Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 354/15


Tenor

1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 01.07.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2015, Az. 3 Ca 984/14, teilweise abgeändert und die Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 zum 31.03.2014 abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie einen zweitinstanzlich gestellten Auflösungsantrag des beklagten Landes.

2

Der 1988 geborene Kläger wurde mit Wirkung ab 01.11.2011 vom beklagten Land als Arbeitnehmer eingestellt und bei der Staatsanwaltschaft mit Aufgaben des Wachtmeisterdienstes betraut. Im schriftlichen Arbeitsvertrag wurde die Anwendung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vereinbart. Mit Wirkung vom 01.05.2012 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Justizwachtmeisteranwärter ernannt. Zum 01.06.2012 erfolgte seine Ernennung zum Justizoberwachtmeister unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe.

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Mit Schreiben vom 21.11.2013, dem Kläger am 27.11.2013 zugegangen, kündigte das beklagte Land, vertreten durch den Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft, das Arbeitsverhältnis fristlos zum Ablauf des 30.11.2013, hilfsweise "unter Einhaltung der Kündigungsfrist" zum 31.12.2013. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger am 06.12.2013 vor dem Arbeitsgericht Trier Kündigungsschutzklage. Die Klage richtete er gegen das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dieses durch den Generalstaatsanwalt Koblenz, dieser durch den Leitenden Oberstaatsanwalt. Der Leitende Oberstaatsanwalt sandte die ihm mit Verfügung vom 11.12.2013 zugeleitete Klageschrift mit Schreiben vom 16.12.2013 an das Arbeitsgericht mit der Begründung zurück, das beklagte Land werde nach der einschlägigen Landesverordnung durch die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vertreten. Daraufhin veranlasste das Arbeitsgericht auf Antrag des Klägers eine Zustellung der Klageschrift an die Generalstaatsanwaltschaft. Dort ging die Klage am 08.01.2014 ein.

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Mit beamtenrechtlicher Disziplinarverfügung vom 05.02.2014 verhängte der Leitende Oberstaatsanwalt gegen den Kläger einen Verweis. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Trier hat seine Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 11.11.2014 (Az. 3 K 1198/14.TR) abgewiesen. In einem weiteren Rechtsstreit (Az. 1 K 152/14.TR) wandte sich der Kläger gegen seine dienstliche Beurteilung vom 27.09.2013, die zum Abschluss der verlängerten Probezeit im Beamtenverhältnis mit der Gesamtbewertung "nicht geeignet" erstellt worden ist. Das Verwaltungsgericht Trier hat seine Klage mit Urteil vom 17.06.2014 abgewiesen. Seinen Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz (Az. 2 A 10632/14.OVG) mit Beschluss vom 18.12.2014 abgelehnt. Der Kläger wurde mit Verfügung des Generalstaatsanwalts Koblenz vom 05.02.2014 mit Ablauf des 31.03.2014 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Sein Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Trier hat seine Klage mit Urteil vom 18.11.2014 (Az. 1 K 523/14.TR) abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Kläger den Antrag auf Zulassung der Berufung (Az. 2 A 11152/14.OVG) am 19.01.2015 beim Oberverwaltungsgericht Koblenz zurückgenommen hat. Der Kläger ist bis zum 19.01.2015 weiterbeschäftigt worden.

