Beschluss vom Landgericht Freiburg - 4 T 82/20

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 16.04.2020, Az. XIV 122/20 L, wird zurückgewiesen.

2. Von einer Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Betroffene wendet sich gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 16.04.2020, mit welchem auf der Grundlage des baden-württembergischen PsychKHG eine vorläufige Unterbringung des Betroffenen im Zentrum für Psychiatrie E. (ZfP) bis längstens zum 27.05.2020 angeordnet worden ist.
I.
Die mit Schreiben des Betroffenen vom 18.04.2020 zulässig eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Recht die vorläufige Unterbringung des Betroffenen angeordnet. Es bestehen dringende Gründe (§ 331 FamFG) für die Annahme, dass die Voraussetzungen gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 3 PsychKHG für eine längstens bis zum 27.05.2020 anzuordnende Unterbringung bei dem Betroffenen vorliegen. Nach eigener Überzeugungsbildung tritt das Beschwerdegericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei.
1.
Aus dem überzeugenden ärztlichen Zeugnis des im Zentrum für Psychiatrie tätigen Arztes M. vom 15.04.2020 ergibt sich, dass der als Reichsbürger bekannte Betroffene an einer schizoaffektiven Störung, gegenwärtig manisch, (ICD10: F25.0) erkrankt ist und damit an einer geistigen oder seelischen Krankheit im Sinne von § 13 Abs. 1 PsychKHG leidet. Es besteht bei dem Betroffenen nach den plausiblen und nachvollziehbaren Einschätzungen des vorgenannten Arztes eine erhebliche Realitätsverkennung, die mit religiösen Wahnvorstellungen und Aggressivität einhergeht. Krankheitseinsicht ist bislang nicht vorhanden.
Wie dem Anhörungsvermerk des beauftragten Richters entnommen werden kann, haben sich diese ärztlichen Befunde auch im Rahmen der persönlichen richterlichen Anhörung vom 29.04.2020 bestätigt. So kam der Betroffene umgehend auf seine religiöse Verbindung zu Gott und Jesus zu sprechen, die notwendige anwaltliche Vollmachten besäßen, und stritt jegliche psychische Erkrankung mit dem Verweis ab, dass man offensichtlich heutzutage schon allein aufgrund von Gläubigkeit für „verrückt“ erklärt werde. Der in der Anhörung anwesende und den Betroffenen behandelnde Stationsarzt Z. hielt demgegenüber auch unter dem Eindruck der Ausführungen des Betroffenen an der bisherigen ärztlichen Einschätzung fest, dass die akute Erkrankung des Betroffenen derzeit nicht zu verkennen sei, wenn gleich unter der täglichen Gabe von 20mg Olanzapin eine langsam einsetzende Beruhigung des anfänglich noch sehr ablehnend-aggressiven Stimmungsbilds festzustellen sei.
2.
Auf den vorgenannten medizinischen Feststellungen sowie den Erkenntnissen zu dem vom Betroffenen in den letzten Wochen gezeigten Verhalten beruht auch die überzeugende ärztliche Prognose, wonach der Betroffene aufgrund seiner erheblichen Realitätsverkennung Leben oder Gesundheit von anderen erheblich gefährdet und diese Gefahr derzeit nicht auf andere Weise als durch eine geschlossene Unterbringung abgewendet werden kann.
So hat der Betroffene ausweislich der im ärztlichen Zeugnis vom 15.04.2020 dargestellten polizeilichen Berichte im Zeitraum unmittelbar vor seiner stationären Aufnahme trotz seiner schon seit vielen Jahren bestehenden Erkrankung keine Medikamente mehr eingenommen, sich gegenüber seinem Umfeld in G. zunehmend fremdaggressiv gezeigt, indem er Gegenstände auf die Straße geworfen und Straßensperren errichtet und bei daraufhin erforderlich gewordenen Polizeieinsätzen um sich geschlagen, einem Polizeibeamten in den Finger gebissen und bei dieser Gelegenheit immer wieder religiöse Vorstellungen („Jesus wird kommen!“ „Der Satan wird euch befreien!“) laut ausgeschrien hat.
