Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (2. Kammer) - 2 Ta 77/18

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Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 19. Juni 2018 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 30. Mai 2018 - 3 Ga 5/18 - abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die vorläufige Untersagung einer Stellenbesetzung und hierbei vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

2

Die Antragstellerin ist Volljuristin. Sie bewarb sich mit E-Mail vom 13. April 2018 (Bl. 7 d. A.) auf die von der Antragsgegnerin ausgeschriebene Stelle "Sachbearbeitung Ausländerangelegenheiten" mit Vergütung nach Entgeltgruppe 9 c TVöD; im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die Stellenausschreibung der Antragsgegnerin (Bl. 8, 9 d. A.) verwiesen.

3

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin nach dem mit ihr am 30. April 2018 geführten Vorstellungsgespräch per E-Mail vom 14. Mai 2018 (Bl. 10 d. A.) mit, dass sie sich für einen anderen Mitbewerber entschieden habe.

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Mit ihrem am 25. Mai 2018 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt die Antragstellerin, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle 33/08/2018 - Sachbearbeitung Ausländerangelegenheiten weder endgültig noch kommissarisch zu besetzen, bevor nicht über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut entschieden wird.

5

Die Antragsgegnerin hat auf den Hinweis des Arbeitsgerichts vom 25. Mai 2018 (Bl. 14 d. A.) mitgeteilt, dass sie bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens keine Besetzung der unter der Kennziffer 33/08 ausgeschriebenen Stelle mit einem anderen Bewerber vornehmen werde (Bl. 23 a d. A.).

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Mit Beschluss vom 30. Mai 2018 - 3 Ga 5/18 - hat das Arbeitsgericht nach Anhörung der Parteien den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Mainz verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragstellerin den durch einstweilige Verfügung zu sichernden Bewerbungsverfahrensanspruch auf Art. 33 Abs. 2 GG stütze. Diese Bestimmung begründe eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt und sei damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dies gelte nach der zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2018 - 2 E 10045/18 - auch dann, wenn ein Konkurrentenstreit um das "Ob" eines Anstellungsvertrages geführt werde, der gegebenenfalls privatrechtlicher Natur sei. Zwar sei bereits vielfach in der arbeits- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht worden, sofern Ziel des Begehrens ein Arbeitsverhältnis gewesen sei. Gleichwohl schließe sich die Kammer der zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz an, die im Einklang mit der Grundsatzentscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes stehe, dass sich der Rechtsweg allein nach der Natur des Klageanspruchs richte. Auch das Bundesarbeitsgericht habe in Abgrenzung zur Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte in seiner Entscheidung vom 05. Oktober 2005 - 5 AZB 27/05 - darauf abgestellt, dass einem Streit um den Inhalt der abzugebenden Meldungen zur Sozialversicherung die dafür heranzuziehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften das Gepräge geben würden und dem nicht entgegenstehe, dass die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften eine auf § 242 BGB beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers begründen könnten. Im Streitfall seien die zur Begründung herangeführten Argumente bezogen auf den Bewerberverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG ihrem Gepräge nach öffentlich-rechtlicher Natur. Neben dem Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern schütze Art. 33 GG das Interesse des öffentlichen Dienstes an der Bestenauslese. In einem Anbahnungsverhältnis für ein Arbeitsverhältnis würden die Pflichten nach Art. 33 GG ausschließlich potentielle Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes treffen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Gründe seines Beschlusses verwiesen.

7

Gegen den ihr am 06. Juni 2018 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 19. Juni 2018, beim Arbeitsgericht am 20. Juni 2018 eingegangen, Beschwerde eingelegt.

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Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bestehe vorliegend die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG. Die Angestellten im öffentlichen Dienst würden in einem Arbeitsverhältnis und damit entsprechend den Regeln des bürgerlichen Rechts beschäftigt. Der vorliegende Rechtsstreit finde seine Grundlage in dem abzuschließenden Arbeitsverhältnis. Danach seien die Arbeitsgerichte wie bei der Klage eines Angestellten auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zuständig. Der Umstand, dass der öffentliche Arbeitgeber bei seiner Besetzungsentscheidung Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten habe, führe nicht zur Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit.

9

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz als Beschwerdegericht vorgelegt; wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf den Nichtabhilfebeschluss vom 28. Juni 2018 verwiesen.

