Urteil vom Landgericht Arnsberg - 2 O 72/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten im Zusammenhang mit der VW-Abgasthematik in Bezug auf einen PKW Audi A6 3.0 TDI.
3Am 04.09.2017 kaufte der Kläger bei der N in T einen Audi A6 3.0 TDI mit einer Laufleistung von 31.040 km zu einem Kaufpreis in Höhe von 43.888,00 €. Das Fahrzeug wurde am 29.09.2017 an den Kläger ausgeliefert und der Kaufpreis in Rechnung gestellt. Diesen finanzierte der Kläger über ein Darlehen der B. Seit dem 15.11.2017 zahlt der Kläger monatliche Raten in Höhe von 366,00 €. Am 15.10.2020 wird eine Schlussrate in Höhe von 31.837,28 € fällig.
4Das klägerische Fahrzeug verfügt über einen sog. SCR-Katalysator, welcher mit einer künstlichen Harnstofflösung (sog. AdBlue) betrieben wird, um die Stickstoffemissionen des Fahrzeugs zu reduzieren.
5Das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) veröffentlichte am 23.01.2018 eine Pressemitteilung, welche u.a. lautete:
6„Bei der Überprüfung der Audi 3.0l Modelle […] wurden unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen. Die schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Motoraufwärmfunktion springt bei diesen Fahrzeugen nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an.“
7Das klägerische Fahrzeug war von einem angeordneten Rückruf des KBA mit der Bezeichnung „Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems“ betroffen. Zwischenzeitlich ist ein Software-Update an dem Motorsteuergerät des Klägers durchgeführt worden.
8Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.01.2020 unter Fristsetzung bis zum 31.01.2020 auf, bis dahin geleistete Darlehensraten in Höhe von 9.150,00 € zu zahlen und den Kläger von noch ausstehenden Darlehensraten freizuhalten.
9Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug verfüge über Software in der Motorsteuerung, welche im NEFZ-Prüfstand die Aufwärmfunktion für den SCR-Katalysator aktiviere, um so die Stickoxidemissionen zu verringern. Im realen Straßenbetrieb sei diese Funktion deaktiviert. Das Fahrzeug verfüge daher über eine unzulässige Abschalteinrichtung. Weiter vermute er in dem Fahrzeug ein sog. Thermofenster. Der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von dem Einbau dieser unzulässigen Abschalteinrichtungen gehabt. Hierdurch habe der Vorstand der Beklagten zum Zwecke der Gewinnmaximierung eine Schädigung ihrer Käufer zumindest in Kauf genommen. Hätte der Kläger von unzulässigen Abschalteinrichtungen in seinem Fahrzeug gewusst, hätte er das Fahrzeug nicht erworben.
10Der Kläger beantragt,
111. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 12.444,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, abzüglich der Zahlung einer Nutzungsentschädigung in EUR pro gefahrenem km seit dem 04.09.2017, die sich nach folgender Formel berechnet: (43.888,00 EUR x gefahrene Kilometer) : 400.000 km.
122. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei aus allen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag mit der B als Zweigniederlassung der X, vom 04.09.2017 zur Vertrags-Nummer xxxxxxxxxxxxx in Höhe von derzeit 32.521,28 € freizustellen,
13jeweils Zug um Zug gegen Abtretung des Herausgabe- und Übereignungsanspruchs bzgl. des Fahrzeuges Audi A6 Avant 3.0 TDI, FIN: xxxxxxxxxxxxxxxxx, aus dem oben genannten Darlehensvertrag sowie dem Sicherungsübereignungsvertrag mit der B als Zweigniederlassung der X.
143. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des PKWs des Klägers, Audi A6 Avant 3.0 TDI, FIN: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in Annahmeverzug befindet.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie ist der Ansicht, eine Täuschung durch sie könne schon deshalb nicht vorliegen, da sie an dem seinerzeitigen Kaufvertrag nicht beteiligt gewesen sei. Selbst wenn man eine Täuschung bejahen würde, mangele es an der Kausalität dieser Täuschung für den Kaufentschluss des Klägers. Dem Kläger sei es bei Abschluss des Kaufvertrags lediglich darauf angekommen, ein besonders leistungsstarkes Fahrzeug zu erwerben. Schließlich sei dem Kläger kein Schaden entstanden.
