Urteil vom Landgericht Bonn - 24 Ks - 930 Js 1152/14 K - 2/15
Tenor
Der Angeklagte ist des Totschlags schuldig.
Er wird deswegen zu der Freiheitsstrafe von
zwölf Jahren
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die den Nebenklägern darin entstandenen notwendigen Auslagen.
- § 212 StGB -
1
G r ü n d e
2(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
3A
4I.
5( Diverse Angaben zum Lebenslauf des Angeklagten)
6Weitere Angaben zum Lebenslauf des Angeklagten:
7In diesem Zeitraum - ####/#### - lernte der Angeklagte auch L3 (L2) N, das spätere Opfer in vorliegender Sache, kennen, als diese ####/#### als Pianistin an die Oper C kam. Über die gemeinsame Liebe zur Musik entstand eine Liebesbeziehung. Bereits #### lebten beide gemeinsam in einer Wohnung unter Beibehaltung der eigenen Wohnungen. Am ##.##.#### heiratete der Angeklagte L2 N. Die Mutter des Angeklagten freute sich sehr über diese Verbindung, versuchte aber auch jetzt noch, Einfluss zu nehmen. So wollte sie mit dem Angeklagten und seiner Frau eine Wohnung aussuchen, was von diesen aber kategorisch abgelehnt wurde. Der letzte Kontakt zur Mutter des Angeklagten erfolgte während der Schwangerschaft von L2 N. Der gemeinsame Sohn B (T3) kam als Wunschkind am ##.##.#### zur Welt. Die Mutter des Angeklagten verstarb bereits vier Monate nach der Geburt von B an einem Herzinfarkt, worüber der Angeklagte angesichts der bedrängenden Art der Mutter letztlich erleichtert war. Im Jahr #### zog die Familie in die an der L-Allee gelegene Wohnung in C, wo sie bis zum Zeitpunkt der Tat im Oktober 2014 lebte.
8Etwa im Jahr 2012/2013 begann der Angeklagte mit einer selbstverordneten „Klopftherapie“ zu orthopädischen Zwecken, da er nach dem Musizieren am Abend oder nach dem Üben mit dem Cello durch das an der Brust lehnende Instrument das Gefühl einer „Herzkolik“ verspürte. Um das Brustbein zu lockern, klopfte sich der Angeklagte mit einem selbsthergestellten „Klopfstab“ gegen das Brustbein und die Schultern. Der Klopfstab bestand aus einem ca. 35 cm langen Metallrohr mit einem Durchmesser von 34 mm, das ein Gewicht von ca. 1.160,00 g hatte. Das Rohr umwickelte er an einem Ende mit Schaumstoff und ummantelte es anschließend zur Fixierung des Schaumstoffes mit schwarzem Klebeband. Insgesamt fertigte der Angeklagte zwei „Klopfstäbe“. Einen deponierte er in der Wohnung, den anderen in einem Musikzimmer, das im Keller des Hauses eingerichtet war.
9Unfälle oder ernsthafte Erkrankungen, die Einfluss auf die Verantwortlichkeit hätten haben können, hat der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte nicht erlitten.
10Drogen konsumiert der Angeklagte - bis auf allenfalls einen gelegentlichen Joint - nicht.
11II.
121. Tatvorgeschehen
13Die Charaktere der Eheleute L/ N waren gegensätzlicher Natur. Der Angeklagte ist vom Wesen her ruhig, introvertiert, wenig direkt und mit einer Tendenz zur Melancholie, gleichzeitig aber auch bestimmend und kontrollierend. Seine Frau war vom Wesen her aktiv und lebensbejahend, direkt, extrovertiert, impulsiv und rasch aufbrausend, sie konnte mitunter auch schnell laut werden.
14Die Ehe verlief in den ersten Jahren harmonisch. L2 N sah in dem Angeklagten den „traurigen Russen“ mit einem tiefgründigen Seelenleben, während der Angeklagte von ihrer aktiven, direkten und humorvollen Art fasziniert war. Die Kommunikation des muttersprachlich russischsprachigen Angeklagten mit der C2in L2 N erfolgte auf Deutsch, da der Angeklagte kein Französisch und nur schlecht Englisch sprach und das Russisch von L2 N nicht gut genug war. Der Angeklagte sprach mit dem Sohn B Russisch, L2 N Französisch.
15Die anfänglich als anziehend empfundenen gegensätzlichen Persönlichkeitsakzentuierungen führten jedoch zunehmend zu Spannungen und einer emotionalen Entfremdung ohne gegenseitige Wertschätzung. So empfand der Angeklagte die ursprünglich geschätzte „Lebendigkeit“ seiner Frau mit der Zeit als „Nervosität“ und „Hyperaktivität“. Sie wurde ihm bald zu stark und laut. Problematisch wurde die Ehe, als der Sohn B etwa fünf Jahre alt war. Etwa ab dieser Zeit bestand zwischen den Eheleuten auch keine sexuelle Beziehung mehr. Der Angeklagte äußerte gegenüber seiner Frau zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt auch mit deutlichen Worten, er habe nichts dagegen, wenn sie sich einen Liebhaber nehme. Möglicherweise standen die zunehmenden Probleme in der Ehe mit der frühzeitigen Einschulung von B im Alter von fünf Jahren und der damit einhergehenden Änderung des Lebensstils in Zusammenhang.
