Urteil vom Landgericht Flensburg (3. Zivilkammer) - 3 O 18/19

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, der Veräußerung eines auf ihrem Grundstück bestellten Erbbaurechts zuzustimmen.

2

Unter dem 25.05.1961 bestellte die Beklagte als Eigentümerin des Grundstücks XXX ein Erbbaurecht zugunsten des Herrn A. F. . Der jährlich zu zahlende Erbbauzins wurde im Vertrag auf 54,75 DM festgelegt. Der Erbbauberechtigte sollte ausweislich § 2 des Vertrags im Wesentlichen dazu berechtigt, das Erbbaugelände mit einem Wohnhaus und einem Nebengebäude zu bebauen. Im Vertrag heißt es darüber hinaus auszugsweise:

3

§ 8
(1) Zu jeder Belastung des Erbbaurechts mit Hypotheken-, Grund- oder Rentenschulden oder Reallasten und zu Einer sonstigen Veränderung der Belastungen des Erbbaurechts bedarf der Erbbauberechtigte der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Grundstückseigentümers. Das Gleiche gilt für jede Veräußerung oder sonstige Übertragung des Erbbaurechts.
(2) Die Zustimmung soll nicht versagt werden, wenn anzunehmen ist, daß durch die Belastung oder Veräußerung der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet wird, die Persönlichkeit des Erwerbers Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung der sich aus dem Erbbaurechtsinhalt ergebenden Verpflichtungen bietet und die Belastung den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vereinbar ist.
(3) Der Erbbauberechtigte darf das Erbbaurecht nicht veräußern oder sonst übertragen, ohne daß der Erwerber in sämtliche Verpflichtungen dieses Vertrages eintritt.
[...]
(5) Jede Belastung oder Veräußerung des Erbbaurechts bedarf außerdem der schriftlichen Genehmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörde.
[...]

4

§ 10
(1) Der Grundstückseigentümer kann die Übertragung des Erbbaurechtes an sich oder an einen von ihnen zu bezeichnenden Dritten (Heimfall) verlangen, wenn
[...]
2. für den Grundstückseigentümer die Fortsetzung des Erbbaurechtsverhältnisses aus einem in der Person des Erbbauberechtigten liegenden Grund eine unbillige Härte bedeuten würde, (z. B. Kirchenaustritt oder kirchenfeindliches Verhalten des Erbbauberechtigten),
[...]

5

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags wird auf Anlage K 1 (Bl. 12 ff.) Bezug genommen.

6

Mit notariellem Vertrag vom 29.03.2018 verkaufte Herr E. F., der das Erbbaurecht seinerseits von dem ursprünglich berechtigten Herrn A. F. erworben hatte, zum Kaufpreis von 1.090.000,00 € an den Kläger. Wegen der Einzelheiten dieses Vertrags wird auf Anlage K 2 (Bl. 17 ff. d.A.) Bezug genommen.

7

Mit weiterem notariellem Vertrag vom 09.04.2018 vereinbarten der Kläger und die Beklagte eine Änderung des Erbbaurechtsvertrags. Nach dem Änderungsvertrag wird der Erbbaurechtsvertrag dahingehend angepasst, dass die Laufzeit bis zum 03.09.2096 verlängert wird und der Erbbauzins für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2027 jährlich 5.475,00 € beträgt bei zunächst anschließender zehnjährlicher Erhöhung um jeweils 5.475,00 €, bis zu einem jährlichen Erbbauzins von 21.900,00 € vom 01.01.2048 bis zum Ende der Laufzeit. Schließlich wird der Vertrag im Änderungsvertrag um einen fünften Absatz des § 6 ergänzt, wonach sich der jeweilige Erbbauberechtigte verpflichtet, das Erbbaurecht und das auf dem Grundstück stehende Gebäude als Erstwohnsitz für seine Familie zu nutzen.

8

Nachdem der Kläger vom Kirchengemeinderat der Beklagten angehört worden war, erteilte die Beklagte die Genehmigung des notariellen Kaufvertrags vom 29.03.2018 zwischen Herrn E. F. und dem Kläger.