Da bislang keine verlässliche Bereitschaft des krankheitsuneinsichtigen Betroffenen besteht, die ärztlich empfohlene antipsychotische Medikation außerhalb eines stationären Umfelds freiwillig einzunehmen und sich eine Besserung der Krankheitssymptomatik nach dem Bericht des behandelnden Stationsarztes Z. bislang nur langsam vollzieht, überzeugt die ärztliche Prognose, dass bei einer derzeitigen Entlassung und einem in diesem Fall wahrscheinlichen Abbruch der Medikamenteneinnahme jederzeit zu erwarten ist, dass der Betroffene wie in den Tagen vor seiner Aufnahme Dritte wahnbedingt angreifen und erheblich verletzen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – XII ZB 505/18 –, Rn. 11, 12 und 19, juris). Zudem sind derzeit keine milderen Maßnahmen als die geschlossene Unterbringung erkennbar. Die vorgenannten Gesichtspunkte rechtfertigen schließlich auch die vom Amtsgericht angeordnete Unterbringungsdauer.
3.
Von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen konnte vor Erlass der Beschwerdeentscheidung nicht gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG abgesehen werden, da in erster Instanz wegen der Corona-Pandemie lediglich der Versuch einer telefonischen Anhörung, die von dem Betroffenen verweigert worden ist, stattgefunden hat. Auch die Voraussetzungen der §§ 68 Abs. 3 S. 1, 319 Abs. 3, 34 Abs. 2 FamFG, unter denen von einer Anhörung bei einer erheblichen Gesundheitsgefahr für den Betroffenen abgesehen werden kann, liegen nicht vor. Zudem existiert bislang keine gesetzliche Grundlage für eine (verfahrensordnungsgemäße) Video-Anhörung.
10 
Bei den derzeitigen Rahmenbedingungen, die auf der Station 35 des Zentrums für Psychiatrie E. herrschen, liegen unter Berücksichtigung der aktuellen Gefährdungslage durch die Corona-Pandemie sowie der aktuellen Hinweise des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung von Art. 104 Abs. 1 GG die Voraussetzungen von § 319 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 2 FamFG nicht vor.
11 
Die persönliche Anhörung konnte durchgeführt werden, weil unter den gegebenen Umständen die Annahme einer konkreten erheblichen Gesundheitsgefahr für den Betroffenen nicht gerechtfertigt ist. Der geschlossene Bereich, in dem der Betroffene untergebracht ist, weist keinen nachgewiesenen COVID-19-Fall auf und unterliegt - wie sonstige mittlerweile wieder unter Auflagen geöffnete öffentliche Einrichtungen - keinen strikten Zutrittsbeschränkungen und ist damit für richterliche Anhörungen grundsätzlich zugänglich.
12 
Da die Station einen hinreichend großen Besprechungsraum besitzt und dort die Abstandsregeln (1,50 Meter von Person zu Person) sowie die vom RKI empfohlenen allgemeinen Hygieneregeln eingehalten werden können und nicht nur der beauftragte Richter, sondern sämtliche an der Anhörung teilnehmenden Personen, eine Mund-Nasen-Bedeckung („Alltagsmaske“) getragen haben, war der Ausnahmetatbestand gemäß der §§ 68 Abs. 3 S. 1, 319 Abs. 3, 34 Abs. 2 FamFG nicht erfüllt.
III.
13 
Eine Auferlegung von Kosten nach den §§ 84, 81 FamFG ist nicht veranlasst. Die Beschwerde ist von dem Betroffenen eingelegt worden (§ 25 Abs. 2 GNotKG). Im Übrigen entstehen in Unterbringungssachen im Rechtsmittelverfahren mangels gesetzlicher Gebühren- und Auslagentatbestände im GNotKG keine Kosten (vgl. Jürgens/Luther, GNotKG, 6. Aufl. 2019, § 25 Rn. 3). Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
IV.
14 
Die vorliegende Beschwerdeentscheidung ist unanfechtbar, § 70 Abs. 4 FamFG.

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