Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 482/17

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Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14. September 2017, Az. 5 Ca 3082/16, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als freigestelltes Personalratsmitglied im Jahr 2016 einen Anspruch auf eine Leistungsprämie hat.

2

Die 1980 geborene Klägerin ist seit 1997 bei der beklagten Bundesrepublik angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-Bund) Anwendung. Die Klägerin absolvierte im Bundeswehrzentralkrankenhaus in X-Stadt eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten und wurde im Mai 2000 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Sie wird nach Entgeltgruppe 5 TVöD vergütet. Die Klägerin ist Mitglied des örtlichen Personalrats und seit September 2009 vollständig von der Arbeit freigestellt.

3

In einer Dienstvereinbarung zwischen dem C. und dem Hauptpersonalrat über die "Einführung und Umsetzung eines übertariflichen Leistungsprämien- und Leistungszulagensystems" vom 16.05.2014 idF. vom 16.09.2015 ist auszugsweise folgendes regelt:

4

"§ 1
Geltungsbereich

5

Diese Dienstvereinbarung gilt für alle Beschäftigten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD-Bund) fallen ...

6

§ 2
Rechtliche Grundlagen

7

(1) Die Gewährung von Leistungsprämien und Leistungszulagen beruht auf der Verordnung des Bundes über leistungsbezogene Besoldungsinstrumente vom 23. Juli 2009 (Bundesleistungsbesoldungsverordnung -BLBV- BGBl. I, S. 2170). Die entsprechende übertarifliche Anwendung auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat das Bundesministerium des Inneren (BMI) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rundschreiben D 5 - 31002/12#10 vom 20. Februar 2014 zugelassen. Auf dieser Basis regelt diese Dienstvereinbarung für den Geschäftsbereich des BMVg die Umsetzung der LBE [Leistungsbezogene Elemente des Entgelts] für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(2) ...

8

(3) Mit der übertariflichen Anwendung der BLBV wird die Möglichkeit geschaffen, an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer individuelle Leistungsprämien und Leistungszulagen sowie Teamprämien und Teamzulagen als Instrumente der LBE zu vergeben. Ein Anspruch auf die Zuerkennung oder Vergabe von LBE besteht jedoch nicht.

9

(4) Hinsichtlich der Gewährung von LBE an freigestellte Personalratsmitglieder und freigestellte Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen wird auf das Rundschreiben des BMI vom 12. März 2002 - D13 - 212 152/12 hingewiesen. Das Rundschreiben gilt in analoger Anwendung auch hinsichtlich der Gewährung von leistungsorientierter Bezahlung für freigestellte Gleichstellungsbeauftragte. Die Vorgaben sind auf den Bereich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entsprechend anzuwenden.

10

§ 3
Instrumente der LBE

11

(1) Für eine herausragende besondere - auch dauerhaft erbrachte - Leistung kann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Leistungsprämie (Einmalzahlung)
oder eine Leistungszulage (wiederholte monatliche Zahlung) gewährt werden.

12

(2) Die Gewährung einer Leistungsprämie oder Leistungszulage soll in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der erbrachten Leistung stehen.

13

(3) Eine Leistungsprämie kann gewährt werden, wenn die herausragende besondere Leistung in der Erfüllung bestimmter Aufgaben oder aus einem einzelnen Arbeitsergebnis besteht.

14

(4) Eine Leistungszulage kommt in Betracht, wenn die herausragende besondere Leistung bereits mindestens drei Monate lang erbracht wurde und auch für die Zukunft erwartet werden kann.

(5) ..."

15

In dem in Bezug genommenen Rundschreiben des BMI vom 12.03.2002 (D13 - 212 152/12) heißt es ua.:

16

"Anlage 2: Grundsätzliche Hinweise zur Rechtslage bei der Behandlung und Förderung freigestellter Personalratsmitglieder

17

I. Berufliche Förderung
...

18

II. Bezüge und Urlaub

19

Freigestellte Personalratsmitglieder haben gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG Anspruch auf Fortzahlung ihrer Bezüge. [Sie] erhalten nach dem Lohnausfallprinzip die Bezüge, die sie ohne die Freistellung erzielt hätten. ...

