Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 TaBV 20/17

Tenor

I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 07.03.2017 - 2 BV 52/16 - wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch des antragstellenden Betriebsrats.

2

Die Beteiligte zu 2. produziert und liefert Beschlagtechnik für Fenster sowie die Motorik und Sensorik zur Automatisierung von Lüftungs- und Gebäudetechnik. Sie beschäftigt in Deutschland ca. 1350 Mitarbeiter in verschiedenen Betriebsstätten. In dem Werk P. mit den beiden Standorten in R. und A-Stadt sind durchschnittlich etwa 330 Arbeitnehmer tätig. Der Antragsteller ist der dort gebildete Betriebsrat.

3

Die Beteiligten zu 2. und zu 3. einigten sich auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung vom 19.05.2016 darauf, das Werk P. mit Wirkung ab dem 01.04.2016 als Gemeinschaftsbetrieb zu führen. Ab dem 01.07.2016 wurden erstmals Arbeitnehmer auf der Grundlage von mit der Beteiligten zu 3. geschlossenen Arbeitsverträgen im Werk P. beschäftigt. Zuvor fungierte die Beteiligte zu 3. als konzerninterne, nicht operativ tätige Gesellschaft ohne eigene Arbeitnehmer. Der ursprünglich eingetragene Gesellschaftszweck bestand in der Verwaltung eigenen Vermögens sowie in der Beteiligung an der Beteiligten zu 2. Am 14.07.2016 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beteiligten zu 3. eine Änderung ihres Gesellschaftszwecks dahingehend, dass dieser nunmehr auch die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Beschlägen und Produkten aller Art umfasst. Diese Änderung des Gesellschaftszwecks wurde am 03.08.2016 ins Handelsregister eingetragen.

4

Mit einem am 30.08.2016 beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung hat der Betriebsrat die vorläufige Untersagung des Führens eines gemeinschaftlichen Produktionsbetriebs durch die Beteiligten zu 2. und zu 3. begehrt. Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht Trier mit Beschluss vom 06.09.2016 (AZ: 2 BVGa 7/16) abgewiesen. Die hiergegen vom Betriebsrat eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (LAG Rheinland-Pfalz v. 13.10.2016 - 6 TaBVGa 2/16). Mit Beschluss vom 06.10.2016 (AZ: 3 BV 53/16) hat das Arbeitsgericht Trier auf Antrag des Betriebsrats eine Einigungsstelle zur Verhandlung eines Interessenausgleichs und zur Entscheidung über die Aufstellung eines Sozialplans wegen einer nach Auffassung des Betriebsrats durch die Errichtung des Gemeinschaftsbetriebs vorliegenden Betriebsänderung stattgegeben. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und zu 3. hat das LAG Rheinland-Pfalz diese Entscheidung mit Beschluss vom 27.04.2017 (AZ: 6 TaBV 26/16) teilweise abgeändert, soweit das Arbeitsgericht die Einigungsstelle auch zur Verhandlung eines Interessenausgleichs eingesetzt hatte, und insoweit den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

5

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, er habe erst im August 2016 von der Bildung des Gemeinschaftsbetriebs der Beteiligten zu 2. und 3. erfahren. Zuvor sei er von einer Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen. Die Beteiligte zu 2. habe eine Betriebsänderung gemäß § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG (Zusammenschluss mit anderen Betrieben) durchgeführt, ohne ihn auch nur zu informieren oder gar Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs einzuleiten. Ihm seien ein Unterlassungsanspruch sowie flankierend auch ein Folgenbeseitigungsanspruch zuzubilligen, da seine Rechte andernfalls leerliefen.

6

Der Antragsteller hat beantragt,

7

1. der Beteiligten zu 2 bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis zu 25.000,00 € bzw. Zwangshaft gegen ihre gesetzlichen Vertreter zu untersagen, am Standort A-Stadt/ R. einen gemeinschaftlichen Produktionsbetrieb zu betreiben, insbesondere durch Überlassung von Mitarbeitern und Leiharbeitern von der Beteiligten zu 3 an die Beteiligte zu 2 zum Einsatz in der Produktion in A-Stadt, bis ein Interessenausgleich abgeschlossen oder durch Spruch der Einigungsstelle das Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs festgestellt wurde,

8

2. hilfsweise der Beteiligten zu 2 bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis zu 25.000,00 € bzw. Zwangshaft gegen ihre gesetzlichen Vertreter zu untersagen, am Standort A-Stadt/ R. Mitarbeiter und Leiharbeiter der Beteiligten zu 3 zum Einsatz in der Produktion in A-Stadt/ R. einzusetzen, die nicht in der Anlage AS 7 aufgeführt sind, bis ein Interessenausgleich abgeschlossen oder durch Spruch der Einigungsstelle das Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs festgestellt wurde.

