Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (11. Kammer) - 11 TaBV 5/12
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.01.2012, Az.: 7 BV 3/12 wird zurückgewiesen.
Der Hilfsantrag des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
- 1
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
- 2
Die Beteiligte zu 1. ist Pächterin und Betreiberin des C. Der Beteiligte zu 2. ist der für den Betrieb der Beteiligten zu 1. gebildete Betriebsrat.
- 3
Anfang Dezember 2011 setzte die Beteiligte zu 1. den Betriebsrat darüber in Kenntnis, dass sie eine Restrukturierung ihrer Betriebsstätte C. plant. Sie überreichte dem Beteiligten zu 2. am 09.12.2011 eine Präsentation ihres Restrukturierungskonzepts sowie den Entwurf eines Interessenausgleichs und den Entwurf einer Betriebsvereinbarung Sozialauswahl.
- 4
Die Beteiligte zu 1. beabsichtigt den Abschluss einer Auswahlrichtlinie über die soziale Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen und den Abschluss eines Interessenausgleichs zu der geplanten Restrukturierungsmaßnahme.
- 5
Am 16.12.2011 wurde in einer Besprechung der Beteiligten ein schriftlicher Gegenentwurf des Beteiligten zu 2. zur Betriebsvereinbarung Sozialauswahl diskutiert. Zu einem weiteren Gesprächstermin kamen die Beteiligten am 20.12.2011 unter Beteiligung der externen Berater des Beteiligten zu 2. zusammen, wobei der Inhalt der geführten Gespräche im Einzelnen streitig ist. Die seitens der Beteiligten zu 1. angebotenen weiteren Verhandlungstermine am 21. und 22.12.2011 wurden durch den Beteiligten zu 2. nicht wahrgenommen.
- 6
Der Beteiligte zu 2. legte zu einem weiteren Gesprächstermin am 12.01.2012 einen Entwurf für eine "Betriebsvereinbarung Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG" vor (Bl. 49 ff d.A.). Neben einer Regelung zur Gewichtung der Sozialkriterien bei betriebsbedingten Kündigungen in § 8 sind hierin unter anderem Regelungen zu Bewerbungen, Einstellungen, Versetzungen und Umgruppierungen enthalten. Auch hinsichtlich dieses Termins ist der Inhalt der geführten Gespräche im Einzelnen streitig.
- 7
Im Anschluss an den Termin vom 12.01.2012 stellte die Beteiligte zu 1. das Scheitern der Verhandlungen fest. Mit Schreiben vom 17.01.2012 (Bl. 57 d.A.) erklärte der Beteiligte zu 2., dass er kein Scheitern der Verhandlungen feststellen kann.
- 8
Mit dem am 20.01.2012 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Antrag hat die Beteiligte zu 1. die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Auswahlrichtlinie über die soziale Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen" begehrt.
- 9
Die Beteiligte zu 1. hat hierzu erstinstanzlich vorgetragen:
- 10
Am 16.12.2011 sei Einigkeit zwischen den Betriebspartnern darüber erzielt worden, dass die "Betriebsvereinbarung Sozialauswahl" am 20.12.2011 verabschiedet werden könne. Hiervon habe der Beteiligte zu 2. am 20.12.2011 wieder Abstand genommen. Als wenige Stunden vor dem Verhandlungstermin am 12.01.2012 der inhaltlich deutlich erweiterte Vorschlag des Beteiligten zu 2. zu Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG eingegangen sei, habe ihr Geschäftsführer am 12.01.2012 dem Beteiligten zu 2. erklärt, dass die Beteiligte zu 1. die Regelungsvorschläge zu den neuen Inhalten nicht vereinbaren werde. Eine Verhandlung zu dem überarbeiteten Entwurf zur Betriebsvereinbarung Sozialauswahl habe der Beteiligte zu 2. verweigert. Damit seien die Verhandlungen gescheitert gewesen.
- 11
Da sie auch unter Berücksichtigung der saisonal beschäftigten Aushilfen regelmäßig weniger als 500 Mitarbeiter beschäftige, stehe dem Betriebsrat kein Initiativrecht für eine Auswahlrichtlinie zu. Eine Auswahlrichtlinie zu den Fragen der Einstellung, Versetzung und Umgruppierung sei von ihr nicht gewollt.
- 12
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,
- 13
eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Auswahlrichtlinie über die soziale Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen" einzusetzen, Herrn Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht H., S., zum Vorsitzenden zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer auf zwei für jede Seite festzusetzen,
- 14
hilfsweise
- 15
durch Teilbeschluss zu entscheiden.
