Urteil vom Landgericht Bonn - 9 O 231/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagte leistet ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand
2Die Klägerin schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E Lebensversicherung-AG der E2, einen Versicherungsvertrag (sog. Ansparrente). Versicherungsbeginn war der 01.10.2004. Der Vertrag sah eine Aufschubzeit von 32 Jahren, eine Rentengarantiezeit von 13 Jahren und eine monatlich garantierte Rente in Höhe von 217,20 EUR vor.
3Während der Vertragsdauer zahlte die Klägerin Prämien in einer Gesamthöhe von 11.371,80 EUR. Mit Schreiben vom 24.07.2012 erklärte die Klägerin den Widerspruch des Versicherungsverhältnisses. Die Beklagte zahlte einen Rückkaufswert i.H.v. 6.194,81 EUR an die Klägerin aus.
4Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünde ein Anspruch i.H.d. Differenz der gezahlten Prämien und dem ausgekehrten Rückkaufswert zu, da zwischen den Parteien kein wirksamer Vertrag vorläge. Sie behauptet, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen seien vor Vertragsschluss nicht an sie übermittelt worden. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, der Vertrag sei ordnungsgemäß widerrufen worden. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei formal fehlerhaft, da die Angabe des Widerrufsadressaten fehlte und die Rechten und Pflichten des Versicherungsnehmers nach dem Widerspruch in der Widerrufsbelehrung nicht aufgeführt sein. Auch wegen des unklaren Verweises auf § 10a VAG sei von einer Unwirksamkeit auszugehen. Drüber hinaus sei das Policenmodell europarechtswidrig. Der Kläger ist außerdem der Ansicht, es läge die Verletzung einer vorvertraglichen Informations- und Beratungspflicht durch die Beklagte vor.
5Die Klägerin beantragt,
61. die Beklagte zu verurteilen, an sich 8.397,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.05.2013 zu zahlen,
72. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.038,98 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Hilfsweise beantragt die Klägerin,
9die Beklagte zu verurteilen, in prüfbarer und soweit für die Prüfung erforderlich belegter Form darüber Auskunft zu erteilen,
10a. wie der Rückkaufswert berechnet wurde einschließlich der Kapitalentwicklung der eingezahlten Beiträge bis zur Berechnung des Rückkaufwertes
11b. wie die angesammelten Überschussanteile berechnet wurden und für welche Zeit die Überschussanteile berechnet und mitgeteilt wurden
12c. wie die mitgeteilte freie Bewertungsreserve zustande kam und berechnet wurde.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte behauptet, ihre Rechtsvorgängerin habe dem Kläger entsprechend dem Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 31.01.2005 den insgesamt 28-seitigen Originalversicherung-Versicherungsschein vom gleichen Tage zugesandt, der neben der auf Seite 2 in Fettdruck gehaltenen Belehrung über das dem Kläger zustehende 30-tägige Widerspruchsrecht unter anderem auch die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Rentenversicherung und die Produktbedingungen für die aufgeschobene Rentenversicherung umfasste und dem Kläger spätestens am 3.2.2005 zuging. Sie nimmt Bezug auf die als Anlage B1 vorgelegten Versicherungsunterlagen.
16Entscheidungsgründe
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Rückerstattung und Verzinsung der geleisteten Beiträge. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Auskunftsanspruch.
191. Die Beiträge sind von der Beklagten nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erstatten. Sie sind durch den Kläger nicht ohne rechtlichen Grund, sondern in Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Beitragszahlung gezahlt worden. Der Versicherungsvertrag ist wirksam zustandegekommen und konnte nicht widerrufen werden.
20a) Der Versicherungsvertrag konnte geschlossen werden, ohne dass die erforderlichen Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung vorlagen (Policenmodell). § 5a Abs. 1 VVG a. F. , der für den Vertragsschluss als vor Inkrafttreten der Gesetzesänderungen zum 1. Januar 2008 abgeschlossenen Sachverhalt noch gilt, sah diese Art des Vertragsschlusses ausdrücklich vor, ist keiner anderen Auslegung zugänglich und verstieß nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Nach dieser Bestimmung trat eine vertragliche Bindung erst durch Nichtausübung des grundsätzlich zwei Wochen nach Überlassung der erforderlichen Unterlagen erlöschenden Widerspruchsrechtes ein. Damit war den Vorgaben von Art. 36 der konsolidierten Lebensversicherungsrichtlinie vom 5. November 2002 (2002/83/EG) entsprochen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. 1998, § 5a Rn. 8, siehe OLG Köln, Urteil vom 24. Februar 2012, 20 U 159/11). Art. 5 sowie Nr. 1 i) der Klauselrichtlinie vom 5. April 1993 (93/13/EG) sind bereits deshalb nicht einschlägig, weil sie Transparenz, Inhalt und Wirksamkeit einzelner Klauseln betreffen und nicht die Wirksamkeit des Vertragsschlusses selbst in Frage stellen (Art. 6 Abs. 1 der Klauselrichtlinie, § 306 Abs. 1 BGB).
21b) Der Vertrag ist auch nicht auf Grund des klägerseits erklärten Widerspruches nach § 5a VVG a. F. unwirksam. Der Widerspruch war bereits unwirksam, weil er nicht innerhalb der Widerspruchsfrist von 30 Tagen erklärt worden ist. Die Frist begann gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. mit Zugang des Versicherungsscheins und war daher zum Zeitpunkt des Widerspruchs bereits abgelaufen.