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Das beklagte Land wirft dem Kläger mehrere Pflichtverletzungen vor. Der Kläger habe am 17.11.2011 um 10:54 Uhr einen Dienstgang angetreten und sei erst um 13:19 Uhr zurückgekehrt, weil er in der Zwischenzeit ein von ihm käuflich erworbenes Möbelstück im ehemaligen Dienstgebäude der Staatsanwaltschaft abgebaut und abtransportiert habe. Der tägliche Arbeitsbeginn des Klägers habe in der Zeit von Juni bis September 2012 stark geschwankt. Er habe seinen Dienst ohne Rücksicht auf die Erkrankung oder den Urlaub anderer Wachtmeister häufig erst nach 8:00 Uhr angetreten. Da er sein Verhalten trotz einer Ermahnung vom 11.09.2012 nicht wesentlich geändert habe, habe der Geschäftsleiter für ihn am 02.10.2012 feste Arbeitszeiten angeordnet. In der Folgezeit sei es zu Beschwerden über den mangelhaften Aktenzu- bzw. -abtrag gekommen. Dem Kläger sei mangelnde Arbeitsleistung und Unterstützung vorgeworfen worden, was auch auf den stundenlangen privaten Gebrauch des Internets in der Dienstzeit und überlange Raucherpausen zurückzuführen sei. Bei mehreren Gelegenheiten habe der Kläger erklärt, nur noch Dienst nach Vorschrift leisten zu wollen. Im Juni oder Juli 2013 habe sich der Kläger in der Dienstzeit mindestens zweimal zu privaten Zwecken über den Rechner eines Kollegen in der Wachtmeisterei ins Internet eingewählt. Darüber hinaus habe er im Juni 2013 an seinem Arbeitsplatz einem externen Gesprächsteilnehmer Inhalte aus einer vor sich liegenden Ermittlungsakte telefonisch preisgegeben und damit seine Verschwiegenheitspflicht verletzt. Schließlich habe er am 18.09.2013 das Dienstgebäude kurz nach 12:00 Uhr zum Antritt seiner Mittagspause verlassen und sei erst um 13:28 Uhr zurückgekehrt, ohne die Zeiterfassung zu betätigen.

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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung gem. Schreiben vom 21.11.2013 aufgelöst worden ist,

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hilfsweise festzustellen, dass die ordentliche Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht vor Ablauf des 31.03.2014 aufgelöst worden ist.

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Das beklagte Land hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Arbeitsgericht Trier hat mit am 01.07.2015 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben. Der Kläger habe die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung nach § 4 KSchG nicht versäumt. Es sei unschädlich, dass die Klageschrift gegen die Kündigung vom 21.11.2013 erst am 08.01.2014 der nach der einschlägigen Landesverordnung zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Koblenz zugestellt worden sei. Selbst wenn mit der Zustellung an den Leitenden Oberstaatsanwalt die Frist nicht gewahrt worden sein sollte, sei die Klage jedenfalls "demnächst" iSv. § 167 ZPO zugestellt worden. Die außerordentliche Kündigung zum 30.11.2013 sei bereits wegen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, denn sämtliche kündigungsrelevanten Umstände seien dem Kündigungsberechtigten bei Ausspruch der Kündigung bereits länger als zwei Wochen bekannt gewesen. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien bei Zugang der Kündigung seit dem 01.11.2011 und damit schon länger als sechs Monate iSv. § 1 Abs. 1 KSchG bestanden habe. Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes (LBG) Rheinland-Pfalz ruhe das privatrechtliche Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn während der Dauer eines Beamtenverhältnisses auf Probe oder auf Widerruf. Die ordentliche Kündigung sei nicht aus Gründen im Verhalten des Klägers berechtigt. Das Vorbringen des beklagten Landes zu den einzelnen Kündigungsvorwürfen sei nicht ausreichend substantiiert. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des am 01.07.2015 verkündeten Urteils verwiesen.

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Gegen das am 13.07.2015 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit am 07.08.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 14.09.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.

