Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 7/14

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 7. November 2013, Az. 2 Ca 742/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.805,00 brutto abzüglich € 1.927,00 netto (Leistungen des Jobcenters Kaiserslautern) und abzüglich gezahlter € 370,12 netto zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger hat 90 % und die Beklagte 10 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs und Entgeltfortzahlung.

2

Der 1976 geborene Kläger (verh., zwei Kinder) war seit dem 18.06.2012 bei der Beklagten, einem Betrieb des Forst- und Landschaftsbaus, als Arbeiter zu einem Stundenlohn von € 11,00 brutto beschäftigt. Am 25.10.2012 verursachte er in stark alkoholisiertem Zustand (BAK 2,34 ‰) mit dem Kleintransporter des Zeugen E. S. (Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten) einen Verkehrsunfall. Am Fahrzeug entstand dabei ein Sachschaden, den die Beklagte mit € 1.600,00 beziffert.

3

Am 15.11.2012 (so die Beklagte) oder am 16.11.2012 (so der Kläger) fand zwischen dem Kläger und dem Zeugen E. S. ein Streitgespräch über die Modalitäten der Schadensregulierung statt. Im Verlauf des Gesprächs soll der Kläger das Arbeitsverhältnis selbst mündlich gekündigt haben, was er bestreitet. Nach dem Streitgespräch arbeitete der Kläger nicht mehr im Betrieb der Beklagten.

4

Der Kläger war ausweislich der Aufstellung der gesetzlichen Krankenkasse (Bl. 213 d.A.) vom 29.10. bis 04.11.2012 wegen Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, vom 19.11. bis 03.12.2012 wegen akuter Belastungsreaktion, Anpassungsstörung und Dysthymia und vom 28.01. bis 06.05.2013 wegen lumbaler und sonstiger Bandscheibenschäden arbeitsunfähig krankgeschrieben.

5

Für November 2012 (bis 15.11.2012) rechnete die Beklagte einen Bruttoverdienst von € 467,50 ab, der einem Nettolohn von € 370,12 entsprach. Irrtümlich zahlte sie dem Kläger diesen Nettobetrag doppelt aus.

6

Am 01.12.2012 richtete die Beklagte folgendes Schreiben an den Kläger:

7

"Sie haben am 15.11.2012 mündlich Ihr Arbeitsverhältnis während der Probezeit fristlos gekündigt und verließen gegen Mittag Ihren Arbeitsplatz. Sie sagten, Sie würden die schriftliche Kündigung nachreichen, was bis heute nicht geschehen ist.

8

Der Ordnung halber bestätigen wir hiermit Ihre Kündigung und nehmen sie zum 15.11.2012 an."

9

Die früheren Rechtsanwälte des Klägers antworteten mit Schreiben vom 27.12.2012 wie folgt:

10

"In vorbezeichneter Angelegenheit komme ich auf Ihr Schreiben vom 01.12.2012 zurück und teilte Ihnen mit, dass mein Mandant nicht zu dem von Ihnen angegebenen Zeitpunkt gekündigt hat.
Gemäß § 623 BGB bedarf die Kündigung einer Schriftform.
Sollte mein Mandant mündlich gekündigt haben, dem hier ausdrücklich widersprochen wird, liegt folglich keine ordnungsgemäße Kündigung vor.
Das Arbeitsverhältnis besteht fort."

11

Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 04.01.2013 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.02.2013.

12

Mit Klageschrift vom 06.06.2013 verlangt der Kläger die Zahlung von € 6.545,00 brutto für die Zeit vom 01.11.2012 bis zum 15.02.2013 (€ 11,00 × 170 Std. mtl. × 3,5 Monate). Die Klage auf Zahlung von Überstundenvergütung iHv. € 918,50 brutto hat er in zweiter Instanz mit Einwilligung der Beklagten zurückgenommen.

13

Die mit dem Kläger in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau hat aufgrund eines Antrags vom 27.12.2012 vom Jobcenter Kaiserslautern für Dezember 2012 € 685,52, für Januar 2013 € 1.310,00 und für Februar 2013 € 1.234,00 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten.

14

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.11.2013 Bezug genommen.

