Urteil vom Landgericht Dessau-Roßlau (2. Zivilkammer) - 2 O 748/12

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, zu Lasten des Flurstücks 10 der Flur... der Gemarkung B. die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zu bewilligen, wonach dem jeweiligen Eigentümer des Flurstücks 15/6 der Flur... der Gemarkung B. das Recht zusteht, den auf dem belasteten Grundstück (Flurstück 10) befindlichen, etwa 326 qm großen befestigten Weg (verlaufend wie aus dem als Anlagen zu diesem Urteil beigefügten Katasterblatt sowie der beigefügten Skizze ersichtlich) als Zugang und Zufahrt zu den auf dem Flurstück 15/6 errichteten Garagen (Verbindungsweg zur öffentlichen Straße) zu nutzen (Wege- und Überfahrtsrecht).

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 17.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf bis zu 15.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung einer Eintragungsbewilligung für eine Grunddienstbarkeit.

2

Sie erwarben am 07.09.2010 von der Beklagten das 1.258 qm große Flurstück 15/6 der Flur... der Gemarkung B. (A.straße 13), das links und rechts von bebauten Grundstücken eingegrenzt und im vorderen Bereich an der A.straße mit einem Wohnhaus bebaut ist. Der hintere Grundstücksbereich grenzt an das im Eigentum der Beklagten stehende Flurstück 10 der Flur... (N. Straße 8) an, das im vorderen Bereich an der N. Straße gleichfalls mit einem Wohnhaus bebaut ist. Auf dem Grundstück der Kläger sind an der Grenze zum Grundstück der Beklagten vor 1960 insgesamt sechs, derzeit zum Teil vermietete Garagen errichtet worden, deren Tore zum Grundstück der Beklagten weisen. Mindestens seit 1962 benutzen die Garagenmieter, darunter lange Zeit auch die Kläger als vormalige Bewohner des Grundstücks N. Straße 8 selbst, als Zufahrt einen trichterförmigen, etwa 326 qm großen Weg über das Grundstück der Beklagten.

3

Am 28.06.2011 übergab die Beklagte den Klägern die die Mietverhältnisse über die Garagen betreffenden Vertragsunterlagen und teilte mit, die Überfahrt über ihr Grundstück längstens bis zum 30.06.2012 zu dulden, verbunden mit der Aufforderung an die Kläger, rechtzeitig Vorsorge für eine anderweitige Erschließung des Garagenkomplexes zu treffen.

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Die Kläger meinen, der Anspruch auf Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit ergebe sich aus § 116 SachenRBerG.

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Die Kläger beantragen,

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wie erkannt.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie meint, der Anwendungsbereich des § 116 SachenRBerG sei nicht eröffnet, weil die Garagen seit ihrer Errichtung ausschließlich von den Eigentümern bzw. Bewohnern ihres Grundstücks N. Straße 8 genutzt worden seien, sodass von einer Nutzungseinheit auszugehen sei. Allein der Erwerb des Grundstücks durch die Kläger begründe keinen Anspruch auf Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit. Im Übrigen seien alle Beteiligten bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass die Garagen nicht auf dem veräußerten Grundstück belegen seien. Es liege damit ein versteckter Dissens vor. Die Mitnutzung des Grundstücks der Beklagten durch die Kläger sei nicht notwendig, weil deren Grundstück über eine Zuwegung zur A.straße verfüge, in der das Parken gestattet sei, ferner über einen Stellplatz.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist zulässig. Der Hauptsacheantrag hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt, obgleich das Grundbuchblatt, auf dem das dienende Grundstück der Beklagten verzeichnet ist, nicht angegeben ist. Gem. § 28 GBO ist in der Eintragungsbewilligung, die durch dieses Urteil ersetzt wird, entweder wie vom Kläger vorgenommen das Grundstück übereinstimmend mit dem Grundbuch oder aber durch Hinweis auf das Grundbuchblatt zu bezeichnen.

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Die Klage hat zugleich in der Sache Erfolg.

13

Die Kläger haben wirksam das Eigentum erworben. Die Auflassung ist nicht wegen eines versteckten Einigungsmangels unwirksam. § 155 BGB ist bereits deshalb unanwendbar, weil die auf die Übereignung des Grundstücks gerichteten Willenserklärungen sich auf ein und dasselbe Grundstück in seinem rechtlichen Bestand beziehen und damit in ihrem objektiven Bedeutungsgehalt übereinstimmen. Ob die fälschliche Annahme, der Grundstücksteil, auf dem die Garagen errichtet sind, gehöre nicht zum übereigneten Grundstück, die Beklagte gegebenenfalls zur Anfechtung gem. § 119 BGB berechtigt hätte, bedarf keiner Entscheidung, weil die Anfechtung nicht erklärt worden ist und im Übrigen die Anfechtungsfrist verstrichen ist.

14

Die Kläger haben gegen die Beklagte gem. § 116 Abs. 1 SachenRBerG einen Anspruch auf Erteilung einer Eintragungsbewilligung für eine Grunddienstbarkeit. Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet.

15

Die Kläger unterhalten auf dem Grundstück der Beklagten eine Anlage, wozu auch Wege und Zufahrten zählen (Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 116 Rn. 5).

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Die Nutzung ist vor Ablauf des 02.10.1990 begründet worden (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG). Dabei ist der Begriff der Nutzung nicht personenbezogen, sondern grundstücksbezogen in dem Sinne zu verstehen, dass das zu belastende Grundstück in dem bei Geltendmachung des Anspruchs abzusichernden Umfang dem herrschenden Grundstück gedient haben muss (BGH, NJW-RR 2006, 958 m.N.; OLG Brandenburg, ZOV 2011, 208). Dem Anspruch gem. § 116 Abs. 1 SachenRBerG steht deshalb nicht entgegen, dass die Beklagte bzw. ihr Rechtsvorgänger ursprünglich Eigentümer sowohl des herrschenden als auch des dienenden Grundstücks war und die tatsächliche Nutzung der Garagen auf dem herrschenden Grundstück durch die Bewohner des dienenden Grundstücks erfolgt ist. Dies ändert nichts daran, dass zur Nutzung der Garagen auf dem jetzt im Eigentum der Kläger stehenden Grundstück die Mitbenutzung eines anderen Grundstücks erforderlich war und tatsächlich auch erfolgt ist. Zwar ergibt sich aus der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des SachenRBerG, dass Intention der gesetzlichen Regelung in erster Linie die in der Praxis häufiger anzutreffende rechtliche Absicherung der Mitbenutzung fremder Grundstücke war (vgl. BT-Drs. 12/5992, S. 179). Die Bestellung einer Grunddienstbarkeit erfordert allerdings keine Personenverschiedenheit der Eigentümer von herrschendem und dienendem Grundstück, sondern kann auch erfolgen, wenn der Berechtigte zugleich Eigentümer des belasteten Grundstücks ist (BGH, NJW 1988, 2362 m.w.N.). § 116 SachenRBerG erfasst deshalb auch die Fälle der Identität der Eigentümeridentität, sofern die Mitbenutzung von der Rechtspraxis der DDR respektiert wurde, obwohl ihr keine rechtliche Vereinbarung zugrunde lag. Der Anspruch steht damit auch demjenigen zu, der ein Grundstück nach dem 02.10.1990 von dem seinerzeitigen Nutzer erworben hat (BGH, NJW-RR 2006, 958; OLG Brandenburg, aaO).

17

Die Nutzung des Grundstücks der Beklagten ist für die Erschließung des Grundstücks der Kläger erforderlich (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG), weil die Garagen bedingt durch ihre Bauweise nicht anders als über das Grundstück der Beklagten erreichbar und nutzbar sind und die Kläger im Übrigen den Garagenmietern zur Gewährleistung des vertragsgemäßen Gebrauchs verpflichtet sind.

18

Ein Mitbenutzungsrecht gem. §§ 321, 322 ZGB der DDR, das als dauerndes Recht gem. § 321 Abs. 1 Satz 3 ZGB der DDR eines schriftlichen Vertrages bedurft hätte, ist nicht begründet worden.

19

Ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 117 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG besteht nicht. Danach kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks die Bestellung der Dienstbarkeit unter anderem dann verweigern, wenn eine Verlegung der Ausübung möglich ist und keinen unverhältnismäßigen Einwand erfordert. Im Streitfall lässt sich dem vorgelegten Lageplan entnehmen, dass die rückwärtigen Fronten der Garagen an die fremden Flurstücke 15/5 und 15/3 angrenzen und daher ein Umbau der Tore dergestalt, dass diese nicht mehr zum Grundstück der Beklagten weisen, nicht in Betracht kommt. Vom Grundstück der Kläger aus sind die Garagen lediglich von einer Stirnseite des Garagenkomplexes zu erreichen, was eine Zufahrt zu sämtlichen Garagen ausschließt. Selbst wenn aber eine Zuwegungsmöglichkeit über das Grundstück der Kläger geschaffen werden könnte, wäre der mit dem Umbau der Garagen verbundene Aufwand unverhältnismäßig. Weitere Einredegründe hat die Beklagte nicht erheblich dargelegt. Insbesondere sind die Kläger sowie deren Mieter nicht auf die Nutzung des öffentlichen Straßenraums zum Abstellen der Fahrzeuge zu verweisen.

20

Ebenso wenig hat sie die Zustimmung von der Zahlung einer Rente gem. § 118 Abs. 1 SachenRBerG abhängig gemacht. Die Vorschrift regelt lediglich ein zur Zug-um-Zug-Verurteilung führendes Leistungsverweigerungsrecht und ist daher nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. auch Vossius, aaO, § 118 Rn. 2 ff.).

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die in der Entscheidungsformel vorgenommene Beschränkung, dass die Mitbenutzung nur zur Erreichbarkeit der Garagen erfolgen darf, hat lediglich klarstellende Bedeutung, entspricht jedoch dem Begehren der Kläger, wie es in der Klageschrift zum Ausdruck kommt. Hierin liegt deshalb kein Teilunterliegen.

22

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.

23

Der Streitwert richtet sich gem. § 7 ZPO nach dem Wert der Dienstbarkeit für das herrschende Grundstück, und wenn die Wertminderung für das dienende Grundstück durch die Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch größer ist, nach diesem Betrag. Diese ist ungekürzt anzusetzen (BGH, VIZ 2004, 134). Der Kläger hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass der Wert der dienenden und infolge der Belastung nicht mehr anderweit nutzbaren Grundstücksfläche von 326 qm mit mindestens 46,00 €/qm anzusetzen sei. Der sich hieraus ergebende Betrag übersteigt erkennbar den Wert der Dienstbarkeit für das Grundstück der Kläger, ohne dass es auf dessen genaue Berechnung ankommt.


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