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Das beklagte Land vertritt die Ansicht, die Kündigung gälte nach § 7 KSchG als rechtswirksam, weil der Kläger die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt habe. Auf den rechtzeitigen Zugang der Klageschrift beim Leitenden Oberstaatsanwalt komme es nicht an, weil nach der einschlägigen Landesverordnung die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vertretungsberechtigte Behörde sei. Die Zustellung an die Generalstaatsanwaltschaft sei nach einer Verzögerung von über 14 Tagen nicht iSv. § 167 ZPO "demnächst" erfolgt. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, weil der Kläger nur in der Zeit vom 01.11.2011 bis zum 30.04.2012 als Arbeitnehmer tätig gewesen sei, danach als Beamter auf Widerruf bzw. auf Probe. Damit habe das Arbeitsverhältnis nicht länger als sechs Monate bestanden. Für die Berechnung der Dauer des Arbeitsverhältnisses komme es darauf an, dass die Beschäftigung im gleichen Status erfolgt sei. Im Übrigen sei die Kündigung wegen der aufgeführten Pflichtverletzungen berechtigt. Der Kläger habe ua. seine Verschwiegenheitspflicht verletzt, weil er im Juni 2013 vertrauliche Akteninhalte weitergegeben habe. Er sei von Justizoberwachtmeister E. dabei beobachtet worden, dass er einem externen Gesprächsteilnehmer aus einer vor ihm aufgeschlagenen Ermittlungsakte telefonisch Informationen über einen Motorradunfall mitgeteilt habe.

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Zur Begründung des in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrags führt das beklagte Land aus, der Kläger sei wegen Nichteignung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen geworden. Es sei nicht zumutbar, den Kläger, dessen Nichteignung als Beamter vom Verwaltungsgericht rechtskräftig festgestellt worden sei, weiterhin als Arbeitnehmer zu beschäftigen. Der Kläger sei nicht in der Lage und nicht willens, seine dienstlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Auch der Betriebsfrieden erlaube die weitere Beschäftigung des Klägers nicht. Es sei zu Beschwerden über sein unkollegiales Verhalten gekommen. Nach Ausspruch der Kündigung seien die Krankheitstage des Klägers sprunghaft angestiegen. Er sei nach den Verhandlungsterminen vor dem Verwaltungsgericht oftmals gereizt gewesen. Außerdem habe er den Zeugen E. mit Aussagen im Sinne von "Ich weiß, wo du wohnst" oder "Ich weiß, wo dein Auto steht", verbal attackiert.

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Das beklagte Land beantragt zweitinstanzlich,

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1. das am 01.07.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.05.2015, Az. 3 Ca 984/14, abzuändern und die Klage abzuweisen,

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2. hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

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Der Kläger beantragt,

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1. die Berufung zurückzuweisen,

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2. den Hilfsantrag abzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet insbesondere den Vorwurf, er habe die Verschwiegenheitspflicht verletzt. Allein mit der Behauptung, er habe telefoniert und dabei eine offene Akte vor sich liegen gehabt, lasse sich nicht belegen, dass er den Gesprächspartner über den Akteninhalt aufgeklärt habe. Die Aussage des Zeugen E. bei seiner Vernehmung im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren laut Vernehmungsprotokoll vom 14.11.2013 entspreche nicht der Wahrheit. Auch die in der Sitzungsniederschrift protokollierte Aussage des Zeugen E. bei seiner Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht Trier am 17.06.2014 (Az. 1 K 152/14.TR), er habe einem externen Gesprächsteilnehmer Akteninformationen weitergegeben, sei völlig aus der Luft gegriffen.

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Der zweitinstanzliche Auflösungsantrag sei unbegründet, zumal ihn das beklagte Land nach Ausspruch der Kündigung vom 21.11.2013 bis zum 19.01.2015, dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der beamtenrechtlichen Entlassungsverfügung vom 05.02.2014, in der Wachtmeisterei der Staatsanwaltschaft sowie zur Unterstützung der Wachtmeisterei des Land- und Amtsgerichts und in der Archivgeschäftsstelle weiterbeschäftigt habe.

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Die Berufungskammer hat über die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger habe im Juni 2013 einem externen Gesprächspartner Akteninhalte aus einer Ermittlungsakte telefonisch weitergegeben, Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.06.2016 verwiesen.

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Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des beklagten Landes hat in der Sache teilweise Erfolg. Sie ist begründet, soweit das Arbeitsgericht der Klage gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 zum 31.03.2014 stattgegeben hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der zweitinstanzlich hilfsweise gestellte Auflösungsantrag fällt nicht zur Entscheidung an.

I.