18Insoweit sei nicht auf die allgemein bekannte Problematik rund um den Motor des Typs EA 189 abzustellen, da ein solcher in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig nicht zum Einsatz kommt. Im Zuge des durch das KBA angeordneten Rückrufs sei lediglich die sog. aktive Restreichweiten-Warnung deaktiviert worden.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die zulässige Klage ist unbegründet.
22I.
23Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
241.
25Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB ist nicht gegeben. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB erfordern eine vorsätzliche Schadenszufügung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
26a)
27Objektiv sittenwidrig ist nach der Rechtsprechung ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d. h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (BGH, Urt. v. 19.11.2013, Az.: VI ZR 336/12; Teilversäumnis- und Endurt. v. 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15). Dass das Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht. Insbesondere die Verfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten ist im Grundsatz auch dann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist (BGH, Urt. v. 19.10.1987, Az.: II ZR 9/87). Hinzutreten muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (BGH, Urt. v. 13.12.2011, Az.: XI ZR 51/10; Urt. v. 03.12.2013, Az.: XI ZR 295/12; Urt. v. 15.10.2013, Az.: VI ZR 124/12; vgl. insgesamt Palandt, BGB – Sprau, § 826 BGB Rn. 4 m.w.N.).
28Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der in der Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorhandenen Aufheizfunktion bzw. die Software zu deren Aktivierung oder dem – insoweit lediglich vermuteten – sog. Thermofenster um unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 handelt. Denn das bloße Vorhandensein einer objektiv unzulässigen Abschalteinrichtung genügt für sich noch nicht, um einen Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auszulösen (OLG Naumburg, Urt. v. 29.11.2019, Az.: 7 U 52/19).
29Vor diesem Hintergrund bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Beklagte durch die verwendete Software zur Aktivierung der Aufheizfunktion oder ein sog. Thermofenster gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denken verstoßen hat.
30Die Verwendung von sog. Thermofenstern ist – insoweit aus anderen Verfahren diese betreffend gerichtsbekannt – bei Dieselfahrzeugen aller Hersteller weit verbreitet. Die Beschränkung der Abgasreinigung auf bestimmte Temperaturbereiche dient gerade dem Schutz und der Dauerhaltbarkeit von Motorbauteilen. Die Dauerhaltbarkeit der Motorbauteile dürfte unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung im vorrangigen Interesse der Fahrzeughalter sein. Vor diesem Hintergrund ist eine besondere Verwerflichkeit des Handels der Beklagten gegenüber dem Kläger zweifelhaft.
31Auf den Vortrag der Beklagten, wonach das KBA eine Änderung der Motorsteuerungssoftware im Hinblick auf die sog. aktive Restreichweiten-Warnung durchführt, stützt der Kläger sein Begehren ersichtlich nicht.
32b)
33Jedenfalls fehlt es aber an den subjektiven Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB.
34Subjektiv ist zwar ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich. Der Schädiger muss aber grundsätzlich die Tatumstände kennen, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 13.09.2004, Az.: II ZR 276/02; Teilversäumnis- und Endurt. v. 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15; vgl. insgesamt Palandt, BGB – Sprau, § 826 BGB Rn. 5). Darüber hinaus muss der Schädiger zumindest bedingten Schädigungsvorsatz haben.
35Das Gericht vermag anhand des klägerischen Vortrags nicht festzustellen, dass die Beklagte bzw. in Anwendung des § 31 BGB ihre vertretungsberechtigten Organe zumindest mit bedingtem Schädigungsvorsatz handelten.
36aa)
37Bezüglich eines sog. Thermofensters ist zwar schon fraglich, ob die von dem Kläger angestellte Vermutung ausreichend ist, um in prozessual erheblicher Weise vorzutragen. Indes kann dies unterstellt werden, da sich aus dem Einbau eines solchen Thermofensters nicht ergibt, dass die Beklagte vorsätzlich oder mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelte.