9

Der Kläger wollte einen Teil des Kaufpreises und insbesondere aufzuwendende Sanierungskosten über ein Bankdarlehen finanzieren. Hierzu beabsichtigte er das Erbbaurecht mit einer Grundschuld in der Größenordnung von 1.000.000,00 € zu belasten. Später reduzierte er die in Aussicht genommene Belastung auf einen Betrag von 545.000,00 €. Die Beklagte war zur Belastung des Erbbaurechts mit einer Grundschuld nicht bereit und begründete das gegenüber dem Kläger mit Anwaltsschreiben vom 20.08.2018 (Anlage B 4, Bl. 104 ff. d.A.) im Wesentlichen damit, eine Grundschuld könne auf Grund der Sicherungsabrede jederzeit neu valutiert werden. Im gleichen Schreiben forderte die Beklagte den Kläger unter Verweis auf die Vertragsklauseln in Absätzen 1 und 2 des § 8 des Erbbauvertrags dazu auf, zu seiner Person und zur Vereinbarkeit der Belastung mit den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vorzutragen. Der erzielte Kaufpreis sei nicht zwingend identisch mit dem maßgeblichen Verkehrswert.

10

Auf Grund der vorgenannten Äußerung der Beklagten nahm der Kläger von seinem Vorhaben Abstand, seinen Altersruhesitz in … zu nehmen und leitete den Weiterverkauf des Erbbaurechts ein.

11

Mit notariellem Vertrag vom 03.10.2018 verkaufte der Kläger das streitgegenständliche Erbbaurecht zum Kaufpreis von 1.090.000,00 € an Frau P.. Die Parteien vereinbarten darin den Eintritt der Käuferin in die Verpflichtungen aus dem Erbbauvertrag und behielten sich ein Rücktrittsrecht für den Fall vor, dass ihnen nicht bis zum 10.12.2018 die schriftliche Bestätigung des Notars des Vorliegens der Voraussetzungen für die Auszahlung des Kaufpreises an den Verkäufer und den grundbuchlichen Vollzug vorliegen würden; die Parteien waren sich darüber im Klaren und vom Notar darauf hingewiesen worden, dass die Veräußerung des Erbbaurechts der Zustimmung der Beklagten bedurfte.

12

Am 08.11.2018 wurde die in Aussicht genommene Erwerberin des Erbbaurechts vom geschäftsführenden Ausschuss des Kirchengemeinderats der Beklagten angehört. Der Gesprächsinhalt ist zwischen den Parteien streitig. Der Ausschuss erteilte dem Kirchengemeinderat nach der Anhörung die Empfehlung, die Zustimmung nicht zu erteilen, da Frau P. kein Kirchenmitglied sei. Mit Schreiben vom 20.11.2018 (Anlage K 5, Bl. 60 f. d.A.) unterrichtete der Notar den Kläger und Frau P. darüber, dass die Beklagte die Zustimmung verweigere, eine Begründung sei ihm nicht bekannt. Mit Anwaltsschreiben vom 22.11.2018 und weiterem, vom Kläger selbst verfassten Schreiben vom 30.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte erneut zur Erklärung der Zustimmung auf. Die Beklagte ließ das mit Anwaltsschreiben vom 07.12.2018 zurückweisen. Sie hob darin unter anderem hervor, es sei unzutreffend, dass der Vorstellungstermin der Frau P. bei der Beklagten „erfolgreich verlaufen“ sei; ein ausdrücklicher Hinweis auf die fehlende Kirchenmitgliedschaft der in Aussicht genommenen Erwerberin erfolgte in diesem Anwaltsschreiben noch nicht.

13

Mit Faxschreiben vom 11.12.2018 erklärte die Käuferin den Rücktritt vom Kaufvertrag.

