Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 411/13
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.08.2013 - 11 Ca 29/13 - hinsichtlich der Ziffer 6 aufgehoben.
Der Kläger wird verurteilt, weitere 31.024,17 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2013 zu zahlen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob der Kläger der Beklagten im Wege der Widerklage zur Zahlung weiteren Schadensersatzes verpflichtet ist, oder aber nicht.
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Die Parteien haben erstinstanzlich über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 19.12.2012, Ansprüche des Klägers auf restliche Vergütung und Annahmeverzugslohn sowie Schadensersatzansprüche der Beklagten gestritten, die sie im Wege der Widerklage verfolgt.
- 3
Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung auf die Entwendung erheblicher Mengen von Dieselkraftstoff gestützt; mit der gleichen Begründung hat sie den Kläger auf Schadensersatz im Wege der Widerklage in Anspruch genommen.
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Der Kläger hat, soweit für das Berufungsverfahren noch von Belang, vorgetragen,
die Vorwürfe der Beklagten, er habe über mehrere Monate Dieselkraftstoff in erheblichem Umfang entwendet, seien falsch. Das Entwenden von Kraftstoff in der von der Beklagten behaupteten Menge sei tatsächlich gar nicht möglich.
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Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens des Klägers im erstinstanz-lichen Rechtszug wird auf Seite 5, 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 155, 156 d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger hat beantragt,
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Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.12.2012, zugegangen am 19.12.2012, aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung bezieht.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2012 2.228,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2013 zu zahlen
- 10
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziff. 1 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kraftfahrer und Beifahrer im Güternah- und Fernverkehr weiter zu beschäftigen.
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Kommt die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Entscheidung nach, wird sie verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat des Weiteren im Wege der Widerklage beantragt,
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den Kläger und Widerbeklagten im Wege der Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 31.264,98 EUR netto Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2012 zu zahlen.
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festzustellen, dass es sich bei der Klageforderung gemäß Antrag zu Ziffer 1 um eine Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Klägers zu Lasten der Beklagten handelt.
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Der Kläger und Widerbeklagte hat insoweit beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
- 19
Die Beklagte hat, soweit für das Berufungsverfahren noch von Belang, insoweit vorgetragen,
die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt, weil der Kläger über mehrere Monate hinweg Dieselkraftstoff in erheblichem Umfang entwendet habe. Für die Monate März 2012 bis Oktober 2012 ergebe sich ein Gesamtschaden in Höhe von insgesamt 31.264,98 EUR.
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Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug wird auf Seite 8 bis 11 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 158 bis 161 d.A.) Bezug genommen.
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Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 06.08.2013 - 11 Ca 29/13 - die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.228,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 zu zahlen, des Weiteren 1.411,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2013 und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es den Kläger verurteilt, an die Beklagte 5.944,29 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2012 zu zahlen und des Weiteren festgestellt, dass die Forderung gemäß Ziffer 4 eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung des Klägers zu Lasten der Beklagten darstellt. Im Übrigen hat sie die Widerklage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 158 bis 179 d. A. Bezug genommen.
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Gegen das ihr am 27.08.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 27.09.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 26.11.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, mit dem Arbeitsgericht sei davon auszugehen, dass die mit der Widerklage geltend gemachte Forderung dem Grunde nach gemäß §§ 280 ff., 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 246 StGB bzw. 263 StGB begründet sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei allerdings davon auszugehen, dass sich der Kläger nicht nur in den Monaten Juni, September und Oktober 2012 Kraftstoff im Wert von 5.944,29 EUR netto verschafft habe.
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Auszugehen sei von einem Durchschnittsverbrauch von maximal 35 Liter auf 100 Kilometer für den vom Kläger geführten Lkw der Beklagten. Unter Zugrundelegung dieses Ausgangswertes ergebe sich für den Monat März 2012 ein Schaden in Höhe von 5.040,31 EUR, für den Monat April 2012 in Höhe von 7.584,88 EUR, für den Monat Mai 2012 in Höhe von 4.852,35 EUR, für den Monat Juni 2012 statt, wie vom Arbeitsgericht erkannt, in Höhe von 1.723,35 EUR 3.446,70 EUR, für den Monat Juli 2012 in Höhe von 4.280,08 EUR, für den Monat August 2012 in Höhe von 4.021,46 EUR, für den Monat September 2012 in Höhe von 4.574,25 EUR statt der vom Arbeitsgericht angenommenen 2.814,93 EUR und für den Monat Oktober 2012 in Höhe von 3.168,53 EUR statt der vom Arbeitsgericht angenommenen 1.406,01 EUR netto.
