Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 48/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Gebäudeversicherungsvertrag geltend.
3Die Klägerin erwarb durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Düren vom 30.09.2009 die Immobilie I1 in I2. Die Umschreibung der Eigentümerstellung im Grundbuch erfolgte unter dem 07.12.2009. Zuvor war bezüglich des streitgegenständlichen Objekts ein Zwangsverwaltungsverfahren bei dem Amtsgericht Düren durchgeführt worden. Dieses begann am 17.04.2008 und wurde mit Beschluss vom 09.11.2009 rückwirkend zum 30.09.2009 aufgehoben. Gerichtlich bestellter Zwangsverwalter war Herr Rechtsanwalt I3 aus E. Bereits zu Beginn des Zwangsverwaltungsverfahrens im April 2008 war die Heizung des Objektes durchgehend bis nach dem Erwerb des Objektes durch die Klägerin nicht in Betrieb.
4Der Zwangsverwalter hatte mit Antrag vom 25.04.2008 bei der Beklagten den Antrag auf Abschluss einer Immobilienversicherung gestellt, welchen die Beklagte annahm. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages stand das Gebäude bis nach der Übernahme durch die Klägerin leer, wobei der Leerstand auch im Versicherungsvertrag vereinbart war. Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen für die Firmen Immobilienversicherung (BFIMO) der Beklagten zugrunde, bezüglich deren Einzelheiten auf die Anlage B3 zur Klageschrift Bezug genommen wird. Versicherungsbeginn war der 20.04.2008; das Versicherungsverhältnis wurde durch Kündigung zum 01.04.2010 beendet.
5Der Zwangsverwalter hatte als Versicherungsnehmer zudem eine Wintersicherung bei der Streithelferin der Klägerin, der X1, in Auftrag gegeben. Am 22.12.2008 war sodann ein Mitarbeiter der Streithelferin im Objekt. Dieser führte die Wintersicherung jedoch nur teilweise durch. Die Wasserleitungen und Rohre wurden nicht komplett entleert.
6Nachdem die Klägerin das Objekt übernommen hatte, stellte sie fest, dass an den im Gebäude vorhandenen Wasserleitungen und Rohren Frostschäden vorhanden waren.
7Die Klägerin zeigte sodann im Januar 2010 den Frostschaden bei der Beklagten an, welche den Schadenregulierer X2 mit der Durchführung eines Ortstermins am 15.01.2010 beauftragte. In der seitens der Klägerin unterschriebenen Verhandlungsniederschrift vom 15.10.2010 ist ein Hinweis i.S.d. § 28 Abs. 4 VVG enthalten. Durch die frostbedingten Rohrbrüche wurden Schäden verursacht, deren Reparatur ausweislich zweier Rechnungen 5.683,99 € sowie Maurerarbeiten in Höhe von 3.000,00 € verursacht. Die Beklagte zahlte ausgehend von diesem Betrag und einer Leistungskürzung von 50 % einen Betrag von 4.357,00 € an die Klägerin. Diese Zahlung teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 17.05.2010 mit. Sie begründete die lediglich teilweise Zahlung mit einer Verletzung der Sicherheitsvorschriften zur ausreichenden Beheizung, der diesbezüglichen Kontrolle und zur Absperrung und Entleerung der wasserführenden Anlagen und Einrichtungen. Wörtlich führte die Beklagte aus: „Nach wohlwollender Prüfung sind wir dennoch bereit, 50 % Ihres Schadens zu übernehmen. Die Überweisung haben wir heute veranlasst“.
8Mit Schreiben vom 15.07.2010 teilte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit, dass eine über den bereits gezahlten Betrag hinausgehende Leistung nicht erbracht werden könne. Die Beklagte erläuterte mit diesem Schreiben die Höhe der Entschädigungsleistung und führte aus: „Hiervon wurden aufgrund der Sicherheitsvorschriftenverletzung 50 % anerkannt […]. Das Verschulden des Versicherungsnehmers liegt bei 50 %. Daher wurden 50 % der festgestellten Schadenshöhe reguliert“.