20

- ...
- ...
- ...
- Für die Gewährung von Leistungsstufen, Leistungsprämien und Leistungszulagen bzw. entsprechende Vergünstigungen im Arbeitnehmerbereich gilt folgendes: Beurteilungsgrundlage kann nur eine Leistung außerhalb der Freistellungszeit sein. Diese Instrumente dienen der Honorierung einer aktuellen Leistungssteigerung. Die Personalratstätigkeit ist aber jeder Bewertung entzogen. Das Lohnausfallprinzip greift nicht ein, da die Beschäftigten keinen Anspruch haben, sondern der Dienststelle ein Ermessensspielraum zusteht. Allenfalls eine kurz vor der Freistellung erbrachte herausragende Leistung kann daher zu einer Anwendung dieser Instrumente während der Freistellungsphase führen. Eine vor der Freistellung erfolgte Gewährung bleibt allerdings durch die Freistellung immer unberührt, d.h. die Freistellung hat auch keine Auswirkungen auf die vorherige Festsetzung der Leistungsstufe und ein Widerruf der Leistungszulage wegen Leistungsabfalls scheidet ebenfalls aus.
..."

21

Am 08.07.2016 schlug der Vorsitzende des Personalrats dem Dienststellenleiter vor, der Klägerin "in Anerkennung ihrer herausragenden besonderen Leistungen im Jahr 2016" eine Leistungsprämie iHv. € 1.025,00 als Einmalzahlung zu gewähren. Den Vorschlag begründete er wie folgt:

22

"[Die Klägerin] ist eine zivile Arbeitnehmerin, die durch ihre herausragende menschliche, fachliche und soziale Kompetenz als Vorbild unter Kollegen hervorsticht. [Die Klägerin] ist eine Mitarbeiterin, die dienstliche Belange stets in den Vordergrund ihres dienstlichen Handels stellt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als freigestelltes Personalratsmitglied, 1. stellv. Vorsitzende und Gruppensprecherin der Arbeitnehmergruppe beweist sie seit mehr als 7 Jahren Kontinuität und gewissenhafte Arbeit. Hier ist [die Klägerin] als Ansprechpartnerin für 700 zivile Mitarbeiter tätig. Trotz des hohen Arbeitsaufkommens ist sie dennoch immer hilfsbereit, zuvorkommend und kompetent. Auch in ihrer ehrenamtlichen Funktion als Schwerbehindertenvertretung seit dem Jahre 2006 hat [die Klägerin] immer ein offenes Ohr für die Belange unserer schwerbehinderten Mitarbeiter. Dieses Amt erfordert ein über die Maßen hinausragendes Mitgefühl. Durch ihre aufgeschlossene und ehrliche Art wird sie nicht nur von den zivilen Mitarbeitern, sondern auch von Soldaten und Beamten als zuverlässige und äußerst gewissenhafte Ansprechpartnerin bei verschiedensten Problemen und Anliegen geschätzt.“

23

Der Dienststellenleiter teilte sowohl dem Personalrat als auch der Klägerin persönlich am 27.07.2016 schriftlich mit, dass er den Vorschlag geprüft habe, die Klägerin jedoch als freigestelltes Personalratsmitglied kein leistungsbezogenes Entgelt beanspruchen könne, weil sie keine dienstliche Tätigkeit ausgeübt habe. Mit ihrer am 27.09.2016 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage begehrte die Klägerin zuletzt eine Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung des Antrags vom 08.07.2016. Sie ist der Ansicht, der Ausschluss von freigestellten Personalratsmitgliedern von übertariflichen Leistungsentgelten verstoße gegen das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG und gegen § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG.

