Urteil vom Landgericht Arnsberg - 8 O 89/21
Tenor
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin macht mit der Klage Schadensersatzansprüche geltend.
3Zwischen der Klägerin und der Stadt C - wobei als Auftraggeber in den vorformulierten Verträgen, die von der Beklagten gestellt worden sind, der „Forstbetrieb der Stadt C“ genannt worden ist - kam es am 14.09.2020 zum Abschluss von zwei so bezeichneten Unternehmerverträgen mit den Vertragsnummern UV 2020-25 und UV 2020-37 (im Folgenden: UV 25 bzw. UV 37). Die Vertragsformulare mit Klauseln, wie sie in diesen Unternehmerverträgen enthalten sind, werden von der Beklagten auch in anderem Zusammenhang benutzt. Die Verträge hatten eine Laufzeit vom 01.09. 2020 bis zum 31.05.2021 und verhielten sich über von der Klägerin im Revier T der Beklagten gemäß dem Arbeitsauftrag der zuständigen Revierleitung zu rückende Holzsortimente. Der UV 25 umfasste eine Vertragsmasse von „ca. 30.000 fm“, der UV 37 eine solche von 50.000 fm. In beiden Vertragsformularen heißt es unter Ziffer 3.2, die Vertragspartner vereinbarten eine Mehr- oder Mindermenge von max. 10 % der vereinbarten Vertragsmenge.
4Ziffer 7.1 hat auszugsweise folgenden Inhalt:
5„7.1 Kontrolle des Holzaufmaßes . . . Der Auftragnehmer ist verpflichtet, dem Revierleiter seine wöchentliche Aufarbeitungsleistung bis Freitag jeder Woche unaufgefordert zu melden. Die entsprechenden Harvesterprotokolle sind wöchentlich dem Forstamt an jedem Freitag der Woche durch den Auftragnehmer unaufgefordert zu übermitteln.“
6Ziffer 9 hat folgenden Inhalt:
7„Die Lieferung von 50.000 Fm Käferholz werden seitens des Verkäufers garantiert. Die Vertragsmasse von 30.000 Fm vermindert sich automatisch, wenn gegenüber der ursprünglichen Einschätzung der Kalamitätsmassen weniger Holz anfällt. Diese Entscheidung trifft der Forstbetrieb. In diesem Fall entfällt der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers.“
8Bereits vor Abschluss dieser Verträge hatten die Parteien einen Vertrag über die Werbung von 3.000 fm Holz durch die Beklagte abgeschlossen, wobei die Klägerin in Umsetzung dieses Vertrages eine Menge von 3.004,57 fm Holz aufgearbeitet hatte.
9Nach Vertragsschluss führte das von der Klägerin beauftragte Subunternehmen D die vertraglich vereinbarten Arbeiten durch, wobei der zuständige Revierlei-
10ter der Beklagten diesem jeweils im Voraus zeigte, auf welchen Flächen die Holzrückarbeiten erledigt werden konnten.
11Nach unbestritten gebliebenem klägerischen Vortrag stellte die Beklagte seit Anfang April keine Flächen mehr zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung. Der weitere Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe sich bereits zuvor - nämlich in der Zeit seit Februar 2021 - um eine Reduzierung der Vertragsmenge bemüht, ist von der Beklagten ebenso wenig bestritten worden wie die Ausführungen der Klägerin, ihr sei bekannt, dass die Beklagte mit anderen Marktteilnehmern Unternehmerverträge abgeschlossen habe, bei denen sie Im Vergleich mit dem Inhalt des zwischen den Parteien des Rechtsstreits abgeschlossenen Vertrag stärker vom starken Holzpreisanstieg profitiert habe.