38Aus dem Einbau einer Einrichtung, welche die Dauer und Haltbarkeit der Motorbauteile steigern soll, kann nicht geschlossen werden, dass der Beklagten bewusst war, eine möglicherweise unzulässige Abschalteinrichtung einzubauen. So sind schon die europarechtlichen Vorgaben selbst nicht eindeutig. Insbesondere ist aus den Vorschriften der VO (EG) 715/2007 und den dortigen Regelungen zu unzulässigen Abschalteinrichtungen und den Ausnahmen nicht ohne Weiteres erkennbar, welche technischen Einrichtungen zulässig sind und welche nicht. Daher muss es sich für einen Fahrzeughersteller nicht von vornherein als unzulässig darstellen, eine variable Abgasrückführung oder -nachbehandlung einzubauen (OLG Naumburg, Urt. v. 29.11.2019, Az.: 7 U 52/19 unter Bezugnahme auf den 5. Untersuchungsausschuss des Bundestages, BT-Drs. 18/12900, 536 ff.). Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich bei einem sog. Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass diesbezüglich vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 auch eine andere Auffassung vertretbar ist. Eine falsche Gesetzesauslegung und – anwendung begründet aber nicht den zwingenden Schluss, dass die Beklagte sowohl die Typengenehmigungsbehörde sowie den Käufer täuschen wollte (OLG Naumburg, a.a.O.). Dieser Schluss ist sogar fernliegend, da es sich bei der Beschränkung der Abgasreinigung auf bestimmte Temperaturbereiche um Maßnahmen zum Schutz und der Dauerhaltbarkeit von Motorbauteilen handelt. Die Dauerhaltbarkeit der Motorbauteile dürfte unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung im vorrangigen Interesse der Fahrzeughalter sein.
39bb)
40Auch im Hinblick auf die behauptete Aufheizstrategie liegen die den subjektiven Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB nicht vor.
41So folgt allein aus dem Umstand, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einem Rückruf des KBA betroffen ist, nicht zwingend ein bedingter Schädigungsvorsatz der Beklagten bzw. ihrer vertretungsberechtigten Organe (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 19.12.2019, Az.: 5 U 103/18; OLG Oldenburg, Urt. v. 01.04.2020, Az.: 5 U 107/19). Auch hier gilt, dass vor dem Hintergrund der Vorschriften der VO (EG) 715/2007 im Hinblick auf eine variable Abgasnachbehandlung nicht jede technische Einrichtung von vornherein als unzulässige Abschalteinrichtung erkannt werden muss (vgl. oben).
42Zwar spricht nach dem klägerischen Vortrag einiges für eine prüfstandsbezogene Einrichtung. Indes ist hier einschränkend anzumerken, dass sich ausweislich der vom Kläger vorgelegten Pressemitteilung des KBA die gerügte Abschalteinrichtung gerade nicht nur auf den Prüfstand bezog, sondern vielmehr nahezu nur im Prüfstand funktionierte. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine ausschließlich auf den Prüfstand bezogene Einrichtung gerade nicht vorliegt. Es handelt sich daher nicht um eine Einrichtung, welche zweierlei verschiedene Betriebsmodi je nach Situation – Prüfstand oder Realfahrbetrieb – aktiviert. Denn vom Grundsatz her funktioniert die Abgasreinigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs jeweils gleich mit dem einzigen Unterschied eines schnelleren Erreichens der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators, wobei dies auch nicht ausschließlich auf den Prüfstand beschränkt ist.
43Selbst wenn der Vorstand der Beklagten davon gewusst hätte, dass die Aktivierung der in dem streitgegenständlichen Fahrzeug befindlichen Aufheizfunktion nahezu nur im Prüfstand stattfindet, und er vorhersah, dass ein Software-Update notwendig werden könnte, ist damit nicht zugleich ein Vorsatz im Hinblick auf eine denkbare Schädigung der Kunden gegeben. Denn ein solcher kann nicht ohne Weiteres aus dem Einbau einer variablen Abgasnachbehandlung geschlossen werden (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.). Anders als in den Fällen der Motoren mit der Typenbezeichnung EA 189, hinsichtlich derer es notwendig war, eine Technik zu entwickeln, die teilweise erst mit erheblichem Zeitverzug entwickelt werden konnte, war vorliegend lediglich eine vorhandene Aufheizfunktion in ihrem Wirkungskreis zu erweitern, was kurzfristig erfolgen konnte. Zudem handelte es sich in den EA 189-Fällen um eine Software, welche zur Folge hatte, dass die betroffenen Fahrzeuge im Prüfstands- und im Realfahrbetrieb zwei völlig unterschiedliche Betriebsmodi aufwiesen, sodass die Abgasreinigung jeweils gänzlich anders ausgestaltet wurde. Eine unzulässige Abschalteinrichtung lag in diesen Fällen - anders als im vorliegenden Fall - geradezu auf der Hand (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2019, Az.: 12 U 246/19).
442.
45Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.
46Eine rechtswidrige Täuschung des Klägers ist aus den vorbenannten Gründen ebenso nicht ersichtlich wie ein entsprechender Vorsatz der Beklagten.