9

Die Beteiligten zu 2. und 3. haben beantragt,

10

die Anträge zurückzuweisen.

11

Die Beteiligten zu 2. und zu 3. haben im Wesentlichen geltend gemacht, die Gründung eines Gemeinschaftsbetriebes stelle vorliegend keine Betriebsänderung dar. Ein Fall des § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG sei nicht gegeben, da die Beteiligte zu 3. im Zeitpunkt der Gründung des Gemeinschaftsbetriebs noch nicht operativ tätig gewesen sei. Demgemäß sei es auch nicht zu organisatorischen Änderungen der Betriebsabläufe oder der arbeitgeberseitigen Weisungsbefugnisse gekommen. Unabhängig davon könne der Betriebsrat bei einer geplanten Betriebsänderung die Durchführung personeller Maßnahmen nicht durch Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs verhindern, da insoweit kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bestehe und § 113 Abs. 3 BetrVG eine abschließende Sanktionsregelung enthalte. Ein Unterlassungs- oder Folgenbeseitigungsanspruch scheitere auch daran, dass die Bildung des Gemeinschaftsbetriebs bereits vollzogen sei, sodass ein Verhandlungsanspruch des Betriebsrats nicht mehr gesichert werden könne.

12

Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 07.03.2017 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4-6 dieses Beschlusses (Bl. 150-152 d. A.) verwiesen.

13

Gegen diesen, ihm am 06.04.2017 zugestellten Beschluss, hat der Betriebsrat am Montag, dem 08.05.2017 Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 07.06.2017 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist am 27.06.2017 begründet.

14

Der Betriebsrat macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts stehe ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, weil andernfalls die Rechte des Betriebsrats, insbesondere im Hinblick auf den bestehenden Beratungsanspruch, leerliefen. Angesichts der Anordnung eindeutig sanktionierender Rechtsfolgen im Bereich personeller Einzelmaßnahmen (§ 101 BetrVG) bei Mängeln der Beteiligung des Betriebsrats trotz weniger weitreichenden Mitwirkungsrechts könne es nicht sein, dass im Rahmen des § 111 BetrVG keine Sanktion zur Sicherstellung der Wahrung der Rechte des Betriebsrats eingreifen solle. Der Unterlassungsanspruch sei das einzig adäquate Mittel des Betriebsrats, um überhaupt vom Arbeitgeber über Betriebsänderungen informiert zu werden. Die Beteiligte zu 2. habe gegen ihre Unterrichtungspflicht in grober Weise verstoßen, da sie ihn - den Betriebsrat - vor Durchführung der Betriebsänderung nicht angehört bzw. beteiligt habe. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass eine Betriebsänderung daran scheitern könne, dass die Beteiligte zu 3. zuvor nicht über einen operativen Betrieb verfügt habe, sei unrichtig. Es mache keinerlei Unterschied, ob der einzugliedernde Betrieb zuvor operativ tätig gewesen sei oder ob die operative Tätigkeit erst im Rahmen der Gründung des Gemeinschaftsbetriebs aufgenommen werde. Auch die Erwägung des Arbeitsgerichts, dass ein Unterlassungsanspruch ins Leere laufe, wenn die Maßnahme (Bildung des Gemeinschaftsbetriebs) schon durchgeführt sei, greife zu kurz. Der vorliegende Fall zeichne sich nämlich dadurch aus, dass hier von einer "Tabula rasa”, die die unternehmerische Entscheidung geschaffen habe, gerade nicht gesprochen werden könne. Ein Betriebszusammenschluss gemäß § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG vollziehe sich "in der Zeit". Das in die Zukunft gerichtete fortdauernde Zusammenwirken zweier Betriebe mache seine Struktur aus. Der "Nichtbetrieb" des Gemeinschaftsbetriebs sei für eine vorübergehende Zeit der "betriebsverfassungsrechtlichen Nachholung" ohne weiteres möglich und könne dann auf "Betrieb" umgeschaltet werden, wenn die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Insoweit bestehe ein den Unterlassungsanspruch flankierender Folgenbeseitigungsanspruch, der den Arbeitgeber zum einstweiligen Abstandnehmen bzw. zur Rückgängigmachung von bereits vollzogenen Maßnahmen zwinge.

15

Der Betriebsrat beantragt:

16

Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2. wird bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes bis zu 25.000 € bzw. Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2. untersagt, am Standort A-Stadt/R. einen gemeinschaftlichen Produktionsbetrieb zu betreiben, insbesondere durch Überlassung von Mitarbeitern und Leiharbeitern von der Beteiligten zu 3. an die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2. zum Einsatz in der Produktion in A-Stadt, bis das betriebsverfassungsrechtlich vorgesehene Auskunfts- und Beteiligungsverfahren zum Abschluss gebracht worden ist.