12Mit E-Mail-Schreiben vom 27.04.2021, wegen dessen gesamten Inhalts auf die als Ausdruck zur Akte gereichte Anlage B 3 zum Beklagtenschriftsatz vom 07.03.2022 (Bl. 125 ff. der Akte) Bezug genommen wird, bot die Klägerin die Durchführung der vertraglich vereinbarten Arbeiten zur Aufarbeitung der sich nach ihren Berechnungen ergebenden Restmenge von 14.500 fm ab Montag, 03.05.2021, an und bat um Rückantwort bis spätestens Freitag, 10:00 Uhr, wo der Harvester eingesetzt werden könne. Gleichzeitig behielt die Klägerin sich für den Fall, dass sie „nichts weiter höre“, weitergehende Rechte vor und teilte mit, sie stehe für ein Telefonat zur Verfügung. Am 29.04.2021 fand ein Telefonat statt, in dem nach - anschließend nicht mehr von der Beklagten bestrittenem - Klägervortrag keine Einigung zu den bereitzustellenden Festmetern und Qualitäten zur Erfüllung der geschlossenen Unternehmerverträge erzielt werden konnte. Eine Ausweisung von durch die Klägerin oder durch den von ihr beauftragten Subunternehmer zu bearbeitenden Flächen erfolgte anschließend seitens der Beklagten nicht.
13Die Klägerin hat ohne Berücksichtigung des sich über eine Menge von 3.000 fm Holz verhaltenden Vertrages aufgrund des UV 25 insgesamt 35.704,46 fm Sägeholz und 463,95 fm Industrieholz und anschließend weitere 6.462,01 fm Industrieholz aufgearbeitet, sodass sich unter Hinzurechnung der im Hinblick auf den über eine Menge von 3.000 fm abgeschlossenen Vertrag ergebenden „Zuvielmenge“ von 4,57 fm eine insgesamt geworbene Menge von 42.634,99 fm ergibt.
14Die zwischen ihren - anschließend von den jetzigen Parteien des Rechtsstreits beauftragten - jetzigen Prozessbevollmächtigten geführten Verhandlungen führten zu keiner Einigung. Zwar bot die Beklagte zunächst ausweislich des vorprozessualen Schreibens vom 21.07.2021 (Anlage K 3 zur Klageschrift) die Zahlung eines Betrages von 243.183,60 € zur Abgeltung des Rechtsstreits und zur Abgeltung sämtlicher der der Klägerin gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche an, jedoch teilten ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit E-Mail-Schreiben vom 03.08.2021 (Ausdruck Anlage K 6 zur Klageschrift) mit, dieses Angebot stehe unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Gemeinderats, der am 02.09.2021 beraten werde.
15Nachdem die Klägerin im Anschluss an diesen Termin keine Nachricht erreichte, macht sie nunmehr gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend, wobei sie mit ihrer Klageschrift zunächst - ausgehend von einer Gesamtvertragsmasse von 80.000 fm - unter Zugrundelegung der Berechnung gemäß Seite 6 der Klageschrift vom 27.10.2021 eine Schadensersatzforderung von 1.663.144,45 € brutto errechnet hat. Ausweislich des Inhalts der Klageerweiterungsschrift vom 13.06.2022 (Bl. 178 ff. d. A.) errechnet sie nunmehr aufgrund einer Berücksichtigung einer weiteren, bis dahin in ihre Berechnungen nicht einbezogenen Fehlmenge (Industrieholz) eine Schadensersatzforderung in Höhe von 2.296.039,65 € brutto.
16Dementsprechend beantragt die Klägerin,
17- 18
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von EUR 2.296.039,65 brutto zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2021 aus EUR 1.663.944,45 sowie aus EUR 632.095,20 seit dem 12.07.2022 zu zahlen,
202.
