Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 460/14
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 3.6.2014 - 8 Ca 256/14 - wie folgt abgeändert:
1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,00 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.2.2014 zu zahlen.
2) Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über wechselseitige Zahlungsansprüche.
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Der Kläger war vom 01.09.2011 bis zum 30.09.2013 bei der Beklagten als Monteur/Koordinator beschäftigt.
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Mit Schreiben vom 27.08.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2013. Am 29.08.2013 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, der u. a. folgende Regelungen enthält:
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„Die Parteien sind sich einig, dass aufgrund der fristgemäßen, ordentlichen betriebsbedingten, arbeitgeberseitigen Kündigung vom 27.08.2013 das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2013 enden wird.
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Bis zu seinem Ende wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet.
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Herr A. ist ab seiner Gesundung unter Vergütungsfortzahlung freigestellt. Noch vorhandene und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses entstehende Urlaubsansprüche und Freizeitguthaben (Überstunden) gelten im Gegenzug als in Natura eingebracht und werden nicht zusätzlich separat finanziell abgegolten.“
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Der Kläger war bei Abschluss dieses Aufhebungsvertrages und danach bis einschließlich 30.09.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben.
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Mit Entgeltabrechnung vom 15.10.2013 für den Monat September 2013 rechnete die Beklagte das Arbeitszeitguthaben des Klägers von insgesamt 141,25 Stunden ab. Der sich hieraus ergebende Nettobetrag von 2.041,38 € wurde an den Kläger ausgezahlt.
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In der Folgezeit forderte die Beklagte vom Kläger die Rückzahlung dieses Betrages und übersandte ihm diesbezüglich mit Schreiben vom 03.12.2013 eine "letzte außergerichtliche Mahnung", verbunden mit der Aufforderung, bis spätestens zum 10.12.2013 die Geldsumme in Höhe von 2.041,38 € zurückzuzahlen. Am 12.12.2013 trafen die Parteien diesbezüglich telefonisch eine Ratenzahlungsvereinbarung, die die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12.12.2013 bestätigte und nach deren Inhalt der Kläger die betreffende Geldsumme in vier Raten, beginnend mit einer im Januar 2014 fälligen ersten Rate in Höhe von 500,00 €, zahlen sollte.
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Mit seiner am 14.02.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der von ihm geleisteten ersten Rate in Höhe von 500,00 €. Die Beklagte hat den Kläger ihrerseits im Wege der Widerklage auf Zahlung des nach ihrer Auffassung vom Kläger geschuldeten Restbetrages von 1.541,38 € in Anspruch genommen.
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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 03.06.2014 (Bl. 65-68 d. A.).
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 500,00 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2014 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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1. die Klage abzuweisen.
2. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1.541,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 500,00 € seit dem 10.02.2014, aus 500,00 € seit dem 10.03.2014 und aus weiteren 500,00 € seit dem 10.04.2014 zu zahlen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 03.06.2014 die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 69-71 d. A.) verwiesen.
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Gegen das ihm am 11.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.08.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 11.09.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 02.10.2014 begründet.
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Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe eine fehlerhafte Auslegung der Aufhebungsvereinbarung vom 29.08.2013 vorgenommen. Da er bis zum 30.09.2013 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, habe die dort zur Abgeltung u. a. seines Arbeitszeitguthabens vorgesehene Freistellung nicht stattfinden können. Vor diesem Hintergrund sei ihm der abgerechnete Betrag in Höhe von 2.041,38 € netto zu Recht zugeflossen mit der Folge, dass der Beklagten diesbezüglich keinerlei Rückzahlungsansprüche zustünden und er die erbrachte Rate in Höhe von 500,00 € ohne Rechtsgrund geleistet habe.
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Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 02.10.2014 (Bl. 101-103 d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger beantragt,
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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 500,00 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2014 zu zahlen.
2. Die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 17.11.2014, auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I.
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Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
II.
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Die Klage ist begründet. Die Widerklage erweist sich hingegen als unbegründet.
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1. Der Kläger hat gegen die Beklagte nach § 812 Abs. 1 Satz 1. Alt. einen Anspruch auf Zahlung von 500,00 €.
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Die Beklagte ist infolge der vom Kläger erbrachten Ratenzahlung von 500,00 € auf dessen Kosten ungerechtfertigt bereichert, da diese Zahlung ohne rechtlichen Grund erfolgte. Die Beklagte hatte nämlich ihrerseits keinen Anspruch auf Rückerstattung des an den Kläger gemäß Abrechnung vom 15.10.2013 zum Ausgleich seines Arbeitszeitguthabens ausgezahlten Betrages von 2.041,38 € netto, da der Kläger seinerseits hierauf einen Anspruch hatte und die Leistung somit nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt ist.
