifeln. Die Beteiligte zu 1. ist in der Pflicht, den Betriebsrat ordnungsgemäß und umfassend über Art und Umfang der geplanten Maßnahmen zu unterrichten. Wenn der Betriebsrat im Hinblick auf diese Unterrichtung Informationsdefizite erkennt, so ist er nach den Prinzipien der vertrauensvollen Zusammenarbeit, §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, auf diese Bedenken hinzuweisen. Damit erhält der Arbeitgeber die Gelegenheit, seine Begründung der beabsichtigten Maßnahmen zu ergänzen. Den Grundsätzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit widerspricht es, wenn der Betriebsrat zunächst weitere Verhandlungstermine ablehnt, um dann im Rahmen eines Einsetzungsverfahrens nach § 98 ArbGG neue Aspekte zu benennen, in denen er sich nicht als ordnungsgemäß unterrichtet ansieht. Er ist verpflichtet, diese Gesichtspunkte bereits im Rahmen der Verhandlungen über den Interessenausgleich zu benennen. Anderenfalls wäre durch ein solches Verhalten immer eine Verzögerung des Verfahrens nach § 98 ArbGG möglich. Dies stände den besonderen Beschleunigungsgrundsätzen des Verfahrens entgegen.

47

Für die Bejahung des Rechtsschutzinteresses genügt es, wenn sich der Antragsteller um Verhandlungen bemüht hat, der andere Betriebspartner dazu aber nicht bereit ist. Anderenfalls könnte der verhandlungsunwillige Teil das Einigungsstellenverfahren blockieren. Gleiches gilt, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass die Verhandlungen nicht bzw. nicht in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis führen, etwa weil der Betriebspartner weitere Verhandlungen ausdrücklich oder durch sein Verhalten jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt ablehnt (Schwab/Weth: ArbGG –Kommentar, 3. Aufl., § 98, Rn. 21). Hier hat der Betriebsrat durch die Ablehnung weiterer Gesprächstermine am 19. und 20.01.2012 deutlich gemacht, dass eine zeitnahe Regelung nicht zu erreichen ist. Soweit er im Schreiben vom 23.01.2012 erklärte, er werde bis zum 31.01.2012 ein Alternativkonzept erarbeiten, so lag ein solches auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 08.03.2012 noch nicht vor. Das weitere Angebot der Beteiligten zu 1. mit E-Mail vom 29.02.2012, die vom Betriebsrat gerügten Informationsdefizite in einer weiteren Gesprächsrunde am 03., 05. oder 06.03.2012 aufzuarbeiten, wurde von dem Beteiligten zu 2. nicht angenommen. Diese Verhaltensweisen bestätigen das Vorliegen des Rechtsschutzinteresses auf Einrichtung einer Einigungsstelle. Die Einigungsstelle darf nicht erst dann angerufen werden, wenn beide Seiten der Auffassung sind, alles umfassend erörtert zu haben. Jedem Beteiligten steht es frei zu entscheiden, wann er die innerbetriebliche Beilegung einer Meinungsverschiedenheit in angemessener Zeit nicht mehr für erreichbar hält. Zuvor muss mit ernsthaftem Einigungswillen verhandelt worden sein. Diesen kann man der Beteiligten zu 1. aufgrund ihres Einsatzes ab dem 09.12.2011 nicht absprechen.

48

2. Der Antrag ist auch begründet.

49

a) Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt (Schwab/Weth, ArbGG-Kommentar, 3. Aufl., § 98 Rn. 36; LAG Schleswig-Holstein 19.12.2006 – 6 TaBV 14/06 – DB 2007, 924; LAG Hamburg 17.04.2007 – 3 TaBV 6/07 – NZA-RR 2007, 413; LAG Hamm 15.07.2011 – 10 TaBV 41/11–). Das Bestellungsverfahren soll nicht durch Klärung komplizierter Rechtsfragen belastet werden.

50

b) Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle liegt hier nicht vor.

51

Die Beteiligte zu 1. hat den Betriebsrat hier zu Interessenausgleichsverhandlungen über eine geplante Betriebsänderung gemäß §§ 111, 112 BetrVG aufgerufen. Kommt gemäß § 112 Abs. 2 S. 1 BetrVG ein Interessenausgleich nicht zustande, so kann der Unternehmer nach § 112 Abs. 2 S.2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen.

52

c) Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass gegen die Person des Einigungsstellenvorsitzenden keine Bedenken bestehen.