21die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 9.768,70 netto zzgl. Verzugszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2021 zu zahlen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie beruft sich zunächst auf Erfüllung. Sie meint, diese sei bereits bei einer geworbenen Menge von 45.000 fm eingetreten. Dies ergebe sich daraus, dass sie ausweislich der Ziffern 9 der Verträge zur Einschätzung berechtigt sei, es falle weniger Holz an, mit der Folge, dass sich die Vertragsmasse um 30.000 fm vermindere. Aus Ziffer 3.2 der Verträge ergebe sich, dass eine Mindermenge von maximal 10 % der vereinbarten Vertragsmenge vereinbart worden sei; werde diese von der verbleibenden Vertragsmasse von 50.000 fm abgezogen, verbleibe eine Vertragsmenge von 45.000 fm, die unter Einbeziehung des Vertrages über eine Menge von 3.000 fm von der Klägerin abgearbeitet worden sei. Dazu trägt die Beklagte vor, nachdem die Klägerin aufgrund des Erstvertrages 3.004,57 fm aufgearbeitet habe, habe sie aufgrund des UV 25 eine Menge von 35.704,46 fm Sägeholz und 463,95 fm Industrieholz aufgearbeitet, anschließend weitere 6.462,01 fm Industrieholz. Außerdem sei eine einverständliche Kürzung der Vertragsmenge auf eine Menge von 50.000 fm erfolgt. Die Beklagte meint, ein solches Einverständnis ergebe sich aus dem E-Mail-Schreiben der Klägerin vom 27.04.2021.
25Im Zusammenhang mit dem von ihr erhobenen Erfüllungseinwand trägt die Beklagte ergänzend vor, der von der Klägerin beauftragte Subunternehmer D habe am 15. / 16.04. 2021 das Revier verlassen und dabei geäußert, der Vertrag „sei voll“, wobei die Beklagte in diesem Zusammenhang weiter vorträgt, zu diesem Zeitpunkt seien sämtliche Beteiligte davon ausgegangen, dass nur eine Vertragsmasse von 50.000 fm fest vereinbart gewesen sei. Anschließend seien die Flächen, die Herrn D ausgewiesen worden seien, nicht mehr bearbeitet worden, bis die Klägerin sie mit Schreiben vom 27.04.2021 aufgefordert habe, ihr weiteres Holz zur Verfügung zu stellen.
26Im Übrigen habe sie lediglich die Pflicht getroffen, der Beklagten Flächen zur Verfügung zu stellen. Dieser Pflicht sei sie nachgekommen, indem sie unmittelbar zu Beginn der Vertragsbeziehung Flächen zur Holzaufarbeitung für die Klägerin ausgewiesen habe, die ausgereicht hätten, um während der Vertragslaufzeit 80.000 fm Holz zu werben. Weitergehende Pflichten hätten sie nicht getroffen, wie sie meint.
27Schließlich vertritt sie die Ansicht, selbst wenn eine Pflichtverletzung vorliege, habe sie diese nicht zu vertreten. Denn es sei Sache der Klägerin gewesen, den Stand der Aufarbeitung und damit den der geworbenen Menge zu kontrollieren. Am Verschulden fehle es auch deshalb - wie sie weiter ausführt -, weil sie aufgrund der ihrer Ansicht nach der Klägerin zuzurechnenden Äußerungen des Herrn D davon habe ausgehen dürfen, die Klägerin wolle keine weiteren Bezugsrechte mehr nutzen, sodass sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verpflichtet gewesen sei, für die Klägerin zusätzlich aufzuarbeitende Flächen bereitzuhalten. Zudem habe diese das ihr laut Vertrag zustehende Recht zur Holzwerbung nicht vollständig ausgenutzt.
28Jedenfalls treffe die Klägerin - wie die Beklagte weiter meint - ein erhebliches Mitverschulden an einem eingetretenen Schaden in Form entgangenen Gewinns, insbesondere deshalb, weil die Klägerin durch das Unterlassen weiterer Aufarbeitung von Holz während der Vertragslaufzeit selbst dazu beigetragen habe, dass sie nicht die gesamte von ihr beanspruchte Vertragsmasse erhalten habe.
29Abschließend wendet sich die Beklagte gegen die Schadensberechnung der Klägerin.
30Zur Ergänzung des Sach- und Streitstand Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
31Entscheidungsgründe:
32Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, sodass die Kammer Grundurteil gemäß § 304 Abs. 1 ZPO erlassen hat.
33I. Klageantrag zu 1.
34Der Klägerin steht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB zu.
351.
