Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 216/16

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.3.2016, Az.: 5 Ca 2310/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 01.02.2015 bei der Beklagten als Marketing-/Produktmanager beschäftigt. Mit Schreiben vom 29.06.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2015.

3

Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 15.07.2015 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

4

Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, die Kündigung sei sittenwidrig. Sie sei nur auf Druck seiner ehemaligen Lebensgefährtin ausgesprochen worden. Diese habe auch ein Verhältnis mit dem Mitgeschäftsführer der Beklagten, Herrn T., gehabt. Nachdem er - der Kläger - sich von ihr getrennt habe, habe sie mit belastendem Material auf den Mitgeschäftsführer der Beklagten Druck ausgeübt, damit dieser ihm kündige. Allein persönliche Rachemotive seien daher für die Kündigung ausschlaggebend gewesen.

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Der Kläger hat beantragt,

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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 29.06.2015, zugegangen am 29.06.2015, nicht aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Entscheidung zur Kündigung habe ausschließlich der operativ tätige Mitgeschäftsführer P. getroffen und umgesetzt. Die Kündigung sei ausgesprochen worden, da sie - die Beklagte - mit den Leistungen des Klägers nicht zufrieden gewesen sei und man auch eine organisatorische Veränderung habe vornehmen wollen. Keineswegs sei der Mitgeschäftsführer T. von der (ehemaligen) Lebensgefährtin des Klägers zur Kündigung angehalten worden.

10

Zur Darstellung aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.03.2016 (Bl. 36 f. d. A.) Bezug genommen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.03.2016 abgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 bis 6 dieses Urteils (= Bl. 38 bis 40 d. A.) verwiesen.

12

Gegen das ihm 19.05.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.05.2016 Berufung eingelegt und diese am 01.06.2016 begründet.

13

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei sittenwidrig und daher nichtig. Die Kündigung sei nur deshalb ausgesprochen worden, weil seine, erstinstanzlich als Zeugin benannte ehemalige Lebensgefährtin Druck auf den Mitgeschäftsführer T. ausgeübt habe. Fälschlicherweise habe das Arbeitsgericht hierüber keinen Beweis erhoben und sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass der diesbezügliche Sachvortrag lediglich auf Mutmaßungen basiere. Allein schon der erstinstanzlich vorgelegte WhatsApp-Nachrichtenverkehr belege, dass es sich bei seinen Behauptungen nicht um bloße Vermutungen handele. Aus den WhatsApp-Mitteilungen seiner ehemaligen Lebensgefährtin ergebe sich nicht nur, dass sie ihm - dem Kläger - mit einer Anzeige bei der Polizei gedroht habe, sondern auch, dass sie alles habe unternehmen wollen, um ihm zu schaden, unter anderem auch gerade im Wege einer Kontaktaufnahme mit dem Geschäftsführer T wer das Arbeitsverhältnis betreffend. Das Arbeitsgericht hätte daher - insbesondere unter richtiger Würdigung der WhatsApp-Nachricht und der sonstigen äußeren Umstände - Beweis über den klägerischen Sachvortrag erheben müssen.

14

Der Kläger beantragt,

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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 29.06.2015, zugegangen am 29.06.2015, nicht aufgelöst worden ist.

16

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

18

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 01.08.2016 (Bl. 93 bis 95 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

19

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

II.

20

Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene ordentliche Kündigung aufgelöst worden.

21

Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen des Klägers bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:

1.

22

Die Kündigung ist nicht wegen fehlender sozialer Rechtfertigung i.S.v. § 1 Abs. 1, 2 KSchG unwirksam, da diese Vorschrift vorliegend wegen Nichterfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung findet.

2.

23

Die Kündigung ist auch nicht nach § 242 BGB unwirksam.

24

Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletzt. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben im Einzelnen ergeben, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Zu den typischen Tatbeständen einer treuwidrigen Kündigung zählen Rechtsmissbrauch und Diskriminierungen (BAG v. 22.05.2003 - 2 AZR 426/02 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG Wartezeit).

25

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt beim Arbeitnehmer. Ergibt sich aus seinem Vorbringen ein Treueverstoß des Arbeitgebers, muss dieser sich nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert auf das Vorbringen des Arbeitnehmers einlassen, um es zu entkräften. Kommt der Arbeitgeber dieser sekundären Behauptungslast nicht nach, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

26

Die Beklagte begründet die streitbefangene Kündigung damit, dass sie mit den Leistungen des Klägers nicht zufrieden gewesen sei und stützt dies auf eine an den Mitgeschäftsführer P. gerichtete E-Mail des Herrn Dr. R., in welcher dieser erklärt, er halte den Kläger "für ungeeignet". Dies spricht gegen die Annahme, die Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben.

27

Der Kläger hat demgegenüber seine Behauptung, die Kündigung sei ausschließlich auf Druck seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die sich an ihm - dem Kläger - habe rächen wollen, ausgesprochen worden, nicht ausreichend substantiiert und unter Beweis gestellt. Der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers, wonach seine ehemalige Lebensgefährtin auf den Mitgeschäftsführer "Druck ausgeübt" bzw. diesen zum Ausspruch der Kündigung "angehalten" habe, erweist sich in Ermangelung jeglicher Konkretisierung als unzureichend und damit als unsubstantiiert.

28

Der Antrag des Klägers, seine ehemalige Lebensgefährtin als Zeugin für die behauptete "Druckausübung" zu vernehmen, stellt sich als unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag dar.

29

Wird Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, so ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörende Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderung, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG v. 15.12.1999 - 5 AZR 566/98 - AP Nr. 9 zu § 84 HGB, m.w.N.).

30

Der Sachvortrag des Klägers enthält bezüglich der behaupteten Einflussnahme auf den Mitgeschäftsführer T. keine konkreten Tatsachen. Insbesondere lässt sich dem Sachvortrag des diesbezüglich darlegungsbelasteten Klägers nicht entnehmen, auf welche Art und Weise seine ehemalige Lebensgefährtin den behaupteten "Druck" ausgeübt haben soll. Insoweit fehlt es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen. Der diesbezüglich erforderliche konkrete Sachvortrag könnte daher allenfalls erst auf der Grundlage der Zeugenaussage erfolgen. Der Beweisantritt des Klägers dient somit letztlich der Ausforschung von Tatsachen, die es ihm erst ermöglichen könnten, die behauptete Einflussnahme seiner ehemaligen Lebensgefährtin und damit zugleich die Umstände, aus denen sich eine Treuwidrigkeit der Kündigung ergeben könnte, substantiiert vorzutragen. Das Beweisangebot des Klägers stellt sich somit als unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag dar.

31

Hinzu kommt, dass die streitbefangene Kündigung unstreitig und wie sich auch aus dem Kündigungsschreiben (Bl. 8 d. A.) ergibt, nicht vom Mitgeschäftsführer T., sondern vielmehr vom Mitgeschäftsführer P. ausgesprochen wurde. Eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf diesen durch die ehemalige Lebensgefährtin des Klägers ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

3.

32

Die Kündigung ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.

33

Der Vorwurf objektiver Sittenwidrigkeit kann nur in besonders krassen Fällen erhoben werden. § 138 BGB verlangt die Einhaltung des "ethischen Minimums". Sittenwidrig ist eine Kündigung, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (BAG v. 22.05.2003 - 2 AZR 426/02 - AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, m.w.N.).

34

Tatsachen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der streitbefangenen Kündigung ergeben könnten, hat der auch insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger weder ausreichend vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Insoweit wird - zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen - auf die obigen Ausführungen unter II. 2. verwiesen.

III.

35

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

36

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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