24

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

25

die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag vom 08.07.2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Das Arbeitsgericht Koblenz hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen durch Beschluss vom 16.01.2017 für zulässig erklärt und der Neubescheidungsklage mit Urteil vom 14.09.2017 stattgegeben. Zur Begründung hat es -zusammengefasst - ausgeführt, der Dienstherr sei nach §§ 8, 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG verpflichtet, freigestellten Personalratsmitgliedern die berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre. Wenn der Dienstherr anderen Arbeitnehmern die Möglichkeit biete, durch herausragende besondere Leistungen eine Leistungsprämie zu erlangen, handele es sich um eine "Gelegenheit des beruflichen Fortkommens" iSd. § 46 Abs. 3 BPersVG. Wenn freigestellte Personalräte grundsätzlich von der Gewährung einer Leistungsprämie im Hinblick auf ihre Freistellung ausgeschlossen werden könnten, blieben sie hinter der Entgeltentwicklung ihrer nicht freigestellten Kollegen zurück. Dies sei mit dem personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot nicht vereinbar. Die kausale Verknüpfung zwischen Personalratstätigkeit und der Nichteinbeziehung in das Verfahren zur Leistungsbezahlung liege im Streitfall auf der Hand. Die Beklagte habe sich zur Begründung ihrer Verweigerung gerade darauf gestützt, dass die Klägerin als freigestellte Personalrätin keine dienstliche Tätigkeit verrichte, die bewertet werden könne. Die damit einhergehende Benachteiligung der Klägerin sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es sei der Beklagten nicht unmöglich, festzustellen, ob die Klägerin ohne die Freistellung von der Möglichkeit, eine herausragende Leistung bei der dienstlichen Tätigkeit zu erbringen, Gebrauch gemacht hätte. Dabei sei auf die berufliche Entwicklung ihrer nicht freigestellten Kollegen abzustellen. Da die Beklagte das ihr grundsätzlich zustehende Ermessen nicht ausgeübt habe, weil sie zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Klägerin nach der einschlägigen Dienstvereinbarung iVm. dem Rundschreiben des BMI grundsätzlich keine Leistungsprämie beanspruchen könne, sei sie zur Neubescheidung des Antrages vom 08.07.2016 verpflichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

29

Gegen das am 19.10.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am Montag, dem 20.11.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 19.01.2018 verlängerten Begründungsfrist mit einem am 17.01.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.

30

Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich ein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung des Antrags des Personalratsvorsitzenden aus § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG, also der beruflichen Entwicklung, ergebe. Die Frage der Gewährung einer Leistungsprämie sei keine Frage der beruflichen Entwicklung. Auch § 8 BPersVG gebiete nicht die Zahlung einer Leistungsprämie an freigestellte Personalratsmitglieder. Ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Gewährung einer Leistungsprämie bestehe nicht. Insoweit könne ausgeschlossen werden, dass ein Personalratsmitglied dadurch, dass ihm keine Leistungsprämie gewährt werde, von einem Anspruch ausgeschlossen werde. Auch eine sachwidrige Benachteiligung liege nicht vor. Ein freigestelltes Personalratsmitglied könne keine dienstlichen Leistungen erbringen. Die Personalratstätigkeit selbst entziehe sich einer Leistungsbeurteilung. In ihrem betrieblichen Umfeld existierten sowohl Beschäftigte, denen sie Leistungsprämien gewähre, als auch solche, die keine Prämie erhielten. Innerhalb der Gruppe derer, denen sie eine Leistungsprämie gewähre, hätten alle Beschäftigten herausragende dienstliche Leistungen erbracht. Dies treffe auf die Klägerin nicht zu. Die Gewährung einer Leistungsprämie zu ihren Gunsten wäre damit keine Gleichbehandlung, sondern eine Ungleichbehandlung gegenüber der relevanten Vergleichsgruppe. Diese Ungleichbehandlung wäre sachwidrig. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei es auch nicht geboten, dem freigestellten Personalratsmitglied eine Durchschnittszahlung zu leisten. Die Gewährung von Leistungsprämien entziehe sich einer Durchschnittsbetrachtung. Wollte man das Personalratsmitglied einem durchschnittlich arbeitenden Beschäftigten gleichsetzen, sei ihm keine Leistungsprämie zu zahlen. Die Zahlung einer Durchschnittsprämie würde dazu führen, dass das Personalratsmitglied gerade nicht mit der sonstigen Belegschaft gleich behandelt, sondern dem Mittelwert des oberen Bereichs der Beschäftigten gleichgesetzt werde. Dies führte zu einer verbotenen Begünstigung, denn damit würde das Personalratsmitglied für eine nicht erbrachte Leistung belohnt. Diese sei dem Arbeitgeber nach § 8 BetrVG verboten. Auch das Lohnausfallprinzip des § 46 Abs. 2 BPersVG trage den Anspruch nicht. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht verkannt, dass es ihr schlicht unmöglich sei, festzustellen, ob die Klägerin - ohne Freistellung - herausragende Leistungen bei der dienstlichen Tätigkeit erbracht hätte. Besonders herausragende Leistungen entzögen sich bereits per definitionem jeder Durchschnittsbetrachtung. Schließlich habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass sie an die Dienstvereinbarung vom 16.05.2014 gebunden sei. In dieser Dienstvereinbarung sei bewusst auf das Rundschreiben des BMI vom 12.03.2002 verwiesen worden.