36Beklagte Partei ist ungeachtet der in der Klageschrift erfolgten Parteibezeichnung „Forstbetrieb der Stadt C“ allein die Stadt C.
37a)
38Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist entscheidend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BGHZ 4, 328, 334; BGH, NJW 1987, 1946 m. w. N.). Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, a. a. O. und NJW-RR 1995, 764 m. w .N.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (BGH, MDR 2008, 524 f.) Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG, a. a. O.; so auch schon OLG Hamm, NJW-RR 1991, 188).
39b)
40Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung, der die Kammer sich anschließt, für den Fall, dass auf Kläger- oder Beklagtenseite nach dem Wortlaut der in einer Klageschrift gewählten Parteibezeichnungen ein gemeindlicher Eigenbetrieb klagen bzw. verklagt werden soll, anerkannt, dass regelmäßig die rechts- und damit parteifähige Gemeinde Partei werden soll (BGH, WM 1981, 529; LG Köln, Urt. v. 30.08.2011 - 5 O 299/10 -, zitiert nach „juris“).
41So liegt der Fall auch hier: Die Klägerin hat schon auf Seite 2 der Klageschrift - dort unter Gliederungspunkt I. 2. - dargelegt, dass die Stadt C Beklagte sein soll. Schon im Wege der angezeigten (siehe die obigen Ausführungen) Auslegung zur sich hier stellenden Frage, welche Partei verklagt werden soll, folgt daraus, dass die Stadt C und nicht deren Eigenbetrieb Beklagte sein soll.
422.
43Die Beklagte hat jedenfalls ab dem 27.04.2021 ihre aus den unter der Bezeichnung UV 37 in Verbindung mit dem UV 25 geschlossenen Verträgen folgenden vertraglichen Pflichten verletzt, der Klägerin bis zum Zeitpunkt des Vertragsablaufes am 31.05. 2021 diejenigen Flächen, auf denen diese die vertraglich vereinbarte Tätigkeit der Selbstwerbung durchführen sollte, auszuweisen.
44a)
45Eine solche vertragliche Pflicht bestand zu Lasten der Beklagten. Das folgt schon aus ihren eigenen Ausführungen auf Seite 3 der Klageerwiderung vom 22.12.2021 (Bl. 69 der Akte). Hier führt die Beklagte selbst aus, dass der zuständige Revierleiter dem von der Klägerin beauftragten Herrn D jeweils im Vorfeld der von diesem im Auftrag der Klägerin durchzuführenden Holzarbeiten die zu bearbeitenden Flächen auswies. Daraus folgt, dass eine vertragliche Pflicht der Beklagten bestand, ihrer Vertragspartnerin, der Klägerin vor Durchführung der Arbeiten entsprechende Flächen auszuweisen.
46b)
47Diese vertragliche Pflicht hat die Beklagte jedenfalls spätestens ab dem 27.04.2021 verletzt.
48aa)
49Unstreitig - die Beklagte führt dies selbst auf Seite 5 der Klageerwiderung vom 22.12. 2021 (Bl. 171 der Akte) aus, das ergibt sich im Übrigen auch aus dem Inhalt des E-Mail-Schreibens der Klägerin vom 27.04.2021 - hat die Klägerin die Beklagte an diesem Tag aufgefordert, ihr weitere Flächen anzuweisen, auf denen weiteres Holz geworben werden konnte. Ebenfalls unstreitig - die Beklagte hat den entsprechenden Vortrag der Klägerin auf Seite 2 deren Schriftsatzes vom 21.02.2022 nicht bestritten mit der sich aus § 138 Abs. 3 Hs. 1 ZPO ergebenden Rechtsfolge, dass dieser Vortrag als zugestanden gilt - hat die Beklagte der Klägerin anschließend keine weiteren Flächen zugewiesen; vielmehr wurde am 29.04.2021 ein Telefonat geführt, bei dem keine Einigung zu den bereitzustellenden Festmetern und Qualitäten zur Erfüllung der geschlossenen Unternehmerverträge erzielt worden ist. Die Klägerin ihre vertraglich vereinbarte Pflicht zur Ausweisung von durch die Klägerin zu bearbeitenden Flächen verletzt.