16Insbesondere in der Auseinandersetzung um den richtigen Umgang mit dem gemeinsamen Sohn eskalierten auch die grundsätzlichen partnerschaftlichen Konflikte zunehmend. Beide Eheleute wollten über die Ausbildung und Erziehung von B, den sie sehr liebten, bestimmen und ihn auch fördern, wobei sie unterschiedliche Ansätze vertraten. L2 N, die die schulischen und außerschulischen Aktivitäten von B maßgeblich begleitete und unterstützte, war sehr bildungs- und leistungsorientiert. Der Angeklagte, der diese Förderung von B grundsätzlich billigte, war aber der Meinung, das Kind solle mit weniger Druck aufwachsen und auch Zeit zum Spielen mit anderen Kindern haben. In der Tat war die „Freizeit“ für B knapp bemessen. Bereits im Alter von sechs Jahren begann er, Tennis zu spielen, und schaffte es aufgrund seines Talents bis in die Bezirksliga. Dementsprechend steigerte sich ab Sommer 2013 sein Training; neben dem Training bei seinem Tennislehrer I traten das Bezirkstraining sowie Meden- und Verbandsspiele am Wochenende. Zuletzt hatte B sechs Trainingsstunden pro Woche, verteilt auf drei Trainingseinheiten; hinzu kamen noch drei bis vier Trainingsstunden beim Bezirkstraining. Ebenfalls etwa im Alter von sechs Jahren begann B mit Ballett. Auch hier zeigte er eine Begabung und wirkte auch bei Aufführungen mit, teilweise auch an solchen, bei denen auch beide Elternteile im Orchester mitwirkten. Ab Sommer 2014 trainierte er drei Tage die Woche á 90 Minuten. Nebenher wurde er von seinen Eltern auch an die Instrumente Cello und Klavier herangeführt. In der Grundschulzeit übte L2 N darüber hinaus mit dem Sohn die deutsche Grammatik über das von der Schule geforderte Maß hinaus, da sie der Meinung war, die Schule würde nicht genügend leisten. Zudem übte sie zumindest im Zeitraum des Wechsels zum G-Gymnasium mit ihm das Schreiben in französischer Sprache, damit er sich mit den Muttersprachlern treffen konnte. Während dieses Pensum in der Grundschulzeit von B noch dazu führte, dass er im Unterricht häufig erschöpft und unkonzentriert war – auch weil die Einschulung vorzeitig erfolgt war –, meisterte er im Sommer 2012 den Übergang zum Gymnasium, wo seine Mutter für ihn den bilingualen Zweig (Französisch) gewählt hatte, ohne Probleme; er war bis zu seinem Abgang im Herbst 2014 aufgrund des Wohnortwechsels ein sehr guter Schüler ohne Anzeichen einer Überforderung.
17In der Wahrnehmung des Angeklagten forderte seine Frau indes zu viel von B, er sah ihn - in Projektion seiner eigenen Empfindungen, wonach seine Partnerin zu schnell und mit einer zu hohen Taktfrequenz hektisch war und in ihrer fordernden Haltung Teile eines Bildes seiner Mutter verkörperte - übermüdet, überfordert und eingeengt. Insbesondere die Herangehensweise seiner Frau an die Hausaufgabenbetreuung widerstrebte dem Angeklagten, da sie hierbei gegenüber dem Sohn mitunter laut wurde. Aus Sicht des Angeklagten baute sie zu viel Druck gegenüber B auf, was den Angeklagten sehr belastete.
18Streitigkeiten gab es auch zunehmend über die Frage, wie die finanziellen Lasten der Familie zu tragen seien. Nachdem L2 N im Jahr 2002 die Stelle an der Oper gekündigt worden war, nahm sie zwar noch einzelne Engagements an, ging aber keiner festen Beschäftigung mehr nach. Die Familie lebte ab diesem Zeitpunkt größtenteils von dem Einkommen des Angeklagten in Höhe von zuletzt rund 3.600,00 € netto, was jedenfalls zum Schluss zu einer Anspannung der finanziellen Situation führte, u.a. weil für die Familienwohnung eine Mieterhöhung erwartet wurde. L2 N verfügte zwar ihrerseits über ein Vermögen, das sie von ihrem Vater bereits als Kind zur finanziellen Absicherung erhalten hatte und das sich im Zeitpunkt der Tat noch auf einen Betrag von rund 60.000,00 € bei der T4 Bank sowie von rund 100.000,00 USD in den V belief, das sie als Sicherheit für sich ansah. Hierüber kam es immer wieder zum Streit, da der Angeklagte wollte, dass sie Teile ihres Vermögens investiert bzw. Anschaffungen für ihn hiervon bezahlt. So wollte der Angeklagte im Jahr 2010, nachdem er eine Immobilie in N5 verkauft hatte, ein Fachwerkhaus in der Eifel kaufen, in das auch L2 N Geld aus ihrem Vermögen investieren sollte. Das lehnte diese jedoch ab. Im Sommer/Herbst 2014 war L2 N nicht mehr bereit, eine Rate für einen Cello-Kauf des Angeklagten in Höhe von 5.000,00 € zu zahlen, nachdem sie dem Angeklagten jedenfalls schon einmal 5.000,00 € im Jahr 2011 oder 2012 zur Ratenzahlung für ein Cello und auch noch im Februar 2014 5.000,00 € zum Ausgleich seines im Soll befindlichen Kontos gegeben hatte.