- 16
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen,
- 18
hilfsweise
- 19
eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG" einzurichten unter dem Vorsitz des Herrn Dr. R, Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht H. sowie jeweils fünf Beisitzer für jede Seite festzusetzen.
- 20
Die Beteiligte zu 1) hat weiterhin beantragt,
- 21
den Hilfsantrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
- 22
Der Beteiligte zu 2) hat vorgetragen:
- 23
Zu dem im Antrag des Beteiligten zu 1. benannten Regelungsgegenstand hätten noch gar keine Verhandlungen stattgefunden. Dieser Regelungsgegenstand entspräche nicht den vorgelegten Entwürfen.
- 24
Bis zum 20.12.2011 habe die Beteiligte zu 1. den Eindruck erweckt, die Thematik der Sozialauswahl solle im Rahmen des Interessenausgleichs verhandelt werden. Als die Beteiligte zu 1. am 20.12.2011 dann mitgeteilt habe, dass der Abschluss einer "ganz normalen" Betriebsvereinbarung zu Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG beabsichtigt sei, habe der Beteiligte zu 2. zu dieser Thematik einen umfassenden Entwurf erarbeitet. Am 12.01.2011 habe der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1. erklärt, es bestehe Bereitschaft, den gesamten Entwurf des Betriebsrats zu verhandeln, an diesem Termin müsse aber ausschließlich § 8 (Gewichtung bei Kündigungen) behandelt werden. Der Geschäftsführer habe nicht erklärt, man werde die Regelungsvorschläge nicht vereinbaren, zumal er auch am 06.01.2012 Bereitschaft zu umfassenden Regelungen signalisiert habe.
- 25
Unter Berücksichtigung der saisonal, von April bis Oktober, beschäftigten Aushilfen beschäftige die Beteiligte zu 1. regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer, so dass die Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 BetrVG gegeben seien. Der Betriebsrat habe jedenfalls sein Initiativrecht mit Übersendung seines Entwurfs zu den Auswahlrichtlinien ausgeübt. Über diesen Entwurf hätten noch keine hinreichenden Verhandlungen stattgefunden.
- 26
Der von der Beteiligten zu 1. vorgeschlagene Vorsitzende werde vom Betriebsrat abgelehnt, da hier bereits Vorgespräche stattgefunden hätten und bereits ein Termin für die Sitzung der Einigungsstelle abgesprochen worden sei.
- 27
Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 27.01.2012, Az. 7 BV 3/12, dem Antrag der Beteiligten zu 1. stattgegeben und den Hilfsantrag des Beteiligten zu 2. zurückgewiesen.
- 28
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass für den Antrag der Beteiligten zu 1. insbesondere ein Rechtsschutzinteresse gegeben sei. Die Beteiligte zu 1. habe einen ausreichenden Versuch zu einer Verhandlungslösung unternommen. Nach Vorlage ihres Entwurfs sei am 16.12.2011 auch ein Gegenentwurf des Beteiligten zu 2. diskutiert worden. Auf den streitigen Ablauf der weiteren Verhandlungsrunden komme es danach nicht mehr an. Die vorgenommene Beschränkung auf eine Auswahlrichtlinie zur Sozialauswahl sei zulässig gewesen. Der Antrag sei auch begründet, da keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle zu erkennen sei. Gegen die Person des Einigungsstellenvorsitzenden bestünden keine Bedenken. Das Vorgespräch der Beteiligten zu 1. zur Abklärung der Verfügbarkeit der vorgeschlagenen Person begründe keine erheblichen Zweifel an der Neutralität des Vorsitzenden. Die Einigungsstelle sei mit 2 Beisitzern für jede Seite ordnungsgemäß besetzt.
- 29
Der Hilfsantrag des Beteiligten zu 2. sei unzulässig. Es fehle am Rechtsschutzinteresse, da die Verhandlungen über den gewünschten Regelungsgegenstand noch nicht stattgefunden hätten.
- 30
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 02.02.2012 zugestellt worden ist, hat der Betriebsrat mit am 16.02.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 16.02.2012 unter gleichzeitiger Begründung Beschwerde eingelegt.
- 31
Der Beteiligte zu 2. macht im Wesentlichen geltend, dass eine isolierte Entscheidung ausschließlich über den von der Beteiligten zu 1. begehrten Regelungsgegenstand nicht mehr möglich sei nach Ausübung des Initiativrechts des Betriebsrats gemäß § 95 Abs. 2 BetrVG, da ab diesem Zeitpunkt der gesamte Komplex „Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG“ Regelungsgegenstand der Verhandlungen geworden sei.
