Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 526/14
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kläger als Gesamtschuldner tragen die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 155.000,00 €.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger, Eheleute, begehren die Feststellung, dass der mit der Beklagten am 27.07./11.08.2011 geschlossene Immobiliardarlehensvertrag im Nennbetrag von 148.000,00 € (Anlage K1 = Bl. 8-11 d.A.) durch Widerruf vom 01.09.2014 (Anlage K2 = Bl. 12 f. d.A.) entfallen ist. Daneben nehmen sie die Beklagte auf Zahlung von Nutzungsentgelt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus im Zeitraum 30.08.2011 bis 30.09.2014 gezahlter Kreditraten in Höhe von monatlich 567,33 € in Anspruch.
3Die Ziff. 12-14 der Darlehensvertragsurkunde sind inhaltlich und optisch wie folgt gestaltet (Bl. 9a, 10 d.A.):
4Nunmehr folgt die Darlehnsvertragsurkunde mit den Punkten
512. Hinweis zur Abtretbarkeit der Darlehensforderung und zur
6Übertragbarkeit des Vertragsverhältnisses
7….
813. Einverständnis in die Datenübermittlung bei Abtretung der
9Darlehensforderung und/oder Übertragung des Kreditrisikos
10(im Falle von Nr. 12.1a)
11….
1214. Widerrufsinformation
13….
14Die Kläger sind der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspräche, weshalb der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei.
15Die Kläger beantragen:
16Es wird festgestellt, dass der Kreditvertrag Nr. ######## über den Nennbetrag von 148.000,00 € durch Widerruf vom 01.09.2014 entfallen ist.
17Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger Nutzungsentgelt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszins der EZB aus gezahlten Kreditraten in Höhe von allmonatlich 567,33 €, gezahlt am 30.08.2011, und aus an jedem weiteren Monatsletzten bis 30.09.2014 gezahlter 567,33 € zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie ist der Ansicht, dass der Widerruf der Kläger verfristet sei. Ferner hält die Beklagte das Widerrufsrecht für verwirkt und wendet überdies eine unzulässige Rechtsausübung bzw. Rechtsmissbrauch ein.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23I.
24Die Klage ist zulässig.
25Es handelt sich um eine Kombination aus negativer Feststellungsklage und – hinsichtlich des Nutzungsentgelts – Leistungsklage. Das mit dem Feststellungsantrag verfolgte Ziel der Kläger besteht darin, die mit dem Widerruf einhergehende Unwirksamkeit des Darlehensvertrages auszusprechen. Es handelt sich um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Es geht gerade nicht ausschließlich um die Wirksamkeit des Widerrufs oder eine sonstige Vorfrage.
26II.
27In der Sache hat die Klage dagegen keinen Erfolg.
28Der mit anwaltlichem Schreiben vom 01.09.2014 erklärte Widerruf der Kläger ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrages vom 27.07./11.08.2011 gerichteten Willenserklärungen ist nicht wirksam. Zum Zeitpunkt des Widerrufs war die 14-tägige Widerrufsfrist gemäß den §§ 495 Abs. 2, 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. längst verstrichen. Denn die Kläger sind von der Beklagten ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden.
291.
30Zwar kann sich die Beklagte nicht auf die sog. Gesetzlichkeitsfiktion berufen.
31Denn hier stimmt der Text der von der Beklagten verwendeten „Widerrufsinformation" (Nr. 14 der Vertragsurkunde) nicht in Gänze mit dem Text der bei Vertragsschluss (am 11.08.2011) gültigen Musterwiderrufsbelehrung (Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 u. § 12 Abs. 1 EGBGB i.d.F. vom 04.08.2011 bis zum 12.06.2014) überein.
32Grundsätzlich genügt eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen aus § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB a.F. i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F., sofern der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthält, die dem Muster in der Anlage 6 entspricht. Ausweislich der Gesetzesbegründung tritt die Fiktion aber nur ein, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt und wie für den betreffenden Vertrag vorgegeben verwendet. Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassungen oder Ergänzungen führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion (Begr. RegE, BR-Drucks. 17/1394, S. 22; vgl. auch MüKo-Schürnbrand, BGB, 6. Auflage 2012, § 492 Rdnr. 30 m.w.N.).
33Letzteres ist hier der Fall. Die Beklagte hat die Gestaltungshinweise [3] und [5] aus dem Muster jeweils als Klammerzusatz (bei [3] in Kursivdruck und bei [5] in Normalschrift) in ihre Widerrufsbelehrung übernommen. Bereits diese Abweichungen führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion (so auch LG Münster, Urt. v. 01.04.2014 – 14 O 206/13 – zit. nach juris, Rn. 58 f.).
342.
35Jedoch entspricht die verwendete Widerrufsinformation bei der sodann vorzunehmenden inhaltlichen und gestalterischen Prüfung auch außerhalb der Gesetzlichkeitsfiktion den Anforderungen, die der damalige Gesetzgeber an sie stellte.
36Die von der Beklagten in dem Darlehensvertrag verwendete Widerrufsbelehrung genügt in ihrer inhaltlichen und optischen Gestaltung den Anforderungen des § 355 Abs. 3 i.V.m. § 360 Abs. 1 BGB a.F. Die von den Klägern eingewandten Bedenken inhaltlicher und gestalterischer Art lassen die Belehrung nicht falsch erscheinen. Im Einzelnen:
37a) Inhalt
38Das Deutlichkeitsverbot ist in inhaltlicher Hinsicht nicht verletzt. Die aus der Musterbelehrung übernommenen Gestaltungshinweise [3] und [5] sind hinreichend von der Information an den Verbraucher abgesetzt und deutlich an den Ausfüller adressiert (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 27.10.2014 – 10 O #####/#### – zit. nach juris, Rn. 19; Schmidt-Kessel/Schäfer, WM 2013, 2241, 2248). Die Widerrufsinformation wird nicht dadurch fehlerhaft, dass die Beklagte (abstrakte) Gestaltungshinweise wörtlich in Klammern mit aufgenommen hat. Diese Zusätze sind jedenfalls nicht geeignet, entsprechend dem Schutzzweck des Verbraucherrechts den Verbraucher von der Ausübung seines gesetzlichen Widerrufsrechts abzuhalten. Diese bereits auf den ersten Blick als abstrakt erkennbaren Zusätze mögen überflüssig sein, machen die Belehrung allerdings nicht falsch. Es handelt sich insoweit um unschädliche Zusätze, die keinen eigenständigen Erklärungsgehalt aufweisen, von der Belehrung als solcher insoweit auch nicht ablenken können (vgl. LG Münster, a.a.O., Rn. 67).
39b) optische Gestaltung
40Die vorliegende Widerrufsinformation ist optisch derart gestaltet, dass sie dem Verbraucherdarlehensnehmer augenfällig wird und insoweit dazu beiträgt, dass dieser in die Lage versetzt wird, sein Widerrufsrecht zu erkennen und entsprechend den inhaltlichen Informationen auszuüben.
41Zwar ist das Widerrufsrecht im Verbraucherdarlehensvertrag jedenfalls im Hinblick auf die Einhaltung des optischen Deutlichkeitsgebots nicht direkt am strengen Maßstab des für die übrigen Verbraucherwiderrufsrechte geltenden § 360 Abs. 1 BGB a.F. und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu messen. Dafür spricht einerseits, dass der die genauen Anforderungen an die Widerrufsinformationen regelnde Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. nur im Zusammenhang mit dem Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion (S. 3) das Deutlichkeitsgebot überhaupt erwähnt. Andererseits ordnet § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB a.F. ausdrücklich an, dass an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben aus dem EGBGB treten; dem entspricht es auch, dass sich ausweislich § 495 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. kein direkter Verweis auf das in § 360 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. statuierte Deutlichkeitsgebot findet. Diese vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung beruht auf dem Umstand, dass die Widerrufsinformationen als Pflichtangabe beim Verbraucherdarlehensvertrag in den Vertragstext direkt integriert werden können und sich insoweit unauffälliger – zwischen den übrigen Klauseln – befinden können; die übrigen gesetzlichen Widerrufsrechte hingegen, für die das Deutlichkeitsgebot in § 360 Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar gilt, haben eine separate Belehrung über das Widerrufsrecht zu enthalten, die insoweit auch optisch gesondert hervorzuheben ist.