50Eine Pflichtverletzung ist entgegen der nunmehr von der Beklagten im Rechtsstreit vertretenen Ansicht nicht deshalb zu verneinen, weil an diesem Tage die vertraglich vereinbarten Mengen von der Klägerin bereits geworben worden wären mit der sich daraus ergebenden Rechtsfolge, dass die Beklagte gemäß § 362 Abs. 1 BGB ihre vertraglichen Pflichten erfüllt hätte und nicht mehr verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin weitere Flächen zur Selbstwerbung zur Verfügung zu stellen.
51Denn die Beklagte führt auf Seite 7 der Klageerwiderungsschrift (Bl. 73 der Akte) selbst aus, durch die Klägerin seien vor dem Hintergrund der Verträge UV 25 i. V. m.
52UV 37 insgesamt 42.630,42 Festmeter (42.634,99 Festmeter minus 4,57 Festmeter aus einem anderen Vertrag) geworben worden. Daraus folgt, dass die vertraglich vereinbarte Menge von 30.000 Festmetern und 50.000 Festmetern = 80.000 Festmetern bei weitem noch nicht erreicht war.
53(1)
54Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus den zu Nrn. 9 der beiden Verträge vereinbarten Klauseln ergebe sich, dass sie berechtigt sei, die Vertragsmenge um 30.000 Festmeter zu mindern, kann die Kammer dieser Argumentation im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht folgen:
55(a)
56Die Beklagte war zum einen zur Verminderung der Vertragsmasse um bis zu 30.000 Festmeter nur im Hinblick auf die Vertragsmasse aus der Vereinbarung UV 25 berechtigt. Aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten, wie es auf Seite 7 der Klageerwiderungsschrift (Bl. 73 der Akte) zur Akte gereicht worden ist, ergibt sich aber, dass dieser Vertrag zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Zurverfügungstellung weiterer Flächen gemäß E-Mail-Schreiben der Klägerin vom 27.04.2021 bereits „abgearbeitet“ war, nachdem die Beklagte hier selbst darlegt, aufgrund dieses Vertrages seien von der Klägerin 35.704,46 Festmeter Sägeholz und 463,95 Festmeter Industrieholz aufgearbeitet worden. Damit hatte die Beklagte die aus diesem Vertrag folgenden Pflichten, 30.000 Festmeter Holz zur Verfügung stellen zu müssen, zu diesem Zeitpunkt erfüllt mit der weiteren Folge, dass sie nicht mehr berechtigt war, diese Vertragsmasse zu vermindern.
57(b)
58Zum anderen war die Beklagte nur berechtigt, die Vertragsmasse zu vermindern, wenn weniger Holz anfiel. Wie sich aus ihrem eigenen, soeben dargestellten Vorbringen ergibt, war diese tatsächliche Voraussetzung aber nicht gegeben, wie schon daraus folgt, dass die Klägerin mehr Holz geworben hatte als vertraglich vorgesehen. Zudem weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die Beklagte in der Klageerwiderung ausführt, es seien genügend Flächen vorhanden gewesen, um 80.000 Festmeter Holz aufzuarbeiten.
59(c)
60Letztlich liegen die Voraussetzungen aber auch deshalb nicht vor, weil die Beklagte nur berechtigt war, während der Vertragslaufzeit eine Entscheidung dahingehend zu treffen, dass sich die Vertragsmasse vermindere. Eine solche Erklärung der Beklagten ist während der Vertragslaufzeit aber nicht erfolgt. Die Beklagte trägt vielmehr selbst vor, dass am 29.04.2021 ein Verhandlungsgespräch stattgefunden habe.
61(2)
62Auch die Klausel in Nr. 3.2 der Verträge, laut der die Vertragspartner eine Mehr- oder Mindermenge von maximal 10 % der Vertragsmenge vereinbarten, ändert nichts daran, dass die Beklagte während der Vertragslaufzeit verpflichtet war, der Klägerin
63so lange Flächen anzuweisen, bis die vertraglich genannte Menge von 80.000 Festmeter zur Selbstwerbung erreicht war.