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Die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 21.11.2013 zum 30.11.2013 ist unwirksam.

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1. Die Wirksamkeit der Kündigung wird nicht gem. § 7 KSchG fingiert. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Entgegen der Ansicht der Berufung hat der Kläger gegen die Kündigung rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Klage erhoben. Es ist auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht abzustellen, da die Zustellung der Klage "demnächst" iSv. § 167 ZPO bewirkt worden ist.

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a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine schriftliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist. Wegen § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung. Die Erhebung der Klage erfolgt nach § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Wegen § 167 ZPO genügt zur Fristwahrung der Klageeingang bei Gericht, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Wird die Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam (vgl. BAG 20.02.2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 34).

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b) Im Streitfall ist das Kündigungsschreiben vom 21.11.2013 dem Kläger am 27.11.2013 zugestellt worden. Die Klage gegen den richtigen Arbeitgeber - das Land Rheinland-Pfalz - ging am 06.12.2013 beim Arbeitsgericht Trier ein und ist der nach Landesrecht zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am 08.01.2014 zugestellt worden. Diese Zustellung ist entgegen der Auffassung der Berufung noch "demnächst" iSv. § 167 ZPO erfolgt und wirkt damit auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht zurück.

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aa) Die ursprüngliche Bezeichnung der Endvertretungsbehörde des beklagten Landes in der vom Kläger beim Arbeitsgericht eingereichten Klage war unrichtig. Das beklagte Land wird im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren nicht vom Leitenden Oberstaatsanwalt, sondern von der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vertreten (siehe § 1 Ziff. 1b der Landesverordnung über die Zuständigkeit zur Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 22.08.1997). Eine Zustellung an den Leitenden Oberstaatsanwalt konnte demnach nicht zu einer wirksamen Klagezustellung führen (vgl. BGH 01.12.2005 - III ZR 43/05 - Rn. 6 mwN). Im Ansatz liegt also darin, dass die vorliegende Klage erst am 08.01.2014 (wirksam) zugestellt worden ist, eine vom Kläger zu vertretende Verzögerung. Denn seinem Prozessbevollmächtigten ist vorzuwerfen, dass er - unbeschadet dessen, dass die Kündigung vom Leitenden Oberstaatsanwalt erklärt worden ist - bei sorgfältiger Prozessführung sich selbständig über die richtige Vertretungsbehörde des beklagten Landes für den Fall eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens über die Kündigung hätte informieren müssen.

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bb) Obwohl die Verzögerung der Zustellung allein im Verantwortungsbereich des Klägers liegt, ist die Zustellung der Klage an die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am 08.01.2014 noch "demnächst" erfolgt.

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Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt keine absolute zeitliche Grenze. Ob davon die Rede sein kann, die Zustellung der Klage sei „demnächst“ erfolgt, ist durch eine wertende Betrachtung der entsprechenden Umstände festzustellen. Die zeitliche Rückwirkung der Zustellung darf dem Empfänger nicht unzumutbar sein. Dies ist umso eher der Fall, je länger eine Zustellung durch den Kläger selbst in vorwerfbarer Weise verzögert wird. Geht es um Aufschübe, die vom Kläger zu vertreten sind, ist das Merkmal „demnächst“ nur erfüllt, wenn sich diese in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Das wiederum ist zumindest solange der Fall, wie die Verzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Dabei ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit gerade des Klägers verzögert hat (vgl. BAG 20.02.2014 - 2 AZR 248/13 - Rn. 35 mwN; BGH 26.02.2016 - V ZR 131/15 - Rn. 10, 12 mwN).