9Mit Schreiben vom 08.10.2011 lehnte die Beklagte eine weitere Leistungserbringung ab.
10Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei im Hinblick auf § 90 Abs. 2 ZVG zur Geltendmachung der vorliegenden Ansprüche aktivlegitimiert.
11Sie behauptet, die vorhandenen Frostschäden seien während der Versicherungsdauer eingetreten. Insofern habe der Zwangsverwalter I3 mit Schreiben vom 04.03.2010 (Anlage K1) bestätigt, dass während der Anordnung des Zwangsverwaltungsverfahrens im Objekt keine Wasser- bzw. Rohrleitungsschäden festgestellt worden seien. Die Heizrohre und Wasserleitungen hätten bis zur Entleerung am 22.12.2008 Wasser geführt, so dass der Schaden schon zu diesem Zeitpunkt hätte sichtbar werden müssen, wenn die Leitungen schon zu diesem Zeitpunkt beschädigt gewesen wären. Zudem hätte zum Zeitpunkt des Erwerbs des Objektes durch die Klägerin die Frostperiode des Winters 2009/2010 noch nicht begonnen, so dass die Schäden vorher hätten entstanden sein müssen.
12Zudem sei durch den Zwangsverwalter bzw. die von diesem beauftragte Streithelferin zwar keine vollständige Entleerung der wasserführenden Rohre und Leitungen erfolgt, hiervon habe jedoch weder der Zwangsverwalter noch die Klägerin Kenntnis gehabt. Zum Zeitpunkt der Durchführung der Wintersicherung seien auch alle Räume für die Streithelferin zugänglich gewesen. Die Mitarbeiterin des Zwangsverwalters Frau Q (ehemals C ) habe der Klägerin zudem vor der Ersteigerung des Objektes im Spätsommer 2009 erklärt, die Leitungen seien insgesamt entleert worden. Das Objekt sei ferner durch Frau Q überwacht worden, so dass hierdurch eine Wintersicherung gegeben sei.
13Neben den unstreitig entstandenen Schäden sei zudem durch die Frostschäden ein Gebläsekonvektor beschädigt worden, dessen Erneuerung einen Aufwand von 3.668,69 € erfordert hätte. Zudem hätte die Heizungsanlage für 9.846,96 € erneuert werden müssen, da das Heizaggregat der Anlage durch Frosteinwirkung gebrochen sei. Die Klägerin ist dabei der Ansicht, sie könne insgesamt die Bruttobeträge erstattet verlangen, da sie zwar vorsteuerabzugsberechtigt sei, jedoch für das Objekt unstreitig nicht für die Mehrwertsteuer optierte.
14Die Klägerin beruft sich hilfsweise darauf, dass der Schaden unmittelbar nach dem Zuschlag nach Aktivierung der wasserführenden Leitungen und Rohre eingetreten sei, da die Rohre altersbedingt und wegen der Entleerung angegriffen gewesen seien und dem üblichen Druck der Wasserzufuhr nicht hätten standhalten können und sodann gerissen seien.
15Die Klägerin ist zudem der Ansicht, dass in der außergerichtlichen Regulierung von 50 % eines Teils des Schadens ein Anerkenntnis der Beklagten zu sehen sei.
16Sie macht ferner Freistellung hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Tätigkeit der erstmals am 18.01.2010 beauftragen Bevollmächtigten in Höhe von 961,28 € ausgehend von einem Gegenstandswert von 17.845,64 € und einer 1,3 Geschäftsgebühr geltend.
17Die Klägerin beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an sie 17.845,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2011 zu zahlen,
19die Beklagte zu verurteilen, sie von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 961,28 € freizustellen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass sich der Schadenfall innerhalb der versicherten Zeit ereignet haben soll. Die Beklagte bestreitet insofern, dass sich auf den Rohren vor dem 22.12.2008 Wasserdruck befunden hätte. Zu berücksichtigen sei auch, dass es im März 2008 noch einige Tage mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gegeben hat.
