Urteil vom Landgericht Frankenthal (Pfalz) (2. Zivilkammer) - 2 S 206/17


Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21.06.2017, Az. 3c C 180/16, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.576,34 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; von der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO.

II.

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Die zulässige Berufung, mit der der Beklagte die Klageabweisung weiter verfolgt, führt auch in der Sache zum Erfolg. Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Aspekt einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter.

3

1. Eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB nach allgemeinen Grundsätzen kommt schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. § 61 InsO regelt die Haftung für Verhalten bei der Eingehung der Verbindlichkeit abschließend, für eine Anwendung allgemeiner Grundsätze ist daneben regelmäßig kein Raum (vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl. 2015, § 60 Rnr 54 a.E. m.N.). Soweit die Rechtsprechung dennoch bei besonderen Umständen einen Schuldbeitritt, eine Garantie oder ein Verschulden bei Vertragsschluss annimmt, setzt dies voraus, dass der Insolvenzverwalter Vertrauen auf eine persönliche Einstandspflicht in Anspruch nimmt (vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl. 2015, § 60 Rnr 55 m.N.), was den hier von Klägerseite behaupteten Äußerungen des Beklagten nicht zu entnehmen ist.

4

Dass der Insolvenzverwalter bei Begründung der Verbindlichkeit davon ausgeht, dass die Zahlung aus der Masse gesichert sei, ist selbstverständlich, sonst dürfte er sie nicht begründen. Es begründet deshalb noch keine persönliche Haftung, wenn er diese Überzeugung gegenüber dem Vertragspartner auch artikuliert (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.05.2004 zum Az. IX ZR 48/03, Rnr 1, 50, zitiert nach Juris). Dass der Beklagte über seine gesetzlich geregelten Verpflichtungen als Insolvenzverwalter hinaus eine persönliche Einstandspflicht begründen wollte oder dies pflichtwidrig suggeriert hat, durfte ein verständiger Dritter an der Stelle der Klägerin den von ihr behaupteten Äußerungen des Beklagten nach §§ 133, 157 BGB nicht entnehmen. Diese behaupteten Äußerungen gingen dahin, dass er „garantiere, dass die Masse ausreichend sei“ (Bl. 82 d.A.) bzw. „die erforderlichen Mittel zur Bezahlung der Leistungen der Klägerin vorhanden wären, wobei er garantiere, dass ihre Rechnungen bezahlt würden“ (Bl. 2 d.A.). Daraus kann ein im Rechtsverkehr erfahrenes Unternehmen wie die Klägerin nicht entnehmen, dass der Insolvenzverwalter in unüblicher Weise persönlich für diese Masseverbindlichkeiten einstehen wolle, sondern nur, dass er fest davon ausgeht, dass die von ihm nach dem behaupteten Wortlaut stets in Bezug genommene Masse ausreichen werde, die Verbindlichkeiten auszugleichen. Einer Beweisaufnahme bedarf es insoweit deshalb nicht.

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Ob die Klägerseite sich, wie sie behauptet, durch diese - wie gezeigt nur eine selbstverständliche Voraussetzung der Inanspruchnahme der Leistungen wiedergebenden - Äußerungen veranlasst sah, von einer Absicherung durch Vorauszahlungen abzusehen, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Entscheidung, Sicherungen zu verlangen, liegt allein im Risikobereich des Leistungserbringers. Welche Risiken die Belieferung eines vom Insolvenzverwalter fortgeführten Unternehmens mit sich bringt, ist der Klägerin als erfahrener Teilnehmerin am Rechtsverkehr bekannt. Wenn sie Vorauszahlung verlangen kann, was hier nicht geklärt werden muss, und dies nicht tut, kann sie diese Entscheidung im Nachhinein nicht dem Insolvenzverwalter anlasten.

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2. Eine Haftung aus § 60 InsO, der nicht das Verhalten bei Eingehung der Verbindlichkeit betrifft, wohl aber eine persönliche Einstandspflicht für spätere Pflichtverletzungen begründen kann, kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Der unstreitige Umstand, auf den das Amtsgericht die Haftung gestützt hat, dass nämlich der Beklagte (mit seinen Hilfskräften) die vollständige Forderung der Klägerin am Tage der versehentlichen Teilzahlung subjektiv vollständig zu befriedigen gewillt war und sie auch vollständig befriedigt hätte, wenn ihm die wahre Höhe bewusst gewesen wäre, reicht zur Begründung einer Haftung nicht aus (BGH, Urteil vom 06.05.2004 zum Az. IX ZR 48/03, Rn 25, zitiert nach Juris). Dass er aber zur vollständigen Befriedigung der klägerischen Forderung an jenem Tage unter Berücksichtigung aller ebenfalls fälligen gleichrangigen und etwaiger vorrangiger Forderungen angesichts des aktuellen Volumens der Masse objektiv verpflichtet gewesen wäre, ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

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3. Auch eine Haftung aus § 61 InsO greift nicht ein. Zwar kommt auch die Wahl der Weiterbelieferung als Grundlage für eine Haftung nach § 61 InsO in Betracht (vgl. Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 61 Rnr 5). Auch wird der Schaden bereits mit Anzeige der Masseunzulänglichkeit eintreten, ohne dass der Gläubiger auf ein Zuwarten der weiteren Entwicklung verwiesen werden kann (vgl. Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 61 Rnr 14). Jedoch hat der Beklagte (Bl. 72 d.A.) zu seiner Entlastung nach § 61 S. 2 InsO den mit einem für die Befriedigung der klägerischen Forderung ausreichenden Saldo abschließenden detaillierten Liquiditätsplan vorgelegt. Dass er sich bei der Prognose der Einnahmen auf die Angaben des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin verlassen hat, ist ihm nicht anzulasten; auf Zahlenwerke leitender Mitarbeiter des Schuldners, auf die der Verwalter angewiesen ist, darf er sich verlassen, solange sie nicht unvollständig oder offenkundig fehlerhaft sind, was vorliegend nicht ersichtlich ist (vgl. Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 61 Rnr 28). Eine Bewertung von erwarteten Einnahmen aus noch nicht erteilten Aufträgen mit die denkbare Gewinnmarge weit übersteigenden Risikoabschlägen, wie sie die Klägervertreterin ins Spiel gebracht hat, würde eine Fortführung regelmäßig ausschließen.

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Der Verwalter haftet regelmäßig nicht dafür, dass sich eine solche Prognose als falsch erweist, und ist auch nicht gehalten, die dafür ursächlichen Umstände darzustellen und zu beweisen, so dass der insoweit zwischen den Parteien herrschende Streit dahinstehen kann (Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 61 Rnr 20, 29).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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