Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 SaGa 2/17

Tenor

I. Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19. Januar 2017 - 7 Ga 51/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, an den Verfügungskläger 809,97 EUR netto zu zahlen.

2. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, dem Verfügungskläger für die Zeiträume vom 06. Februar bis 24. Februar 2017 und vom 06. März bis 24. März 2017 im Internat der P.-Schule in K-Stadt einen Platz zu buchen sowie die dazu erforderliche Kostenübernahmeerklärung abzugeben.

3. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, den Verfügungskläger zur Prüfung "Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement" anzumelden, die dafür erforderlichen Unterlagen auszufüllen und abzuschicken, sowie eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung abzugeben.

4. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

II. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Verfügungskläger zu 5/6 und der Verfügungsbeklagte zu 1/6.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Verfügungskläger zu 4/5 und der Verfügungsbeklagte zu 1/5.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob der Verfügungskläger im Wege der einstweiligen Verfügung vom Verfügungsbeklagten die Zahlung von Ausbildungsvergütung und die Anmeldung zu einem Internat und einer Zusatzprüfung einschließlich einer entsprechenden Kostenübernahmeerklärung verlangen kann.

2

Der 1996 geborene Verfügungskläger nahm aufgrund Berufsausbildungsvertrags vom 20. Februar 2014 (Bl. 5 d. A.) zum 01. August 2014 beim Verfügungsbeklagten, der in H-Stadt das Hotel-Restaurant "Z." betreibt, eine Ausbildung zum Koch auf. In dem für die Zeit vom 01. August 2014 bis 31. Juli 2017 geschlossenen Berufsausbildungsvertrag der Parteien ist als für den Ausbildungsberuf zuständige Berufsschule die P.-Schule in K-Stadt festgelegt, die vom Verfügungskläger im Rahmen seiner Ausbildung nach dem sog. "FHG-Modell" jeweils in Berufsschulblöcken besucht wird. Die Ausbildungsvergütung beträgt nach dem Berufsausbildungsvertrag der Parteien 825,00 EUR brutto im 3. Ausbildungsjahr.

3

Unter dem 02. November 2016 übersandte der Verfügungskläger dem Verfügungsbeklagten folgendes Schreiben (Bl. 6 d. A.):

4

"Hallo Chef,
beigefügt sende ich Ihnen meine Krankmeldung. Montag und Dienstag war die Arztpraxis geschlossen.

5

Aber es gibt noch etwas anderes zu klären. Als X. am Sonntag von meiner Krankmeldung erfahren hat, hat er gesagt, dass mir folgendes mitgeteilt werden soll: "Der soll verrecken, das Arschloch. Der kann seine Messer und Kochjacken holen. Der braucht nicht mehr kommen."

6

Am Montag wurde mir mitgeteilt, dass X. wiederholt hat, dass er mich rausschmeißen will und ich nicht mehr kommen brauche. Später sagte er: "Den schicke ich für eine Woche in Urlaub. Aber ich mache es wie mit der M.. Ich lasse ihn am Donnerstag kommen und teile ihm dann mit, dass er Urlaub hat."

7

Das hat er schon einmal getan. Als ich aus meinem letzten Urlaub zurück kam, hat mir X. ebenfalls mitgeteilt, dass mein Urlaub sich verlängert hat.

8

Da X. mir in der Vergangenheit auch schon mehrfach mit Schlägen und Verbrennungen gedroht hat, kann und werde ich dieses erbärmliche und bösartige Verhalten jetzt nicht mehr länger tolerieren.

9

Ich habe mich niemals darüber beschwert, jeden Tag 12 - 14 Stunden zu arbeiten oder immer wieder mal die Mittagspause durcharbeiten zu müssen. Ich habe auch schon manches Mal gearbeitet, obwohl bekannt war, dass ich krank war. Das habe ich getan, weil mir der Beruf des Kochs Spaß macht und ich meine Kollegen nicht im Stich lassen wollte.

10

Wenn ich aber zuhause bleibe, weil es mir wirklich dreckig geht und ich mich über Nacht mehrfach übergeben muss und dann nach meiner Krankmeldung vom Küchenchef aufs Übelste beschimpft werde, ist das nicht nur absolut asozial, sondern es nimmt engagierten Mitarbeitern jeglichen Spaß an der Arbeit.

11

Deshalb bitte ich Sie, X. sehr deutlich klarzumachen, dass ich mir zukünftig solche Unverschämtheiten nicht mehr gefallen lassen werde und er das zukünftig zu unterlassen hat. Weiter erwarte ich, dass X. sich vor allen Beteiligten bei mir für seine Äußerungen zu entschuldigen hat.
(…)"

12

Weiterhin wandte sich der Vater des Verfügungsklägers mit Schreiben vom 06. November 2016 (Bl. 7, 8 d. A.) an den Verfügungsbeklagten und bat um ein gemeinsames Gespräch. Am 12. November 2016 fand zwischen den Parteien ein Personalgespräch statt, an dem auch der Vater des Verfügungsklägers und der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten teilnahmen.