53

aa) In der Beschwerdeinstanz trifft das Landesarbeitsgericht keine eigene Ermessensentscheidung hinsichtlich der Person des Einigungsstellenvorsitzenden. Das LAG ist auf eine Überprüfung der Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts verwiesen, da die Beschwerde lediglich der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient und nicht deren Ersetzung (vgl. Schwab-Weth, ArbGG-Kommentar, 3. Aufl., § 98 Rn. 67 m.w.N.).

54

bb) Die Bestellung des Vorsitzenden ist hier ermessensfehlerfrei erfolgt.

55

Das Gericht ist bei der Auswahl der zu bestellenden Person grundsätzlich frei und an die Vorschläge der Beteiligten nicht gebunden. Das Auswahlermessen des Gerichts ist jedoch eingeschränkt, wenn gegen eine vom Antragsteller vorgeschlagene Person vom anderen Beteiligten keine oder keine nachvollziehbaren Einwände erhoben werden (LAG Nürnberg 02.07.2004 – 7 TaBV 19/04 – NZA-RR 2005, 100) und sich auch dem Gericht keine Bedenken hinsichtlich der Fachkunde und der Unparteilichkeit des Vorgeschlagenen aufdrängen.

56

cc) Der hier vorgeschlagene Herr Vorsitzender Richter am LAG H., S., erfüllt die Voraussetzungen, die an die Person eines Einigungsstellenvorsitzenden gestellt werden. Er bringt aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit die erforderliche Sach- und Rechtskunde mit. Es ist auch nach § 98 Abs. 1 S. 5 ArbGG ausgeschlossen, dass er später in seiner Funktion als Richter mit der Überprüfung, der Auslegung oder Anwendung des Spruchs der Einigungsstelle befasst sein wird, da er nicht in Rheinland-Pfalz beruflich tätig ist.

57

dd) Insbesondere drängen sich hier auch keine Bedenken gegen die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person auf. Soweit die Beteiligte zu 1. im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens bereits Kontakt mit dem vorgeschlagenen Vorsitzenden aufgenommen hat, um dessen Bereitschaft zur Übernahme des Vorsitzes und zu seiner zeitlichen Verfügbarkeit abzuklären sowie einen ersten Termin abzusprechen, führt dies nicht zu einem Verlust seiner Neutralität. Vielmehr ist es ein legitimes Interesse der Beteiligten zu 1., im Vorfeld abzuklären, ob die Einigungsstelle unter dem Vorsitz der von ihr ins Auge gefassten Person eingerichtet werden kann. Ansonsten bestände die Gefahr, dass die Person erst nach Verkündung des gerichtlichen Beschlusses den Einigungsstellenvorsitz ablehnt und hierdurch eine weitere Verzögerung des Verfahrens eintreten würde. Dies stünde der vom Gesetzgeber beabsichtigten beschleunigten Bildung der Einigungsstelle entgegen.

58

Entgegen der Auffassung des Betriebsrats erwachsen auch daraus keine Bedenken gegen den vorgeschlagenen Einigungsvorsitzenden, weil er bei Anrufen in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats keine Telefonnummer für einen Rückruf hinterlassen hat. Es steht allein in seiner Entscheidung, ob er selbst einen weiteren Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat durchführen oder ob er sich zurückrufen lassen möchte. Hieraus lassen sich keine ernsthaften Bedenken an seiner Unparteilichkeit herleiten.

59

d) Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle hat das Arbeitsgericht zu Recht auf 4 für jede Seite festgelegt.

60

Die angemessene Zahl der Beisitzer hängt von den betrieblichen Verhältnissen ebenso ab wie von der streitigen Sache selbst: Komplexität des zu regelnden Sachverhalts, Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer, die mit dem Regelungsgegenstand verbundenen schwierigen Rechtsfragen, Zumutbarkeit der Kostenlast (Schwab/Weth, ArbGG-Kommentar, 3. Aufl., § 98 Rn. 56; LAG Niedersachsen 13.12.2005 NZA-RR 06, 306). Hierbei ist zu bedenken, dass die Arbeitsfähigkeit des Gremiums mit steigender Anzahl der Beisitzer sinken wird.

61

Im Hinblick auf den geplanten Personalabbau, der mehrere Bereiche der Betriebsstätte erfassen wird, ist vorliegend die Hinzuziehung von externem rechtlichem und wirtschaftlichem Sachverstand erforderlich. Dies rechtfertigt es, von der Regelbesetzung von 2 Beisitzern nach oben hin abzuweichen und vier Beisitzer für jede Seite festzulegen. Hiergegen sind in der Beschwerdeinstanz auch keine Bedenken mehr erhoben worden.

II.

62

Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel, § 98 Abs. 2 S. 4 ArbGG.

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