14

Der Kläger meint, die Beklagte sei zur Genehmigung des streitgegenständlichen Kaufvertrags verpflichtet gewesen. Die Klausel in § 8 Abs. 2 des Erbbauvertrags sei als vom Gesetz abweichende Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Die vorgenannte Heimfallklausel sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Kirchen könnten einen Heimfall möglicherweise mit kirchenfeindlichem Verhalten des Erbbauberechtigten, nicht aber mit der fehlenden Kirchenmitgliedschaft begründen. Das Fehlen der Kirchenmitgliedschaft von vornherein sei auch nicht mit demKirchenaustritt während der Vertragslaufzeit gleichzusetzen; die Klausel gelte dem Wortlaut nach nur für den Austritt. Schließlich habe sich die Beklagte durch die Verweigerung der Genehmigung treuwidrig verhalten. Hierzu behauptet der Kläger, was zwischen den Parteien auch unstreitig ist, die Beklagte habe bis zur Klageerwiderung im hiesigen Rechtsstreit nicht darauf hingewiesen, dass sie ihre Zustimmung wegen der Nichtmitgliedschaft der Käuferin verweigert hat. Das Vorstellungsgespräch der Käuferin bei der Beklagten sei viel mehr positiv verlaufen. Ihr sei signalisiert worden, die Zustimmung werde erteilt. Sie habe sich, was zwischen den Parteien unstreitig ist, sogar bereit erklärt, sollte die Beklagte darauf Wert legen, wieder in die Kirche einzutreten.

15

Der Kläger hat den ursprünglich angekündigten Antrag zu 3 hinsichtlich der Kanzleiadresse seiner Prozessbevollmächtigten angepasst. Mit dem in der Klageschrift noch nicht angekündigten Antrag zu 4 nimmt der Kläger eine teilweise Bezifferung der ihm seines Erachtens nach zustehenden Ansprüche vor.

16

Der Kläger beantragt nunmehr:

17

1. es wird festgestellt, dass die beklagte Kirchengemeinde verpflichtet gewesen ist, dem Erbbaurechtskaufvertrag vom 03.10.2018 zwischen dem Kläger und Frau P. (URNr. XXX/2018 des beurkundenden Notars K. mit Amtssitz in …) ihre Zustimmung als Eigentümerin des betroffenen Grundstückes zu erteilen und die Weigerung, dies zu tun, rechtswidrig gewesen ist.

18

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger alle aus der unberechtigten Verweigerung der Zustimmung und den nachfolgenden Rücktritt der Käuferin vom Kaufvertrag dem Kläger entstehenden Schäden zu ersetzen.

19

3. Die Beklagte wird verurteilt den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 7.778,91 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 01.12.2018 an die R. Rechtsanwaltsgesellschaft … freizuhalten.

20

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3659,17 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte meint, es habe keine Rechtspflicht bestanden, den Kaufvertrag zu genehmigen. Sie sei nur zur Genehmigung verpflichtet, wenn der Zweck des Erbbaurechts nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet werde. Eben das sei hier aber der Fall gewesen: die Beklagte sei über die Vertragsklausel in § 10 Absatz 1 Nr. 2 des Erbbauvertrags zur Geltendmachung des Heimfalls berechtigt, wenn der Erbbauberechtigte kein Kirchenmitglied sei. Insofern könne sie nicht verpflichtet sein, dem Kaufvertrag zuzustimmen, um sogleich anschließend den Heimfall geltend zu machen. Die vorgenannte Klausel sei - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht sittenwidrig.

24

Mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 05. und 07.11.2019 haben beide Prozessbevollmächtigten weiter vorgetragen. Wegen des Inhalts wird auf dieses Schrifsätze Bezug genommen (Bl. 154 ff. und 161 ff. d.A.).

25

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Die Klage ist unbegründet.

27

I. Der Antrag zu 2. war, obwohl darin ausdrücklich eine Verurteilung zu einer Zahlung beantragt wird, die betragsmäßig nicht bestimmt wird, als Feststellungsantrag auszulegen. Das insoweit ebenfalls lediglich eine Feststellung begehrt worden ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang mit dem Feststellungsantrag zu 1. und daraus, dass der Kläger mit dem in der Klageänderung enthaltenen Antrag zu 4. eine teilweise Bezifferung der ihm seines Erachtens entstandenen Schäden vorgenommen hat.