13

Mit folgendem Schreiben vom 15. November 2016 (Bl. 9 d. A.), dem Verfügungskläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte der Verfügungsbeklagte das mit dem Verfügungskläger bestehende Berufsausbildungsverhältnis außerordentlich zum 15. November 2016 unter Angabe folgender Kündigungsgründe:

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"Der Kündigung wird folgende Begründung gegeben.

15

Am 03.11.2016 schickten Sie eine Krankmeldung, wie Sie es bezeichneten persönlich ab. Sie führten aus, die Arztpraxis habe Montag und Dienstag geschlossen. Am 04.11. überreichten Sie persönlich eine weitere Krankmeldung.

16

In einem persönlichen Gespräch wurde Ihnen versucht näher zu bringen, dass eine Krankmeldung und die Übergabe eines Krankenscheins unterschiedliche Rechtsvorgänge sind und dass Sie bei einer Erkrankung verpflichtet sind sich bei Bekanntwerden der Erkrankung arbeitsunfähig bzw. einsatzunfähig zu melden und dies im Weiteren durch eine entsprechende ärztliche Bescheinigung zu belegen.

17

Daraufhin veranlassten Sie die Fertigung eines Schreibens durch Ihren Vater mit Datum vom 06.11.2016, die zusammen mit Ihrem Schreiben und den weiteren Vorfällen Gegenstand eines Personalgesprächs und ausdrücklich sogenannter persönlicher Anhörung zu den von Ihnen geäußerten Umständen am 12.11.2016 führte. Mehrfach auf diesen Umstand hingewiesen haben Sie sich zu dem Inhalt Ihrer Ausführungen in keinem Punkt abweichend geäußert, sondern auf die Richtigkeit der von Ihnen getätigten Aussage bestanden.

18

Weitere Überprüfungen meinerseits haben ergeben, dass dies nicht richtig ist. Insbesondere hat sich Herrn X. nicht dahingehend geäußert, dass Ihnen mitgeteilt werden soll "der soll verrecken, das Arschloch".

19

Desweiteren ist es nicht richtig, dass Ihnen Herr X. schon mehrfach mit Schlägen und Verbrennungen gedroht hat und dass dessen Verhalten erbärmlich und bösartig ist. Ihre Aussagen, über Herrn X., der bekanntlich mein unmittelbarer Stellvertreter in arbeitstechnischen Abläufen ist, führen zu eine schweren Störung des Betriebsfriedens zumal Sie diese Äußerungen auch gegenüber Mitarbeitern und Arbeitskollegen tätigten. Die Aussagen sind geeignet das Ansehen des Herrn X. in erheblicher Art und Weise herabzuwürdigen, so dass ich gezwungen bin, dass mit Ihnen bestehende Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos aufzukündigen.

20

Dies umso mehr, als dass Sie keinerlei Anzeichen an den Tag legen die von Ihnen selbst in mündlichen Gesprächen und in den schriftlichen Ausführungen als unhaltbare Situation dargelegten Umständen in irgendeiner Art und Weise entgegen zu wirken."

21

Der vom Verfügungskläger am 17. November 2016 angerufene Schlichtungsausschuss fällte in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2016 folgenden Spruch (Bl. 15, 16 d. A.), der vom Verfügungsbeklagten nicht anerkannt wurde:

22

"Die fristlose Kündigung vom 15. November 2016 ist unwirksam.

23

Das Ausbildungsverhältnis zwischen "S. Restaurant" vertreten durch Herrn C. und dem Auszubildenden A. besteht weiter.

24

Begründung:

25

Nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedarf die Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses zuvor einer schriftlichen Abmahnung.

26

Eine Abmahnung ist im vorliegenden Fall unterblieben."

27

Mit seinem am 28. Dezember 2016 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Verfügungskläger erstinstanzlich zuletzt beantragt,

28

1. den Verfügungsbeklagten zu verurteilen, ihn weiterhin als Auszubildenden zu beschäftigen,

29

2. den Verfügungsbeklagten zu verurteilen, an ihn 1.237,50 EUR brutto ausstehenden Lohn zu zahlen,

30

3. den Verfügungsbeklagten zu verurteilen, für die weiteren Monate ebenfalls die Ausbildungsvergütung zu leisten,

31

4. den Verfügungsbeklagten zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 06.02. bis 24.02. sowie vom 06.03. bis 24.03. und vom 22.05. bis 02.06. und vom 19.06. bis 20.06. einen Platz im Internat in der P.-Schule in K-Stadt zu reservieren und diesem gegenüber eine Verpflichtung zur Kostenübernahme zu erklären,

32

5. den Verfügungsbeklagten zu verurteilen, ihn zur Zusatzprüfung "Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement" anzumelden, hierzu die erforderlichen Unterlagen auszufüllen und diese abzuschicken, sowie auch hier eine Kostenübernahmeverpflichtung zu erklären,

33

6. den Verfügungsbeklagten zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis entsprechend des von ihm vorgelegten Zeugnisentwurfs auszustellen.

