Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 Ta 32/17

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – Az. 7 Ca 707/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Beklagte begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

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Die Klägerin, ein Eisenbahnunternehmen, schloss mit dem Beklagten einen schriftlichen Weiterbildungsvertrag (Bl. 4 ff. d. A.) für die sodann in der Zeit vom 27.04.2015 bis 01.03.2016 erfolgreich absolvierte Ausbildung zum Eisenbahnfahrzeugführer. Der Kläger war während der Ausbildung unter Fortzahlung der monatlichen Vergütung in Höhe von 1.600,-- EUR brutto von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Die darüber hinaus von der Klägerin getragenen Ausbildungskosten beliefen sich auf insgesamt 15.226,34 EUR.

3

Mit Schreiben vom 30.04.2016 (Bl. 7 d.A.) kündigte der Beklagte sodann ordentlich zum 31.05.2016 sein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, die daraufhin mit Schreiben vom 22.06.2016 nach Maßgabe des § 4 des schriftlichen Weiterbildungsvertrages der Parteien die anteilige Rückzahlung der Weiterbildungskosten in Höhe von 14.392,71 EUR vergeblich verlangte und dieses Ziel mit der vorliegenden beim Arbeitsgericht am 05.09.2016 eingegangenen Klage weiter verfolgt.

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§ 4 des schriftlichen Weiterbildungsvertrages (Bl. 5 f. d.A.) enthält unter der Überschrift Rückzahlungspflicht nach Beendigung der Weiterbildung insoweit auszugsweise die folgende Regelung:

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„Der Arbeitnehmer ist zur Rückzahlung der für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme von dem Arbeitgeber übernommenen Kosten der Weiterbildungsmaßnahme gemäß § 4 Ziffer 1.-2. abzüglich etwaiger Erstattungen durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 4 Ziffer 4 verpflichtet, wenn das zukünftige unbefristete Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 36 Monaten durch eine nicht vom Arbeitgeber veranlasste Kündigung des Arbeitnehmers oder aus einem Grund endet, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen oder einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung berechtigt.

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Der zu erstattende Betrag vermindert sich um 1/36 für jeden vollen Beschäftigungsmonat nach Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme.“

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Mit Schriftsatz vom 03.11.2016 beantragte die Prozessbevollmächtigte des Beklagten für diesen Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung. Zur Begründung der Klageabweisung hat der Beklagte streitig vorgetragen,
dass er nach bestandener Ausbildung bemerkt habe, dass die Belastung im Schichtdienst sowie der tagtägliche Arbeitsstress doch etwas anderes seien, als die Ausbildung und dass er dies gesundheitlich nicht schaffe. Er habe daher aufgrund seiner Verantwortungsposition gegenüber der Klägerin und der Fahrgäste es nicht riskieren können in diesem Beruf weiter zu arbeiten. Er habe sich daher eine neue Stelle als Fahrdienstleiter bei einem anderen Arbeitgeber gesucht, der Klägerin gekündigt und den neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Bei der anschließend vom neuen Arbeitgeber geforderten Tauglichkeitsbescheinigung habe die I.-Gruppe ihn jedoch aufgrund seiner Vorerkrankungen als nicht tauglich eingestuft. Ferner habe man ihm dabei mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Vorerkrankungen auch niemals als Triebwagenführer hätte arbeiten dürfen, so dass das ursprüngliche Tauglichkeitsgutachten falsch sei und dieses der Klägerin als Auftraggeberin der damaligen Begutachtung zuzurechnen sei. Die Klägerin hätte daher den Beklagten auch nicht einsetzen dürfen, so dass weder der Beklagte noch die Klägerin selbst Nutzen aus der Ausbildung als Eisenbahnfahrzeugführer hätte ziehen können.

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Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.01.2017 unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 05.01.2017 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

9

Sodann hat das Arbeitsgericht auch der sofortigen Beschwerde des Beklagten vom 01.02.2017 nicht abgeholfen und dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

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Wegen des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach § 78 Satz 1 ArbGG, §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

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1. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 114 Satz 1 ZPO voraus, das die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit hat das Gericht eine vorläufige Prüfung der Erfolgsaussichten vorzunehmen. Der Erfolg muss noch nicht gewiss sein, er muss jedoch immerhin nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Eine nur entfernte Erfolgsaussicht reicht dabei nicht aus (BVerfG, 08.07.2005 - 1 BvR 1078/05 - FamRZ 2005, 1893; LAG Rheinland-Pfalz 19.02.2004 - 2 Ta 12/04 - NZA-RR 2004, 233). Hinreichende Erfolgsaussichten für die Rechtsverteidigung bestehen, wenn die Klage unschlüssig ist oder der Beklagte Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können.