22(1) Der Kläger hat den Versicherungsschein zeitnah erhalten. Die dahingehende Behauptung der Beklagten gilt als zugestanden, weil die Klägerin sie in ihrer Replik vom 25.09.2012 (Bl.##) nicht substantiiert bestreitet. Die Klägerin trägt in ihrer Klageschrift lediglich vor, die Bedingungen nicht vor Vertragsschluss erhalten zu haben. Dies genügte nicht (§ 138 ZPO).
23(2) Durch den Zugang des Versicherungsscheins ist die Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 VVG a. F. in Gang gesetzt worden. Der Versicherungsschein enthält an verschiedenen Stellen alle nach § 10a VAG a. F. erforderlichen Informationen, insbesondere die Versicherungsbedingungen.
24Der Versicherungsschein enthält insbesondere eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Diese findet sich auf Seite 2 des Versicherungsscheins und wird drucktechnisch deutlich hervorgehoben. Die Belehrung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Eine darüberhinausgehende Konkretisierung kann vom Versicherer nicht verlangt werden (OLG Köln, Urt. v. 2.3.2012 – 20 U 187/11, vorgelegt als Anlage B 5). Insbesondere muss der Empfänger des Widerspruchs nicht angegeben werden. Dies ergibt sich aus § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. fordert auch keine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerspruchs. Auch die Angabe, dass der Widerspruch ohne Begründung eingelegt werden kann, ist nicht erforderlich (Vergleiche dazu OLG Köln, Urteil vom 2.3.2012 - Az. 20 U 187/11, vorgelegt als Anlage B 5). Der Verweis auf § 10a VAG war ordnungsgemäß; er führt nicht zu Unklarheiten (OLG Köln, Urt. v. 2.3.2012 – 20 U 187/11, vorgelegt als Anlage B 5). Die Klägerin ist damit über das Widerspruchsrecht sowie Beginn und Dauer der Widerspruchsfrist ausreichend belehrt worden.
25(3) Da somit die reguläre Widerspruchsfrist von 30 Tagen galt, kommt es auf die Bestimmung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F., derzufolge das Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, und deren Wirksamkeit vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben nicht an.
26c) Die Unwirksamkeit der Klauseln über die Berechnung des Rückkaufswertes unter Verrechnung von Abzugs- und Stornokosten führt nicht zur Nichtigkeit des Vertrages und damit zur Rechtsgrundlosigkeit der Beitragszahlungen insgesamt. Etwaige Lücken sind durch dispositives Recht (§ 306 Abs. 2 BGB) oder ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.
272. Der geltend gemachte Anspruch lässt sich nicht unter dem Gesichtspunkt eines Widerrufs nach §§ 499 Abs. 2, 355 BGB a. F. aus § 346 BGB herleiten.
28Bei etwaigen Ratenzahlungszuschlägen im Sinne einer insgesamt höheren Prämienlast bei monatlicher Beitragsfälligkeit als etwa bei vierteljährlicher oder jährlicher Beitragsfälligkeit handelt es sich in Ermangelung dispositiver Regelungen über die Fälligkeit von Folgeprämien nicht um einen Zahlungsaufschub im Sinne von § 499 BGB a. F. (vgl. OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 20. April 2011, 20 U 11/11).
293. Der Kläger kann die Beiträge nicht wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen als Schadensersatz zurückverlangen. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger über ihr etwa auf Grund des Vertragsschlusses zufließende Rückvergütungen zu informieren. Die Beklagte vermittelte keine Fondsbeteiligung, sondern "verkaufte" ihre eigene Versicherungspolice. Dass sie ein eigenes Interesse am Vertragsschluss hatte, lag auf der Hand. Die Rechtsprechung zu Anlageberatungsverträgen ist auf fondsgebundene Personenversicherungen nicht übertragbar (siehe OLG Köln, Urteil vom 24. Februar 2012, 20 U 159/11).
304. Die Forderung der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der mangelhaften Belehrung über das Widerspruchsrecht der Klägerin. Wie bereits dargelegt, ist die Widerrufsbelehrung der Klägerin ordnungsgemäß. Ein Schadensersatzanspruch besteht daher auch aus diesem Gesichtspunkt nicht.
315. Der Klägerin steht kein weiterer Rückkaufswert (§ 176 VVG a. F.) zu. Von einem den ausgezahlten Betrag übersteigenden Rückkaufswert ist nicht auszugehen. Das gilt unabhängig davon, ob die Versicherungsbedingungen zur Berechnung des Rückkaufswertes wirksam sind oder nicht. Bei eingezahlten Prämien im Wert von 11.371,80 EUR und einem ausgezahlten Rückkaufswert i.H.v. 6.194,81 EUR ist davon auszugehen, dass der ausgezahlte Betrag der Hälfte des ungezillmerten Fondguthabens entspricht.
326. Da der Klägerin der unter Ziffer 5 geprüfte Anspruch nicht zusteht, ist auch der als Hilfsantrag geltend gemachte Auskunftsanspruch unbegründet.
33II. Da der Kläger die Beiträge nicht zurückverlangen kann, steht ihr auch kein Anspruch auf Verzinsung oder Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu.
34Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
35Der Streitwert wird auf 8.397,33 EUR festgesetzt.
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Referenzen
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- BGB § 499 Kündigungsrecht des Darlehensgebers; Leistungsverweigerung 2x
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- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 306 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit 2x
- § 176 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 20 U 159/11 2x
- § 5a VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 5a Abs. 1 VVG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 812 Herausgabeanspruch 1x
- 20 U 11/11 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- 20 U 187/11 3x (nicht zugeordnet)
- § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen 1x
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