34

Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,

35

die Anträge abzuweisen.

36

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

37

Am 19. Januar 2017 hat das Arbeitsgericht Koblenz folgendes Urteil verkündet:

38

1. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, an den Verfügungskläger 1.237,50 EUR zu zahlen.

39

2. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, an den Verfügungskläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens 7 Ca 4072/16 die Ausbildungsvergütung monatlich zu zahlen, wobei er hierauf die durch die Verpflichtung nach 3. und 4. entstehenden Kosten - auch des Arbeitgeberanteils - anrechnen kann.

40

3. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, dem Verfügungskläger für die Zeiträume vom 06.02. bis 24.02.2017, vom 06.03. bis 24.03.2017, vom 22.05. bis 02.06.2017 sowie vom 19.06. bis 20.06.2017 im Internat der P.-Schule in K-Stadt einen Platz zu buchen sowie die dazu erforderliche Kostenübernahmeerklärung abzugeben.

41

4. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, dem Verfügungskläger zur Prüfung "Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement" anzumelden, die dafür erforderlichen Unterlagen auszufüllen und abzuschicken, sowie eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung abzugeben.

42

5. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

43

6. Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungskläger zu 35 % und der Verfügungsbeklagte zu 65 %.

44

7. Der Streitwert wird auf 8.137,50 EUR festgesetzt.

45

8. Die Berufung wird, soweit sie nicht ohnehin kraft Gesetzes statthaft ist, nicht gesondert zugelassen.

46

Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

47

Gegen das ihm am 24. Januar 2017 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2017, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

48

Er trägt vor, das Arbeitsgericht sei bereits aus formellen Gründen gehindert gewesen, über die Anträge zu entscheiden, weil Gegenstand des Schlichtungsverfahrens nach dem Spruch des Schlichtungsausschusses nur die Kündigung selbst gewesen sein könne, was nach § 111 Abs. 2 S. 5 ArbGG nicht ausreichend sei. Unabhängig davon fehle es am Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht unterstellt, dass die Kündigung unwirksam sei. Die vom Verfügungskläger in seinem Schreiben aufgestellte Tatsachenbehauptung sei geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, weil der Betriebsfrieden derart gestört sei, dass kein weiterer Mitarbeiter mehr mit ihm arbeiten wolle. Der Verfügungskläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass die in den Mund des stellvertretenden Küchenchefs gelegten Behauptungen von diesem tatsächlich so getätigt worden wären. Es sei nicht seine Aufgabe, die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung zu beweisen, sondern Aufgabe des Verfügungsklägers, deren Richtigkeit zu beweisen. Auch eine falsch gesteckte Äußerung dürfe man nicht einfach wiedergeben. Bei einer wirksamen Kündigung seien die erstinstanzlich zugesprochenen Ansprüche unbegründet. Im Übrigen habe Ziffer 2 des Tenors des arbeitsgerichtlichen Urteils keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Im Hinblick darauf, dass der Verfügungskläger aufgrund seines Verhaltens Anlass zu einer außerordentlichen Kündigung gegeben habe, sei er auch nicht verpflichtet, diesen zur Zusatzprüfung anzumelden. Es handele sich bei der Gesamtausbildung tatsächlich um eine besonders geförderte Ausbildung, die zur Erlangung von Zusatzqualifikationen führen könne, wenn der Auszubildende sich als besonders herausragend erweise, was beim Verfügungskläger in Anbetracht seines gezeigten Verhaltens gerade nicht der Fall sei. Aus dem Berufsausbildungsvertrag ergebe sich keine Zusage auf eine Qualifizierung außerhalb der Regelqualifizierung der P.- in K.-Stadt. Weiterhin fehle es an einem Verfügungsgrund. Der Kläger habe ungeachtet der Streitigkeit über die Wirksamkeit der Kündigung Anspruch auf Arbeitslosengeld. Im Übrigen habe der Verfügungskläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, wovon er in den vergangenen Monaten gelebt habe. Jedenfalls sei die vom Arbeitsgericht erlassene einstweilige Verfügung bereits deshalb aufzuheben, weil der Verfügungskläger die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt habe. Im Hinblick darauf, dass die Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers erstmals mit Schriftsatz vom 03. März 2017 eine Abschrift der erstinstanzlichen Entscheidung und damit erst nach Ablauf der Monatsfrist übersandt habe, sei von seinem Prozessbevollmächtigten die Erteilung des beigefügten Empfangsbekenntnisses berechtigterweise abgelehnt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Verfügungsbeklagten wird auf seine zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

49

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

50

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19. Januar 2017 - 7 Ga 51/16 - abzuändern und die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insgesamt zurückzuweisen.

51

Der Verfügungskläger beantragt,

52

die Berufung zurückzuweisen.