19Zu einer Kommunikation zur Klärung der ehelichen und familiären Probleme waren die Eheleute persönlichkeitsbedingt nicht in der Lage. Stattdessen kam es – auch öffentlich in kleinerem Kreis – zu gegenseitigen abwertenden Beleidigungen und Sticheleien. Diese führten dazu, dass sich teilweise Freunde und Bekannte distanzierten, da ihnen dieses Verhalten unangenehm war. Auch teilten sich beide Eheleute gegenüber Dritten mit, wobei dies seitens des Angeklagten teilweise unvermittelt und in abschätziger Form betreffend seine Frau erfolgte und er für ein offenes Gespräch über seine Eheprobleme nicht zugänglich war. Die von dem Angeklagten empfundene Belastung durch die Beziehungsprobleme führte dazu, dass er die Einnahme von Betablockern, mit der er begonnen hatte, um den Stress einer D-Reise des Orchestern im Jahr 2012 zu mildern, selbstverordnet fortsetzte, um sich zu beruhigen. Die Spannungen zwischen den Eheleuten waren gleichwohl so massiv, dass sie auch außenstehende Dritte, denen gegenüber sie nicht verbalisiert wurden, deutlich wahrnahmen. Sowohl dem Angeklagten als auch seiner Frau wurde verschiedentlich nahegelegt, sich zu trennen.
20Spätestens ab Mai 2011 entluden sich die Spannungen auch in körperlichen Übergriffen des Angeklagten gegenüber seiner Frau. Im Zeitraum bis zur Tat kam es mehrfach zu Gewalttätigkeiten seitens des Angeklagten, wobei es jedenfalls bei zwei Gelegenheiten zu Ohrfeigen und Schubsereien kam, bei weiteren Gelegenheiten zu Schlägen mit einem festen Hausschuh gegen den Kopf, die Schultern und den Leib sowie einem Würgen des Halses mit den Händen, das so heftig war, dass L2 N Panik bekam. Möglicherweise kam es auch zu einem Schlag mit der Faust. Auch goss der Angeklagte seiner Frau ein Glas kaltes Wasser über den Kopf. Zu welchem genauen Zeitpunkt welcher Übergriff erfolgte, konnte die Kammer nicht sicher feststellen. Bei einem Übergriff spätestens im Mai 2011 äußerte der Angeklagte gegenüber seiner Frau, beim nächsten Mal werde er sie umbringen. L2 N nahm diese Drohung ernst und fürchtete infolgedessen um ihr Leben, was sie auch einem langjährigen Freund, dem Zeugen N4, mitteilte.
21Gleichwohl kam eine Scheidung oder Trennung für beide Eheleute wegen des gemeinsamen Sohnes B lange Zeit nicht in Betracht, da beide der Ansicht waren, B brauche beide Elternteile und solle in einer „intakten“ Familie aufwachsen. Zudem befürchteten beide Eheleute, dass der jeweils andere Partner B im Falle einer Trennung mitnehmen könne und der Sohn so entzogen werde. L2 N fürchtete zudem, dass sie im Falle einer Trennung finanziell nicht klarkommen würde.
22Im Winter bzw. Frühjahr 2014 änderte sich die Einstellung des Angeklagten jedoch. Er gelangte nunmehr zu der Erkenntnis, die familiäre Situation, so wie sie war, nicht länger ertragen zu können und dass sich etwas ändern müsse. Mag er in diesem Zusammenhang eine Trennung auch mal erwogen haben, war diese für ihn gleichwohl immer noch keine Option, da ihm klar war, dass B im Falle einer Trennung bei seiner Mutter bleiben würde. Im Sommer 2014 fasste er den noch nicht näher konkretisierten Plan, seine Frau zu töten. Er fuhr nach E im Landkreis B2 und fertigte dort mittels Brechstange, Spitzhacke und Spaten auf einem nicht einsehbaren Erdwall eines bewaldeten Wiesenstücks nahe der dortigen Kläranlage einen ca. 50 bis 60 cm tiefen Aushub, der in seinen Abmessungen im Wesentlichen Platz für den Körper seiner Frau bot. Die Gegend war ihm vertraut, da er dort wegen der von ihm geschätzten Ruhe und Abgeschiedenheit des Öfteren spazieren oder auch angeln gegangen war, teilweise alleine, teilweise mit B, mit dem er dort auch gelegentlich gezeltet hatte, und manchmal auch mit der ganzen Familie. Die Grabwerkzeuge ließ er nach Ausheben der Grube dort zurück.
23Weitere Anspannung erfuhr die Ehe in dieser Zeit dadurch, dass sich die Eheleute, insbesondere der Angeklagte, im Sommer 2014 intensiv um eine schwerkranke ältere Dame gekümmert hatten, die am ##.##.2014 verstarb. Der Angeklagte war durch ihren Tod sehr betroffen und reagierte hierauf mit Rückzug in Form von langen Spaziergängen mit dem Familienhund. Dies bildete einen weiteren Streitpunkt zwischen den Eheleuten.
24Während noch im August 2014 für L2 N eine Trennung keine Option war, setzte spätestens Ende September 2014 auch bei ihr ein Umdenken ein. Zu diesem Sinneswandel mag geführt haben, dass der Sohn B mit zunehmendem Alter aus ihrer Sicht Verhaltensweisen des Vaters übernahm; so kam es im Laufe der Zeit auch zu einem Schlag des Sohnes in ihren Bauch. Sie war nunmehr bereit, den Angeklagten zu verlassen, allerdings nicht ohne B mitzunehmen. Auch wollte sie wieder mehr arbeiten. Sie schaute sich zu diesem Zweck Stellenausschreibungen an und zog hierbei auch Stellenangebote in C2 in Betracht.
25Auch an dem Angeklagten ging die sich zuspitzende Situation nicht unbemerkt vorüber. Er trat der Idee, seine Frau zu töten, gedanklich näher. Er fuhr deshalb etwa zwei Wochen vor der Tat noch einmal alleine zu dem Erdloch in E und vergewisserte sich, dass dieses noch vorhanden war; bei Verlassen des Ortes ließ er dieses unverändert zurück.