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cc) Im Streitfall hat der Kläger durch die fehlerhafte Angabe der Vertretungsbehörde eine Verzögerung der Zustellung von gut drei Wochen verursacht. Dabei handelt es sich um den Zeitraum, der zwischen dem Eingang der Klage bei Gericht am 06.12.2013 und seinem Antrag vom 30.12.2013 liegt, die Klage unverzüglich der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz zuzustellen, nachdem ihm vom Arbeitsgericht mit Schreiben vom 20.12.2013 das Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 16.12.2013 zugeleitet worden war. Die dem Kläger zuzurechnende Zustellungsverzögerung hält sich im Hinblick auf die Weihnachtsfeiertage noch in einem hinnehmbaren Rahmen. Schutzwürdige Interessen des beklagten Landes stehen dem nicht entgegen. Die Klageschrift ist dem Leitenden Oberstaatsanwalt, der die Kündigung für das Land Rheinland-Pfalz erklärt hat, spätestens am 16.12.2013 zur Kenntnis gelangt. Dem Arbeitgeber wurde damit zeitnah deutlich, dass der Kläger die ihm gegenüber erklärte Kündigung nicht hinzunehmen bereit ist.

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2. Das beklagte Land hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

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Nach § 626 Abs. 2 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Kündigungsbefugnis lag im Streitfall beim Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass alle Kündigungsvorwürfe bereits der dienstlichen Beurteilung vom 27.09.2013 zu Grunde lagen, wird von der Berufung nicht angegriffen und lässt auch keine Rechtsfehler erkennen. Die Kündigung vom 21.11.2013 lag demnach weit außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB.

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3. Fehlt es damit schon an der Wahrung der Zweiwochenfrist, kommt es nicht mehr darauf an, ob das gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG ruhende Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zum 30.11.2013 außerordentlich gekündigt werden konnte, obwohl die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts erst zum 31.03.2014 erklärt worden ist.

II.

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Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 beendet das Arbeitsverhältnis zwar nicht zum 31.12.2013, wohl aber zum 31.03.2014.

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1. Die ordentliche Kündigung vom 21.11.2013 gilt nicht nach § 4 Satz 1, § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt. Der Kläger hat die Klage - wie oben unter Ziff. I 1 ausgeführt - rechtzeitig erhoben. Er hat in der Klageschrift vom 06.12.2013 auch ausdrücklich die Nichteinhaltung der in § 34 TV-L geregelten Kündigungsfrist gerügt (vgl. hierzu BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 15 mwN).

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2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung ist mit objektiv fehlerhafter Kündigungsfrist zum 31.12.2013 erklärt worden. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 TV-L beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr sechs Wochen zum Monatsschluss.

41

Der Kläger stand seit dem 01.11.2011 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land, so dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 27.11.2013 mehr als ein Jahr beschäftigt war. Das Arbeitsverhältnis hat zwar gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG seit dem 01.05.2012 geruht, weil der Kläger in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf und zum 01.06.2012 auf Probe berufen worden ist. Dies steht der Anrechnung der Beschäftigungszeit nicht entgegen, weil es nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt. Zeiten, in denen bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis das Arbeitsverhältnis - wie hier - kraft Gesetzes ruht, sind Beschäftigungszeiten iSd. Tarifnorm (vgl. Küttner/Röller Personalhandbuch 2014 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Rn. 18; Breier/Dassau/Kiefer/ Thivessen TV-L Stand April 2016 5.3.2 Beschäftigungszeit; BeckOK TV-L Stand September 2015 § 34). Die Betriebszugehörigkeit wird durch das ruhende Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen (vgl. BAG 25.10.2001 - 6 AZR 718/00 – zu B II 2b der Gründe, mwN).

42

3. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung. Das wäre der Fall, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt.

43

Im Streitfall kann die Kündigung des beklagten Landes nach ihrem Inhalt und den festgestellten Begleitumständen als eine solche zum 31.03.2014 ausgelegt werden. Gegen eine Auslegung als Kündigung zum 31.03.2014 spricht zwar, dass die Kündigungserklärung ausdrücklich das Datum 31.12.2013 enthält. Damit hat das beklagte Land den Wirkungszeitpunkt der Willenserklärung bestimmt und grundsätzlich das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit des Termins übernommen. Das Datum relativiert sich aber durch den Zusatz „unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum“. Damit lässt die Kündigungserklärung erkennen, dass das beklagte Land auch Wert darauf legte, die maßgebliche Kündigungsfrist einzuhalten (vgl. hierzu BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 19 mwN).

