Beschluss vom Landgericht Aachen - 3 T 304/08
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und zu 2) wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag der Schuldner auf einstweilige Einstellung des Verfahrens als unzulässig verworfen wird.
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Auf Antrag der Beteiligten zu 3) ordnete das Amtsgericht A. mit Beschluss vom 25. April 2007 die Zwangsversteigerung des oben näher bezeichneten, den Beteiligten zu 1) und zu 2) mit ideellen Anteilen zu je ½ gehörenden Grundstücks an. Die Beteiligte zu 3) betreibt die Zwangsvollstreckung aufgrund vollstreckbarer Ausfertigung des Notars Dr. P. in A. vom 27. September 2001. Die Anordnung der Versteigerung erfolgte aufgrund dinglichen und persönlichen Anspruches aus der zu Gunsten der Beteiligten zu 3) unter Nr. III/3 im Grundbuch aufgrund des vorgenannten Titels eingetragenen Grundschuld wegen einer Kapitalhauptforderung in Höhe von 245.500,00 Euro nebst 10 % Zinsen seit dem 27. September 2001 und den Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung. Die Beteiligten zu 1) und zu 2) beantragten am 9. Mai 2007 erstmals die einstweilige Einstellung des Verfahrens gemäß § 30a ZVG. Diesen Antrag wies das Vollstreckungsgericht durch Beschluss vom 22. August 2007 indes als unbegründet zurück. Auf entsprechende Bewilligung der Beteiligten zu 3) vom 7. Dezember 2007 stellte das Amtsgericht das Verfahren im Weiteren allerdings gemäß § 30 ZVG einstweilen ein. Auf rechtzeitigen Fortsetzungsantrag hin beschloss das Amtsgericht unter dem 4. Juni 2008 die Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 31 ZVG. Der entsprechende Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) und zu 2) versehen mit einer Rechtmittelbelehrung am 5. Juni 2008 zugestellt. Daraufhin stellten die Beteiligten zu 1) und zu 2) am 19. Juni 2008 erneut Antrag auf einstweilige Einstellung des Verfahrens nach § 30a ZVG. Zur Begründung führten sie aus, sie seien bemüht, eine gütliche Einigung mit der Beteiligten zu 3) zu erzielen; bei einer freihändigen Veräußerung sei ein die Gesamtverbindlichkeiten übersteigender Erlös zu erwarten; die minderjährigen Kinder der Beteiligten zu 1) und zu 2) hätten ferner ihren Lebensmittelpunkt in dem Haus; die wirtschaftliche Situation des Beteiligten zu 1) werde sich zudem aufgrund beruflicher Veränderung verbessern. Die Beteiligte zu 3) wies demgegenüber darauf hin, dass die Verbindlichkeiten der Beteiligten zu 1) und zu 2) zum 10. April 2007 durch Kündigung des Kredits gesamtfällig gestellt worden seien. Das Amtsgericht wies den Einstellungsantrag der Schuldner daraufhin mit Beschluss vom 19. August 2008 zurück. Gegen diesen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 20. August 2008 zugestellten Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1) und zu 2) mit am 28. August 2008 eingereichter sofortiger Beschwerde. Das Amtsgericht hat derselben nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Beschwerdegericht vorgelegt. Die Kammer hat die Beschwerdeführer mit Verfügung vom 2. September 2008 darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel nach Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
2II.
3Die sofortige Beschwerde der Schuldner ist gemäß §§ 30b Abs. 3, 95 ZVG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, 793, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt. In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.
4Das Amtsgericht hat den Einstellungsantrag der Beteiligten zu 1) und zu 2) zu Recht zurückgewiesen. Allerdings ist die Beschwerde nach Einschätzung des Beschwerdegerichts bereits deshalb unbegründet, weil schon der auf einstweilige Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 30a, 30c ZVG gerichtete Antrag der Beschwerdeführer vom 19. Juni 2008 unzulässig war:
5§ 30b ZVG sieht die Stellung des Antrags auf einstweilige Einstellung binnen einer Zweiwochenfrist ab Hinweis auf diese Möglichkeit nach der Anordnung des Versteigerungsverfahrens vor. Diesen Antrag hatten die Beteiligten zu 1) und zu 2) bereits unter dem 9. Mai 2007 erfolglos gestellt. Das entsprechende Recht wurde mit Eintritt der Bestandskraft des zurückweisenden Beschlusses des Amtsgerichts vom 22. August 2007 prozessual verbraucht.