26Am Abend des ##.10.2014, dem Vorabend der Tat, besuchte L2 N in L4 eine Vorstellung, bei der auch N4 mitwirkte und von der sie am späten Abend zurückkehrte. Es kam noch zu einem kurzen Gespräch zwischen den Eheleuten. Möglicherweise plante der Angeklagte am Vormittag des nächsten Tages eine Aussprache mit seiner Frau, um die Situation zu klären, da in den letzten Wochen die Kommunikation weitgehend zum Erliegen gekommen war. Dessen ungeachtet schlief der Angeklagte in der kommenden Nacht gut.
272. Unmittelbares Tatvorgeschehen
28Am Morgen des ##.10.2014 stand L2 N, wie jeden Morgen, um 6.30 Uhr auf, um für B das Frühstück zuzubereiten. Der Angeklagte schlief zu diesem Zeitpunkt noch. Im Anschluss an das Frühstück brachte L2 N B mit dem Auto pünktlich zum Schulbeginn um 7.45 zum nahegelegenen G-Gymnasium. Anschließend rief sie um 7.49 Uhr ihre Freundin T2 an, um - wie sie es öfter machte - auf dem Rückweg auf einen Kaffee bei ihr vorbeizukommen. Frau T2 hatte jedoch keine Zeit, da sie Tennistraining hatte. L2 N kehrte daher in die gemeinsame Wohnung zurück, setzte sich im Wohnzimmer an den Laptop und rief diverse Tennisseiten im Internet auf. Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend, da er zwischenzeitlich mit dem Familienhund spazieren gegangen war. Währenddessen kam es zwischen 8.04 Uhr und 8.06 Uhr zu drei eingehenden und zwei abgehenden Kurzmitteilungen zum Anschluss des I, dem Tennislehrer von B. L2 N teilte ihm mit, dass sie etwas später als verabredet zur Übergabe der beim Training vergessenen Schuhe von B vorbeikomme. Im unmittelbaren Anschluss hieran schaute sie im Internet nach Immobilienangeboten, vorwiegend in C, zum Kauf und zur Miete.
29Als der Angeklagte kurz nach 8.00 Uhr von dem Spaziergang zurückkehrte, saß seine Frau vor dem Laptop. Sie gingen in die Küche und tranken gemeinsam einen Kaffee. Anschließend setzte sich L2 N erneut an den Laptop. Der Angeklagte ging hinter ihr vorbei und sah die typischen Fenster der Immobilienangebote im Internet am Laptop. Er verstand nicht sofort, wonach genau seine Frau schaute, da sie in der Vergangenheit schon seit längerer Zeit zum einen nach einer neuen, kostengünstigeren Wohnung für die Familie und zum anderen auch nach Immobilien, zum Teil in M, als Investitionsmöglichkeit gesucht hatte. Als der Angeklagte sie fragte, wonach sie schaue, antwortete sie - zum ersten Mal in dieser konkreten Form -, dass sie ausziehen und T3 mitnehmen wolle, für den Angeklagten sei kein Platz in der neuen Wohnung. Es kam zu einem Streitgespräch von ca. einer halben Stunde, in dessen Verlauf L2 N dem Angeklagten zu verstehen gab, dass sie ihn als Mann nicht akzeptiere und ihn auch nicht mehr sehen wolle. Zudem warf sie ihm vor, zu Prostituierten zu gehen und machte abwertende Äußerungen in Bezug auf seine Rolle als Vater. Weiterhin äußerte sie, dass der Angeklagte dann auch zahlen müsse.
30Möglicherweise versuchte der Angeklagte, dem Streit dadurch auszuweichen, dass er zwischenzeitlich in Bs Zimmer ging und sich dort auf das Bett legte. Möglicherweise folgte ihm seine Frau dorthin und redete weiter auf ihn ein.
313. Tatgeschehen
32Die Gedanken des Angeklagten überschlugen sich. Für ihn war nun erstmals klar, dass seine Frau unumkehrbar beabsichtigte, ihn zu verlassen und B mitzunehmen, und dass sie für eine andere Lösung nicht mehr zugänglich war. Eine Trennung bedeutete für ihn auch eine Trennung von B, der mit der Mutter gehen würde. Das entsprach absolut nicht seiner Vorstellung der Lösung des Problems. Er fühlte sich Stehen gelassen und entwertet, und zwar sowohl als Mann als auch als Vater. Auch sah er die finanziellen Folgen einer Trennung. All das hatte er mit seinen Überlegungen zur Lösung des Problems vermeiden wollen. Wenn schon die Familie nicht zu retten war, dann sollte seine Frau sterben. In diesem Fall blieb B bei ihm, alle Probleme mit L2 wären beseitigt und er wäre finanziell nicht belastet. Die vage Idee, die er bisher gehabt hatte, nämlich seine Frau zu töten, verfestigte sich daher jetzt zu dem Plan, dies in die Tat umzusetzen, und der Angeklagte fasste den Entschluss: L2 N sollte heute sterben.