17

Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen,

18

die Beschwerde zurückzuweisen.

19

Die Beteiligten zu 2. und 3. verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung und machen im Wesentlichen geltend, die Bildung des Gemeinschaftsbetriebs stelle vorliegend keinen "Zusammenschluss mit anderen Betrieben” i. S. v. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG dar, da die Beteiligte zu 3. vor dem Zusammenschluss über keinen eigenen Betrieb i. S. v. § 1 BetrVG verfügt habe. Das Hineinwachsen einer (Perso- nalführungs-) Gesellschaft in die betriebliche Struktur eines anderen Unternehmens durch Aufnahme der operativen Tätigkeit innerhalb eines zuvor gegründeten Gemeinschaftsbetriebs werde von der maßgeblichen gesetzlichen Regelung nicht erfasst. Überdies bestehe kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei mitbestimmungswidrig durchgeführten Betriebsänderungen. Selbst wenn man jedoch das Bestehen eines solchen Anspruchs bejahe, greife dieser jedenfalls dann nicht ein, wenn - wie vorliegend - die (vermeintliche) Betriebsänderung bereits durchgeführt worden sei und ein etwaiger Verhandlungsanspruch des Betriebsrats demnach nicht mehr gesichert werden könne. Ein Folgenbeseitigungsanspruch bestehe ebenfalls nicht.

20

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1.

21

Die statthafte Beschwerde ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

22

Der zulässige Unterlassungsantrag ist unbegründet. Der Betriebsrat kann von der Beteiligten zu 2. nicht verlangen, es zu unterlassen, den mit der Beteiligten zu 3. gebildeten gemeinschaftlichen Produktionsbetrieb zu betreiben bis zum Abschluss eines Interessenausgleichsverfahrens gemäß §§ 111 f. BetrVG. Dabei kann offenbleiben, ob die Bildung des Gemeinschaftsbetriebs mit der zuvor nicht operativ tätigen Beteiligten zu 3., die bis dahin weder über eigene Betriebsmittel noch eigene Arbeitnehmer verfügte, nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG als Betriebsänderung zu qualifizieren ist.

a)

23

Der Unterlassungsantrag ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil das LAG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 27.04.2017 - 6 TaBV 26/16 - den Antrag des Betriebsrats auf Einsetzung einer Einigungsstelle zur Verhandlung eines Interessenausgleichs mit der Begründung abgewiesen hat, die Einigungsstelle sei insoweit offensichtlich unzuständig. Denn im Bestellungsverfahren nach § 100 ArbGG wird nicht abschließend und für die Betriebspartner verbindlich die Frage entschieden, ob das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Beteiligungsrecht besteht oder nicht. Auch die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden mit der Begründung, das geltend gemachte Beteiligungsrecht bestehe offensichtlich nicht, ist keine die Betriebspartner bindende Entscheidung über das Bestehen des Beteiligungsrechts. Streitgegenstand des Bestellungsverfahrens ist allein die Errichtung der Einigungsstelle durch Benennung des Vorsitzenden und ggf. durch Bestimmung der Zahl der Beisitzer jeder Seite (BAG v. 25.04.1989 - 1 ABR 91/87 - AP Nr. 3 zu § 98 ArbGG 1979).

b)

24

Ob dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich zusteht oder ob im Rahmen des § 111 BetrVG ein Unterlassungsanspruch bereits vom Grundsatz her nicht in Betracht kommt, ist umstritten.

25

Teilweise wird ein solcher Anspruch wegen der fehlenden gesetzlichen Regelung und unter Hinweis auf den Nachteilsausgleich in § 113 BetrVG grundsätzlich verneint (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 21.10.2009 - 20 TaBVGa 1/09; LAG Nürnberg v. 09.03.2009 - 6 TaBVGa 2/09 -; LAG Rheinland-Pfalz v. 24.11.2004 - 9 TaBV 29/04; jeweils zitiert nach juris). Dieser Auffassung hat sich die Beschwerdekammer im Beschluss vom 27.08.2014 - 4 TaBVGa 4/14 - angeschlossen. Nach anderer Ansicht steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Zustandekommen oder endgültigen Scheitern eines Interessenausgleichs zu, da nur auf diese Weise der Verhandlungsanspruch des Betriebsrats nach § 112 BetrVG hinsichtlich des Interessenausgleichs gesichert werden könne (vgl. LAG Hamm v. 17.02.2015 - 7 TaBVGa 1/15 -; LAG Schleswig-Holstein v. 15.12.2010 - 3 TaBVGa 12/10 -; jeweils zitiert nach juris).