6Die Zulässigkeit des Antrags ergibt sich vorliegend allerdings auch nicht aus § 30c ZVG im Hinblick darauf, dass das Verfahren mit Bewilligung der Beteiligten zu 3) zeitweise eingestellt war. Ob ein Zwangsversteigerungsverfahren, das nicht gemäß § 30a ZVG sondern aus einem anderen Grunde – hier: § 30 ZVG – einstweilen eingestellt war, nach Fortsetzung des Verfahrens auf Antrag des Schuldners erneut unter den Voraussetzungen von § 30 a ZVG eingestellt werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Das Beschwerdegericht folgt insoweit der im Schrifttum inzwischen wohl herrschenden Auffassung, dass es mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut von § 30c Abs. 1 S. 1 ZVG, der eine erneute Einstellungsmöglichkeit nur nach einer vorangegangenen Einstellung nach § 30a ZVG, nicht aber nach § 30 ZVG vorsieht, nicht vereinbar wäre, dem Schuldner auch dann ein erneutes Antragsrecht nach § 30a ZVG einzuräumen, wenn diese Möglichkeit (ein erstes Mal) durch fruchtloses Verstreichenlassen der Frist gemäß § 30b Abs. 1 S. 2 ZVG oder durch bestandskräftige Ablehnung des Antrages durch das Vollstreckungsgericht verbraucht wurde (vgl. LG Nürnberg-Fürth RPfleger 1983, 256; Stöber, ZVG-Handbuch, 8. Auflage 2007, Rdn. 177c; Stöber, ZVG, 18. Auflage 2006, § 30b Rdn. 10.1, Böttcher, ZVG, 4. Auflage 2005, § 30c Rdn. 15). Insoweit hält das Beschwerdegericht insbesondere nicht an seiner im Beschluss vom 20. März 1987 – 3 T 76/87, MDR 1987, 683, geäußerten Auffassung fest. Dieser Entscheidung hatte insbesondere die Überlegung zugrunde gelegen, dass von dem Schuldner unvertretbare Nachteile fernzuhalten seien: dem Gläubiger dürfe es insbesondere nicht möglich sein, nach Stellung eines Schuldnerantrages nach § 30a ZVG aber vor der Entscheidung des Gerichts darüber durch freiwillige Bewilligung einer Einstellung gemäß § 30 ZVG den Schuldnerschutz zu unterlaufen und eine spätere, nochmalige Antragstellung nach § 30c ZVG zu verhindern. Das Beschwerdegericht folgt insoweit der praktikableren und auch mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang stehenden Auffassung, dass die Einstellung des Verfahrens auf Bewilligung des Gläubigers gemäß § 30 ZVG den zuvor gestellten und noch nicht beschiedenen Antrag des Schuldners ohnehin nicht hinfällig macht, dass dieser nach Fortsetzung des Verfahrens vielmehr noch zu bescheiden ist (vgl. Stöber, ZVG-Handbuch, Rdn. 177b; Böttcher, ZVG, § 30c Rdn. 12). Auch durch eine freiwillige Einstellungsbewilligung kann daher dem Schuldner nicht die Möglichkeit sowohl einer erstmaligen Einstellung nach § 30a ZVG als auch einer darauf folgenden Einstellung nach § 30c ZVG durch den Gläubiger genommen werden.
7Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der angefochtene Beschluss allerdings auch in der Sache zu Recht ergangen ist. Im Anwendungsbereich von §§ 30a Abs. 1, 30c ZVG ist das Zwangsversteigerungsverfahren auf Antrag des Schuldners nur dann einstweilen auf die Dauer von höchstens sechs Monaten einzustellen, wenn die begründete Aussicht besteht, dass durch die vorübergehende Einstellung die Versteigerung vermieden wird und die Einstellung nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners sowie nach der Art der Schuld der Billigkeit entspricht. Die nach diesen Grundsätzen erforderliche Sanierungsfähigkeit ist vorliegend jedoch weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich.
8Insbesondere hatte das Beschwerdegericht bereits darauf hingewiesen, dass sich die Frage der Vermeidbarkeit der Versteigerung nicht daran orientiert, welche dem Schuldner möglichen Zahlungen dazu führen könnten, dass ein nach ursprünglichem Zahlungsplan (vor Kreditkündigung) bestehender Rückstand mit der Erbringung von Ratenzahlungen getilgt wird. Ausschlaggebend ist vielmehr die Frage, ob der Gesamtschuldenstand, dessentwegen vollstreckt wird, voraussichtlich zurückgeführt werden kann. Dies wäre hier nach der bereits unstreitig erfolgten Kündigung des gesamten Kredites zur sofortigen Rückzahlung ein Betrag von circa 250.000,00 Euro. Die Schuldner haben nicht dargelegt, wie dieser Betrag innerhalb von 6 Monaten zurückgeführt werden sollte, zumal sie ausdrücklich beabsichtigen, die Immobilie zu halten. Die Angabe, es solle durch eine Umschuldungs- oder Anschlussfinanzierung die Gläubigerin befriedigt werden, stellt sich nach dem bisherigen Verlauf als reine Absichtserklärung dar, ohne dass eine konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche Umschuldung dargelegt oder glaubhaft gemacht wäre. Der Vortrag der Schuldner dazu, dass sie Zahlungen in Höhe von insgesamt 3.000,00 Euro auf ein Angebot der Gläubigerin vom 18. September 2008 geleistet hätten, ist insoweit unzureichend. Es steht der Gläubigerin frei, von welchen Kriterien sie eine freiwillige Bewilligung der Einstellung nach § 30 ZVG abhängig macht. Die Einstellung nach § 30a ZVG hat sich demgegenüber an den oben genannten Kriterien zu orientieren. Auch eine etwaige Zahlung von 2 Raten zu je 1.500,00 Euro lässt insoweit nicht den Schluss darauf zu, dass innerhalb von 6 Monaten weitere 247.000,00 Euro gezahlt werden könnten.
9Der Vortrag, das Haus stelle den Lebensmittelpunkt der minderjährigen Kinder der Schuldner dar, kann schließlich als wahr unterstellt werden. Denn die Kriterien des § 180 Abs. 3 ZVG sind auf das Zwangversteigerungsverfahren nicht übertragbar, worauf bereits das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hatte. Die Voraussetzungen von § 765a ZPO sind darüber hinaus nicht dargetan.
10Die Entscheidung über die Kostenerstattung folgt aus § 97 ZPO.
11Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) besteht nicht.
12Beschwerdewert: 49.100,00 Euro (§ 3 ZPO: 20 % der dinglichen Kapitalbetrages dessentwegen vollstreckt wird).
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