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Die Beklagte beantragt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.09.2017, Az. 5 Ca 3082/16, abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen,

35

Sie ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig, weil sich die Beklagte nicht hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt habe. Die Berufung sei auch unbegründet. Der Ausschluss von freigestellten Personalratsmitgliedern von Leistungsprämien und Leistungszulagen sei ungültig. Abzustellen sei auf eine Durchschnittsleistungsprämie.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

37

Die Berufung der Beklagten ist nach § 64 Abs. 2 lit. a ArbGG allein schon kraft Zulassung durch das Arbeitsgericht statthaft. Sie ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch ordnungsgemäß iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO begründet worden. Die Berufungsbegründung enthält eine vertiefte Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und eine ausreichende Darlegung, aus welchen Gründen die Begründung des Arbeitsgerichts für unzutreffend gehalten wird (zu den Anforderungen an die Berufungsbegründung vgl. etwa BAG 14.03.2017 - 9 AZR 633/15 - Rn. 11 mwN).

II.

38

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsgericht hat der Neubescheidungsklage zu Unrecht stattgegeben. Das angefochtene Urteil ist deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

39

1. Der Klageantrag ist bereits unzulässig.

40

Die Klägerin will mit ihrem der verwaltungsgerichtlichen Bescheidungsklage (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) nachgebildeten Klageantrag erreichen, dass die Beklagte den Antrag des Personalratsvorsitzenden vom 08.07.2016 neu bescheidet. Ein solcher Neubescheidungsantrag ist bei der arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage und bei einem Angriff gegen eine dienstlichen Beurteilung durch einen öffentlichen Arbeitgeber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig (vgl. etwa BAG 24.01.2007 - 4 AZR 629/06 - Rn. 58 mwN). Dem öffentlichen Arbeitgeber steht in diesen Fällen ebenso wie dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ein von der Verfassung gewährter Beurteilungsspielraum zu, der nur beschränkt gerichtlicher Kontrolle unterliegt (vgl. BAG 03.12.2002 - 9 AZR 559/01 - Rn. 61 mwN). Das gilt auch dann, wenn die öffentliche Hand privatrechtlich als Arbeitgeber handelt. Die Einschränkung der Kontrolle des Verwaltungsermessens hat ihre Ursache in Gründen der Gewaltenteilung: Die Sachentscheidung obliegt der Exekutive, die Rechtskontrolle den Gerichten.