44

Einer Auslegung der Kündigungserklärung als Kündigung zum 31.03.2014 steht das Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Danach muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll, ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte. Dem genügt die Kündigung des beklagten Landes. Sie enthält nicht nur ein bestimmtes Datum, sondern den Zusatz „unter Einhaltung der Kündigungsfrist“ (vgl. BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 20 mwN).

45

4. Entgegen der Ansicht der Berufung findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

46

Gem. § 1 Abs. 1 KSchG bedarf eine Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der sozialen Rechtfertigung, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Der Kläger ist am 01.11.2011 vom beklagten Land als Arbeitnehmer eingestellt worden. Das Arbeitsverhältnis bestand bei Zugang der Kündigungserklärung vom 21.11.2013 länger als sechs Monate. Der Kläger wurde zwar mit Wirkung vom 01.05.2012 in das Beamtenverhältnis auf Widerruf und mit Wirkung vom 01.06.2012 in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen, dies führte jedoch zu keiner rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 LBG erlischt das privatrechtliche Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn nur mit der Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit oder auf Zeit. Während der Dauer eines Beamtenverhältnisses auf Probe oder auf Widerruf ruhen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zum Dienstherrn. Die Betriebszugehörigkeit wird durch ein ruhendes Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen (vgl. Küttner/Röller Personalhandbuch 2014 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Rn. 15 mwN).

47

5. Die hilfsweise ordentliche Kündigung des beklagten Landes zum 31.03.2014 ist wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sozial gerechtfertigt. Insoweit ist das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

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a) Eine Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (vgl. BAG 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 19 mwN).

49

b) Dabei können auch Pflichtverletzungen im Beamtenverhältnis auf Probe auf ein nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LBG ruhendes Arbeitsverhältnis "durchschlagen". Auch ruhende Arbeitsverhältnisse können, bei Vorliegen der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen, gekündigt werden. Der Arbeitnehmer im ruhenden Arbeitsverhältnis kann - ohne besondere gesetzliche oder tarifvertragliche Anordnung - nicht allein um des Ruhens seines Arbeitsverhältnisses willen besser geschützt sein als der „aktive“ Arbeitnehmer. Vom Arbeitgeber kann auch nicht verlangt werden, seinen Kündigungsentschluss so lange zu verschieben, bis das Arbeitsverhältnis nicht mehr ruht (vgl. BAG 09.09.2010 - 2 AZR 493/09 - Rn.14, 23).

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c) Nach § 3 Abs. 2 TV-L haben die Beschäftigten des beklagten Landes über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Nach § 37 Abs. 1 BeamtStG besteht die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit. Diese Pflicht gehört zu den Hauptpflichten eines Beamten und dient sowohl dem öffentlichen Interesse, vor allem dem Schutz der dienstlichen Belange der Behörde, als auch dem Schutz des von Amtshandlungen betroffenen Bürgers. So liegt in der Verletzung des Amtsgeheimnisses ein schwerwiegender Treuebruch, der geeignet ist, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten in Frage zu stellen (vgl. OVG Koblenz 30.01.2013 - 3 A 10771/12 - Rn. 34 mwN). Auch nicht beamtete Beschäftigte des beklagten Landes unterliegen der Verschwiegenheitspflicht und werden - wie der Kläger - bei ihrer Einstellung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf die gewissenhafte Erfüllung dieser Obliegenheit förmlich verpflichtet.

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d) Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlungen und des Ergebnisses der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht für die Berufungskammer gem. § 286 ZPO fest, dass der Kläger seine dienstlichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt hat, weil er im Juni 2013 einem externen Gesprächspartner Akteninhalte aus einer Ermittlungsakte über einen Motorradunfall telefonisch weitergegeben hat.