33Zu diesem Zweck ging der Angeklagte in die Küche, holte den dort befindlichen Klopfstab seiner Klopftherapie und trat mit diesem in der Hand ins Wohnzimmer neben die Küchentür, die Wohnzimmer und Küche trennt. Seine Frau stand zu diesem Zeitpunkt etwa vier Meter entfernt an dem großen Tisch des Wohnzimmers neben der Tür, die vom Wohnzimmer in den Wohnungsflur führt; sie hatte bereits eine Jacke an und einen roten Schal in der Hand und wollte offenbar gehen. Sie sah ihren Mann kommen und fragte sinngemäß, was das solle. Der Angeklagte antwortete nicht. Er drang auf sie ein, und holte aus, um seiner Frau mit dem Klopfstab kraftvoll auf den Kopf zu schlagen. Er wollte sie durch einen oder mehrere Schläge bewusstlos schlagen, sie fesseln und in Verfolgung seiner Absicht, sie zu töten, sodann ersticken. Der Angeklagte traf mit dem ersten Schlag den oberen Hinterkopf seiner Frau, so dass dieser entgegen der Absicht des Angeklagten zu bluten anfing, was er auch wahrnahm und ihm klar werden ließ, wie brutal er gegen seine Frau vorging. Das hielt ihn aber nicht davon ab, seinen Plan weiter fortzusetzen. Er nahm vielmehr seine Frau dergestalt in den Schwitzkasten, dass sich ihr Gesicht an seiner Brust befand, und schlug in Wut mindestens weitere vier Male mit dem Klopfstab auf ihren Kopf ein, um sie bewusstlos zu schlagen. L2 N erlitt infolgedessen fünf Platzwunden der Kopfschwarte, blieb jedoch bei Bewusstsein. Sie hatte auf die Schläge zunächst mit einer Abwehrbewegung reagiert und mehrfach sinngemäß geschrien, was er da mache. Der Angeklagte wollte, dass seine Frau endlich still war, er wollte sie, die aus seiner Sicht immer schnell laut geworden war, nicht mehr hören. Er wollte aber auch verhindern, dass sie weiter um Hilfe schrie. Deshalb knebelte er sie mit dem roten Schal, den sie zuvor in den Händen gehalten hatte. Dann drückte er sie wortlos bäuchlings zu Boden und fesselte sie mit Klebeband, das auf dem Wohnzimmertisch lag, an Armen und Beinen. Um das Klebeband zu holen, musste er sie kurz loslassen. Währenddessen blieb L2 N – sei es, dass sie von den vorausgegangenen Schlägen benommen war, sei es aus Angst – bäuchlings liegen. Beim Fesseln wehrte sie sich aber, so dass der Angeklagte seine Knie auf ihren Rücken drücken musste, um sie auf dem Boden zu fixieren und die Fesselung abschließen zu können. Anschließend nahm er eine Plastiktüte, die ursprünglich dem Transport tiefgefrorener Produkte hatte dienen sollen und die mit abgeschnittenen Henkeln im Wohnzimmer - möglicherweise zum Sammeln alter Dokumente - stand, und zog sie seiner Frau über den Kopf. Die Öffnung der Tüte raffte er mit den Händen am Hals des Opfers zusammen, damit keine Luft mehr in die Tüte strömen konnte. Der Angeklagte beabsichtigte, seine Frau auf diese Weise zu ersticken. Immer noch auf ihrem Rücken kniend hielt er die Tüte etwa vier Minuten zu. Im Verlauf des Erstickungsvorgangs kotete und nässte L2 N ein, was der Angeklagte allerdings erst bei späterer Betrachtung ihrer Kleidung wahrnahm. Erst als das Oper aufhörte, zu atmen und sich zu bewegen, und die Körperspannung nachließ, war sich der Angeklagte sicher, dass seine Frau tot war, so dass er von ihr abließ.
34Bei Begehung der Tat war die Steuerungsfähigkeit des einsichtsfähigen Angeklagten weder aufgehoben noch erheblich eingeschränkt.
354. Tatnachgeschehen
36Nach der Tötung seiner Frau begann der Angeklagte als erstes, im Wohnzimmer Blutspuren, die von den Schlägen auf den Kopf des Opfers herrührten, zu beseitigen. Danach wickelte er den Leichnam seiner Frau in eine Decke ein und trug ihn durch das Treppenhaus in das im Keller gelegene Musikzimmer. Dort legte er den Leichnam auf eine Matratze. Im Anschluss ging er wieder nach oben in die Wohnung und reinigte das Wohnzimmer, wenn auch im Ergebnis nicht ausreichend, weil die Spurensicherung später noch Blutspuren feststellen sollte, zusätzlich mit einem Bodenwischer und einem Lappen, die er dann auf den Balkon stellte; das vom Blut rötlich gefärbte Wischwasser schüttete er in der Toilette aus. Nach der Reinigung des Wohnzimmers ging er nochmals in das Musikzimmer, um sich den Leichnam seiner Frau noch einmal anzuschauen, möglicherweise, weil er erstaunt war, dass er das, was er schon seit längerem überlegt hatte, wirklich in die Tat umgesetzt hatte. In der Nacht vom ##. auf den ##.10.2014 schaffte der Angeklagte die Leiche seiner Frau, die er noch weiter, einer Mumie gleich, verpackt hatte, zu dem Erdaushub bei E an der B3, legte sie in die Grube und schüttete diese zu. Die Werkzeuge beließ er in der Nähe dieses "Grabes".