53

Er erwidert, ein Grund zur fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses bestehe nicht. Insbesondere sei ihm keine Vertragsverletzung vorzuwerfen, indem er gegenüber dem Verfügungsbeklagten eine wahre Begebenheit geschildert und seine begründeten Ängste in der betrieblichen Zusammenarbeit dargelegt habe. Auch habe es keine Abmahnung gegeben, die für eine verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung sei. Er selbst sei bei der Äußerung des stellvertretenden Küchenchefs nicht zugegen gewesen. Er habe die Sprachmitteilung über das Handy von dem Auszubildenden D. erhalten. Aufgrund des Fortbestandes des Ausbildungsverhältnisses bestehe ein Anspruch auf Vergütung bzw. Teilnahme am Berufsschulunterricht. Ausweislich des vorgelegten Formulars, mit dem der Verfügungsbeklagte ihn am 05. Mai 2014 bei der Berufsschule angemeldet habe, sei die Zusatzqualifikation zum Küchen- und Servicemanagement wie vertraglich vereinbar angekreuzt. In dem am 11. September 2011 geführten Gespräch, das dem Abschluss des Ausbildungsvertrages vorausgegangen sei, habe der Verfügungsbeklagte ihm empfohlen, zunächst das Fachabitur zu machen und dann das FHG-Modell der P.-Schule zu absolvieren. Dementsprechend hätten sich die Parteien geeinigt und sei verfahren worden. Weiterhin habe das Arbeitsgericht zu Recht seine Notlage festgestellt. Er sei ausweislich der von ihm vorgelegten Kostenaufstellung zur Finanzierung seiner Lebenshaltung auf die Ausbildungsverfügung angewiesen. Über Sparguthaben oder sonstige Rücklagen verfüge er nicht. Aufgrund der rückständigen Ausbildungsvergütung für November und Dezember 2016 seien bereits Salden entstanden, die auszugleichen gewesen seien. Familiär werde er nicht finanziell unterstützt. Sein Vater beziehe Arbeitslosengeld II und sei ebenso wie seine Mutter wirtschaftlich nicht zur Unterstützung in der Lage. Es sei unzumutbar, ihn auf den Bezug von Arbeitslosengeld zu verweisen. Im Übrigen habe die Bundesagentur für Arbeit mündlich Arbeitslosengeldansprüche zurückgewiesen, weil er aufgrund des Besuchs der Berufsschule und der bevorstehenden Prüfung zur Vermittlung nicht zur Verfügung stehe. Entgegen der Ansicht des Verfügungsbeklagten sei die Vollziehung der einstweiligen Verfügung vorliegend entbehrlich gewesen. Er habe bereits mit seinem Schreiben vom 23. Januar 2017 gegenüber dem Verfügungsbeklagten die Anmeldung zur Zusatzqualifikation und die Lohnabrechnungen für November 2016 bis Januar 2017 geltend gemacht. Darauf habe der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 25. Januar 2017 mit der Aufforderung reagiert, dass die Korrespondenz ausschließlich über ihn als Bevollmächtigten zu führen sei und Zahlungen zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgen würden. Per E-Mail vom 31. Januar 2017 sei unter Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts die Aufforderung an den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten erfolgt, die ausgeurteilten Ansprüche zu erfüllen. Nachdem der Verfügungsbeklagte auf Ziffer 1 des Urteils 809,97 EUR netto gezahlt habe und die Buchung des Internats gemäß Ziffer 3 des Urteils bis zum 24. März 2017 nebst Abgabe der Kostenübernahmeerklärung erfolgt sowie zudem Ziffer 4 des Urteils erfüllt worden sei, habe der Verfügungsbeklagte erstmalig die Vergütung für den Monat Februar 2017 nicht geleistet. Anlässlich des Gerichtstermins vor dem Arbeitsgericht Koblenz am 02. März 2017 habe seine Prozessbevollmächtigte den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten auf die offen stehende fällige Zahlung angesprochen, woraufhin dieser unter Hinweis auf § 929 ZPO erklärt habe, dass zukünftige Zahlungen nicht mehr erfolgen würden. Am 03. März 2017 habe seine Prozessbevollmächtigte daraufhin die Zustellung des Urteils des Arbeitsgerichts von Anwalt zu Anwalt veranlasst und darüber hinaus über das Amtsgericht B-Stadt die Zwangsvollstreckung betreffend Ziffer 2 des Urteils eingeleitet. Im Hinblick darauf, dass der Verfügungsbeklagte der einstweiligen Verfügung zunächst nachgekommen sei, hätte es keiner weiteren förmlichen Zustellung bedurft, die zwischenzeitlich erfolgt sei.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

55

Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten hat teilweise Erfolg. Soweit das Arbeitsgericht den Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stattgegeben hat, ist seine Entscheidung nur in dem aus dem Tenor des Berufungsurteils ersichtlichen Umfang aufrechtzuerhalten und im Übrigen auf die Berufung des Verfügungsbeklagten abzuändern (aufzuheben).