64(a)
65Zum einen fiel keine Mindermenge im Sinne dieser Klausel an, wie sich schon aus den Ausführungen unter I. 1. b) bb) (1) (a) dieses Urteils ergibt.
66(b)
67Zum anderen hatte die Beklagte - nachdem, wie soeben dargelegt worden ist, die zu ihren Lasten aus dem Vertrag UV 25 folgenden Pflichten gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen waren - die Pflichten aus dem Vertrag UV 37 zu erfüllen. Aus der Regelung in Nr. 9 dieses Vertrages ergibt sich aber, dass die Beklagte die Lieferung von 50.000 Festmetern Käferholz garantierte. Aufgrund der Garantieerklärung war sie nicht mehr berechtigt, von der Regelung in Nr. 3.2 Gebrauch zu machen, sodass diese Regelung nur Bedeutung für den Vertrag UV 25 hat. Das folgt aus der Bestimmung des § 305c Abs. 2 BGB, laut der Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders - hier somit zu Lasten der Beklagten - gehen. Bei den Klauselwerken handelt es sich - wie schon die Verwendung zweier im Wesentlichen gleichlautender Formulare folgt - um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, wobei diese Regelung - wie aus § 310 Abs. 1 S. 1 BGB folgt - auch im Rechtsverhältnis von Unternehmern zueinander Anwendung findet. Denn die Klausel, laut der 50.000 Festmeter Holz garantiert werden, steht mit derjenigen - die von der Kammer für sich genommen grundsätzlich als wirksam angesehen wird -, dass die Beklagte berechtigt sein solle, sich trotz einer Mindermenge von 10 % auf Erfüllung berufen zu können, in unlösbarem Widerspruch. Es handelt sich demnach um eine mehrdeutige Klausel, die einerseits dahingehend ausgelegt werden kann, 50.000 Festmeter seien garantiert - woraus folgt, dass diese Menge dann nicht unterschritten werden darf -, andererseits dahin, die Beklagte sei berechtigt, bereits bei Erreichen von 45.000 Festmeter die Zuweisung weiterer Flächen zu verweigern. Anerkanntermaßen gilt in einem solchen Fall der Grundsatz, dass die Klausel in der Auslegung Wirksamkeit entfaltet, die für den Kunden die günstigste ist, da angesichts des Umstandes, dass der Klauselverwender sich klar ausdrücken kann, eine kundenfreundliche Auslegung vorzunehmen ist (vergleiche zum Ganzen Palandt / Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 305c Rdnr. 18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
68bb)
69Durch dieses Verhalten, das sich als Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungspflichten darstellt (vgl. dazu Palandt / Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 280 Rdnr. 13 und § 281 Rdnr. 17, jeweils mit weiteren Nachweisen), hat die Beklagte gleichzeitig ihre nebenvertraglich bestehende Pflicht, den Vertragszweck nicht zu beeinträchtigen, und damit die Leistungstreuepflicht (vgl. dazu Grüneberg, a. a. O., § 280 Rdnr. 25) verletzt. Denn es war Vertragszweck, der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen, eine Menge von insgesamt 80.000 Festmetern Holz zu werben. Indem die Beklagte die Ansicht vertrat, sie habe ihre Pflichten bereits dadurch erfüllt, dass es der Klägerin bis Ende April 2021 ermöglicht worden war, eine Menge von ca. 45.000 Festmetern Holz zu werben, verweigerte sie konkludent die Anweisung von Flächen, die es der Klägerin ermöglichten, weitere Holzmengen zu werben, obwohl diese darauf einen vertraglichen Anspruch hatte, und beeinträchtigte damit erheblicher Art und Weise die Erreichung des Vertragszweckes (Werbung von 80.000 Festmetern Holz).
