Urteil vom Landgericht Bonn - 9 O 343/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand
2Die Beklagte ließ sich im Dezember und Januar 2013 von Dr. F, einem bei einer Gesellschaft mit der Firma "J UG" beschäftigten Arzt, an fünf Terminen behandeln. Sie hatte zuvor einen Behandlungsvertrag unterschrieben, der unter anderem folgende Klauseln enthält:
3„1. Für die Höhe des Honorars wird in Abweichung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in der jeweils gültigen Fassung folgendes vereinbart: Der Patient zahlt die Gebührensätze des Gebührenverzeichnisses mit einem Steigerungsfaktor von 1,15 bis 3,5.
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53. Dem Patienten ist bekannt, dass ein Erstattung der Behandlungskosten durch Krankenkassen, andere Sozialleistungsträger oder private Krankenversicherungen möglicherweise nicht oder nicht in vollem Umfang erfolgt, und dass Erstattungsansprüche grundsätzlich auf die reguläre Vergütungshöhe der GOÄ begrenzt sind.
64. Für den Fall, dass keine Kostenübernahmeerklärung einer Krankenkasse oder eines anderen Sozialleistungsträgers oder einer privaten Krankenversicherung vorgelegt wird oder die vorgelegte Kostenübernahmeerklärung nicht die Kosten aller in Anspruch genommenen Leistungen abdeckt, ist der Patient/Vertragspartner ganz bzw. teilweise als Selbstzahler zur Zahlung des Entgeltes nach den jeweils geltenden Tarifen gemäß des ausliegenden und dem Patienten auch ausgehändigten Preisverzeichnisses verpflichtet. Tarifänderungen während des Behandlungszeitraums werden anerkannt. Wir stellen keine zusätzlichen Atteste, Bescheinigungen oder Anfragen von Krankenkassen aus.“
7Die Gesellschaft stellte der Beklagten für die Behandlungen insgesamt 5.287,18 € in Rechnung (Bl. ## - ## d. A.). Sie trat ihre Vergütungsansprüche auf der Grundlage einer Einverständniserklärung der Beklagten (Bl. ## d. A.) an die Klägerin ab. Die Beklagte verlangte von Dr. F die Überlassung aller Befund- und Verlaufsberichte und eine Beschreibung der therapeutischen Ansätze, Therapieverläufe und Prognosen zwecks Vorlage bei ihrem Krankenversicherer.
8Die Klägerin behauptet, die von ihr erbrachten Leistungen seien medizinisch notwendig gewesen. Sie meint, die Herausgabe von Befund- und Verlaufsberichten sowie eine Beschreibung der therapeutischen Ansätze sei vertraglich zwischen den Parteien des Behandlungsvertrages abbedungen gewesen.
9Die Klägerin beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, ihr
111) 1.388,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2013,
122) 933,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Januar 2013,
133) 600,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Januar 2013,
144) 1.580,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2013,
155) 783,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Februar 2013,
166) 10,00 € Mahnkosten
17zu zahlen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die Klage ist unbegründet.
23Die Klägerin legt die geltend gemachten Vergütungsansprüche nicht schlüssig dar.
24Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ stand der Zedentin nur für solche Leistungen eine Vergütung zu, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige Versorgung erforderlich waren. Der dahingehenden Rechtsbehauptung der Klägerin tritt die Beklagte, indem sie die Vermutung äußert, dass es sich bei den Behandlungen um Scharlatanerien handelt, sinngemäß entgegen. Vor diesem Hintergrund ist substantiiertes Vorbringen zur Notwendigkeit der Leistungen erforderlich. Daran fehlt es, denn die von der Klägerin in Bezug genommenen Rechnungen lassen nicht erkennen, warum welche Leistungen zur Behandlung welcher der vielfältig genannten Symptome erforderlich oder auch nur sinnvoll waren. Die Klägerin ist von substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit der Leistung maßgeblichen Tatsachen nicht dadurch entbunden, dass ihr selbst die Behandlungsunterlagen nicht vorliegen. Die Klägerin ist auf Grund der von der Beklagten erteilten Einwilligung berechtigt und im Rahmen ihrer prozessualen Obliegenheiten gehalten, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen. Diesen Anforderungen kommt sie nicht nach. Daneben spricht die Gestaltung des Behandlungsvertrags dafür, dass die Zedentin selbst genau wusste, dass von ihr erbrachte Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst nicht notwendig waren, sondern bestenfalls über das Maß einer medizinisch notwendigen Versorgung hinausgingen. Diesem Eindruck steht nicht entgegen, dass die insoweit von der Klägerin in Anspruch genommenen Vertragsklauseln, die auch darauf angelegt zu sein scheinen, eine Hinterfragung des „therapeutischen Ansatzes“ zu erschweren, einer AGB-Kontrolle nach §§ 305c Abs. 1, 307 BGB ohnehin nicht standhalten dürften. Soweit grundlegende Patientenrechte wie Informationspflichten, Aushändigung von Patientenunterlagen pp. (vgl. §§ 630 c ff. BGB) eingeschränkt oder abbedungen werden, gilt das Gleiche.
25Ein Anspruch aus § 1 Abs. 2 Satz 2 GOÄ ist ebenfalls nicht dargetan. Für eine über das medizinisch notwendige Maß hinausgehende Behandlung kann eine Vergütung nur verlangt werden, wenn der Patient sie nach entsprechender Aufklärung (siehe zu diesem Erfordernis OLG München, Beschluss vom 8. Februar 2012, 1 U 4547/11) verlangt hat. Das macht die Klägerin nicht geltend.
26Da die Klage schon mangels Darlegung der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung oder der Voraussetzungen für die Vergütungspflichtigkeit einer Übermaßbehandlung ohne Erfolg bleibt, bedarf es keiner Vertiefung, dass die erhöhten (3,5-fachen) Gebührensätze nicht nach § 5 Abs. 2 GOÄ begründet und die abweichende Vereinbarung im Behandlungsvertrag jedenfalls den Anforderungen des § 2 Abs. 2 GOÄ nicht genügt.
27In Ermangelung eines Vergütungsanspruchs sind auch die davon abhängigen Nebenforderungen unberechtigt.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Streitwert: 5.287,18 €
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Referenzen
- BGB § 307 Inhaltskontrolle 1x
- BGB § 630c Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BGB § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- 1 U 4547/11 1x (nicht zugeordnet)