Beschluss vom Landgericht Bonn - 8 S 70/15
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten einstimmig durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Erfolgsaussicht hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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I.
2Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten einstimmig durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Erfolgsaussicht hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
3Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
4Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 4.596,32 € stattgegeben mit der Begründung, es stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Kläger durch einen vorsätzlichen Faustschlag des Beklagten einen Kieferbruch sowie eine Verletzung seines Eckzahnes erlitten habe, wohingegen der Beklagte den Nachweis nicht erbracht habe, dass er in Notwehr gehandelt habe.
5Soweit der Beklagte mit der Berufung den Anspruch dem Grunde nach in Frage stellt (die Höhe des zugesprochenen Betrages greift er nicht an), dringt er damit nicht durch. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kammer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden ist, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269ff.).
6Umstände, die derartige Zweifel begründen würden, hat der Beklagte nicht dargelegt, und sind solche auch sonst nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat alle ihm zur Verfügung stehenden Beweise erhoben. Darüber hinaus entspricht die Beweiswürdigung des Amtsgerichts den Anforderungen, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Sie ist nachvollziehbar und plausibel. Die gegen die Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Berufung gehen fehl. Der Beklagte setzt vielmehr in unzulässiger Weise seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Amtsgerichts.
7Dies gilt zunächst für den Einwand des Klägers, es bestehe vorliegend eine ernsthafte Möglichkeit einer anderweitigen Verletzungsursache. Das Amtsgericht hat sich mit überzeugender und nicht ergänzungsbedürftiger Begründung damit auseinandergesetzt, weshalb es sowohl eine Verletzung des Klägers vor als auch nach der unstreitig stattgefundenen Auseinandersetzung zwischen den Parteien ausschließe. Soweit das Amtsgericht die Ursächlichkeit der Verletzung bereits im Tatbestand als unstreitig dargestellt hat, wäre dies gegebenenfalls im Rahmen einer Tatbestandsberichtigung zu berichtigen, führt jedoch angesichts der ausführlichen Begründung hierzu in den Entscheidungsgründen nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der amtsgerichtlichen Feststellungen.
8Soweit der Beklagte in der Berufung weiter anführt, das Amtsgericht habe sich nicht im Mindesten mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit das Verhalten des Beklagten durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei, verwundert dies angesichts der sich hierzu verhaltenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil, die sich auf über drei Seiten erstrecken. Darüber hinaus setzt der Beklagte auch zur Begründung eines Notwehrrechts in unzulässiger Weise seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht in seine Würdigung insbesondere den Umstand eingestellt hat, dass alle vernommenen Zeugen übereinstimmend bekundet haben, der erkennbar stark alkoholisierte Kläger habe den Beklagten "angegriffen", jedoch trotz dieses Umstands keine hinreichende Überzeugung davon gewonnen hat, dass das Verhalten des Beklagten durch Notwehr gerechtfertigt war. Dies hat das Amtsgericht nachvollziehbar und überzeugend damit begründet, dass es die Aussagen der Zeugen für nicht glaubhaft erachtet, und in Konsequenz dessen die vor den Faustschlägen des Beklagten behaupteten Schläge des Klägers verneint hat.
9Dies gilt zunächst für den vom Beklagten behaupteten ersten Schlag seitens des Klägers. Das Amtsgericht hat dabei in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass die Aussagen der Zeugen nicht zu begründende Lücken in entscheidungserheblichen Teilen sowie Diskrepanzen aufwiesen. Soweit der Beklagte insbesondere anführt, das Amtsgericht habe die Unglaubhaftigkeit der Aussagen zu Unrecht auch damit begründet, dass die Zeugen keine Provokationen bestätigt hätten, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass der Kläger selbst im Rahmen seiner mündlichen Anhörung nicht ausdrücklich von "Provokationen" gesprochen hat. Allerdings hat er im Ergebnis gerade eine solche Provokation geschildert. So hat er bekundet, dass derjenige, der ihm das Feuerzeug gegeben habe, "die ganze Zeit geschrien" habe, er solle ihm ein bereits zurückgegebenes Feuerzeug aushändigen. Dieses Geschehen - bezogen auf mehrere Feuerzeuge - hat auch der Beklagte im Rahmen seiner mündlichen Anhörung geschildert und explizit eingeräumt, dass es "gegenseitige Provokationen" gegeben habe. Wenn das Amtsgericht vor diesem Hintergrund den Umstand, dass die Zeugen diese vorangegangene lautstarke Diskussion sämtlich verharmlosend dargestellt haben, als Indiz für die Unglaubhaftigkeit deren Aussagen wertet, ist dies berufungsrechtlich in keiner Weise zu beanstanden.