70cc)
71Diese Pflichtverletzungen der Beklagten entfallen auch nicht aufgrund eines Verzichts der Klägerin auf die Werbung weiterer Holzmengen. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten kann nämlich weder das Vorliegen einer „einverständlichen“, also zwischen den Parteien abgesprochenen Kürzung der Vertragsmenge noch der Ausspruch eines solchen Verzichts durch die Klägerin festgestellt werden. Die Beklagte bezieht sich zum Beleg für die Richtigkeit dieses Vortrags auf den Inhalt des E-Mail-Schreibens des Geschäftsführers der Klägerin vom 27.04.2021 (Bl. 134 der Akte), aus dem sich das genaue Gegenteil ergibt.
723.
73Diese Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft. Das ergibt sich schon aus der Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Vermutungswiderlegender Vortrag der Beklagten ist nicht zur Akte gelangt. Soweit die Beklagte ausführt, der von der Klägerin beauftragte Herr D habe geäußert, der Vertrag sei voll, ergibt sich daraus nichts anderes, weil diese Äußerung am 15. / 16.04.2021 erfolgt sein soll, während die Aufforderung der Klägerin gegenüber der Beklagten, ihr weitere Flächen Verfügung zu stellen, vom 27.04.2021 stammte und somit innerhalb der bis zum 31.05.2021 andauernden Vertragslaufzeit erfolgte. Rein ergänzend sei ausgeführt, dass Herr D als Erfüllungsgehilfe der Klägerin, nicht jedoch als deren rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Vertreter tätig wurde, so dass rechtlich bedeutsame Willenserklärungen des Herrn D - als solche will die Beklagte diese Erklärung werten - der Klägerin mangels Erteilung einer Vollmacht nicht gemäß § 164 Abs. 1 BGB zugerechnet werden können.
74Soweit die Beklagte auf den Seiten 10 und 11 der Klageerwiderungsschrift (Bl. 76 / 77 der Akte) umfassend ausführt, im Mai 2021 hätten keine eindeutigen Erkenntnisse über die bereits abgeholzten und die noch bereitzustellenden Holzmengen bestanden, wäre es ihre Aufgabe gewesen, entsprechende Feststellungen zu machen, bevor sie ihre vertraglichen Pflichten zur Bereitstellung weiterer Flächen verletzte; in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erfüllung trifft.
754.
76Die gemäß §§ 280 Abs. 2, 281 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur Leistung liegt im E-Mail-Schreiben der Klägerin vom 27.04.2021. Die Erfüllung der vertraglichen Pflicht, der Klägerin (weitere) Flächen zur vereinbarten Selbstwerbung zuzuweisen, war unproblematisch innerhalb der von der Klägerin gesetzten Frist von zwei Tagen möglich.
77Vor diesem Hintergrund sei rein ergänzend darauf hingewiesen, dass eine weitere Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB entbehrlich war, nachdem die Beklagte im Telefongespräch vom 29.04.2021 mit der Behauptung, sie habe ihre Leistungspflichten erfüllt, die Zuweisung weiterer, von der Klägerin zu bearbeitender Forstflächen ernsthaft und endgültig verweigert hat.
785.
79Rechtsfolge ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den dieser entstandenen Schaden, der ausweislich der Regelung gemäß § 252 BGB auch den entgangenen Gewinn umfasst, zu ersetzen.