28

II. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinerlei Ansprüche auf Schadensersatzzahlung, Feststellung einer Verpflichtung zum Schadensersatz oder auf Feststellung, die Verweigerung der Genehmigung des Kaufvertrags sei rechtswidrig und die Beklagte zur Genehmigung des Kaufvertrags verpflichtet gewesen. Die Beklagte war nicht verpflichtet dem Verkauf und der Veräußerung des Erbbaurechts die Zustimmung zu erteilen.

29

1. Die Beklagte hat die Zustimmung zum Verkauf und zur Veräußerung des Erbbaurechts gemäß § 8 Abs. 2 des Erbbauvertrags berechtigterweise verweigert. Nach dieser Regelung soll besagte Zustimmung nicht verweigert werden, wenn unter anderem der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck nicht gefährdet ist. Eine solche Gefährdung des Zwecks liegt hier jedoch einerseits vor, andererseits kann die Beklagte nach Treu und Glauben nicht zur Gewährung von Vermögensvorteilen verpflichtet sein, deren alsbaldige Rückgewähr sie verlangen könnte.

30

a) Bei der Bestimmung des mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgten Zwecks ist auch die Heimfallklausel in § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Erbbauvertrags einzubeziehen. Nach dieser Klausel kann der Heimfall verlangt werden, wenn die Fortsetzung des Erbbaurechtsverhältnisses aus einem in der Person des Erbbauberechtigten liegenden Grund eine unbillige Härte bedeuten würde, etwa weil ein Kirchenaustritt erfolgt, oder sich der Erbbauberechtigte kirchenfeindlich verhält. Der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte und aus dem Erbbauvertrag zu entnehmende Zweck erschöpft sich nicht in der Bestimmung des Bauwerks, sondern beinhaltet den gesamten mit dem Erbbaurecht verfolgten Zweck (Maaß, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB, § 7 ErbbauRG Rn. 5 [Stand: 01.08.2019]). Aus der genannten Vertragsklausel wird deutlich, dass die Beklagte das in ihrem Eigentum stehende Grundstück solchen Personen zur Verfügung stellen möchte, die sich nicht aktiv gegen die Kirche wenden („kirchenfeindliches Verhalten“) und sich ihr verbunden fühlen und dies durch eine Kirchenmitgliedschaft zum Ausdruck bringen. Dass in der Klausel wörtlich nur vorausgesetzt wird, es solle kein Kirchenaustritt erfolgen, bedeutet - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht, dass die Regelung so ausgelegt werden könne, dass die Beklagte jedenfalls zur Überlassung an Erwerber verpflichtet sein will, die bereits bei Erwerb des Erbbaurechts keine Kirchenmitglieder mehr sind. Folge des Kirchenaustritts ist lediglich, dass die Kirchenmitgliedschaft endet. Eine ansonsten gleichsam aktive Betätigung gegen die Kirche wird hierbei nicht vorausgesetzt. Die Regelung kann danach nur so ausgelegt werden, dass eine Kirchenmitgliedschaft des Erbbauberechtigten zu Beginn der Ausübung des Erbbaurechts vorausgesetzt wird und jene über die Dauer der Ausübung beibehalten wird.

31

b) Zusätzlich kann sich die Beklagte, wie erfolgt, darauf berufen, sie könne nicht dazu verpflichtet sein, einem Erwerb die Zustimmung zu erteilen, wenn sie unmittelbar danach berechtigt wäre, die gewährten Vermögensvorteile zurückzufordern. Es ist Ausprägung des § 242 BGB, dass bei einer Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr gewährter Leistungen schon keine Pflicht zur Gewährung besteht (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage, 2017 § 242 Rn. 52).

32

c) Nach vorstehend ausgeführten Maßstäben war die Beklagte nicht verpflichtet dem Erwerb durch Frau P. die Zustimmung zu erteilen. Die in Aussicht genommene Erwerberin ist aus der Kirche ausgetreten.