37Schon zuvor hatte er Gegenstände, die mit der Tat zu tun hatten, wie etwa seine Kleidung, Kleidung des Opfers und das Stahlrohr, mit dem er zugeschlagen hatte, entsorgt. Handy und Portemonnaie von L2 N hatte er hinter einer Leiste bei seinem Spind in der Cer Oper versteckt. Dem Sohn, der nach der Mutter gefragt hatte, hatte er erklärt, diese sei nach C2 gefahren, um dort Einkäufe zu tätigen. Dies erzählte er auch Dritten, die nach seiner Frau fragten. Eine Vermisstenanzeige erstattete er aber erst am ##.10.2015, nachdem ihn sein Schwiegervater hierzu gedrängt hatte. In der Folgezeit kamen zunehmend Zweifel an der Schilderung des Angeklagten, seine Frau sei am Morgen des ##.10.2015 nach C2 gefahren, auf. Diese Zweifel verdichteten sich bei den Beamten, die in der Vermisstensache ermittelten, zu einem Verdacht gegen den Angeklagten, der - nach vorangegangenen Zeugenvernehmungen - am 05.11.2015 verantwortlich vernommen wurde. Nach anfänglichem Bestreiten und Aufrechterhalten seiner Erklärung, seine Frau sei nach C2 gefahren, gestand der Angeklagte im weiteren Verlauf der Vernehmung, seine Frau getötet zu haben. Er führte die Beamten zu der Stelle, an der er den Leichnam seiner Frau in die Erde gelegt hatte. Am folgenden Tag erging gegen den Angeklagten Haftbefehl, auf Grund dessen er sich seitdem in Untersuchungshaft befindet, zuletzt wegen Suizidgefahr im Justizvollzugskrankenhaus in G2.
38Der Sohn B wohnt seit der Festnahme des Angeklagten bei seinen Großeltern in M2, wo sich die Familie des Opfers um ihn kümmert.
39B
401.
41Der Angeklagte hat sich den getroffenen Feststellungen zufolge des Totschlags gemäß § 212 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
422.
43Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe liegen nicht vor. Insbesondere war der Angeklagte bei Begehung der Tat uneingeschränkt schuldfähig, da bei bestehender Einsichtsfähigkeit die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten weder aufgehoben noch erheblich vermindert war.
44Insoweit hat sich die Kammer des sachverständigen Rates des forensisch erfahrenen Psychiaters Dr. T bedient. Der Sachverständige, der sein Gutachten auf das Studium der Akten, auf die Erkenntnisse aus zwei Explorationsgesprächen mit dem Angeklagten und auf das Ergebnis der Hauptverhandlung gestützt hat, ist zu dem Schluss gelangt, dass de- oder gar exkulpierende Umstände im Sinne der §§ 20, 21 StGB bei dem Angeklagten zur Tatzeit nicht vorgelegen haben.
45Der biographischen Entwicklung des Angeklagten ließen sich keine Merkmale entnehmen, die auf eine krankhafte seelische Störung oder eine seelische Abartigkeit im Sinne des 1. und 4. Eingangsmerkmals des § 20 StGB hinweisen könnten. Die bei dem Angeklagten vorhandenen Persönlichkeitsakzentuierungen - Dysthymie im Sinne einer depressiven Persönlichkeit, einer Minderung der Konfliktfähigkeit sowie einer Tendenz zur passiven Aggressivität und zum Ausweichen - erfüllten nicht die Merkmale einer Persönlichkeitsstörung oder einer forensisch relevanten affektiven Störung, der auch nur im Ansatz ein Gewicht beizumessen wäre, dass einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig wäre. Da für den Tatzeitraum kein Konsum von Suchtmitteln geltend gemacht worden oder sonst ersichtlich sei, komme auch keine intoxikationsbedingte Minderung der Verantwortlichkeit in Betracht. Kriterien für die Annahme einer evidenten Minderung der kognitiven Funktionen im Sinne einer schweren Intelligenzminderung oder eines dementiellen Syndroms lägen erkennbar nicht vor, so dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von „Schwachsinn“ im Sinne des 3. Eingangsmerkmals des § 20 StGB beständen.
46Einzig ernsthaft zu erörtern war danach allein das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne einer Affekthandlung, welche jedoch im Ergebnis zu verneinen war. Zwar hat der Sachverständige hierzu ausgeführt, es könnten einige Teilkriterien die Annahme eines affektiven Durchbruchs stützen. So habe eine spezifische Tatvorgeschichte mit einer charakteristischen Täter-Opfer-Beziehung und chronischen Affektspannungen vorgelegen, wobei jedoch wesentliche Formen gefehlt hätten, da kein deutlicher Rückzug aus der Lebenssituation vorgelegen habe. Auch lägen in der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten Aspekte vor, die häufig bei späteren Affekttätern gefunden werden könnten, nämlich Stimmungslabilität, Neigung zur Gereiztheit, zeitweilige explosive Tendenzen, deutliche Gehemmtheit in Bezug auf eine Konfliktfähigkeit sowie ein übersteigertes Kontrollbedürfnis. Ein typischer Affektaufbau lasse sich gleichwohl nur für die initiale Anfangsphase der Tat darstellen. Der Angeklagte habe aus einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht heraus gehandelt, welches dann in ein Gefühl der Wut gewechselt habe.