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Der Zeuge E., der als Justizoberwachtmeister bei der Staatsanwaltschaft beschäftigt ist, hat bei seiner zweitinstanzlichen Vernehmung diesen vom beklagten Land zur Begründung der Kündigung vorgebrachten Sachverhalt in jeder Hinsicht glaubhaft geschildert. Die Berufungskammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen E. zu zweifeln. Seine Aussage deckt sich sowohl mit den Angaben bei seiner Vernehmung im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren gegen den Kläger (Vernehmungsprotokoll vom 14.11.2013) als auch mit seiner Zeugenaussage vor dem Verwaltungsgericht Trier (Sitzungsniederschrift vom 17.06.2014) im Rechtsstreit gegen die dienstliche Beurteilung.

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Der Zeuge E. hat ausgesagt, dass er den Kläger in der Wachtmeisterei der Staatsanwaltschaft bei einem Telefonat mit einem externen Gesprächsteilnehmer beobachtet habe. Vor dem Kläger habe eine aufgeschlagene Ermittlungsakte über einen Motorradunfall gelegen. Der Kläger habe aus der Akte berichtet bzw. vorgelesen. Der Zeuge habe zwar nicht erkennen können, mit welcher Person der Kläger telefoniert habe, er sei sich allerdings zu hundert Prozent sicher, dass es sich um eine externe Person gehandelt habe. Dies habe er an der Telefonnummer erkennen können, die das Display des Telefongeräts angezeigt habe. Er habe auch sicher in Erinnerung, dass der Kläger über einen Motorradunfall gesprochen habe.

54

Der Zeuge war nach dem Eindruck der Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung ersichtlich bemüht, eine wahrheitsgemäße Aussage zu machen, und hat dabei auch zu erkennen gegeben, wenn er einzelne Umstände nicht oder nicht genau erinnerte. Er hat sich auf Vorhalt auch zu seinen früheren Aussagen im Disziplinarverfahren und vor dem Verwaltungsgericht Trier erklärt und dabei keine Widersprüche erkennen lassen. Im Disziplinarverfahren hat er laut Vernehmungsprotokoll vom 14.11.2013 ausgesagt, dass der Kläger in der Wachtmeisterei mit einer vor sich liegenden aufgeschlagenen Ermittlungsakte ein Telefonat geführt habe. In dem Telefonat sei es um einen Motorradunfall gegangen. Der Kläger habe geschildert, dass "da und da" jemand verunglückt sei. Der Kläger habe von einem Frontalzusammenstoß geredet, ob gegen einen Baum oder ein Fahrzeug, wisse er nicht mehr. Da das Display des Telefongeräts eine mehrstellige Telefonnummer angezeigt habe, sei das Gespräch nach Außen gegangen. Vor dem Verwaltungsgericht hat der Zeuge laut Sitzungsniederschrift vom 17.06.2014 ausgesagt, dass es sich um eine rote Akte der Staatsanwaltschaft gehandelt habe. Der Kläger habe in der Akte geblättert und nach seinem Eindruck Informationen aus dieser Akte an einen unbekannten Gesprächsteilnehmer weitergegeben. Er habe in der Akte Bilder, insbesondere von Straßen, erkannt, wie sie in Gutachten enthalten seien. Soweit er im Disziplinarverfahren ausgesagt habe, es seien Bilder "ausgebreitet" gewesen, habe er damit gemeint, dass die Akte aufgeschlagen vor dem Kläger gelegen und er darin geblättert habe.

55

Der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen steht nicht entgegen, dass er sich hinsichtlich des von ihm geschilderten Telefongesprächs nicht an die konkrete Ermittlungsakte, insbesondere hinsichtlich des Inhalts oder des Aktenzeichens, erinnern konnte. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Zeuge - wie der Kläger behauptet - dieses Telefongespräch frei erfunden haben sollte. Belastbare Anhaltspunkte für eine bewusste Falschbezichtigung des Klägers durch den Zeugen E. sieht die Berufungskammer nicht. Es war auch keinerlei Belastungseifer bei der Aussage erkennbar.