56

Der in Ziffer 1 des Urteilstenors zuerkannte Anspruch auf Ausbildungsvergütung für die Monate November und Dezember 2015 kann vom Verfügungskläger im Wege der einstweiligen Verfügung zwar nicht in Höhe des geltend gemachten Bruttobetrages von 1.237,50 EUR (825,00 EUR brutto x 1,5 Monate), aber in Höhe des sich daraus ergebenden Nettobetrages von 809,97 EUR beansprucht werden. Dem Antrag auf monatliche Zahlung der Ausbildungsvergütung für die weiteren Monate ist vom Arbeitsgericht in Ziffer 2 des Urteilstenors - unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags - nur mit der nicht hinreichend bestimmten Einschränkung stattgegeben worden, dass der Verfügungsbeklagte die durch die Verpflichtung nach Ziffern 3 und 4 des Urteilstenors entstehenden Kosten - auch des Arbeitgeberanteils - anrechnen kann, mit der Folge, dass - mangels Anschlussberufung des Verfügungsklägers - der mit diesem Inhalt in der Berufungsinstanz angefallene Antrag bereits unzulässig ist. In Bezug auf Ziffern 3 und 4 des Urteilstenors hat die Berufung nur insoweit Erfolg, als die in Ziffer 3 des Urteilstenors enthaltene Verurteilung des Verfügungsbeklagten hinsichtlich der Zeiträume vom 22. Mai bis 02. Juni 2017 sowie 19. bis 20. Juni 2017 mangels Wahrung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben und der Antrag insoweit zurückzuweisen ist. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht den Verfügungsbeklagten in Ziffern 3 und 4 des Urteilstenors zu Recht im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, dem Verfügungskläger für die Zeiträume vom 06. bis 24. Februar 2017 sowie 06. bis 24. März 2017 im Internat der P.-Schule in K.-Stadt einen Platz zu buchen sowie die dazu erforderliche Kostenübernahmeerklärung abzugeben und den Verfügungskläger zur Prüfung "Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement" anzumelden sowie eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung abzugeben. Soweit das Arbeitsgericht die erstinstanzlich gestellten Anträge im Übrigen zurückgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig, weil der Verfügungskläger keine (Anschluss-) Berufung eingelegt hat.

I.

57

Der Verfügungskläger kann im Wege der Leistungsverfügung die Zahlung der Ausbildungsvergütung zwar nicht in Höhe des zuerkannten Bruttobetrages von 1.237,50 EUR, aber in Höhe des sich daraus ergebenden Nettobetrages von 809,17 EUR beanspruchen.

58

1. Entgegen der Ansicht des Verfügungsbeklagten gilt § 111 Abs. 2 ArbGG für den einstweiligen Rechtsschutz nicht (Bader/Creutzfeld/Friedrich ArbGG 5. Aufl. § 111 Rn. 2). Im Hinblick darauf, dass das Schlichtungsverfahren nicht geeignet ist, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, sind hierfür die Arbeitsgerichte direkt zuständig (Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 8. Aufl. § 111 Rn. 63).

59

2. Der geltend gemachte Verfügungsanspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Monate November und Dezember 2006 ist nach dem Erkenntnisstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeben, weil danach die außerordentliche Kündigung vom 15. November 2016 mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG unwirksam ist.

60

Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vom Ausbilder nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann. Das Verständnis des wichtigen Grundes i.S.v. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entspricht dem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB. Nach § 22 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung schriftlich und in den Fällen des § 22 Abs. 2 BBiG unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Der Kündigende muss dabei die Tatsachen mitteilen, die für die Kündigung maßgebend sind. Der Ausbildende darf sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf Gründe stützen, die er im Kündigungsschreiben nicht genannt hat.

61

Nach dem Erkenntnisstand im einstweiligen Verfügungsverfahren ist davon auszugehen, dass sich die außerordentliche Kündigung vom 15. November 2016 als unwirksam erweist. Nach der im Kündigungsschreiben vom 15. November 2016 enthaltenen Begründung hat der Verfügungsbeklagte die von ihm ausgesprochene außerordentliche Kündigung darauf gestützt, dass die zitierten Aussagen des Verfügungsklägers über Herrn X. als seinem unmittelbaren Stellvertreter in arbeitstechnischen Abläufen zu einer schweren Störung des Betriebsfriedens führten und geeignet seien, das Ansehen des Herrn X. in erheblicher Art und Weise herabzuwürdigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellen u.a. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen die fristlose Kündigung "an sich" rechtfertigenden Grund dar. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzten bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22, juris). Der Kündigende Arbeitgeber ist für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtig. Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22, juris).