47Dem gegenüber stünden allerdings gewichtige Umstände, die gegen eine im Sinne der §§ 20, 21 StGB relevante Bewusstseinsstörung sprächen. Zwar könne für die Anfangsphase ein das Gefühlsleben dominierender Zorn nicht ausgeschlossen werden. Eine Einengung der seelischen Abläufe und des Wahrnehmungsfeldes liege gleichwohl nicht vor, da der Angeklagte umstellungsfähig und in Tötungsabsicht über einen längeren Zeitraum hinweg konsequent gehandelt habe; die anfängliche Wut sei in das Handlungsmotiv „Töten“ eingemündet. Auch weitere Umstände sprächen gegen die Annahme eines relevanten affektiven Zustandes im Sinne einer Bewusstseinsstörung. So sei - bei einer spannungsreichen Vorgeschichte mit aggressiven Entladungen - von einem aggressiven Vorgestalten der Tat in der Fantasie auszugehen, welches in dem Ausheben eines „Grabes“ zu Tage trete. Hierin sei zugleich eine konkrete Vorbereitungshandlung der Tat zu sehen. Die Einlassung des Angeklagten, er habe die Grube an der B3 ausgehoben, um darin alles Böse in Bezug auf L2 zu begraben, erscheine nicht plausibel, da bei solchen von dem Sachverständigen als "magisch" bezeichneten Handlungsweisen typischerweise symbolisch Grenzen gesetzt würden, hier etwa durch ein Hineinwerfen von Bildern oder Briefen in die Grube. Zudem sei psychologisch ein Abschluss der Handlung zu erwarten gewesen, etwa durch anschließendes Zuschütten der Grube. Der Angeklagte habe insoweit auch nicht plausibel machen können, warum die von ihm ausgehobene Grube in ihrer Ausgestaltung einem Grab entsprochen habe. Darüber hinaus sei eher ein rundes, sehr tiefes Loch zu erwarten gewesen, damit das „beerdigte Böse“ ganz weit weg verschwinde. Gegen einen Affekt spreche vor allem aber der zielgerichtete Tatablauf, in dem der Angeklagte „Herr des Geschehens“ über einen längeren Zeitraum hinweg gewesen sei und die Abläufe mit einem hohen rationalen Anteil gesteuert habe. Typischerweise bestehe ein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zu einer äußeren Beherrschung der Situation (bei einem längerfristigen Tatablauf) und den inneren Möglichkeiten der Handlungssteuerung. Gegen die Annahme eines Affektes spreche auch die Tatsache des lang hingezogenen (Herbeiführung eines Erstickungstodes über ca. 4 Minuten) und komplexen Handlungsablaufs in Etappen (Schläge auf den Kopf, Fesselung, Erstickung). Bleibe eine Handlungsintention (Tötungsabsicht) über einen Wechsel von situativen Gegebenheiten längerfristig aufrechterhalten und/oder werde sie weiter verfolgt, so erfordere dies typischerweise Umstellungs- und Anpassungsleistungen, die mit der Annahme einer massiven Bewusstseinsstörung nur schwerlich in Einklang zu bringen seien. Gegen eine Bewusstseinsstörung spreche auch eine partiell erhaltene Introspektionsfähigkeit, die hier in den Gedanken des Angeklagten, die Stimme seiner Frau nicht mehr hören zu wollen sowie dem Erleben von Angstgefühlen bei dem Auftreten des Blutes zu sehen sei. Bei der abwägenden Gesamtbewertung der genannten Kriterien sei daher ein „rechtwinkliger“ Affektabbau mit einem charakteristischen Folgeverhalten in Form eines „Zurückrastens“ aus dem Affekt mit einer schweren Erschütterung, fassungslosem Staunen, einem Zusammenbrechen der psychischen Stabilität und manchmal sehr schnell auftretenden Suizidimpulsen nicht erkennbar. Auch liege ein für Affekttaten charakteristisches Folgeverhalten mit Maßnahmen zur Rückgängigmachung des Geschehenen entweder durch Hilfeleistungen oder durch das Herbeirufen von potenziell hilfreichen Personen nicht vor. Daher könne - auch unter Zugrundelegung der Angaben des Angeklagten - nicht von einer auch nur erheblich verminderten Verantwortlichkeit ausgegangen werden.
48Dieser Einschätzung des Sachverständigen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung uneingeschränkt an. Sie hat dabei die getroffenen Feststellungen zur Person und zur Tat sowie ihren Eindruck von dem Angeklagten in der Hauptverhandlung in den Blick genommen. Insbesondere der lang hingezogene, komplexe und mehraktige Tatablauf und das zielgerichtete Vorgehen zeigen mit Deutlichkeit, dass nach den Maßstäben der §§ 20, 21 StGB entlastende Umstände im Sinne eines hochgradigen Affekts nicht vorliegen. Der Tatablauf folgt erkennbar einem zuvor gedanklich vorweggenommenen Muster, von dem auch bei nicht vorhergesehenen „Komplikationen“ in Form eines unerwarteten Austretens von Blut nicht abgewichen wird; anderenfalls wäre eine Tötung durch weiteres Zuschlagen mit dem Klopfstab oder aber durch Erwürgen mit den Händen naheliegend gewesen. Auch wenn eine konkrete Vorbereitungshandlung für den Tattag in Form eines Bereitlegens von Klebeband und einer Plastiktüte nicht festgestellt werden kann, so zeigt sich jedoch die langfristige – wenn auch noch nicht näher konkretisierte – geistige Vorwegnahme der Tat in der bereits im Sommer ausgehobenen und tatzeitnah aktualisierten Grube in den Dimensionen eines Grabes.
493.
50Der mit der Anklage erhobene Vorwurf, der Angeklagte habe seine Frau L2 N ermordet (§ 211 StGB), konnte aus tatsächlichen Gründen nicht festgestellt werden.
51C
521.
53Der Strafzumessung liegen folgende Erwägungen zugrunde:
54Das Gesetz sieht für den Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB die Verhängung einer Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren vor. In besonders schweren Fällen ist gemäß § 212 Abs. 2 StGB auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. Im minder schweren Fall ist gemäß § 213 StGB ein Strafrahmen eröffnet, der Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht.
55Ein minder schwerer Fall des § 213 1. Alt. StGB ist nicht gegeben, da der Angeklagte nicht durch eine ihm zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung des Opfers zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Zwar machte L2 N abwertende Äußerungen in Bezug auf den Angeklagten als Mann und in der Rolle als Vater. Dabei handelte es sich um eine Provokation, nicht jedoch um eine schwere Beleidigung im Sinne von § 213 1. Alt. StGB.
56Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsgutes und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigungen und auch der auf die tatauslösenden Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGHSt 34, 37; BGHR StGB § 213 Alt 1 StGB Beleidigung 6). Daher genügen nur solche Provokationen den Anforderungen des § 213 Alternative 1 StGB, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind (BGHR a.a.O. Beleidigung 4, 5 und 6).
57Diesen notwendig strengen Anforderungen konnten die Äußerungen des Tatopfers nicht genügen. Derartige Auseinandersetzungen mit - auch gegenseitig - entwertenden Äußerungen gab es in der Ehe bereits seit vielen Jahren. Auch kannte der Angeklagte das Temperament und die Reaktionen seiner Frau bei Auseinandersetzungen, die auch in diesem Fall keine größere Beleidigung als in früheren Situationen darstellten.
58Darüber hinaus hatte der Angeklagte die Tötung seiner Frau bereits seit einigen Monaten in Betracht gezogen und war daher auch nicht durch eine entwertende Äußerung seiner Frau auf der Stelle zur Tat hingerissen. Vielmehr war es die von seiner Frau geäußerte Trennungsabsicht unter Mitnahme des Sohnes, die den noch fehlenden Anstoß für das bereits durchdachte Tötungsgeschehen setzte.
59Daher hatte eine Abwägung nach den üblichen Kriterien zu erfolgen, ob ein sonstiger minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 Alternative 2 StGB oder ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB vorlag.
60Für die Entscheidung, ob von einem minder schweren Fall auszugehen ist, war zu prüfen, ob das gesamte Tatbild, einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, dass die Annahme des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGH NStZ 1985, 546 ff.). Erforderlich hierfür ist eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände einzubeziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, und zwar gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände sind gegeneinander abzuwägen.
61Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Hierfür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind. Ob dies der Fall ist, kann unter Berücksichtigung der Gesamtheit der äußeren und inneren Seite der Tat beantwortet werden (BGH NStZ-RR 2004, 205-206, Rdnr. 6, zitiert nach juris).
62Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass
63- 64
der Angeklagte bereits frühzeitig in seiner ersten verantwortlichen Vernehmung ein von Reue getragenes Geständnis abgelegt hat, welches dadurch dokumentiert wird, dass er die vernehmenden Polizeibeamten zum Ablageort der Leiche geführt hat, und er dieses Geständnis in der Hauptverhandlung wiederholt hat,
- 65
er versucht hat, dem Streit durch Rückzug auszuweichen,
- 66
er durch die vorangegangene Auseinandersetzung aufgebracht war,
- 67
es sich bei der erlittenen Untersuchungshaft um die erste Freiheitsentziehung handelt, die naturgemäß beeindruckt.
Zu Lasten des Angeklagten war hingegen zu berücksichtigen, dass
69- 70
die Tat gedanklich schon lange vorweggenommen und durch das Ausheben des Grabes manifestiert war und der Gedanke tatzeitnah durch das Aufsuchen des Grabes aktualisiert wurde,
- 71
er mit Absicht im Sinne seines Planes zielgerichtet gehandelt hat,
- 72
die Tat mehraktig war und der Angeklagte sich hierbei über Komplikationen hinweggesetzt hat,
- 73
es sich bei einem Erstickungstod um einen für das Opfer qualvollen Tod handelt,
- 74
es sich nicht um einen schnellen Tod, sondern ein Geschehen handelte, in dem das Opfer längere Zeit Todesangst erleiden musste und den Tod kommen sah,
- 75
er selbstsüchtige Motive insoweit verfolgte, als durch die Tat – mag dies auch einen untergeordneten Beweggrund dargestellt haben – auch finanziellen Folgen einer Trennung begegnet werden sollte.
Die Abwägung der vorgenannten Umstände, bei denen die belastenden Momente in ihrem Gewicht deutlich überwiegen, führt dazu, dass ein sonstiger minder schwerer Fall des § 213 Alternative 2 StGB erkennbar nicht vorliegt. Andererseits liegt insbesondere unter Berücksichtigung des frühzeitigen, von Reue getragenen Geständnisses auch ein besonders schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB nicht vor.
77Es ist daher von dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB und damit einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
78Die im Rahmen der Strafrahmenwahl aufgezeigten für und gegen den Angeklagten sprechenden Faktoren hat die Kammer in Ansehung der getroffenen Feststellungen zur konkreten Strafzumessung nochmals in den Blick genommen und dabei insbesondere berücksichtigt, dass der Erstickungstod für das Opfer qualvoll war und es für längere Zeit bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit Todesangst ausgesetzt war. Diese in dieser Handlung zum Ausdruck kommende Gefühlslosigkeit war ebenso strafschärfend zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das rasche Schreiten zur Tat das Opfer - mag es angesichts früherer, auch massiver körperlicher Übergriffe bei streitigen Auseinandersetzungen auch nicht arglos gewesen sein - jedenfalls überrascht und dadurch seine Möglichkeit zu entkommen oder sich zur Wehr zu setzen, nachhaltig beeinträchtigt hat.
79Vor diesem Hintergrund erachtet die Kammer in dem Regelstrafrahmen des § 212 StGB eine Freiheitsstrafe von
80zwölf Jahren
81als tat- und schuldangemessen.
822.
83Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- StGB § 211 Mord 1x
- StGB § 212 Totschlag 9x
- StPO § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten 1x
- StGB § 21 Verminderte Schuldfähigkeit 3x
- StPO § 267 Urteilsgründe 1x
- StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen 5x
- StPO § 472 Notwendige Auslagen des Nebenklägers 1x
- StGB § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags 8x