56

Der Klägervertreter verkürzt die Aussage des Zeugen, wenn er geltend macht, aus dem Umstand, dass der Kläger während eines Telefongesprächs eine Akte aufgeschlagen habe, könne nicht geschlossen werden, dass er den Gesprächspartner über den Akteninhalt aufgeklärt habe. Der Zeuge E. hat nicht nur beobachtet, dass der Kläger telefoniert hat, während eine aufgeschlagene Ermittlungsakte vor ihm lag, sondern dass er dem Gesprächspartner aus der Akte über einen Motorradunfall berichtet bzw. vorgelesen habe.

57

e) Eine auf diese Pflichtverletzung gestützte ordentliche Kündigung ist nicht unverhältnismäßig.

58

aa) Zwar hat das beklagte Land den Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder eines gleichartigen Pflichtverstoßes abgemahnt. Eine Abmahnung des Klägers war nach den Umständen des vorliegenden Falls entbehrlich.

59

Zwar gilt das durch § 314 Abs. 2 BGB konkretisierte Erfordernis einer Abmahnung grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Die Abmahnung ist aber, wie § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB zeigt, unter besonderen Umständen entbehrlich. Das ist ua. der Fall, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 25.10.2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

60

Danach war im Streitfall eine Abmahnung entbehrlich. Dem Kläger musste vollkommen klar sein, dass er als Beschäftigter in der Wachtmeisterei einer Staatsanwaltschaft keinem Dritten Inhalte aus einer Ermittlungsakte (telefonisch) preisgeben darf. Er ist zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Verschwiegenheit verpflichtet und über die Folgen einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht belehrt worden. Eine Hinnahme seines Verhaltens war erkennbar ausgeschlossen.

61

bb) Die Kündigung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen hätte weiterbeschäftigt werden können. Das beklagte Land muss darauf vertrauen können, dass Beamte und nicht beamtete Beschäftigte bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften ihre Pflicht zur Verschwiegenheit einhalten, insb. keine Informationen aus den Akten an Dritte weitergeben. Aus diesem Grund wäre eine Versetzung des Klägers kein geeignetes Reaktionsmittel.

62

cc) Aus dem Umstand, dass ihn das beklagte Land über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.03.2014 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegen die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe am 19.01.2015 als Probebeamter weiterbeschäftigt hat, kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Das beklagte Land war nicht verpflichtet, die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung anzuordnen, um sich nicht mit der ordentlichen Kündigungserklärung in Widerspruch zu setzen. Im Fall der beabsichtigten Entlassung eines Probebeamten soll es nach dem Willen des Gesetzgebers beim Regelfall des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dh. am Bestehen der aufschiebenden Wirkung, verbleiben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz 26.06.2012 - 2 B 10469/12 - Rn. 4 mwN).

63

f) Die abschließende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Der Kläger war im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs erst zwei Jahre bei dem beklagten Land beschäftigt, so dass er keinen nennenswerten sozialen Besitzstand erworben hat. Der 1988 geborene Kläger ist ledig und hat keine Unterhaltspflichten. Er ist von Beruf Wasserbauer, so dass es ihm auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schnell gelingen dürfte, eine neue Beschäftigung zu finden.

64

Zugunsten des beklagten Landes fällt entscheidend ins Gewicht, dass die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage unwiederbringlich zerstört ist. Im Übrigen sind die Leistungen des Klägers, was rechtskräftig feststeht, mit "nicht geeignet" bewertet worden. Er hat es sowohl an dem für einen Beamten in der Probezeit erforderlichen Engagement, einer uneingeschränkten Verlässlichkeit und an der notwendigen persönlichen Integrität fehlen lassen. Es ist dem beklagten Land deshalb nicht zuzumuten, ihn im Arbeitsverhältnis weiterzubeschäftigen.

III.

65

Da weitere Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung weder geltend gemacht werden noch ersichtlich sind, hat das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.03.2014 geendet. Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag des beklagten Landes fällt daher nicht zur Entscheidung an.

IV.

66

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

67

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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