23Die Beklagte beruft sich zudem auf einen Leistungsausschluss wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 17 Ziff. 1 c) BFIMO. Die Beklagte behauptet insofern, den Mitarbeitern des Zwangsverwalters sei bewusst gewesen, dass eine Entleerung der Leitungen und Rohre nicht (vollständig) erfolgt sei, wobei unstreitig keine Beheizung der Objektes erfolgt war. Zudem habe auch keine hinreichende Kontrolle des Objektes stattgefunden. Die Obliegenheitsverletzung sei auch schuldhaft erfolgt. Wegen der besonderen Schwere der Obliegenheitsverletzung sei eine Leistungskürzung auf null gerechtfertigt.
24Der Versicherungsfall sei zudem grob fahrlässig i.S.d. § 81 Abs. 2 VVG herbeigeführt worden.
25Zudem habe die Klägerin die Entschädigungssumme unzutreffend berechnet. Nach § 21 Ziff. 1 c), Ziff. 12 BFIMO könne die Klägerin vorliegend keine Neuwertentschädigung verlangen. Die Beklagte bestreitet zudem mit Nichtwissen, dass der Gebläsekonvektor zu Beginn des Versicherungsverhältnisses noch funktionsfähig und erst durch den Frostschaden beschädigt worden sei. Die Beklagte bestreitet weiter, dass die Reparatur der Heizungsanlage schadenbedingt notwendig sei. Die Beklagte meint weiter, die Klägerin sei für den Fall, dass der Schaden im Winter 2008/2009 entstanden sei (was sie sich hilfsweise zu eigen macht), nicht aktivlegitimiert, sondern der Zwangsverwalter. Die Klägerin könne zudem ihre außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht erstattet verlangen, da sie ihren Prozessbevollmächtigten unstreitig bereits wenige Tage nach dem Ortstermin vom 18.01.2010 beauftragte, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Versicherungsleistung noch nicht fällig i.S.d. § 14 VVG gewesen sei.
26Die Streitverkündete behauptet, es sei der Mitarbeiterin des Zwangsverwalters mitgeteilt worden, dass die Entleerung nicht vollständig erfolgen konnte.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N, I3, K, X2, Q, L, T1, C1 und B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Beweistermine vom 05.03.2013, 01.10.2013 und 14.01.2014 Bezug genommen. Die Klägerin hat mit bei Gericht am 30.05.2012 eingegangenem Schriftsatz der X1 den Streit verkündet mit der Aufforderung, auf Seiten der Klägerin beizutreten. Die Streitverkündungsschrift ist der auf Seiten der Klägerin beigetretenen Streithelferin am 08.06.2012 zugestellt worden.
29Entscheidungsgründe
30I.
31Die zulässige Klage ist nicht begründet.
32Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von weiteren 17.845,64 € aus dem Versicherungsvertrag zu.
33Offen bleiben kann dabei, ob der durch die unstreitig im versicherten Objekt vorhandenen Frostschäden an der Heizung oder an den Rohren im versicherten Zeitraum eingetreten sind. Sofern die Frostschäden sich bereits vor April 2008 ereignet hätten, dann wäre der Anspruch mangels Versicherungsfalls im versicherten Zeitraum nicht gegeben.
34Sofern sich der Frostschaden erst nach April 2008 ereignet hat, bestünde Leistungsfreiheit der Beklagten wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers gemäß § 28 VVG i.V.m. § 17 BFIMO bzw. wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 VVG.
35Gemäß § 17 Abs. 1 c) BFIMO hat der Versicherungsnehmer in der Leitungswasserversicherung (aa) nicht benutzte Räume oder versicherte Gebäude genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten und (bb) während der kalten Jahreszeit alle Räume der versicherten Gebäude genügend zu beheizen und dies häufig genug zu kontrollieren oder alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten.