80a)
81Die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens bedarf allerdings der Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dieser Umstand allein hindert aber den Erlass eines Grundurteils gemäß § 304 Abs. 1 ZPO nicht. Denn ein Grundurteil kann dann erlassen werden, wenn ein nach Grund und Betrag streitiger Anspruch dem Grunde nach feststeht und wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Anspruch (irgendeiner) Höhe nach besteht (vergleiche dazu Hunke, in: Baumbach / Lauterbach / Hartmann / Anders / Gehle ZPO, 79. Aufl., § 304 Rdnr. 5). Aus obigen Ausführungen folgt, dass die Klage dem Grunde nach berechtigt ist. Es besteht auch die erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Anspruchs in (irgendeiner) Höhe. Das ergibt sich schon aus dem Vortrag der Beklagten selbst (Seite 7 der Klageerwiderung, Bl. 73 der Akte), laut dem die Beklagte insgesamt (erst) 43.630,42 Festmeter Holz geworben hat, sodass an der vertraglich geschuldeten Menge von 80.000 Festmetern noch 37.369,58 Festmeter fehlen. Daraus folgt die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Gestalt entgangenen Gewinns. Das ergibt sich zum einen aus dem schlüssigen Vortrag der Klägerin. Zum anderen folgt das aber auch aus dem vorprozessualen Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 21.07.2021, wie es von der Klägerin als Anlage K 3 zur Klageschrift zur Akte gereicht worden ist. Denn hier berechnet die Beklagte selbst einen auf Seiten der Klägerin eingetretenen Schaden in sechsstelliger Höhe.
82b)
83Auch der Umstand, dass die Beklagte der Ansicht ist, die Klägerin treffe ein Mitverschulden am Schadenseintritt, ändert nichts am Vorliegen der Voraussetzung des § 304 Abs. 1 ZPO.
84Ein Mitverschulden der Klägerin am Eintritt des Schadens liegt nämlich nicht vor. Ein Mitverschulden folgt insbesondere nicht aus einem Verstoß der Klägerin gegen die Regelung in Nr. 7.1 der Verträge. Dabei kann dahinstehen, ob der Klägerin ihren aus dieser vertraglichen Regelung folgenden Obliegenheiten genügt hat. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hätte die Beklagte die Klägerin auffordern müssen, die Unterlagen vorzulegen, bevor sie die Zurverfügungstellung weiterer Flächen verweigerte. Zudem fehlt es an der Kausalität eines Verstoßes der Klägerin für die fehlende Zurverfügungstellung weiterer Flächen. Das folgt daraus, dass die Beklagte selbst nicht behauptet, die fehlende Zurverfügungstellung weiterer Flächen
85trotz des E-Mail-Schreibens der Klägerin vom 27.04.2021 sei auf die fehlende Vorlage von Unterlagen im Sinne der Regelung gemäß Nr. 7.1 des Vertrages gestützt worden.
86Deshalb ist es nicht erforderlich, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Klärung des Vorliegens eines Mitverschuldens dem Betragsverfahren vorzubehalten (vgl. zu dieser Möglichkeit Hunke, a. a. O., Rdnr. 10).
87II. Klageantrag zu 2.
88Auch mit diesem Antrag ist die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt, wie sich aus § 280 Abs. 1 BGB ergibt.
89Denn anerkanntermaßen erstreckt sich die aus einer Verletzung vertraglicher Pflichten im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB folgende Schadensersatzpflicht auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruches verursachten Kosten (Grüneberg, a. a. O., § 249 Rdnr. 56), wozu insbesondere die durch die vorprozessuale Einschaltung von Rechtsanwälten entstehenden Kosten gehören (Grüneberg, a. a. O., § 249 Rdnr. 57, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
90Auch insoweit ist die Klage zur Höhe nicht entscheidungsreif, da die Frage, in welcher Höhe die jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber der Klägerin berechtigt sind, davon abhängt, in welchem Umfang die Klage zum Antrag zu 1. Erfolg haben wird, und da diese Frage - wie soeben dargelegt worden ist - noch weiterer Aufklärung erfordert. Dementsprechend hat die Kammer auch insoweit gemäß § 304 Abs. 1 ZPO ein der Klage stattgebendes Grundurteil erlassen.
91III. Nebenentscheidungen
92Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten, eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.
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Referenzen
- BGB § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag 1x
- 5 O 299/10 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 304 Zwischenurteil über den Grund 4x
- BGB § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln 1x
- BGB § 252 Entgangener Gewinn 1x
- BGB § 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung 3x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 5x
- BGB § 310 Anwendungsbereich 1x
- BGB § 362 Erlöschen durch Leistung 2x
- BGB § 164 Wirkung der Erklärung des Vertreters 1x