- 32
Der beantragte Vorsitzende werde durch den Beteiligten zu 2. abgelehnt. In den Vorgesprächen zwischen der Beteiligten zu 1. und dem vorgeschlagenen Vorsitzenden sei sogar schon eine Terminabsprache erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass dem beantragten Vorsitzenden bereits ein entsprechender Sachverhalt und eine angebliche Eilbedürftigkeit nahegelegt worden seien.
- 33
Der Beteiligte zu 2. und Beschwerdeführer stellt folgenden Antrag:
- 34
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.01.2012, Az. 7 BV 3/12, wird abgeändert und der Antrag Ziffer 1 zurückgewiesen.
- 35
Auf den Hilfsantrag hin wird eine Einigungsstelle mit dem Regelungsinhalt „Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG“ unter Vorsitz des Herrn Dr. R., Vorsitzender Richter am LAG H., eingerichtet sowie die Anzahl der Beisitzer für jede Seite auf 5 festgesetzt.
- 36
Die Beteiligte zu 1. und Beschwerdegegnerin beantragt,
- 37
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen,
- 38
hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen,
- 39
wiederum hilfsweise für den Fall der Stattgabe des Hilfsantrags des Beschwerdeführers im Wege des Teilbeschlusses zugunsten der Antragstellerin zu entscheiden.
- 40
Die Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, der Hauptantrag des Beteiligten zu 2. sei schon als unzulässig zu verwerfen, da seine Begründung den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge. Auch der Hilfsantrag des Betriebsrats sei als unzulässig zu verwerfen, da ein Gegenantrag im Verfahren nach § 98 ArbGG gesetzlich nicht vorgesehen sei. Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss als zutreffend verteidigt.
- 41
In der öffentlichen Sitzung am Landesarbeitsgericht hat die Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 2. als weiteren Einwand gegen die vorgeschlagene Person des Einigungsstellenvorsitzenden angeführt, dass er bei 2 Anrufen in ihrer Kanzlei keine Rückrufnummer hinterlassen habe.
- 42
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
II.
- 43
Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG statthaft und innerhalb der in § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG vorgeschriebenen Frist eingelegt und hinreichend begründet worden gemäß §§ 98 Abs. 2, 87 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 513, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO.
- 44
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
I.
- 45
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 1. auf Einrichtung der begehrten Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Auswahlrichtlinie über die soziale Auswahl bei betriebsbedingten Kündigungen“ zu Recht stattgegeben. Die Angriffe der Beschwerde rechtfertigen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
- 46
1.Der Antrag der Beteiligten zu 1. ist zulässig.
- 47
a) Die Beteiligte zu 1. verfolgt ihr Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Einrichtung einer Einigungsstelle nach den §§ 76 BetrVG, 98 ArbGG. Der Antrag ist auch im Hinblick auf den Regelungsgegenstand hinreichend bestimmt.
- 48
b) Entgegen der Ansicht des Betriebsrats besteht hier auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
- 49
aa) Im Falle des § 98 ArbGG kann das Rechtsschutzbedürfnis fraglich sein, wenn die Betriebspartner in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit nicht einmal gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG den Versuch unternommen haben, mit Einigungswillen zu verhandeln, sondern sofort die Einigungsstelle angerufen wird. Denn damit haben sie sich der gesetzlich vorgegebenen Möglichkeit begeben, auf "einfachem" Weg ohne ein vorgeschaltetes gerichtliches Einigungsstellenbesetzungsverfahren zur Lösung eines betriebsverfassungsrechtlichen Konfliktfalls zu gelangen. Allerdings dürfen die Anforderungen in diesem Zusammenhang nicht überspannt werden. Es ist dem spezifischen Regelungszweck des § 98 ArbGG Rechnung zu tragen. Namentlich durch die verkürzten Fristen, die Alleinentscheidung des Vorsitzenden in beiden Instanzen und die begrenzte Zuständigkeitsprüfung (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass bei Meinungsverschiedenheiten in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit möglichst rasch eine Einigungsstelle zur Verfügung stehen soll, um den Konflikt zu regeln. Dieser Beschleunigungszweck würde unterlaufen oder zumindest doch in Frage gestellt, wenn an das Kriterium, vorab verhandelt zu haben, zu hohe Anforderungen gestellt würden. § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat keine Anspruchsqualität, so dass es jedem Betriebspartner überlassen bleibt, im konkreten Einzelfall die Kommunikation abzubrechen und zur Beilegung aufgetretener Meinungsverschiedenheiten auf die Bildung einer Einigungsstelle hinzuwirken (so zutreffend LAG Hamm 04.10.2010 - 13 TaBV 74/10 – zitiert nach juris, zu I der Gründe).