41

Diese Gesichtspunkte sind jedoch nicht auf die Kontrolle zivilrechtlichen Handelns nach § 315 BGB, worum es hier geht, übertragbar. Bei der Frage, ob die Klägerin im Jahr 2016 eine Leistungsprämie nach der Dienstvereinbarung vom 16.05.2014 idF. vom 16.09.2015 über die "Einführung und Umsetzung eines übertariflichen Leistungsprämien- und Leistungszulagensystems" beanspruchen kann, steht dem Gericht ein uneingeschränktes Kontrollrecht über die Billigkeit der Bestimmung und für den Fall, dass die gesetzlichen Grenzen nicht eingehalten werden, das Recht zur eigenen Sachentscheidung zu. Das gilt auch, wenn der Bestimmungsberechtigte - wie hier die Beklagte - die Bestimmung in der Annahme getroffen hat, er brauche keine Ermessensentscheidung zu treffen, weil schon die Anspruchsvoraussetzungen für die vom Arbeitnehmer verlangte Leistung ohnehin nicht vorlägen. Das folgt aus § 315 Abs. 3 BGB. Das unterscheidet die Billigkeitskontrolle im Rahmen des Zivilrechts von der verwaltungsgerichtlichen Ermessenskontrolle (vgl. BAG 03.12.2002 - 9 AZR 559/01 - Rn. 61; LAG Rheinland-Pfalz 29.09.2011 - 10 Sa 314/11 - Rn. 37).

42

Obwohl der Klägervertreter in der mündlichen Berufungsverhandlung auf die Zulässigkeitsbedenken der Berufungskammer hingewiesen worden ist, verfolgte er nach Erörterung seinen Neubescheidungsantrag weiter. Die Anregung, einen Antrag auf Zahlung von € 1.025,00 zu stellen, wie vom Personalratsvorsitzenden am 08.07.2016 für die Klägerin geltend gemacht, hat er nicht aufgegriffen.

43

2. Der Klägerin musste keine erneute Gelegenheit gegeben werden, einen sachdienlichen Klageantrag zu stellen, weil die Klage jedenfalls unbegründet wäre.

44

Der Antrag vom 08.07.2016, der Klägerin im Jahr 2016 eine Leistungsprämie iHv. € 1.025,00 als Einmalzahlung zu gewähren, ist vom Personalratsvorsitzenden gestellt worden. Dem fehlte die Antragsbefugnis für die Klägerin eine Leistungsprämie zu verlangen (vgl. BVerwG 30.01.2013 - 6 P 5/12).

45

Zwar hat sich die Klägerin den Antrag des Personalratsvorsitzenden vom 08.07.2016 erkennbar zu Eigen gemacht, auch wenn sie keine Zahlung, sondern eine "Neubescheidung" des Antrags nach pflichtgemäßem Ermessen verlangt. Der Antrag vom 08.07.2016 ist in der Sache abweisungsreif. Es stellte iSd. Dienstvereinbarung über die "Einführung und Umsetzung eines übertariflichen Leistungsprämien- und Leistungszulagensystems" vom 16.05.2014 idF. vom 16.09.2015 keine "herausragende besondere Leistung" dar, dass die Klägerin im Jahr 2016 Personalratstätigkeiten oder Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung wahrgenommen hat. Das folgt aus der Unentgeltlichkeit und Ehrenamtlichkeit der Personalratstätigkeit (§ 46 Abs. 1 BPersVG) und der Tätigkeit von Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen (§ 96 Abs. 1 SGB IX). Das Ehrenamtsprinzip dient ebenso wie das Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot (§§ 8 BPersVG, 96 Abs. 2 SGB IX) der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Mitglieder dieser Gremien. Es verbietet sich deshalb - wie das von der Klägerin beantragt worden ist - eine Leistungsbeurteilung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit durch den Arbeitgeber. Das wird in § 2 Abs. 4 der Dienstvereinbarung vom 16.05.2014 idF vom 16.09.2015 durch die Verweisung auf das Rundschreiben des BMI vom 12.03.2002 (D13 - 212 152/12) ausdrücklich klargestellt.

46

Es mag sein, dass die Klägerin wegen ihrer "menschlichen, fachlichen und sozialen Kompetenzen" "als Vorbild unter Kollegen hervorsticht" und in Ausübung ihrer Personalratstätigkeit seit mehr als sieben Jahren "Kontinuität und gewissenhafte Arbeit" beweist; eine "herausragende besondere Leistung" ist dies nicht. Es stellt auch keine "herausragende besondere Leistung" iSd. Dienstvereinbarung dar, dass die Klägerin in Wahrnehmung ihrer Personalratstätigkeit Ansprechpartnerin für 700 zivile Mitarbeiter und "trotz des hohen Arbeitsaufkommens" (im Personalrat) "immer hilfsbereit, zuvorkommend und kompetent" ist. Auch der Umstand, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Schwerbehindertenvertretung seit dem Jahre 2006 "immer ein offenes Ohr" für die Belange der schwerbehinderten Mitarbeiter hat, ist keine "herausragende besondere Leistung". Schließlich führt auch das Lob, die Klägerin verfüge über ein "über die Maßen hinausragendes Mitgefühl", sie werde wegen ihrer "aufgeschlossenen und ehrlichen Art" als "zuverlässige und äußerst gewissenhafte Ansprechpartnerin bei verschiedensten Problemen und Anliegen geschätzt", nicht zu einer "herausragenden besonderen Leistung", die prämiert werden müsste. Wie bereits ausgeführt entzieht sich die Personalratstätigkeit oder die Tätigkeit als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen einer Bewertung durch den Arbeitgeber nach dem Leistungsprinzip. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist ein Ehrenamt.

47

Die Frage, ob die Beklagte verpflichtet sein könnte, im Wege einer - wie auch immer ausgestaltete - fiktiven Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung vollständig freigestellte Personalratsmitglieder in eine übertarifliche Leistungsbezahlung einzubeziehen, muss vorliegend nicht geklärt werden (vgl. hierzu BVerwG 30.01.2013 - 6 P 5/12; OVG NRW 13.04.2016 - 1 A 1236/15; OVG NRW 29.07.2014 - 1 A 2885/12; OVG Hamburg 21.05.2012 - 7 Bf 161/11.PVB; vgl. auch LAG Baden-Württemberg 05.08.2013 - 1 Sa 33/12). Diese Frage war nicht Gegenstand des Antrags vom 08.07.2016. Mit diesem Antrag wollte die Klägerin für ihre ehrenamtliche Personalratstätigkeit (§ 46 Abs. 1 BPersVG) und ihre Tätigkeit als Mitglied der Schwerbehindertenvertretung (§ 96 Abs. 1 SGB IX) die Gewährung einer Leistungsprämie. Der Klägerin musste keine Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen gegeben werden, insb. nach welchem Referenzgruppensystem sie sich eine fiktive Nachzeichnung einer "herausragenden besonderen" Leistung vorstellt. Der pauschal gehaltene Verweis darauf, dass auf eine "Durchschnittsprämie" abzustellen sei, ist unzureichend. Hinzu kommt, dass die Klägerin mit dem Antrag des Personalratsvorsitzenden vom 08.07.2016 eine derartige Forderung nicht geltend gemacht hat. Sie wäre jetzt aufgrund der Ausschlussfrist des § 37 TVöD verfallen. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, eine von einem konkreten Antrag losgelöste Klärung von Rechts- oder Tatsachenfragen vorzunehmen oder Rechtsgutachten über Fragen zu erstellen, die je nach konkreter Fallgestaltung eine differenzierende Beantwortung gebieten (vgl. BAG 17.03.2015 - 1 ABR 49/13 - Rn. 13 mwN).

III.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

49

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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