62

Im Streitfall war der Verfügungskläger nach seinem Vortrag bei der von ihm zitierten Äußerung ("Der soll verrecken, das Arschloch") selbst nicht zugegen. Vielmehr ist er nach seiner Darstellung während seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit über eine entsprechende Äußerung des stellvertretenden Küchenchefs von einem anderen Auszubildenden, Herrn D., über das Handy unterrichtet worden. Dass der Verfügungskläger bei der von ihm zitierten Äußerung selbst nicht zugegen war, geht auch aus seinem Schreiben vom 02. November 2016 hervor, indem er darauf verweist, dass ihm die zitierten Äußerungen nach seiner Krankmeldung mitgeteilt werden sollten. Unabhängig davon, dass nicht der Verfügungskläger, sondern der Verfügungsbeklagte die Darlegungs- und Beweislast für den Kündigungsgrund trägt, hat der Verfügungskläger mit der von ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass ihm die zitierte Äußerung von dem genannten anderen Auszubildenden übermittelt worden sei. Der Verfügungsbeklagte hat hierzu in seinem Schriftsatz vom 02. Januar 2017 ausgeführt, dass die Behauptung, Herr X. habe geäußert "Schreib dem mal, dass der verrecken soll, das Arschloch" von diesem "so nicht getätigt" worden sei, ohne dass sich daraus entnehmen lässt, welche Äußerung Herr X. in diesem Zusammenhang denn konkret gemacht haben soll. Selbst wenn man zugunsten des Verfügungsbeklagten unterstellt, dass Herr X. weder die vom Verfügungskläger zitierte noch überhaupt eine derartige Äußerung gemacht hat, ist die Wiedergabe einer ggf. unzutreffenden Mitteilung eines anderen Auszubildenden durch den Verfügungskläger jedenfalls nicht als eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung zu bewerten, dass diese ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Zwar hat der Verfügungskläger in seinem Schreiben vom 02. November 2016 nach der zitierten Äußerung des Herrn X., gegen die er sich mit seinem Schreiben in erster Linie wendet und wegen der er eine Klärung herbeiführen wollte, auch darauf verwiesen, dass dieser ihn "in der Vergangenheit auch schon mehrfach mit Schlägen und Verbrennungen gedroht" habe. Auch wenn man davon ausgeht, dass der pauschale Vorwurf mehrfacher Drohungen in der Vergangenheit unzutreffend ist, erscheint die ausgesprochene außerordentliche Kündigung gleichwohl jedenfalls bei Abwägung der beiderseitigen Interessen als unverhältnismäßige Reaktion des Verfügungsbeklagten. Zugunsten des Verfügungsklägers ist insbesondere zu berücksichtigen, dass er sich im Zeitpunkt der Kündigung bereits im letzten Ausbildungsjahr befand. Wird ein Berufsausbildungsverhältnis durch den Ausbildenden aus Gründen im Verhalten des Auszubildenden fristlos gekündigt, so ist bei der Prüfung des wichtigen Grundes nicht nur die Zweckbestimmung des Vertrages, nämlich zu einem Berufsabschluss für den Auszubildenden zu führen, sondern auch die im Zeitpunkt der Kündigung bereits zurückgelegte Ausbildungszeit im Verhältnis zur Gesamtdauer der Ausbildung zu berücksichtigen (BAG 10. Mai 1973 - 2 AZR 328/72 - juris). Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger nach seinem glaubhaft gemachten Vortrag nach seiner Krankmeldung von einem anderen Auszubildenden über eine grobe Beleidigung durch den stellvertretenden Küchenchef unterrichtet worden war und er mit seinem Schreiben vom 02. November 2016 in erster Linie eine Klärung des Vorfalls herbeiführen wollte. Soweit der Verfügungskläger nach dem von ihm konkret beanstandeten Verhalten des Herrn X. nach seiner Krankmeldung aus Verärgerung zu Unrecht durch einen pauschalen Verweis auf angeblich mehrfache Drohungen in der Vergangenheit aufgebauscht haben sollte, erscheint eine darin liegende Pflichtverletzung auch vor dem Hintergrund des Anlasses des Schreibens vom 02. November 2016 nicht als derart schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des bereits weit fortgeschrittenen Ausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf des letzten Ausbildungsjahres dem Verfügungsbeklagten unzumutbar ist. Nach dem Erkenntnisstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist mithin von einer Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 15. November 2016 auszugehen.

63

Der Verfügungskläger hat deshalb unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges gemäß § 615 BGB Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 16. November bis 31. Dezember 2016. Anhaltspunkte dafür, dass der Verfügungskläger in dieser Zeit einen anderweitigen Verdienst erzielt haben könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Hinblick darauf, dass das Berufsausbildungsverhältnis der Parteien bereits weit fortgeschritten war und der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum am Blockschulunterricht an der P.- Schule in K-Stadt teilnahm, war es ihm auch nicht zuzumuten, einen entsprechenden Verdienst durch kurzfristige Eingehung eines anderweitigen Ausbildungsverhältnisses zu erzielen.

64

3. Im Streitfall liegt auch ein Verfügungsgrund insoweit vor, als der Verfügungskläger auf die Netto-Ausbildungsvergütung für die Monate November und Dezember 2016 dringend angewiesen ist.