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Dem Anspruch des Klägers auf Ausgleich seines Arbeitszeitguthabens stand nicht die im Tatbestand wiedergegebene Regelung des Aufhebungsvertrages entgegen. Zwar haben die Parteien dort die Abrede getroffen, dass der seinerzeit arbeitsunfähig erkrankte Kläger ab seiner Gesundung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung seiner Arbeitsvergütung freigestellt ist und dass im Gegenzug hierzu u. a. sein Arbeitszeitguthaben als abgegolten gilt. Die vorgesehene Abgeltung des Arbeitszeitguthabens kommt indessen vorliegend nicht zum Tragen, weil der Kläger - was die Beklagte nicht bestritten hat - bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb von seiner Arbeitsleistung nicht mehr freigestellt werden konnte.
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Die nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung der im Aufhebungsvertrag getroffenen Abrede ergibt, dass ein Ausgleich des Arbeitszeitguthabens nur durch eine tatsächliche Freistellung des Klägers und - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht bereits durch die bloße, für den Fall seiner Gesundung abgegebene Freistellungserklärung erfolgen sollte. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der getroffenen Vereinbarung. Danach sollte das Arbeitszeitguthaben des Klägers "im Gegenzug" ausgeglichen sein, d. h. der Ausgleich des Arbeitszeitguthabens und die Freistellung wurden in ein Austausch- bzw. Gegenseitigkeitsverhältnis derart gestellt, dass das Zeitkonto (nur) im Umfang einer tatsächlichen Freistellung abgebaut werden sollte. Darüber hinaus setzt der nach dem Wortlaut der Aufhebungsvereinbarung vereinbarte Ausschluss einer "zusätzlichen" finanziellen Abgeltung des Zeitguthabens bereits begrifflich voraus, dass jedenfalls ein tatsächlicher Ausgleich durch Freistellung erfolgt. Unabhängig davon ergibt sich im Streitfall auch insbesondere aus der bei jeder Auslegung zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessenlage und dem mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck, dass das Arbeitszeitguthaben des Klägers nur durch eine tatsächliche Freistellung ausgeglichen werden sollte. Es ist nämlich im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG, NJW 2006, 2284). Die Annahme, es habe dem Willen des Klägers entsprochen, auf sein Arbeitszeitguthaben zu verzichten, unabhängig davon, ob er noch vor Ende des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt und somit überhaupt in den Genuss einer Freistellung kommen kann, widerspricht eindeutig seinem berechtigten und auch für die Beklagte bei Abschluss des Aufhebungsvertrages erkennbaren Interesse. Eine beiden Seiten interessengerechte Auslegung führt daher zu dem Ergebnis, dass das Zeitguthaben des Klägers durch eine tatsächliche Freistellung ausgeglichen werden sollte. Für diese Auslegung spricht lediglich auch der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck, der darin zu sehen ist, dass der Kläger - auch im Falle seiner vorzeitigen Gesundung - nicht mehr verpflichtet sein sollte, zur Arbeit zu erscheinen. Für die Erfüllung dieses Zwecks bestand jedoch von vorneherein keinerlei Notwendigkeit, das Arbeitszeitguthaben des Klägers auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit zum Erlöschen zu bringen.
- 34
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht auch die getroffene Ratenzahlungsvereinbarung dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, da diese selbst keinen eigenständigen rechtlichen Grund i. S. v. § 812 Abs. 1 BGB bildet, auf dessen Grundlage der Kläger die Ratenzahlung erbracht hat. Die Ratenzahlungsvereinbarung entbehrt vielmehr ihrerseits in Ermangelung eines Anspruchs der Beklagten eines rechtlichen Grundes. Nach § 812 Abs. 2 BGB wäre insoweit sogar ein diesbezügliches Schuldanerkenntnis des Klägers kondizierbar.
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Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
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2. Die Widerklage ist unbegründet.
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Die Beklagte hat gegen den Kläger nach Maßgabe der obigen Ausführungen keinen Anspruch auf Rückzahlung des zum Ausgleich seines Arbeitszeitkontos gezahlten Geldbetrages.
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3. Nach alldem war zu entscheiden wie geschehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
- 40
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.
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