26

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, welcher der vorgenannten Auffassungen zu folgen ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Zusammenhang mit Betriebsänderungen i. S. v. § 111 BetrVG grundsätzlich Unterlassungsansprüche des Betriebsrats jedenfalls zur Sicherung seines Verhandlungsanspruchs denkbar sind, sind die Voraussetzungen für einen derartigen Anspruch vorliegend nicht (mehr) gegeben. Ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Durchführung von Betriebsänderungen kann nämlich nur der Sicherung seines Verhandlungsanspruchs dienen, nicht aber losgelöst hiervon der Untersagung der Betriebsänderung selbst (LAG Rheinland-Pfalz v. 13.10.2016 – 6 TaBVGa 2/16 -; LAG Berlin-Brandenburg v. 19.06.2014 - 7 TaBVGa 1219/14 -; jeweils zitiert nach juris). Ist eine Betriebsänderung bereits durchgeführt worden, kann der Betriebsrat seinen Verhandlungsanspruch im Hinblick auf einen beabsichtigten Interessenausgleich nicht mehr durchsetzen und ein Unterlassungsanspruch scheidet aus (LAG Rheinland-Pfalz v. 13.10.2016 - 6 TaBVGa 2/16 -; LAG Hamm v. 17.02.2015 - 7 TaBVGa 1/15 -; LAG Rheinland-Pfalz v. 26.01.2011 – 7 TaBVGa 4/10 -; jeweils zitiert nach juris). Denn der Interessenausgleich kann nur vor der Durchführung der Betriebsänderung verhandelt werden. Das Recht des Betriebsrats auf Unterrichtung sowie auf Verhandlungen über das Ob, Wann und Wie der Maßnahme besteht nach deren Durchführung nicht mehr (BAG v. 28.03.2006 - 1 ABR 5/05 -, juris). Erst recht kommt aus den dargelegten Gründen ein Anspruch auf "Folgenbeseitigung" hinsichtlich einer bereits durchgeführten Betriebsänderung aufgrund der klaren gesetzlichen Ausgestaltung der Mitbestimmungsrechte einschließlich der vorgesehenen Sanktionsregelungen nicht in Betracht (LAG Rheinland-Pfalz v. 13.10.2016 - 6 TaBVGa 2/16 -, juris; im Ansatz anders vgl. obiter dictum LAG Rheinland-Pfalz v. 02.10.2014 - 3 TaBVGa 5/14 -, juris). Anderes ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 2002/14/EG vom 11.03.2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft. Weitergehende Unterlassungsansprüche als den zur Sicherung des Verhandlungs- und Beratungsanspruchs des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG fordert die die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer betreffende Richtlinie, auf die auch die in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie in Bezug genommenen Sanktionen bezogen sind, nicht; darüber hinausgehende Unterlassungsansprüche sind dem Gesetzgeber vorbehalten (LAG Berlin-Brandenburg v. 19.06.2014 - 7 TaBVGa 1219/14 -, juris). Die Frage, wie ein "Folgenbeseitigungsanspruch" im Falle der Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs durch Aufnahme eines Betriebs in einen bestehenden Betrieb im Hinblick auf betroffene Arbeitsverhältnisse rechtlich realisierbar sein könnte, kann dahinstehen.

27

Hiervon ausgehend steht dem Betriebsrat der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Dieser Anspruch scheidet vorliegend jedenfalls deshalb aus, weil die Maßnahme der Bildung eines gemeinschaftlichen Produktionsbetriebs durch die Beteiligten zu 2. und 3. unstreitig seit Juli 2016 durchgeführt ist.

c)

28

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 23 Abs. 3 BetrVG.

29

Ein Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG setzt einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz voraus. Zwar ist diesbezüglich kein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers erforderlich. Der Arbeitgeber begeht jedoch keinen groben Verstoß i. S. v. § 23 Abs. 3 BetrVG, wenn er in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage einen bestimmte Meinung vertritt (BAG v. 14.11.1989 - 1 ABR 87/88 - AP Nr. 76 zu § 99 BetrVG 1972, m. w. N.).

30

Hiervon ausgehend kann ein grober Verstoß der Beteiligten zu 2. gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten bereits deshalb nicht bejaht werden, weil zumindest Bedenken bestehen, ob es sich bei der gemeinsamen Aufnahme der Produktion durch die Beteiligten zu 2. und 3. um eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG handelt, da die Beteiligte zu 3. jedenfalls vor Produktionsaufnahme nicht über eigene Betriebsmittel und Arbeitnehmer verfügte und sich daher die Frage stellt, ob vorliegend ein Fall des § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG gegeben ist. Diese Rechtsfrage ist - soweit ersichtlich - bislang nicht geklärt.

III.

31

Die Beschwerde des Betriebsrats war daher zurückzuweisen.

32

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

33

Bernardi                                            Jünker                                                    Breser

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