42Jedoch ist nach Auffassung der Kammer zumindest aus dem allgemeinen Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts abzuleiten, dass der Verbraucher auch beim Verbraucherdarlehensvertrag in der Lage sein muss, von der Existenz seines Widerrufsrechts Kenntnis zu erlangen. Dafür wird man fordern müssen, dass die Widerrufsinformationen auch optisch in einem gewissen Maß zumindest derart hervorgehoben sind, dass der Darlehensnehmer sie bei Durchsicht des Vertrages ohne Probleme erkennen kann.
43Den danach zu stellenden Anforderungen wird die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation – entgegen der Auffassung der Kläger – gerecht. Der Text enthält zahlreiche optische Hervorhebungen, die dem Verbraucherdarlehensnehmer sein Recht deutlich vor Augen führen und auch nicht wieder relativiert werden. Nach der zu § 360 Abs. 1 BGB a.F. ergangenen Rechtsprechung – unterstellt, deren Maßstäbe seien im Hinblick auf das Widerrufsrecht des Verbraucherdarlehensnehmers überhaupt direkt anzulegen – kann eine drucktechnisch deutliche Absetzung durch eine andere Drucktype, durch Fett- oder Farbdruck, durch Sperrschrift oder durch eine größere Schriftgröße erreicht werden; ebenso kann die Belehrung dadurch hervorgehoben werden, dass sie sich durch eine Umrahmung oder einen farblich abgesetzten Hintergrund vom Text abhebt (vgl. Staudinger-Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 360 Rn. 11 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).
44Die danach möglichen optischen Hervorhebungen finden sich in dem vorliegenden Text in mehrfacher Hinsicht. Die Widerrufsinformationen unter Ziff. 14 befinden sich in einem durch schwarze, dicke Striche eingerahmten Kasten. Die drei Überschriften („14 Widerrufsinformation“, „Widerrufsrecht“, „Widerrufsfolgen“) sind fett gedruckt, die Schrift des gesamten Textes insgesamt größer als der sonstige Vertragstext auf der vorigen Seite.
45Dass in derselben Hervorhebung innerhalb des Kastens sich auch weitere Hinweise (Ziff. 12 und 13) befinden, nimmt entgegen der Auffassung der Kläger der Gestaltung insgesamt nicht dadurch ihre optische Augenfälligkeit, dass die Hinweise wieder abgeschwächt würden. Es ist nicht zu besorgen, dass durch die gewählte Gestaltung der Widerruf aus Unkenntnis der Rechtslage unterbliebe. Das erkennende Gericht folgt insoweit nicht dem – in der Berufungsinstanz (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 24.04.2014 – 2 U 98/13 – zit. nach juris) abgeänderten – Urteil des Landgerichts Ulm (Urt. v. 17.07.2013 – 10 O 33/13 KfH – zit. nach juris, Rn. 75-80) bezüglich einer ähnlichen Gestaltung (wobei dort nicht, wie hier, die Nrn. 12-14 zusammenhängend eingerahmt waren, sondern sich die Nrn. 12 und 13 und sodann – unterbrochen durch die Überschrift „Widerruf“ – die Nr. 14 jeweils in einem gesonderten Rahmen befanden). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Verbraucher sein Widerrufsrecht dadurch nicht hinreichend deutlich würde. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich die gesamten wichtigen Hinweise am Ende der Vertragsurkunde befinden und allesamt im Vergleich zu anderen vertraglichen Informationen deutlich hervorgehoben sind, so dass sie dem Verbraucher ins Auge fallen müssen. Damit ist die Aufmerksamkeit des Lesers auf die gesamten im eingerahmten Feld befindlichen (wichtigen) Hinweise gelenkt (vgl. zum Ganzen: LG Münster, a.a.O., Rn. 71-77).
463.
47Da der von den Klägern am 01.09.2014 erklärte Widerruf nicht innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt ist, kam es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auf Fragen der Verwirkung und/oder des Rechtsmissbrauchs nicht an.
484.
49Der Leistungsantrag auf Zahlung eines Nutzungsentgelts ist, da er dem Schicksal des negativen Feststellungsantrags folgt, ebenfalls unbegründet.
50III.
51Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 u. Abs. 4 S. 1 ZPO. Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach dem insoweit maßgeblichen Nettokreditbetrag (vgl. Beschl. dieser Kammer v. 03.08.2015 – 3 O 136/15 – BeckRS 2015, 13511) festgesetzt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.
52T2
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