10Auch soweit das Amtsgericht im Hinblick auf die unterschiedlichen Darstellungen des Beklagten und der Zeugen zu einem angeblichen Schlag des Klägers vor einem (zugunsten des Beklagten anzunehmenden) zweiten Faustschlag des Beklagten einen solchen als nicht erwiesen angesehen hat, ist dies berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr hat das Amtsgericht nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, weshalb es trotz der Aussagen der Zeugen auch insoweit von einem Schlag des Klägers nicht überzeugt ist. So divergieren die Aussagen der Zeugen zum Teil zu deren Aussagen im Ermittlungsverfahren, zudem beschreiben sie das Geschehen auch unterschiedlich und vage.
11Da demnach - soweit es tatsächlich überhaupt zu einem weiteren Faustschlag des Beklagten gekommen ist, nachdem der Kläger am Boden gelegen hat - nach den Feststellungen des Amtsgericht in beiden Fällen keine Notwehrlage bestand, konnte im weiteren auch dahinstehen, durch welchen der Schläge es zu der Verletzung des Klägers gekommen war, da sie in jedem Fall auf eine rechtswidrige Tat beruht. Soweit das Amtsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, dass selbst bei Rechtfertigung des ersten Schlages die Unerweislichkeit, welcher Schlag zur Verletzung des Klägers geführt hat, zu Lasten des Beklagten gehe, kann dem zwar nicht gefolgt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger darlegen und beweisen muss, dass er durch einen rechtswidrigen und schuldhaften Angriff verletzt worden ist. Diesen Nachweis kann er aber nicht erbringen, wenn sich der Beklagte bei einem der Schläge auf Notwehr berufen kann und auch bei diesem die Verletzung entstanden sein kann (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation OLG Celle, Urteil vom 29.03.1989, Az: 9 U 269/87, zitiert nach juris). Allerdings ist insoweit weiter zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht primär seine Entscheidung damit begründet hat, dass in beiden Fällen keine Notwehrlage bestand. Soweit es letztlich im Rahmen eines obiter dictum eine Notwehrlage beim ersten Schlag unterstellt hat, hat es im Weiteren zu Unrecht eine Rechtfertigung nach § 227 BGB angenommen. So hat es nämlich - insoweit zu Recht - ausgeführt, dass das Notwehrrecht des Beklagten selbst bei einem unterstellten Schlag im Hinblick auf die unstreitige erhebliche Alkoholisierung des Klägers zunächst auf eine defensive Verteidigung eingeschränkt gewesen sei. Damit aber ist im Ergebnis auch in dieser Konstellation der Faustschlag des Beklagten nicht von Notwehr gedeckt, sondern ist von einem Notwehrexzess auszugehen. Überschreitet aber der Angegriffene die Grenzen der erforderlichen Verteidigung, handelt er rechtswidrig, auch wenn er gemäß § 33 StGB straffrei ist (vgl. hierzu Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage, § 227 Rdnr. 10). Demnach ist auch in diesem Fall keiner der beiden Faustschläge des Beklagten gerechtfertigt gewesen, so dass tatsächlich dahinstehen kann, welcher der beiden Schläge zu der Verletzung geführt hat.
12Soweit der Beklagte schließlich moniert, das Amtsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit einem Mitverschulden des Klägers auseinandergesetzt, verkennt er, dass das Amtsgericht Schläge des Klägers gerade als nicht erwiesen angesehen hat. Etwaige "gegenseitigen Provokationen" im Vorfeld vermögen hingegen ein Mitverschulden des Klägers nicht zu begründen.
13II.
14Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweisbeschluss binnen drei Wochen ab Zugang Stellung zu nehmen (Eingang bei Gericht). Es wird vorsorglich auf die kostenrechtliche Privilegierung einer Berufungsrücknahme hingewiesen. Statt 4 Gerichtsgebühren fallen nur 2 Gebühren an (KV Nr. 1222 zum GKG).
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Referenzen
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- ZPO § 286 Freie Beweiswürdigung 1x
- V ZR 257/03 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 227 Notwehr 1x
- StGB § 33 Überschreitung der Notwehr 1x
- ZPO § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss 2x
- 9 U 269/87 1x (nicht zugeordnet)