36Ein Verstoß gegen die beiden in § 17 Abs. 1 c) BFIMO genannten Obliegenheiten liegt in objektiver Hinsicht vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zwar eine Wintersicherung durch den Zwangsverwalter in Auftrag gegeben wurde, dass die darin enthaltene Entleerung der Wasserleitungen jedoch nicht vollständig durchgeführt wurde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das versicherte Gebäude während der Zeit der Zwangsverwaltung (in der sich der Versicherungsfall nach den Behauptungen der Klägerin, die sich die Beklagte hilfsweise zu eigen gemacht hat, ereignet haben soll) nicht hinreichend kontrolliert wurde. Die Zeugin Q bekundete insofern glaubhaft und nachvollziehbar, dass sie als Mitarbeiterin des Zwangsverwalters zwar grundsätzlich die Ortstermine im streitgegenständlichen Objekt durchgeführt habe, da sie in der Nähe wohne, dass sie jedoch lediglich insgesamt zwei bis drei Mal im Objekt gewesen sei. Entgegen der Behauptung der Klägerin, dass Frau Q das Objekt regelmäßig kontrolliert habe, steht demnach zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine Kontrolle nicht stattgefunden hat, so dass ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 c) aa) BFIMO in objektiver Hinsicht gegeben ist.
37Auch gegen § 17 Abs. 1 c) bb) BFIMO wurde in objektiver Hinsicht verstoßen, indem die wasserführenden Anlagen nicht vollständig entleert wurden (s.o.) und zudem unstreitig keinerlei Beheizung oder Kontrolle der Beheizung des Gebäudes stattgefunden hat.
38Die Beklagte ist aufgrund dieser Obliegenheitsverstöße von ihrer Leistungspflicht befreit. Nach § 28 Abs. 2 VVG, § 17 Abs. 3 BFIMO ist der Versicherer im Falle der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung von der Leistungspflicht frei. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wobei die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmer trägt.
39Im Rahmen des § 28 Abs. 2 VVG ist dabei auf das Verhalten des Zwangsverwalters abzustellen, da dieser im von der Klägerin behaupteten Zeitraum des Versicherungsfalles Versicherungsnehmer war. Da der Zwangsverwalter unstreitig wusste, dass das Objekt in keiner Weise beheizt wird, dass keine regelmäßige Kontrolle des Objektes stattfindet und dass die wasserführenden Anlagen nicht vollständig entleert sind, handelte er mindestens grob fahrlässig i.S.d. § 28 Abs. 2 VVG, § 17 Abs. 2 BFIMO.
40Insofern steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass dem Zwangsverwalter bekannt war, dass die wasserführenden Leitungen nicht vollständig entleert wurden. Die Aussage des Zwangsverwalters I3 war zwar insofern unergiebig, da er zwar bekunden konnte, aus seiner Akte entnommen zu haben, dass die Streitverkündete mit der Wintersicherung beauftragt worden sein soll und dass die Rechnung der Streitverkündeten beglichen worden sei, dass er jedoch selbst nicht vor Ort gewesen sei und auch keine weiteren Erkenntnisse dazu habe, wobei er jedoch nicht von seinen Mitarbeitern auf Probleme mit der Wintersicherung angesprochen worden sei. Dasselbe gilt für die Aussage des Zeugen T, der zwar bekundete, als Mitarbeiter des Zwangsverwalters in die Bearbeitung des Falles eingebunden gewesen zu sein, welcher jedoch nach eigenen Angaben bei der Wintersicherung ebenfalls nicht vor Ort war. Aus seiner Sicht sei nach Zahlung der Rechnung der Streitverkündeten nichts weiter zu veranlassen gewesen.
41Aus der Aussage der Zeugin Q ergibt sich jedoch zur Überzeugung der Kammer, dass der Zeugin bekannt und bewusst war, dass die Entleerung der Rohre nicht vollständig erfolgt ist, wobei dem Zwangsverwalter dieses Wissen seiner Mitarbeiterin zuzurechnen ist. Die Zeugin Q bekundete insofern, im Auftrag des Zwangsverwalters vor Ort gewesen zu sein, als die Streitverkündete die Wintersicherung durchführen sollte. Ihr sei zwar nicht mehr erinnerlich, ob der Mitarbeiter der Streitverkündeten sie darauf hingewiesen habe, dass die Wintersicherung nicht komplett vorgenommen worden sei. Allerdings bekundete die Zeugin auch glaubhaft, die „Arbeitsbescheinigung“ (Bl. 90 GA) wahrgenommen, gelesen und selbst unterzeichnet zu haben, wobei sich aus dieser Arbeitsbescheinigung ergibt, dass die „Heizungsanlage und Wasserleitungen teilweise entleert“ und die Arbeiten „nicht erledigt“ wurden. Dies passt auch zu den Angaben der Zeugin, dass nicht zu allen Räumen Schlüssel vorhanden gewesen seien, so dass sie mit dem Mitarbeiter der Streitverkündeten nicht alle Räume habe betreten können.