33

d) Ohne Belang ist, dass die in Aussicht genommene Erwerberin getauft ist. Der Kläger kann nicht einwenden, nach evangelischem Verständnis sei ein Kirchenaustritt gar nicht möglich, könne also auch nicht mit negativen Folgen für Vertragspartner der Kirche verbunden sein. Ein Kirchenaustritt habe nach dem Verständnis der Beklagten lediglich steuerrechtliche Folgen, die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft sei hingegen unwiderruflich.

34

Gemäß § 10 Nr. 3 des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes der EKD endet die Kirchenmitgliedschaft mit dem Wirksamwerden, der nach staatlichem Recht zulässigen Austrittserklärung. In den Leitlinien kirchlichen Lebens der VELKD (abrufbar unter www.velkd.de) heißt es hierzu auszugsweise (siehe dort S. 96):

35

„Der Kirchenaustritt ist gesetzlich durch die Bundesländer geregelt. Damit gewährleistet der Staat, dass keiner gegen seinen Willen von einer Kirche als Mitglied in Anspruch genommen wird. Die Kirche respektiert den Austrittswillen, hält aber daran fest, dass die Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann. Deshalb wird sie im Falle der Wiederaufnahme auch nicht wiederholt. Weil der Austritt die Mitgliedschaft beendet, erlischt der Anspruch auf kirchliche Dienste und auf Mitwirkungs- und Anstellungsrechte in der Kirche, die an die kirchliche Zugehörigkeit gebunden sind (z.B. das Patenamt). [...]“

36

Dieses Verständnis von der Kirchenmitgliedschaft vorausgesetzt bedeutet, dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Erbbauvertrags enthaltene Klausel gerade nur auf den Kirchenaustritt als staatlichen Behörden gegenüber vorzunehmenden Akt abstellen kann.

37

e) Eine Zustimmungspflicht der Beklagten wird auch nicht dadurch begründet, dass die Beklagte dem Erwerb durch den Kläger seinerseits die Zustimmung erteilt hat und der Kläger ebenfalls aus der Kirche ausgetreten ist. Zwar ist bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung oder Gefährdung des mit der Bestellung des Erbbaurechts verbundenen Zwecks gegeben ist, auch zu berücksichtigen, wenn der Eigentümer bislang gleichartige Zweckentfremdungen geduldet hat, weil das ein Indiz dafür ist, dass der Zweck für ihn unwesentlich ist (Maaß, in: BeckOK BGB, aaO., § 7 ErbbauRG Rn. 6 [Stand: 01.08.2019]). Die Beklagte hat hier jedoch keine Zweckentfremdungen geduldet. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der hier erwähnte Umstand, der Kläger sei bereits vor Beginn der Vertragsverhandlungen mit der Beklagten aus der Kirche ausgetreten gewesen, der Beklagten erst im Verhandlungstermin durch entsprechende Äußerung des Klägervertreters bekannt geworden ist und der Kläger dies in der Vergangenheit anders dargestellt hatte.

38

f) Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Genehmigung des Kaufvertrags zu erteilen, weil die Käuferin die Bereitschaft zum Wiedereintritt in die Kirche erklärt hat. Es steht der Beklagten frei, den Verkauf nur an solche Personen zu genehmigen, die im Zeitpunkt des Erwerbs Kirchenmitglied sind. Sie muss sich nicht auf unverbindliche Zusagen der potentiellen Erwerber verlassen.

39

2. Die Heimfallklausel war bei der Ermittlung des mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgten Zwecks einzubeziehen.

40

a) Bei der Frage der die Sittenwidrigkeit gegebenenfalls begründenden Zweckbestimmung ist allein auf die Parteien des Erbbauvertrags abzustellen. Hierbei kann nicht auf die Diskussion zur Zulässigkeit der Heimfallgründe zurückgegriffen werden. Grundrechte Dritter, die das Erbbaurecht erwerben möchten, sind mangels Einbeziehung in den Vertrag nicht zu berücksichtigen. Die Verpflichtung über das Erbbaurecht nur eingeschränkt zu verfügen, übernimmt ein Erbbauberechtigter bei Erwerb freiwillig. Eine Kirchengemeinde als Grundstückseigentümerin kann daher bei entsprechender Zweckbestimmungsvereinbarung im Erbbauvertrag die Zustimmung zur Veräußerung etwa an einen Nicht-Christen als neuen Erbbauberechtigten verweigern (Winkler/Schlögel, in: von Oefele/Winkler/Schlegel, Handbuch Erbbaurecht, 6. Auflage, 2016, § 4 Rn. 200).