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Die Antragsgegnerin erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an das Verwaltungsgericht Mainz verwiesen. Der Bewerbungsverfahrensanspruch habe seine Grundlage nicht in den zivilrechtlichen Vorschriften des BGB über den Dienstvertrag, sondern werde aus Art. 33 Abs. 2 GG als einer Norm des öffentlichen Rechts abgeleitet. Die Verweisung der Konkurrentenklagen an die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewährleiste eine prozessuale Gleichbehandlung der in materieller Hinsicht schon vereinheitlichen beamtenrechtlichen und arbeitsrechtlichen Konkurrentenklagen im öffentlichen Dienst.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

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II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 S. 3 GVG an sich statthaft und wurde form- sowie fristgerecht (§§ 78 S. 1 ArbGG i. V. m. 569 ZPO) eingelegt.

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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg.

14

Für den Eilantrag der Antragstellerin ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Es handelt sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG).

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Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 - NJW 1986, 2359). Mit ihrem Antragsbegehren begehrt die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Sicherung des von ihr geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Übertragung einer Angestelltentätigkeit. Ausweislich der Ausschreibung soll der erfolgreiche Bewerber im Angestelltenverhältnis mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 c TVöD tätig werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG für einen solchen Bewerbungsverfahrensanspruch gegeben, wenn das betreffende öffentliche Amt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden soll und die öffentliche Verwaltung sich daher bei ihrer Entscheidung, mit welchem Stellenbewerber ein entsprechender Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll, auf dem Boden des Privatrechts bewegt (BAG 23. August 1989 - 7 AZR 546/88 - Rn. 21 und 22, juris; BAG 14. Dezember 1988 - 7 AZR 773/87 - Rn. 21, NJW 1989, 2909). In einem solchen Fall ist das Klagebegehren bürgerlich-rechtlicher Natur (BAG 12. Oktober 2010 - 9 AZR 554/09 - Rn. 24, NZA-RR 2011, 216; vgl. auch BAG 02. Dezember 1997 - 9 AZR 445/96 - Rn. 18, NZA 1998, 884). Das Bundesverwaltungsgericht stellt ebenfalls auf die Rechtsnatur des angestrebten Rechtsverhältnisses ab und geht von dem Grundsatz aus, dass sich je nach der rechtlichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses (privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich) auch der Rechtsweg bei Streitigkeiten auf Abschluss eines derartigen Rechtsverhältnisses bestimmt (BVerwG 25. März 1982 - 2 C 30/79 - Rn. 30, NVwZ 1983, 220; vgl. auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 07. April 2014 - 7 C 14.408 - Rn. 9, juris).

16

Auch wenn der vorliegend geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch aus einer Norm des Grundgesetzes hergeleitet wird und sich gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft richtet, handelt es sich hier gleichwohl um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit. Das Rechtsverhältnis ist maßgeblich durch das Klagebegehren geprägt, in den öffentlichen Dienst eingestellt zu werden, wofür das Arbeitsverhältnis oder das Beamtenverhältnis in Betracht kommen. Da das eine dem Privatrecht (Arbeitsrecht) zugeordnet ist und das andere dem öffentlichen Recht (Beamtenrecht) richtet sich die Rechtswegbestimmung danach, ob der Kläger letztendlich seine Beschäftigung als Angestellter oder als Beamter anstrebt (Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst Teil 15 Rn. 8). Im Hinblick darauf, dass die ausgeschriebene Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden soll, bewegt sich die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung, mit welchem Stellenbewerber ein entsprechender Arbeitsvertrag geschlossen werden soll, auf dem Boden des Privatrechts. Die Natur des Rechtsverhältnisses wird nicht dadurch verändert, dass das Klagebegehren auf eine grundrechtsgleiche Position gestützt wird (Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst Teil 15 Rn. 11). Auch wenn die Antragsgegnerin eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist, soll diese hier nach dem mit dem Hauptsacheanspruch verfolgten Ziel an einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beteiligt werden (vgl. Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst Teil 15 Rn. 12).

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Mithin ist für den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG begründet.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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Die Rechtsbeschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§§ 17 a Abs. 4 S. 5 GVG, 78 S. 2 i.V.m. 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Im Vorabverfahren nach § 17 a Abs. 4 GVG kann auch im Rahmen eines Gesuchs um vorläufigen Rechtsschutz die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen werden, auch wenn gegen das Urteil oder den Beschluss des Landesarbeitsgerichts, mit dem dieses über das Gesuch als solches entscheidet, die Revision bzw. Rechtsbeschwerde nach § 72 Abs. 4 ArbGG nicht statthaft wäre (BAG 24. Mai 2000 - 5 AZB 66/99 - Rn. 7, NZA 2000, 903; BGH 9. November 2006 - I ZB 28/06 -Rn. 5, NJW 2007, 1819; Schwab/Weth ArbGG 5. Aufl. § 78 Rn. 70).

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