473.
48Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 4 Abs.1 und 2, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 scheiden ebenfalls aus.
49Es fehlt bereits an der Schutzgesetzeigenschaft der VO (EG) Nr. 715/2007.
50a)
51Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist jede Rechtsnorm, die zumindest auch dazu dienen soll, einen Einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2011, Az.: XI ZR 51/10). Der Schutz eines Einzelnen ist dabei nicht bereits dann bezweckt, wenn er als Reflex einer Befolgung der Norm objektiv erreicht wird, sondern nur dann, wenn der Gesetzgeber dem Einzelnen selbst die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der das Verbot übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt (vgl. BGH, a.a.O.).
52b)
53Das Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG Braunschweig (Urteil vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17) vollständig an:
54„Ziel der VO (EG) 715/2007 ist nach deren einleitenden Bemerkungen (1) bis (4) so-wie zusammengefasst nochmals in (27) die Harmonisierung des Binnenmarktes / die Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung von Fahrzeugemissionen. Zwar werden neben der Vereinheitlichung der Rechtsregelungen ein hohes Umweltschutzniveau (1) als Ziel und die Reinhaltung der Luft als Vorgabe für Regelungen zur Senkung der Emissionen von Fahrzeugen (4) beschrieben, doch folgt aus den Ausführungen unter (7), die die Verbesserung der Luftqualität in einem Zuge mit der Senkung der Gesundheitskosten (und dem Gewinn an Lebensjahren) nennen, dass es auch insoweit nicht um individuelle Interessen, sondern letztlich um umwelt- und gesundheitspolitische Ziele geht. Dass der europäische Gesetzgeber i.S.d. Definition des Schutzgesetzes dem einzel-nen Verbraucher die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privat-rechts gegen denjenigen vorzugehen, der in dieser Verordnung zur Umsetzung dieser Ziele geregelte Verbote übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt, geht damit aus den Vorbemerkungen nicht hervor. Vielmehr spricht stattdessen sogar der Umstand, dass die Ziele in (7) in Beziehung gesetzt werden zu den Auswirkungen der Emissionsgrenzwerte auf die Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit von Herstellern, gegen einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers. Dies gilt umso mehr, als auch die Regelungen der VO (EG) 715/2007 selbst keinen Bezug zu Individualinteressen des einzelnen Bürgers aufweisen (so i.E. auch Riehm, DAR 2016, DAR Jahr 2016 Seite 12, DAR Jahr 2016 13). Gerade einen derartigen Bezug zu Individualinteressen sieht der Europäische Gerichtshof aber in seiner Vorabentscheidung vom 16.02.2017, EUGH Aktenzeichen C21915 C - 219/15, zitiert nach juris, Rzn. 55, 56, als Erfordernis für eine Schutzgesetzeigenschaft an.“
554.
56Aus den vorbenannten Gründen besteht auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV. Diese Vorschriften setzen die Richtlinie in nationales Recht um. Sie berücksichtigen indes ebenfalls nicht den Schutz von Individualinteressen und sind daher nicht Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (OLG München, Beschl. v. 29.08.2019, Az.: 8 U 1449/19; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2020, Az.: 5 U 110/19).
57II.
58Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S.1, 2 ZPO.
59III.
60Ein weiterer Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz des Klägers war der Beklagten nicht zu gewähren, da sich für sie hieraus kein Nachteil ergibt.
61IV.
62Der Streitwert wird auf 45.013,28 € festgesetzt.
63Rechtsbehelfsbelehrung:
64Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
651. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
662. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
67Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
68Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.
69Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
70Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- BGB § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung 6x
- BGB § 31 Haftung des Vereins für Organe 4x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 5x
- §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 2 Bedeutung des Wertes 1x
- StGB § 263 Betrug 1x
- VI ZR 336/12 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 536/15 2x (nicht zugeordnet)
- II ZR 9/87 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 51/10 2x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 295/12 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 124/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2 VO (EG) 715/20 2x (nicht zugeordnet)
- 7 U 52/19 2x (nicht zugeordnet)
- II ZR 276/02 1x (nicht zugeordnet)
- 5 U 103/18 1x (nicht zugeordnet)
- 5 U 107/19 1x (nicht zugeordnet)
- 12 U 246/19 1x (nicht zugeordnet)
- 7 U 134/17 1x (nicht zugeordnet)
- 8 U 1449/19 1x (nicht zugeordnet)
- 5 U 110/19 1x (nicht zugeordnet)