- 50
bb) Nach diesen Grundsätzen hat die Beteiligte zu 1. hier einen ausreichenden Versuch zu einer Verhandlungslösung unternommen. Die Beteiligte zu 1 hat dem Betriebsrat den schriftlichen Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen am 09.12.2011 übergeben. Über diesen Entwurf wurde am 16.12.2011 zwischen den Betriebspartnern verhandelt. Zu diesem Termin lag bereits ein Gegenentwurf des Betriebsrats vor, der zwischen den Betriebspartnern diskutiert worden ist. Damit fanden Verhandlungen über den Regelungsgegenstand statt. Auf den inhaltlichen Ablauf der weiteren, im Einzelnen umstrittenen Verhandlungsrunden kommt es daher nicht mehr entscheidend an. Die Verhandlungen sind gescheitert, weil sich der Betriebsrat nicht damit einverstanden erklärt hat, vorab eine Regelung zur Gewichtung der Sozialkriterien bei betriebsbedingten Kündigungen zu treffen.
- 51
Die arbeitgeberseitig vorgenommene Beschränkung des Regelungsgegenstandes auf eine Auswahlrichtlinie zur Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen ist zulässig. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, wonach nur gleichzeitig über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen verhandelt werden kann. Die Regelungsgegenstände des § 95 Abs. 1 BetrVG sind vielmehr teilbar. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 95 Abs. 1 BetrVG, wonach es um Richtlinien in der Mehrzahl geht. Ebenso folgt dies mittelbar aus § 1 Abs. 4 KSchG, wonach die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft werden kann, wenn eine Richtlinie nach § 95 BetrVG festlegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach § 1 Abs.3 KSchG im Verhältnis zueinander zu bewerten sind.
- 52
Die Forderung des Betriebsrats auf Vereinbarung einer umfassenden Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG führt nicht dazu, dass die Beteiligte zu 1. von ihrem eingeschränkten Verhandlungsgegenstand abrücken muss und sich nur noch umfassend über eine Auswahlrichtlinie mit dem Betriebsrat verständigen dürfte. Die Beteiligte zu 1. ist nicht verpflichtet, vor der Anrufung einer Einigungsstelle zunächst über sämtliche Regelungsgegenstände des § 95 Abs. 1 BetrVG mit dem Betriebsrat in Verhandlungen zu treten. Es würde zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führen, wenn der Betriebsrat das Verfahren durch seine Forderung nach umfassenden Richtlinienverhandlungen in erheblichem Umfang ausweiten könnte, zumal hier vorab erst noch zu klären wäre, ob dem Betriebsrat überhaupt ein Initiativrecht gemäß § 95 Abs. 2 BetrVG zusteht. Dieses steht dem Betriebsrat nur in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern zu. Die Anzahl der regelmäßig Beschäftigten ist hier zwischen den Beteiligten jedoch umstritten.
- 53
2.Der Antrag ist auch begründet.
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a) Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt (Schwab/Weth, ArbGG-Kommentar, 3. Aufl., § 98 Rn. 36; LAG Schleswig-Holstein 19.12.2006 – 6 TaBV 14/06 – DB 2007, 924; LAG Hamburg 17.04.2007 – 3 TaBV 6/07 – NZA-RR 2007, 413; LAG Hamm 15.07.2011 – 10 TaBV 41/11–). Das Bestellungsverfahren soll nicht durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen belastet werden.
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b) Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle liegt hier nicht vor. Eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen ist ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand, denn er bedarf nach § 95 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle.
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c) Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass gegen die Person des Einigungsstellenvorsitzenden keine Bedenken bestehen.
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aa) In der Beschwerdeinstanz trifft das Landesarbeitsgericht keine eigene Ermessensentscheidung hinsichtlich der Person des Einigungsstellenvorsitzenden. Das LAG ist auf eine Überprüfung der Ermessensentscheidung des Arbeitsgerichts verwiesen, da die Beschwerde lediglich der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient und nicht deren Ersetzung (vgl. Schwab-Weth, ArbGG-Kommentar, 3. Aufl., § 98 Rn. 67 m.w.N.).
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bb)Die Bestellung des Vorsitzenden ist hier ermessensfehlerfrei erfolgt.