42Die Angaben der Zeugin Q werden bestätigt durch die glaubhaften Angaben des Zeugen L. Dieser bekundete, ein Mitarbeiter der Streitverkündeten zu sein und als solcher den Auftrag erhalten zu haben, die Wintersicherung am streitgegenständlichen Objekt durchzuführen. Sie seien jedoch nicht in die Gaststätte reingekommen, da hierfür kein Schlüssel vorhanden gewesen sei. Insofern hätten auch nicht alle Leitungen entleert werden können. Er habe sodann auf der „Arbeitsbescheinigung“ vermerkt, dass die Arbeiten nicht erledigt seien und die Entleerung nicht vollständig sei und dies Frau Q (damals Frau C ) so mitgeteilt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst vorgetragen hat, dass das Haus „überwiegend nur durch die Gaststättenräume zu betreten ist“ (vgl. S. 5 oben des Schriftsatzes vom 30.50.2012, Bl. 72 GA).
43Die Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers rechtfertigt dabei vorliegend eine Leistungskürzung von 100 %. Das konkrete Kürzungsmaß ergibt sich dabei aufgrund der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Bei der Bemessung der Leistungskürzung ist danach zu fragen, wie nahe die grobe Fahrlässigkeit beim bedingten Vorsatz oder aber der einfachen Fahrlässigkeit lag. Die genaue Bestimmung fußt für jeden Einzelfall auf einer Bewertung der konkreten, auf die Schwere des Verschuldens bezogenen Gesamtumstände. Bemessungskriterien sind die objektive Bedeutung der Obliegenheit für die Vermeidung des Risikos, das Gewicht, die Dauer und die Offenkundigkeit für die Vermeidung des Risikos, das Gewicht, die Dauer und die Offenkundigkeit des Verstoßes gegen die Pflicht und die Vorhersehbarkeit seiner Folgen, außerdem der konkret erforderliche Aufwand für die Erfüllung einerseits und die Höhe des drohenden Schadens andererseits.
44Im vorliegenden Fall ist dabei zu berücksichtigen, dass eine Beheizung des Gebäudes während der gesamten Frostperiode des Winters 2008/2009 unterblieben ist, wobei auch keinerlei Kontrollen des Gebäudes durchgeführt wurden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Versicherungsnehmer bzw. in zuzurechnender Weise dessen Mitarbeiterin bewusst war, dass eine Wintersicherung zwar zunächst in Auftrag gegeben worden ist (was belegt, dass der Versicherungsnehmer sich der Obliegenheit bewusst war), dass diese jedoch nicht abschließend durchgeführt wurde, da die Leitungen nicht vollständig entleert werden konnten. Das ordnungsgemäße Beheizen von Räumen mit wasserführenden Leitungen oder die vollständige Entleerung der Leitungen ist dabei die einzige Möglichkeit, Frostschäden zu verhindern. Dies ist für jeden Versicherungsnehmer evident. Bei einer Verletzung dieses Verhaltensgebotes drohen offenkundig erhebliche Schäden, wobei es mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich ist, dieses Verhaltensgebot einzuhalten. Insbesondere unter Berücksichtigung des langen Zeitraums, nämlich der gesamten Frostperiode im Winter 2008/2009 musste sich dem Versicherungsnehmer die Erkenntnis aufdrängen, dass weitere Sicherungsmaßnahmen angezeigt waren. Ein weiteres, vollständiges Entleeren der Leitungen wäre insofern auch ohne weiteres möglich gewesen. Da dem Zwangsverwalter die Kenntnis seiner Mitarbeiterin zuzurechnen ist, kann es ihn als Versicherungsnehmer insofern auch nicht entlasten, dass die Nichtweitergabe der Information bezüglich des unerledigten Auftrages von Frau Q an den Zwangsverwalter gegebenenfalls nur leicht fahrlässig erfolgte.