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Hinsichtlich der Darstellung der Berechnung der Einzelbeträge im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 26.11.2013 (Bl. 215 bis 223 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 224 bis 242 d. A.) Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz, vom 06.08.2013, 11 Ca 20/13, abzuändern, soweit es die Widerklage abgewiesen hat und den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte weitere 31.024,17 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2012 zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 30
Im Berufungsverfahren hat der Kläger angeregt, das vorliegende Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen, nachdem zwischenzeitlich die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht B. die Anklage wegen des hier streitgegenständlichen Sachverhalts beantragt habe, so dass alsbald mit der Durchführung der Strafverhandlung gerechnet werden könne.
- 31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
- 32
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 24.03.2014.
Entscheidungsgründe
I.
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Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
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Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache keinen Erfolg.
- 35
Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Klägers kann die Beklagte vom Kläger die Zahlung weiterer 31.024,17 EUR netto nebst Zinsen ver-langen.
- 36
Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass der Beklagten Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff., 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 246 StGB bzw. § 263 StGB zustehen. Denn bei der "Entwendung" von Kraftstoff aus dem Tank des von ihm geführten Lkw handelt es sich um eine Unterschlagung im Sinne des § 246 StGB. Tankkartenbetrug stellt einen tatbestandlichen Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB dar. Insoweit teilt die Kammer ausdrücklich die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Kläger die ihm überlassenen Tankkarten zu bestimmungsfremden eigenen und drittnützigen Zwecken eingesetzt hat bzw. Kraftstoff aus dem Tank des Lkws XY 000 entwendet hat.
- 37
Dies gilt zunächst für einen Gesamtbetrag in Höhe von 5.944,29 EUR für die Monate Juni 2012, September 2012 und Oktober 2012. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen (S. 23 bis 26 = Bl. 174 bis 177 d. A.) Bezug genommen.
- 38
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Widerklage aber auch im Gesamtumfang ebenso wie im Hinblick auf die Erweiterung der Widerklage im Berufungsverfahren, die sachdienlich und damit zulässig ist, voll umfänglich begründet.
- 39
Die Beklagte hat die insoweit geltend gemachten Einzelpositionen nach Monaten, Lkw-Laufleistungen, durchschnittlichen Dieselpreisen und einem "normalen Verbrauch" von maximal 35 Liter pro 100 Kilometer ohne weiteres nachvollziehbar und zutreffend für den streitgegenständlichen Zeitraum berechnet; daraus ergibt sich der insgesamt mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzbetrag. Insoweit wird auf Seite 2 bis 9 der Berufungsbegründungsschrift vom 26.11.2013 (Bl. 216 bis 223 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 224 bis 242 d. A.) Bezug genommen.
- 40
Nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Einwendungen dagegen hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht erhoben, so dass das Vorbringen der Beklagten als zugestanden gilt.
- 41
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung, wie geschehen, hinsichtlich der Widerklage teilweise aufzuheben und der Widerklage insgesamt im Umfang der Klageerweiterung im Berufungsverfahren stattzugeben.
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Zur Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das anhängige Strafverfahren war keine Veranlassung gegeben. Denn das Berufungsverfahren war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer entscheidungsreif; eine Aussetzung hätte im Hinblick auf das Strafverfahren keinerlei neue Erkenntnisse ermöglicht, sondern lediglich zu einer vermeidbaren und damit auch tatsächlich zu vermeidenden Verzögerung der Erledigung geführt, was im Hinblick auf den arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz nach Maßgabe des hier gegebenen Sach- und Streitstandes nicht angemessen und vertretbar erscheint.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
- 44
Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.
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Referenzen
- StGB § 246 Unterschlagung 3x
- §§ 280 ff., 823 Abs. 2 BGB 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 2x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- ZPO § 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung 1x
- 11 Ca 29/13 2x (nicht zugeordnet)
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- 11 Ca 20/13 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 263 Betrug 2x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- ArbGG § 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren 1x