41

b) Ungeachtet dessen ist die Heimfallklausel in § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Erbbauvertrags jedenfalls auch nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB und damit nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist. Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (BGH, Urteil vom 28.04.2015, XI ZR 378/13, NJW 2015, 2248, 2255 Rn. 69, m.w.N. zur Rechtsprechung). Danach ist der Einwand der Sittenwidrigkeit vorliegend nicht begründet.

42

(1) Auf die vom Kläger hervorgehobene, zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft seit der Begründung des Erbbaurechts im Jahr 1961 kommt es nicht an, da die Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts maßgeblich ist. Wie auszuführen sein wird (siehe unter II. 4.), handelt es sich - nach wie vor - um das gleiche Vertragsverhältnis in das durch Schuldübernahmeverträge jeweils andere Erbbauberechtigte eingetreten sind.

43

(2) Die Heimfallklausel in § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Erbbauvertrags ist nicht sittenwidrig.

44

In den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und der vor allem auch bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln maßgebliche Bedeutung zukommt. Indem § 138 und § 242 BGB ganz allgemein auf die guten Sitten, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 22.03.2004, 1 BvR 2248/01, FPR 2004, 376, 376 f.). Diese Grundsatzentscheidungen sind im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen.

45

Danach ist die Klausel nicht sittenwidrig, weil sie das Grundrecht des Erbbauberechtigten auf Religionsfreiheit gemäß Art. 4 GG in unzulässigerweise Weise einschränken würde. Dem gegenüber steht die den Religionsgemeinschaften ebenfalls verfassungsrechtlich zugestandene Autonomie (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV), wonach ihnen grundsätzlich frei steht, wie sie ihr Vermögen verwalten und welche Anforderungen sie an ihren Vertragspartner stellen (Sperling, Rpfleger 1983, 269 [Anm. zu: LG München II, Beschluss vom 15.03.1983, 2 T 101/83]).

46

Es überzeugt nicht, kirchlichen juristischen Personen zu untersagen, die Wahl eines Vertragspartners oder den Fortbestand eines Vertragsverhältnisses vom Bestand der Kirchenmitgliedschaft abhängig zu machen. Das Recht der Kirchen zur Autonomie würde ansonsten übermäßig eingeschränkt, da sie schlechter stünden als andere Körperschaften, die die Gewährung privatrechtlicher Vorteile vom Fortbestand einer Mitgliedschaft abhängig machen dürfen (LG München II., Beschluss vom 15.03.1983, 2 T 101/83, Rpfleger 1983, 268, 268 f.).

47

Soweit die Gegenauffassung Klauseln, die den Heimfallanspruch an die Religionszugehörigkeit knüpfen auch dann für sittenwidrig hält, wenn es sich bei den Grundstückseigentümern um kirchliche Institutionen handelt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.05.1975, 2 Wx 16/74, Rpfleger 1975, 399) überzeugt das nicht. Nach dieser Auffassung widerspricht eine derartige Einschränkung der Religionsfreiheit der Auffassung sittlich ernst denkender Volkskreise. Die Kirche habe sich an eine derartige Einschränkung wie jeder andere zu halten, wenn sie außerhalb des innerkirchlichen Bereichs und ihres religiösen Aufgabenbereichs fiskalisch in Erscheinung trete. Bei dieser Argumentation wird die erwähnte, den Kirchen verfassungsrechtlich garantierte Autonomie nicht hinreichend beachtet. Zwar wird diese Autonomie durch den Schrankenvorbehalt nur im Rahmen des für alle geltenden Rechts gewährt; dies führt vorliegend jedoch nicht dazu, dass die Kirchen gezwungen wären, einen Vertrag mit jedermann abzuschließen. Ihnen steht es - wie jedermann auf Grund der privatrechtlichen Vertragsautonomie - frei, sich einen Vertragspartner auszuwählen (Sperling, aaO.). Dem Vertragspartner der Kirche ist bei Vertragsschluss bewusst, dass er sich auf eine entsprechende Heimfallklausel einlässt. Dem nicht vergleichbar sind Erbeinsetzungen oder Vermächtnisanordnungen in Testamenten.