45Die oben zur Frage der groben Fahrlässigkeit angestellten Erwägungen gelten auch im Rahmen der vorliegenden Leistungsfreiheit der Beklagten wegen der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG.
46Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich nichts anderes aus der Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 15.07.2010, wonach „aufgrund der Sicherheitsvorschriftenverletzung 50 % anerkannt“ wurden. Denn ein wirksamer Schuldanerkenntnisvertrag ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Dem Wortlaut des Schreibens der Beklagten nach dürfte von der Beklagten zwar ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewollt gewesen sein. Denn ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis verfolgt das Ziel, den Anspruch insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und (insoweit) endgültig festzulegen (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 28.03.2006, 9 U 94/05 – zitiert nach juris). Da es sich beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis jedoch um einen Vertrag handelt (vgl. dazu Palandt/Sprau, BGB, 73. Auflage 2014, § 781 Rn 3) ist für dessen Wirksamkeit auch eine Annahmeerklärung erforderlich (deren Zugang gemäß § 151 BGB entbehrlich sein kann). An einer derartigen Annahmeerklärung durch die Klägerin fehlt es vorliegend jedoch. Die Klägerin hat während der gesamten außergerichtlichen und gerichtlichen Korrespondenz eine Erstattung der vollen Entschädigungssumme verlangt und sich gerade nicht mit einer Entschädigungsleistung in Höhe von 50 % einverstanden erklärt.
47Soweit die Klägerin äußerst hilfsweise geltend gemacht hat, dass der Versicherungsfall nicht in einem nach April 2008 eingetretenen Frostschaden zu sehen sei, sondern dass der Schaden an den wasserführenden Leitungen unmittelbar nach dem Eigentumsübergang auf die Klägerin dadurch entstanden sei, dass die Rohre und Leitungen altersbedingt und auch wegen der Entleerung angegriffen gewesen seien und dem üblichen Druck der Wasserzufuhr nicht mehr hätten standhalten können und sodann gerissen seien, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich um einen Frostschaden gehandelt hat. Dies wurde übereinstimmend und widerspruchsfrei von allen Zeugen, welche sich vor Ort einen eigenen Eindruck verschaffen konnten, so bekundet. Der Zeuge K berichtete, selbst gesehen zu haben, dass die Rohre aufgeplatzt gewesen seien, was seiner Einschätzung nach lediglich durch Frost verursacht gewesen sein könne. Auch der Zeuge X2 gab an, Frostschäden festgestellt zu haben. Ebenso bekundete der Zeuge B, es habe sich um Rohrschäden gehandelt, welche er als Frostschäden eingestuft hätte. Die Rohre seien geplatzt gewesen. Für die Einholung eines von der Klägerin angebotenen Sachverständigengutachtens zu dieser Frage besteht keine Veranlassung, da über die von den Zeugen getätigten Angaben hinaus keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen wurden, die einem Sachverständigen vorgegeben werden könnten.
48Mangels Bestehens eines Hauptanspruchs sind auch die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie auf Zahlung von Zinsen gemäß §§ 280, 286, 288, 291 BGB nicht gegeben.
49II.
50Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
51III.
52Streitwert: 17.845,64 €.
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Referenzen
- ZVG § 90 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- § 14 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 3 BFIMO 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 2 BFIMO 1x (nicht zugeordnet)
- § 28 Abs. 4 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 81 Abs. 2 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 BFIMO 1x (nicht zugeordnet)
- § 81 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 28 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- 9 U 94/05 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- § 28 Abs. 2 VVG 3x (nicht zugeordnet)
- BGB § 151 Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden 1x