- 59
Das Gericht ist bei der Auswahl der zu bestellenden Person grundsätzlich frei und an die Vorschläge der Beteiligten nicht gebunden. Das Auswahlermessen des Gerichts ist jedoch eingeschränkt, wenn gegen eine vom Antragsteller vorgeschlagene Person vom anderen Beteiligten keine oder keine nachvollziehbaren Einwände erhoben werden (LAG Nürnberg 02.07.2004 – 7 TaBV 19/04 – NZA-RR 2005, 100) und sich auch dem Gericht keine Bedenken hinsichtlich der Fachkunde und der Unparteilichkeit des Vorgeschlagenen aufdrängen.
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cc) Der hier vorgeschlagene Herr S., Vorsitzender Richter am LAG H, erfüllt die Voraussetzungen, die an die Person eines Einigungsstellenvorsitzenden gestellt werden. Er bringt aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit die erforderliche Sach- und Rechtskunde mit. Es ist auch nach § 98 Abs. 1 S. 5 ArbGG ausgeschlossen, dass er später in seiner Funktion als Richter mit der Überprüfung, der Auslegung oder Anwendung des Spruchs der Einigungsstelle befasst sein wird, da er nicht in Rheinland-Pfalz beruflich tätig ist.
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dd) Insbesondere drängen sich hier auch keine Bedenken gegen die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person auf. Soweit die Beteiligte zu 1. im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens bereits Kontakt mit dem vorgeschlagenen Vorsitzenden aufgenommen hat, um dessen Bereitschaft zur Übernahme des Vorsitzes und zu seiner zeitlichen Verfügbarkeit abzuklären sowie einen ersten Termin abzusprechen, führt dies nicht zu einem Verlust der Neutralität. Vielmehr ist es ein legitimes Interesse der Beteiligten zu 1., im Vorfeld abzuklären, ob die Einigungsstelle unter dem Vorsitz der von ihr ins Auge gefassten Person eingerichtet werden und ob auch die Durchführung eines ersten Termins in einem absehbaren Zeitraum erfolgen kann. Ansonsten bestände die Gefahr, dass die Person erst nach Verkündung des gerichtlichen Beschlusses den Einigungsstellenvorsitz ablehnt und hierdurch eine weitere Verzögerung des Verfahrens eintreten würde. Dies stünde der vom Gesetzgeber beabsichtigten beschleunigten Bildung der Einigungsstelle entgegen.
- 62
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats erwachsen auch daraus keine Bedenken gegen den vorgeschlagenen Einigungsvorsitzenden, weil er bei Anrufen in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats keine Telefonnummer für einen Rückruf hinterlassen hat. Es steht allein in seiner Entscheidung, ob er selbst einen weiteren Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat durchführen oder ob er sich zurückrufen lassen möchte. Hieraus lassen sich keine ernsthaften Bedenken an seiner Unparteilichkeit herleiten.
- 63
d) Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle hat das Arbeitsgericht zu Recht auf 2 für jede Seite festgelegt. Dies entspricht der Regelbesetzung einer Einigungsstelle (LAG Schleswig-Holstein 08.02.2012 – 6 TaBV 47/11 – zitiert nach juris Rn. 33). Hiergegen haben die Beteiligten in der Beschwerdeinstanz keine Einwendungen erhoben.
II.
- 64
Der Hilfsantrag des Beteiligten zu 2. ist durch das Arbeitsgericht zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden.
- 65
Mit dem Hilfsantrag erstrebt der Betriebsrat nicht nur die andersartige Besetzung der Einigungsstelle, sondern darüber hinaus eine Einigungsstelle für einen erweiterten, und damit abweichenden, Regelungsbereich. Der Hilfsantrag des Beteiligten zu 2. ist deshalb als hilfsweise gestellter "Widerantrag" aufzufassen. Ein solcher Widerantrag ist im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht vorgesehen und daher unzulässig. Ist die Einigungsstelle, um deren Besetzung gemäß § 76 Abs. 2 S. 2 und 3 BetrVG die Betriebsparteien streiten, nicht offensichtlich unzuständig, so ist für einen "Widerantrag", der die Besetzung für eine Einigungsstelle mit erweiterter Thematik anstrebt, kein Raum; das Verfahren nach § 98 ArbGG dient nicht der Frage, mit welchen Angelegenheiten sich die Einigungsstelle sinnvoller Weise noch befassen soll (LAG Sachsen 12.10.2001 – 3 TaBV 22/01 – zitiert nach juris).
III.
- 66
Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel, § 98 Abs. 2 S. 4 ArbGG.
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