15

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

16

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.545,00 brutto abzüglich € 740,24 netto zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 918,50 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme über die behauptete Eigenkündigung des Klägers abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe nach dem Verlassen des Betriebs am 15.11.2012 seine Arbeitsleistung nicht mehr tatsächlich angeboten. Aufgrund der Aussagen der Zeugen E. S., O. P. und K. S. sei die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger den Betrieb aufgrund mündlicher Eigenkündigung verlassen habe und nicht vom Zeugen E. S. nach Hause geschickt worden sei. Ein Indiz hierfür sei auch, dass der Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab 19.11.2012 erst im Kammertermin vom 07.11.2013 vorgelegt habe. Der Kläger habe nicht näher dargelegt, wie und wann er der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zuvor vorgelegt habe. Darüber hinaus sei auch zu bezweifeln, dass der Kläger wegen der Auseinandersetzung einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. Die vorliegenden Umstände erlaubten den Schluss, dass der Kläger nicht mehr gewillt gewesen sei, zu arbeiten. Ein wörtliches Angebot habe deshalb nicht genügt. Der Kläger könne auch keine Entgeltfortzahlung beanspruchen, weil die attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht die alleinige Ursache für sein Fernbleiben von der Arbeit gewesen sei. Bei Leistungsunwilligkeit bestehe kein Entgeltfortzahlungsanspruch. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 4 bis 6 des erstinstanzlichen Urteils vom 07.11.2013 Bezug genommen.

20

Gegen das am 12.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 07.01.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 12.03.2014 verlängerten Begründungsfrist mit am 12.03.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

21

Der Kläger trägt zweitinstanzlich vor, der Zeuge E. S. habe ihm im Gespräch vom 16.11.2012 erklärt, dass er von seinem Oktoberlohn einen Betrag von € 690,00 einbehalte, um ihn mit dem Fahrzeugschaden zu verrechnen. Damit sei er nicht einverstanden gewesen. Der Streit sei eskaliert. S. habe ihm lautstark und aggressiv erklärt, dass er ohne Führerschein keinen Wert mehr für die Beklagte habe. Die Beklagte könne nichts mit ihm anfangen, er solle nach Hause gehen. Dieser Aufforderung sei er gefolgt. Er habe seine Ehefrau angerufen, die ihn am 16.11.2012 mittags von der Baustelle abgeholt habe. Am Wochenende habe er einen Nervenzusammenbruch erlitten. Deshalb sei er vom 19.11. bis 03.12.2012 krankgeschrieben worden. Seine Ehefrau habe am 19.11.2012 bei der Beklagten angerufen und die Erkrankung angezeigt. Am 21.11.2012 habe seine Ehefrau den Krankenschein der Geschäftsführerin persönlich ausgehändigt. Am 27. oder 28.11.2012 habe seine Ehefrau der Geschäftsführerin erklärt, dass er, wenn er sich wieder besser fühle, wieder zur Arbeit komme. Dem habe die Geschäftsführerin nicht widersprochen. Völlig überraschend sei dann das Schreiben vom 01.12.2012 eingetroffen. Am darauf folgenden Montag habe er sich mit der Geschäftsführerin in Verbindung setzen wollen, jedoch nur E. S. erreicht. Er habe ihm erklärt, dass er nie eine Kündigung ausgesprochen habe, dass er in jedem Fall arbeiten wolle und dass er auch arbeiten müsse, um den Schaden am Fahrzeug zu bezahlen. Er habe sich nochmals bereit erklärt, ggf. Überstunden zu leisten, um den Schaden schneller abzahlen zu können. Dies habe S. erneut abgelehnt und bekräftigt, dass er ohne Führerschein keinen Wert mehr für die Beklagte habe und auf jeden Fall zu Hause bleiben solle. Am 07.12.2012 sei seine Ehefrau auf dem Betriebsgelände der Beklagten zufällig E. S. begegnet. Sie habe nochmals versucht, ihn davon zu überzeugen, dass er die Arbeit wieder aufnehmen könne. S. habe dies abgeblockt und erklärt, dass er ihn nicht mehr sehen wolle. Er habe außerdem erklärt, dass die ganze Familie ab sofort ein Haus- und Hofverbot habe, er wolle niemanden mehr auf dem Gelände sehen.