65

Der Verfügungskläger hat dargelegt und mit seiner eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass er keine anderweitige finanzielle Unterstützung erhält. Im Hinblick darauf, dass er den Berufsschulunterricht an der P.-Schule fortsetzen will, um dort seine Berufsausbildung abschließen zu können, war er auch nicht gehalten, Arbeitslosengeld zu beantragen. Unabhängig davon hätte auch der Bezug von Arbeitslosengeld zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht ausgereicht, so dass er hierauf nicht darauf verwiesen werden kann. Die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe bezwecken nicht, den Ausbilder bei nicht erfolgter Zahlung der Ausbildungsvergütung vor einer gerichtlichen Inanspruchnahme im Eilverfahren zu schützen. Der Umstand, dass der Verfügungskläger keine (zusätzliche) Ausbildungsförderung zur Kompensation der nicht gezahlten Ausbildungsvergütung beantragt hat, schließt den Verfügungsgrund deshalb nicht aus. Ein Verfügungsgrund besteht allerdings nur in Bezug auf den sich aus dem geltend gemachten Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag, weil der Verfügungskläger nur hierauf und nicht etwa auf die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen dringend angewiesen ist.

66

4. Aufgrund des vom Verfügungsbeklagten zwischenzeitlich allein zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Nettobetrags von 809,17 EUR für die Monate November und Dezember 2016 ist weder der Verfügungsanspruch noch der Verfügungsgrund entfallen. Die Erfüllung eines Zahlungsanspruchs nach dessen Titulierung setzt voraus, dass der betreffende Betrag nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil, sondern zur Erfüllung des titulierten Anspruchs ohne Vorbehalt gezahlt wird (vgl. BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 1078/12 - Rn. 61, NZA 2014, 540). Danach ist mit dem zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Nettobetrag die vom Arbeitsgericht erlassene Leistungsverfügung nicht erfüllt worden. Erst recht ist dadurch der Verfügungsgrund nicht entfallen. Vielmehr ist die Verurteilung insoweit aufrechtzuerhalten, weil sie den Rechtsgrund dafür schafft, dass der Verfügungskläger diesen Betrag in Anbetracht seiner nach wie vor bestehenden finanziellen Notlage aufgrund der Leistungsverfügung einstweilen behalten darf (vgl. hierzu BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 1078/12 - Rn. 62, NZA 2014, 540).

67

5. In Höhe des zuerkannten Nettobetrags von 809,17 EUR ist die einstweilige Verfügung auch nicht mangels rechtzeitiger Vollziehung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben. Eine einstweilige Verfügung bedarf insoweit nicht der Vollziehung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO, als der Verfügungsbeklagte der Anordnung freiwillig - wenn auch zur Abwendung der Zwangsvollstreckung - nachkommt (LAG Hamm 25. Mai 2005 - 10 (2) Sa 381/05 - juris).

II.

68

Der in Ziffer 2 des Urteiltenors zuerkannte Antrag auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die weiteren Monate enthält die nicht hinreichend bestimmte Einschränkung, dass der Verfügungsbeklagte hierauf die durch die Verpflichtung nach Ziffern 3 und 4 des Urteilstenors entstehenden Kosten - auch des Arbeitgeberanteils - anrechnen kann, und ist mit diesem Antragsinhalt unzulässig. Der Verfügungskläger hat weder Anschlussberufung eingelegt und seinen zuvor uneingeschränkt gestellten Zahlungsantrag weiterverfolgt noch die anzurechnenden Kosten beziffert in Abzug gebracht. Soweit der Antrag die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erst künftig fällig werdende Ausbildungsvergütung ab März 2017 erfasst, ist der auf künftige Leistung gerichtete Klageantrag weiterhin auch deshalb unzulässig, weil § 259 ZPO nicht die Verfolgung künftig entstehender Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis ermöglicht (vgl. hierzu BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - NZA 2015, 501).

III.

69

Ausgehend davon, dass die außerordentliche Kündigung vom 15. November 2016 nach dem Erkenntnisstand im einstweiligen Verfügungsverfahren unwirksam ist, kann der Verfügungskläger im Wege der einstweiligen Verfügung weiterhin seine Anmeldung im Internat für den Zeitraum vom 06. bis 24. Februar 2017 und 06. bis 24. März 2017 nebst der dazu erforderlichen Kostenübernahmeerklärung verlangen. Hingegen ist die vom Arbeitsgericht erlassene Leistungsverfügung hinsichtlich des nachfolgenden Zeitraums vom 22. Mai bis 02. Juni 2017 sowie 19. bis 20. Juni 2017 mangels Wahrung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben und der Antrag insoweit zurückzuweisen.

70

1. Die Parteien haben im Ausbildungsvertrag vereinbart, dass der Verfügungskläger nicht die ansonsten zuständige Berufsschule, sondern die als "für den Ausbildungsberuf zuständige Berufsschule" angegebene P.-Schule in K-Stadt besucht. Im Hinblick darauf, dass sich die vom Verfügungskläger zu besuchende Berufsschule an einem weit vom seinem Wohnort und seiner Ausbildungsstelle entfernten Ort befindet, ist hierfür der Besuch des dortigen Internats notwendig. Danach hat der Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger im Rahmen der vereinbarten Ausbildung nach dem sog. "FHG-Modell" für den auswärtigen Blockschulunterricht im Internat anzumelden und die dafür erforderliche Kostenübernahmeerklärung abzugeben. Der Verfügungsgrund folgt daraus, dass der Verfügungskläger in Bezug auf die vorgenannten Zeiträume eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht rechtzeitig erwirken kann. Zur Teilnahme am auswärtigen Blockschulunterricht im Internat ist er auch auf die erforderliche Kostenübernahmeerklärung dringend angewiesen, weil er die Internatskosten aufgrund seiner finanziellen Notlage nicht alleine selbst bestreiten kann.

71

2. Der Beklagte ist der vom Arbeitsgericht erlassenen Leistungsverfügung in Bezug auf den Zeitraum vom 06. bis 24. Februar sowie 06. bis 24. März 2017 - wenn auch zur Abwendung der Zwangsvollstreckung - nachgekommen, so dass insoweit eine Vollziehung der Leistungsverfügung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO entbehrlich war. Gemäß den obigen Ausführungen ist weder der Verfügungsanspruch noch der Verfügungsgrund dadurch entfallen, dass der Verfügungsbeklagte der in Ziffer 3 des Urteilstenors enthaltenen Leistungsverfügung hinsichtlich des vorgenannten Zeitraums des Blockschulunterrichts zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nachgekommen ist.

72

3. In Bezug auf den weiteren Zeitraum vom 22. Mai bis 02. Juni sowie 19. bis 20. Juni 2017 hat der Verfügungskläger allerdings die von ihm erwirkte Leistungsverfügung nicht innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen, so dass sie insoweit aufzuheben und der Antrag zurückzuweisen ist. Die wirksame Vollziehung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO setzt jedenfalls deren Parteizustellung voraus. Die in Ziffer 3 des Urteilstenors titulierte Leistungsverfügung war auch nicht etwa erst künftig, sondern sogleich vollstreckbar. Gleichwohl hat der Verfügungskläger innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist nach der am 19. Januar 2017 erfolgten Verkündung des Urteils weder das Urteil im Parteibetrieb zugestellt noch einen Zwangsgeldantrag beim Arbeitsgericht gestellt. Die von ihm in seinem Schriftsatz vom 08. März 2017 angeführten Schreiben sind zur Vollziehung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO nicht ausreichend. Bei der hier titulierten Verpflichtung des Verfügungsbeklagten zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung ist eine Einleitung der Zwangsvollstreckung durch einen Zwangsgeldantrag nach § 888 ZPO oder zumindest eine Parteizustellung der Leistungsverfügung erforderlich, während eine bloße Androhung der Vollstreckung nicht genügt (vgl. LAG Niedersachsen 30. Dezember 2010 - 12 Ta 548/10 - juris). Bei der fehlenden Vollziehung einer einstweiligen Verfügung handelt es sich um einen Aufhebungsgrund wegen veränderter Umstände i.S.d. § 927 ZPO, der außer über das Verfahren nach § 927 ZPO auch über das Rechtsmittel der Berufung geltend gemacht werden kann und zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung unter Zurückweisung des Antrages führt (vgl. LAG Hamm 25. Mai 2005 - 10 (2) Sa 381/05 - juris; LAG Hessen 10. Dezember 1996 - 9 SaGa 1383/96 - juris).

IV.

73

Das Arbeitsgericht hat in Ziffer 4 des Urteilstenors den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu Recht verurteilt, den Verfügungskläger zur Prüfung "Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement" anzumelden, die dafür erforderlichen Unterlagen auszufüllen und abzuschicken, sowie eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung abzugeben.

74

Nach dem Erkenntnisstand im einstweiligen Verfügungsverfahren ist davon auszugehen, dass sich die Parteien bereits darauf verständigt hatten, dass die vom Verfügungskläger zu absolvierende Ausbildung im Rahmen des sog. "FHG-Modells" auch die Zusatzqualifikation "Küchen- und Servicemanagement" umfasst. Dafür spricht das vom Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 03. März 2017 vorgelegte "Formular zur Schüleranmeldung" bei der P.-Schule, das an diese vom Verfügungsbeklagten ausweislich der vorgelegten E-Mail vom 05. Mai 2014 übersandt worden war. In diesem Formular ist unter dem angegebenen Ausbildungsberuf "Koch" ausdrücklich die Zusatzqualifikation "Küchen- und Servicemanagement" angekreuzt. Nach dem Erkenntnisstand im einstweiligen Verfügungsverfahren ist jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Verfügungskläger aufgrund einer entsprechenden Absprache der Parteien im Rahmen seiner Ausbildung auch seine Anmeldung zur Prüfung "Zusatzqualifikation Küchen- und Servicemanagement" sowie eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung beanspruchen kann. Gemäß den obigen Ausführungen liegt auch insoweit der erforderliche Verfügungsgrund vor.

75

Wie bereits ausgeführt, ist weder der Verfügungsanspruch noch der Verfügungsgrund dadurch entfallen, dass der Verfügungsbeklagte der in Ziffer 4 des Urteilstenors enthaltenen Leistungsverfügung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nachgekommen ist. Eine Vollziehung gem. § 929 Abs. 2 ZPO war auch insoweit entbehrlich.

76

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

77

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

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