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2. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall und zwar unabhängig vom Zeitpunkt der Entscheidungsreife, denn das gesamte Beklagtenvorbringen war nicht streitentscheidend. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt Tatsachen vorgetragen, die zur Klageabweisung führen könnten. Im einzelnen:

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Die Rückzahlungsverpflichtung folgt aus § 4 des schriftlichen Weiterbildungsvertrages der Parteien.

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a) Diese Klausel als Teil des Formularvertrages stellt zwar eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 BGB dar. Sie hält aber einer Überprüfung anhand der § 307 ff. BGB stand. Insbesondere stellt sie keine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 BGB dar, da sie u.a. hinsichtlich des die Rückzahlungsverpflichtung auslösenden Tatbestandes nach den Verantwortungs- und Risikobereichen hinsichtlich des Beendigungsgrundes differenziert (vgl. zu dieser Anforderung ausführlich auch BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738 ff). So löst die Eigenkündigung des Arbeitnehmers nur dann die Rückzahlungsverpflichtung aus, wenn diese nicht vom Arbeitgeber veranlasst wurde. Auch hinsichtlich der sonstigen Beendigungstatbestände wird insoweit unterschieden und allein für den Fall, dass der Arbeitgeber zur außerordentlichen oder ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung berechtigt wäre, eine Rückzahlungsverpflichtung vorgesehen. Der Arbeitnehmer hat es damit nach dieser Klausel selbst in der Hand durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen.

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Der vom Beklagten eingewandte und von der Klägerin bestrittene Umstand, dass er aufgrund seiner Vorerkrankungen wegen gleichfalls bestrittener verkehrsmedizinischer Untauglichkeit keinen Nutzen aus der bestandenen Ausbildung ziehen könnte, ist für die agb-rechtliche Beurteilung völlig irrelevant, da insoweit gerade nicht der konkrete Einzelfall für die Angemessenheitsprüfung heranzuziehen ist. Vielmehr ist bei der Prüfung, ob der Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird, ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (vgl. BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 739 mwN.). Es kommt nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auf die typische Sachlage an (vgl. BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 739 mwN.). Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner unter Berücksichtigung der Art, des Gegenstandes, des Zwecks und der besonderen Eigenart des jeweiligen Geschäfts (vgl. BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 739 mwN.).

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b) Schließlich sind auch die in § 4 der schriftlichen Weiterbildungsvereinbarung aufgestellten Voraussetzungen für eine Rückzahlungsverpflichtung gegeben. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.04.2016 selbst zum 31.05.2016 gekündigt. Eine Mitverursachung dieser Eigenkündigung durch die Klägerin lässt sich dem Vortrag des Beklagten nicht schlüssig entnehmen. Denn der Beklagte selbst trägt vor, dass er gekündigt habe, weil er sich nach seiner Einschätzung gesundheitlich nicht in der Lage fühlte, im Schichtbetrieb mit dem tagtäglichen Arbeitsstress als Eisenbahnfahrzeugführer zu arbeiten und eine andere Arbeitsstelle gefunden hatte. Diese Kündigung beruhte damit allein auf einer persönlichen Motivation, die nicht von der Klägerin veranlasst war. Es ist das Risiko des Arbeitnehmers, nach bestandener Ausbildung festzustellen, dass der gewählte Beruf doch nicht der richtige für ihn ist. Nach seinem eigenen Vortrag wurde am 31.05.2016 und damit erst einen Monat nach der ausgesprochenen Eigenkündigung im Rahmen einer Tauglichkeitsprüfung als Fahrdienstleiter zudem mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Vorerkrankungen auch nie als Triebwagenführer hätte arbeiten dürfen. Dies war daher schon nicht kausal für die vom Beklagten ausgesprochene Eigenkündigung. Auf die zwischen den Parteien strittige Frage, ob der Beklagte zu Unrecht als uneingeschränkt geeignet als Triebfahrzeugführer am 27.04.2015 beurteilt wurde, kam es daher vorliegend ebenso wenig an wie auf die Frage, ob eine etwaige falsche Tauglichkeitsbeurteilung der Beklagten zuzurechnen wäre.

III.

18

Nach alledem war die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

19

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.

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