22

Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit ab 19.11.2012 erstmals im Kammertermin vom 07.11.2013 vorgelegt habe. Objektiver Anhaltspunkte dafür, dass eine Erkrankung nicht vorgelegen habe, seien nicht ersichtlich. Es sei nachvollziehbar, dass er wegen der Art und Weise, wie er von seinem Vorgesetzten E. S. angegangen worden sei, einen Nervenzusammenbruch erlitten habe. Was die Würdigung der Zeugenaussagen angehe, sei auf die Lohnabrechnung für Oktober 2012 mit Datum vom 05.11.2012 zu verweisen. Dort sei unter dem Datum 16.11.2012 vermerkt: "Betrag in bar ausgezahlt, Betrag erhalten, A.". Damit sei schon nachgewiesen, dass die Aussagen der Zeugen nicht zutreffen könnten, denn er sei am 16.11.2012 vor Ort gewesen. Nach den Zeugenaussagen soll er aber nach dem 15.11.2012 nie wieder zur Arbeit erschienen sein. Er habe mehrfach betont und vorgetragen, dass die Arbeitsleistung immer wieder ausdrücklich angeboten und dass sie ebenso häufig von Seiten der Beklagten abgelehnt worden sei. Der Rückschluss des Arbeitsgerichts, dass er nicht mehr gewillt gewesen sei, zu arbeiten, sei unzutreffend. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 12.03.2014 Bezug genommen.

23

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

24

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.11.2013, Az. 2 Ca 742/13, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.545,00 brutto abzgl. bereits gezahlter € 740,24 netto zu zahlen mit der Maßgabe, dass Ansprüche, soweit sie auf das Jobcenter Kaiserslautern übergegangen sind, an dieses direkt zu zahlen sind.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 14.04.2014 auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

28

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

29

Die gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).

II.

30

In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für den Zeitraum vom 01.01. bis 15.02.2013 Annahmeverzugslohn und Entgeltfortzahlung iHv. insgesamt € 2.805,00 brutto abzgl. im November 2012 irrtümlich doppelt gezahlter € 370,12 netto und abzgl. eines Betrages von € 1.927,00 netto zu zahlen, der kraft Gesetzes auf das Jobcenter Kaiserslautern übergegangen ist. Das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war deshalb teilweise abzuändern. Die weitergehende Berufung des Klägers unbegründet.

31

1. Die Zahlungsklage ist unzulässig, soweit der Kläger in seinem in der Berufungsverhandlung gestellten Antrag eine unbezifferte Teilzahlung an das Jobcenter Kaiserslautern begehrt. Es fehlt an der Prozessführungsbefugnis des Klägers.

32

a) Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Die gerichtliche Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen (gewillkürte Prozessstandschaft) setzt neben einem eigenen schutzwürdigen Interesse des Klägers eine wirksame Ermächtigung durch den Berechtigten voraus (BAG 01.09.2010 - 5 AZR 700/09 - NJW 2010, 3740, mwN). Letztere Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

33

Der Kläger bzw. die Bedarfsgemeinschaft, die aus dem Kläger, seiner Ehefrau und den zwei Kindern besteht, hat aufgrund eines Antrags der Ehefrau vom 27.12.2012 vom Jobcenter des Landkreises Kaiserslautern (Az. 51510 BG00 13442) für Dezember 2012 € 685,52, für Januar 2013 € 1.310,00 und für Februar 2013 € 1.234,00 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten. Damit ist in Höhe der erbrachten Sozialleistung ein evtl. Annahmeverzugslohn- oder Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 33 SGB II auf den Leistungsträger übergegangen. Der Anspruchsübergang führt zum Verlust der Aktivlegitimation und der Klagebefugnis.

34

Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Arbeitnehmer grundsätzlich Vergütungsansprüche, die wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Bundesagentur geltend machen kann (BAG 19.08.2008 - 5 AZR 432/07 - NJW 2008, 2204). Der Arbeitnehmer muss aber von der Bundesagentur für Arbeit zur gerichtlichen Geltendmachung der übergegangenen Vergütungsansprüche ermächtigt worden sein. Ob diese Rechtsprechung auf Leistungen des Jobcenters nach dem SGB II (sog. Hartz IV) zu übertragen ist, kann dahinstehen. Dass ihn das Jobcenter Kaiserslautern wirksam dazu ermächtigt hätte, übergangene Vergütungsansprüche gegen die Beklagte gerichtlich geltend zu machen, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

35

b) Der auf Zahlung gerichtete Antrag bedarf der Auslegung. Er ist nach seinem Wortlaut nicht bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil mit der Antragsformulierung "… mit der Maßgabe, dass Ansprüche, soweit sie auf das Jobcenter Kaiserslautern übergegangen sind, an dieses direkt zu zahlen sind" nicht feststeht, was der Kläger von der Beklagten für den fraglichen Zeitraum zu beanspruchen hat. Ein Gerichtsvollzieher könnte nicht erkennen, welchen Betrag er für den Gläubiger beizutreiben hat. Deshalb muss ein Arbeitnehmer, der Lohnansprüche für einen Zeitraum geltend macht, für den er auch Leistungen nach dem SGB II (oder Krankengeld, Arbeitslosengeld etc.) bezogen hat, die Höhe der erhaltenen Leistungen und damit des ihm noch zustehenden Restbetrages genau angeben (so schon BAG 15.11.1978 - 5 AZR 199/77 - NJW 1979, 2634; vgl. auch ErfK/Koch 14. Aufl. § 46 ArbGG Rn. 16 mwN). In Höhe des auf das Jobcenter übergegangenen Teils der Forderung wäre die Klage im Übrigen auch nicht begründet. Der Anspruchsübergang auf Sozialversicherungsträger ist von Amts wegen zu berücksichtigen, da der Arbeitnehmer nach dem Anspruchsübergang nicht mehr aktivlegitimiert ist.

36

Die fehlende Bestimmtheit des Klageantrags führt zwar grundsätzlich dazu, dass die Klage als unzulässig abgewiesen werden muss. Vorliegend kann die Berufungskammer jedoch aufgrund des zweitinstanzlich - auf gerichtliche Aufforderung - vorgelegten Bewilligungsbescheids des Jobcenters Kaiserslautern die Höhe der erhaltenen Sozialleistungen feststellen und vom Bruttobetrag, der dem Kläger noch zusteht, beziffert in Abzug bringen.

37

2. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger für Januar 2013 Annahmeverzugslohn bzw. ab 28.01.2013 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall iHv. € 1.870,00 brutto (€ 11,00 x 170 Std.) abzgl. € 1.310,00 netto (Leistungen des Jobcenters Kaiserslautern) und für die für die Zeit vom 01. bis 15.02.2013 Entgeltfortzahlung iHv. € 935,00 brutto abzgl. € 617,00 netto (Leistungen des Jobcenters Kaiserslautern) zu zahlen. Außerdem ist der Betrag von € 370,12 netto abzuziehen, die die Beklagte für November 2012 versehentlich doppelt an den Kläger gezahlt hat. Die weitergehende Zahlungsklage ist unbegründet.

38

a) Soweit der Kläger meint, dass ihm nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen einer Prozessstandschaft in jedem Fall das Recht zustehe, die Beklagte auf Zahlung (auch) der Beträge in Anspruch zu nehmen, die kraft Gesetzes auf das Jobcenter Kaiserslautern übergangen sind, ist dem nicht zu folgen. Wie oben - unter Ziff. 1.a) - ausgeführt, kann der Kläger keine Leistung an sich selbst beanspruchen, soweit der Anspruch aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs auf den Sozialleistungsträger übergegangen ist.

39

b) Für die Zeit vor Zugang des Schreibens seiner früheren Rechtsanwälte vom 27.12.2012 hat der Kläger keine Zahlungsansprüche gegen die Beklagte. Der Kläger hat nach dem Streitgespräch, das am 15.11.2012 (so die Beklagte) oder am 16.11.2012 (so der Kläger) zwischen dem Kläger und dem Zeugen E. S. stattgefunden hat, nach dem eindeutigen Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme das Arbeitsverhältnis selbst mündlich gekündigt. Die vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen E. S., O. P. und K. S. haben unmissverständlich bekundet, dass der Kläger nach einem Streit über die Regulierung des Sachschadens am Kleintransporter, den er unter erheblichem Alkoholeinfluss beschädigt hatte, das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hat. Die Zeugen haben deutlich gemacht, dass der Zeuge E. S. den Kläger nicht nach Hause geschickt und auch nicht erklärt hat, die Firma könne ihn ohne Führerschein nicht mehr brauchen. Die vom Arbeitsgericht ebenfalls vernommene Ehefrau des Klägers, die ihn von der Arbeit abgeholt hat, konnte zum Gesprächsverlauf nichts bekunden.

40

Nach dem Streitgespräch hat der Kläger unstreitig nicht mehr im Betrieb der Beklagten gearbeitet. Nach dem Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ setzt der An-spruch auf Arbeitsentgelt nicht nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, sondern - von Ausnahmefällen abgesehen - die tatsächliche Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung voraus. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger nur in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen. Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert. Lediglich nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs keines Angebots des Arbeitnehmers (st. Rspr., BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22 mwN, AP BGB § 615 Nr. 131).

41

Der Kläger hat der Beklagten seine Arbeitsleistung tatsächlich nicht angeboten. Erst mit Schreiben seiner früheren Rechtsanwälte vom 27.12.2012 hat er gegen die von der Beklagten mit Schreiben vom 01.12.2012 behauptete Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert und den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Das Schreiben kann als wörtliches Arbeitsangebot ausgelegt werden. Das Angebot wirkt jedoch nicht zurück. Der Kläger kann deshalb erst für die Zeit ab Zugang des Schreibens vom 27.12.2012 bis 15.02.2013 von der Beklagten Annahmeverzugslohn bzw. ab 28.01.2013 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen.

42

Dass der Kläger nach dem Arbeitsunfähigkeitszeitraum vom 19.11. bis einschließlich 03.12.2012, also am Dienstag, dem 04.12.2012, seine Arbeitsleistung so, wie sei zu bewirken ist, tatsächlich wieder angeboten hat, behauptet er selbst nicht. Die nach seinem Vorbringen von seiner Ehefrau geführten Gespräche mit der Geschäftsführerin und dem Zeugen E. S. ersetzen kein tatsächliches Arbeitsangebot. Der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung des BAG vom 07.12.2005 (5 AZR 19/05 - NJW 2006, 1453) verfängt nicht. Der Kläger hat der Beklagten frühestens mit dem Schreiben seiner früheren Rechtsanwälte vom 27.12.2012 die Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Sein Vortrag zum Haus- und Hofverbot, das die Beklagte bzw. der Ehemann der Geschäftsführerin gegenüber der gesamten Familie des Klägers ausgesprochen haben soll, ist widersprüchlich und unsubstantiiert.

43

Im Schriftsatz seiner früheren Rechtsanwälte vom 10.01.2013 hat der Kläger ausführen lassen, dass er gerne arbeiten würde, allerdings habe Herr S. gegenüber seiner Schwiegermutter ein Hausverbot für die ganze Familie ausgesprochen. In der Klageschrift vom 06.06.2013 hat er vorgetragen, dass es "noch vor Ende der Arbeitsunfähigkeit" zwischen seiner Ehefrau und dem Zeugen E. S. zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen sei. S. habe gegenüber seiner Ehefrau ein Haus- und Hofverbot für ihn und die gesamte "Sippschaft" erteilt. Im Schriftsatz vom 06.08.2013 und in späteren Schriftsätzen hat der Kläger schließlich vorgetragen, dass es "am 07.12.2012" zu einem Streitgespräch zwischen seiner Ehefrau und E. S. auf dem Betriebsgelände der Beklagten gekommen sei. S. habe ein Haus- und Hofverbot für die ganze Familie erklärt. Bei diesem wechselnden und widersprüchlichen Sachvortrag ist nicht erkennbar, welche Version nun maßgeblich sein soll.

44

Die Tatsachenbehauptungen des Klägers im Schriftsatz vom 08.07.2014 sind verspätet und nicht mehr zu berücksichtigen. Nach § 67 Abs. 4 ArbGG müssen neue Angriffsmittel vom Berufungskläger in dessen Berufungsbegründung vorgebracht werden. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht. Im Streitfall sind die dem Sachvortrag zugrunde liegenden Tatsachen (zB. die Abholung eines Fliesenschneiders am 16.11.2012 bei einem Baustoffhändler, der Inhalt der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III, der handschriftliche Vermerk auf der Oktoberabrechnung 2012) nicht erst nach Einreichung der Berufungsbegründungsschrift vom 12.03.2014 entstanden. Eine Berücksichtigung des nachgeschobenen Sachvortrags hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, weil die Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins notwendig geworden wäre, um der Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Anhaltspunkte dafür, dass die Verspätung des neuen Vorbringens des Klägers nicht auf dessen Verschulden beruht, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

45

Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz seinen Zahlungsantrag auf Überstundenvergütung mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, hat er nach § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten zu tragen. Im Übrigen ergibt sich die Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

46

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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