48

3. Die Beklagte trifft auch aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes keine Genehmigungspflicht. Es kann dahinstehen, ob der Käuferin im Rahmen der Anhörung vor dem geschäftsführenden Ausschuss des Kirchengemeinderats der Beklagten tatsächlich zugesagt worden ist, die Genehmigung würde erteilt werden. Schutzwürdiges Vertrauen könnte durch eine solche Aussage nicht begründet werden, da rechtsverbindliche Entscheidungen für die Beklagte nur durch den Kirchengemeinderat getroffen werden können.

49

4. Die Klausel in § 8 Abs. 2 des Erbbauvertrags ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Auffassung des Klägers, es handele sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, die unwirksam sei, da die in § 7 ErbbauRG enthaltene Vorschrift, die eine Zustimmungspflicht des Grundstückseigentümeres unter den genannten Voraussetzungen begründe, durch § 8 Abs. 2 des Vertrags zu einer bloßen Sollvorschrift geändert werde, trifft nicht zu. Die Vertragsklausel in § 8 Abs. 2 des Vertrags ist keine allgemeine Geschäftsbedingung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Absicht der Verwendung für eine Vielzahl von Verträgen wird bei dreifacher Verwendung widerleglich vermutet (Becker, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB, § 305 Rn. 24). Dass der Erbbauvertrag mit gleichem Vertragstext mittlerweile gegenüber drei Erbbauberechtigten, den Kläger eingeschlossen, gegolten hat, begründet keine dreifache Verwendung des Vertragstextes. Vorliegend existiert nur ein einziges Vertragsverhältnis. Die dem ursprünglichen Erbbauberechtigten zeitlich nachfolgenden Vertragspartner der Beklagten sind jeweils im Rahmen einer Vertragsübernahme in das bestehende Vertragsverhältnis eingetreten. Würde jede Vertragsübernahme eine weitere Verwendung im Sinne der oben genannten Vermutung begründen, würde das zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass es letztlich in der Hand der Erbbauberechtigten liegen würde, die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB durch mehrfachen Verkauf des Erbbaurechts herbeizuführen. Nichts anderes als für die genannten Vertragsübernahmen gilt für den Vertrag, mit dem Kläger und Beklagte eine Anpassung des Vertrags bezüglich der Laufzeit, des Erbbauzinses und eine Ergänzung um einen weiteren Heimfallgrund vorgenommen haben. Dabei handelt es sich lediglich um eine punktuelle Änderung des ursprünglichen Vertrags, der ansonsten unberührt geblieben ist und nach dem Willen der Parteien fortgelten sollte.

50

5. Die Grundsätze der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage, ob dem in einem katholischen Krankenhaus tätigen Chefarzt wegen Wiederheirat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden darf (EuGH [Große Kammer], Urteil vom 11.09.2018, C-68/17, NJW 2018, 3068), sind auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Darin werden Besonderheiten kirchlichen Arbeitsrechts, nämlich das Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstverwaltungsrecht der Kirchen und dem Diskriminierungsschutz, behandelt.

51

III. In Ermangelung eines Anspruchs in der Hauptsache kann der Kläger nicht die Freihaltung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten verlangen.

52

IV. Der beantragte Schriftsatznachlass war dem Klägervertreter nicht zu gewähren, da er innerhalb der maßgeblichen Frist des § 132 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter hätte reagieren müssen. Gleichwohl sind seine Argumente im nicht nachgelassenen Schriftsatz bei der Abfassung der Entscheidung berücksichtigt worden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war damit nicht geboten.

53

V. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen