Urteil vom Landgericht Hagen - 9 O 58/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kauvertrages über ein Neufahrzeug nach einem Rücktritt wegen behaupteter Mängel.
3Er unterzeichnete unter dem 27.01.2015 eine schriftliche Neuwagenbestellung bezüglich eines VW Tiguan Sport & Style BM Techn. 2.0 l TDI 130 kW (177 PS), welche unter Berücksichtigung eines Nachlasses von 15% und einer Gutschrift von 3.231,74 € mit einem Betrag von 44.500,10 EUR endete. Wegen der weiteren Einzelheiten der verbindlichen Bestellung wird Bezug genommen auf die Anl. K 1 zur Klageschrift, Bl. 9 - 11 der Akte. Die Beklagte stellte dem Kläger unter dem 29.03.2015 einen Betrag in Höhe von 46.852,87 € als Fahrzeugpreis in Rechnung. Unter dem 31.03.2015 stellte die Firma N GmbH & Co. KG dem Kläger einen Betrag von 878,99 € für das Selbstabholungs-Paket A2, die Zulassungsbescheinigung II und Zulassungskosten / neue Schilder in Rechnung.
4Das Fahrzeug wurde am 08.04.2015 an den Kläger ausgeliefert.
5Über seinen Prozessbevollmächtigten machte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 19.10.2015 einen Nacherfüllungsanspruch geltend und verlangte als Nacherfüllung die Lieferung eines mangelfreien VW Tiguan mit gleicher Motorisierung und Ausstattung Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeuges. Er ließ die Beklagte auffordern, bis zum 30.10.2015 ihm gegenüber zu erklären, einen mangelfreien VW Tiguan zu liefern und drohte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs den Rücktritt vom Kaufvertrag an. Auch die außergerichtlichen Anwaltskosten wurden unter Fristsetzung bis zum 30.10.2015 angefordert. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 25.11.2015 und erklärte, dass das Fahrzeug nicht zurückgegeben werden könne, es sei sicher und fahrbereit und könne weiterhin uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden. Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EEA 189 würden nach Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt auf Kosten der Beklagten eine „technische Lösung“ erhalten. Die Beklagte erklärte in dem Schreiben weiterhin auf die Erhebung der Verjährungseinrede bis zum 31.12.2016 wegen der in Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 eingebauten Software zu verzichten, soweit mögliche Ansprüche noch nicht verjährt seien.
6Der Kläger erklärte über seinen Prozessbevollmächtigten mit Telefax vom 20.01.2016 gegenüber der Beklagten den Rücktritt von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag und forderte diese auf, an ihn einen Betrag von 43.418,55 € bis zum 27.01.2016 Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften Fahrzeuges sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 2.514,95 € zu zahlen. Er ließ sich eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 3.434,32 € anrechnen. Die Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 03.02.2016 mit, dass der Kläger das Fahrzeug nicht zurückgeben könne.
7Der Kläger behauptet, der Käufer eines Fahrzeuges könne erwarten, dass der Ausstoß von Stickstoffoxid beim normalen Straßenbetrieb nicht wesentlich von dem Ausstoß auf dem Prüfstand abweiche. Hier sei es jedoch so, dass die Software erkenne, wenn sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde und sodann dafür sorge, dass geringere Emissionen erfolgten. Die Beklagte habe im Internet selbst angegeben, dass die Stickstoffemissionen im Testzyklus auf dem Rollenprüfstand nach Feststellung der Behörden im Fahrbetrieb von den gesetzlichen Vorgaben abwichen.
8Der Käufer eines Fahrzeuges könne auch erwarten, dass das erworbene Fahrzeug über keine Abschalteinrichtung verfügt, mit der die Messwerte auf dem Prüfstand verfälscht würden. Nur ein Fahrzeug ohne eine solche Abschalteinrichtung sei bei Sachen gleicher Art üblich und könne vom Käufer nach Art der Sache erwartet werden.
9Die Werte der Abgasnorm Euro 5 für Stickoxide würden im Fahrbetrieb um das bis zu 10-fache überschritten werden. In den USA sei festgestellt worden, dass eine Überschreitung bis zum 40-fachen des Grenzwertes von 44 mg/Kilometer vorliege.
10Eine Fristsetzung zur Nachbesserung wäre ohnehin sinnlos gewesen, da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt zu einer Nachbesserung überhaupt nicht in der Lage gewesen sei.
11Bei der Berechnung der Kosten der Neulieferung habe die Beklagte zum einen nicht die Umsatzsteuer in Abzug geboren gebracht, zum anderen aber auch die Vermittlungsprovision und auch den im Kaufpreis enthaltenen Gewinn nicht abgezogen. Es sei auch nicht absehbar, welche Langzeit-Auswirkungen es für die Abgasanlage und den Motor des Fahrzeuges habe, wenn das Fahrzeug nunmehr permanent im Prüfstand-Modus mit stark erhöhter Abgasrückführung betrieben werde.
12Hinsichtlich der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung komme es auf den Zeitpunkt des Zuganges des Rücktritts an. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte überhaupt keine Möglichkeit gehabt, den Mangel zu beheben. Bei der Frage, ob die Pflichtverletzung erheblich ist, sei auch zu berücksichtigen, dass ein Vorlauf von fast einem Jahr für die Durchführung der Mangelbehebung erforderlich sein solle. Darüber hinaus bedürfe die Mangelbeseitigungsmaßnahme einer vorherigen behördlichen Prüfung und Genehmigung.
13Der Kläger bestreitet, dass das von der Beklagten genannte Softwareupdate und die von der Beklagten vorgetragenen Maßnahmen zur Mängelbeseitigung führen würden.
14Die Beklagte habe ihn durch den Verkauf des Fahrzeuges auch arglistig getäuscht, der Kläger habe jegliches Vertrauen in die Beklagte verloren, und habe bereits aus diesem Grunde ein sofortiges Rücktrittsrecht. Die Kosten der Nachbesserung seien nur ein Kriterium bei der Frage der Unerheblichkeit eines Mangels. Die Befürchtungen des Klägers, durch eine Umrüstung seines Fahrzeuges nachteilige Folgen, wie insbesondere Leistungseinbußen zu erleiden, sei nicht unbegründet. Dies ergebe sich aus einem Bericht der Zeitschrift „Bild“.
15Er habe an die Beklagte einen Kaufpreis von 46.852,87 € gezahlt sowie an die Firma N und N GmbH & Co. KG für die Selbstabholung, die Zulassungsbescheinigung und die Zulassung des Fahrzeuges einen Betrag von 878,99 €.
16Der Kläger beantragt, |
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die Beklagte zu verurteilen, |
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1. |
an ihn 43.418,55 € sowie 2.514,95 € vorgerichtliche Kosten, jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2016 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des mangelhaften PKW VW Tiguan Sport & Style 4Motion BM Techn. 2.0 l TDI, Fahrzeug-ident-Nr. , XXX sowie |
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2. |
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter vorstehend Ziff. 1 bezeichneten Fahrzeuges im Annahmeverzug befindet. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Klage abzuweisen. |
Sie behauptet, eine konkrete Beschaffenheit sei nicht vereinbart worden, das Fahrzeug eigne sich aber für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung. Der allgemeine Verwendungszweck als Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr sei vorliegend nicht beeinträchtigt. Das Fahrzeug eigne sich auch für die gewöhnliche Verwendung. Es verfüge über die erforderliche EG-Typ Genehmigung, die nicht entzogen worden sei. Die Abgaswerte würden grundsätzlich unter Laborbedingungen gemessen, welche nicht den Bedingungen im normalen Fahrbetrieb entsprechen. Es gebe keine gesetzlichen Vorgaben, die die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im normalen Fahrbetrieb regeln würden. Das verkaufte Fahrzeug sei technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich, es verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen.
18Alle Fahrzeuge mit dem Dieselmotor des streitgegenständlichen Fahrzeuges würden in Absprache mit dem Kraftfahrt-Bundesamt technisch überarbeitet. Diese Überarbeitung werde keine nachteiligen Auswirkungen auf Motorleistung, Kraftvollstoffverbrauch und CO2-Emissionen haben. Das streitgegenständliche Fahrzeug erhalte ein reines Software-Update, die Arbeitszeit betrage etwa eine halbe Stunde, die Kosten würden sich auf weniger als 100 € belaufen.
19Das Fahrzeug weise keine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit auf. Bei der so genannten Abschalteinrichtung handelt es sich lediglich um eine konstruktionsbedingte Besonderheit, durch welche der Kläger nicht in der Nutzung beeinträchtigt sei. Das Fahrzeug sei nach wie vor wirksam zugelassen und aufgrund der Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamts, die Typ Genehmigung nicht zu widerrufen, bestehe auch die Einstufung als Euro 5-Fahrzeug unverändert fort. Da die Wirksamkeit der Abgasreinigungsanlage nicht reduziert werde, handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Vorschriften der Europäischen Union. Im Betrieb auf dem Prüfstand bestünde eine höhere Abgasrückführungsrate in den Motor als im Straßenbetrieb. Damit sei aber weder eine Einwirkung auf ein Element des Immissionskontrollsystems gegeben, noch sei die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen verringert worden, die bei normalem Fahrzeugbetrieb zu erwarten seien. Das gesamte Vorbringen des Klägers zu Zeitplan, Umfang und zum Ergebnis der durchzuführenden Maßnahmen treffe nicht zu. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten hierzu wird auf die XII des Schriftsatzes vom 16.08.2016, Bl. 99 - 101 der Akte Bezug genommen.
20Der Kläger habe keine angemessene Frist gesetzt, diese habe sich nur auf eine Neulieferung bezogen, eine Frist zur Nachbesserung sei nicht gesetzt worden. Bei der Vielzahl von Fahrzeugen und Motorvarianten, sei die Frist als Nachbesserungsfrist zu kurz. Die Neulieferung sei im Vergleich zur Nachbesserung unverhältnismäßig. Die Kosten der Neulieferung würden sich auf mindestens 3.434,32 € belaufen, während die Nachbesserungskosten deutlich weniger als 100 € betrügen.
21Das Rücktrittsrecht sei auch gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil die behauptete Pflichtverletzung als unerheblich anzusehen sei. Der Aufwand zur Beseitigung des behaupteten Mangels belaufen sich auf deutlich weniger als 100 € und entspreche damit 0,2 % des Kaufpreises i.H.v. 46.852,87 €. Es sei weder die Verkehrs-und Betriebssicherheit des Fahrzeuges betroffen, noch würde der behauptete Mangel einen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit, die Nutzbarkeit, die Optik und den Komfort des Fahrzeuges haben. Es handele sich nicht um einen für die Kaufentscheidung maßgeblichen Mangel.
22Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger auf die Bestellung vom 27.01.2015 Überführungs- sowie Zulassungskosten und Kosten für den Kraftfahrzeugbrief in Höhe von 878,99 EUR gezahlt habe, da er darüber hinaus Kosten aus einer Rechnung der Firma N GmbH & Co. H KG geltend mache, die in derselben Höhe bestehen sollen. Bei den Kosten für die Überführung, die Zulassung und die Kennzeichen handele sich nicht um Verwendungen. Es handele sich um reine Betriebskosten, die nicht der Erhaltung der Sache dienen und damit keine Verwendungen seien.
23Die Abholungs- und Zulassungskosten seien nur zum Teil vergeblich, sie hätten sich wegen der Nutzung teilweise rentiert.
24Die Voraussetzungen der Feststellungen des Annahmeverzuges seien nicht gegeben. Der Kläger habe nicht dargetan, dass er da der Beklagten das Fahrzeug überhaupt jemals in Annahmeverzug begründender Weise Zurücknahme angeboten habe.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die überreichten Schriftsätze und die zu den Akten gelangten Unterlagen Bezug genommen.
26Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben beide Parteien unstreitig gestellt, dass die Laufleistung des Fahrzeuges zu diesem Termin 18.600 Kilometer beträgt.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist nicht begründet.
29I.
30Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückgewähr des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges.
311.
32Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB.
33a) Es kann letztlich dahin gestellt bleiben, ob das gekaufte Fahrzeug mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB ist. Denn selbst wenn man unterstellt, dass ein Mangel jedenfalls insoweit besteht, als dem Fahrzeug im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB eine Eigenschaft, die der Kläger nach den öffentlichen Äußerungen der Beklagten erwarten konnte, fehlt, weil sich aus der Beschreibung des Fahrzeuges eine bestimmte Schadstoffklasse ergibt, deren Emissionswerte nicht eingehalten werden, bestünde kein Anspruch des Klägers.
34b) Es fehlt nämlich an einer wirksamen Setzung einer Frist zur Nacherfüllung, die gem. § 323 Abs. 1 BGB aber Voraussetzung für einen Rücktritt ist.
35Mit Schreiben vom 19.10.2015 hat der Kläger zwar eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, er hat allerdings ausschließlich die Lieferung einer mangelfreien Sache und nicht die Beseitigung des Mangels begehrt.
36Die begehrte Nachlieferung war aber im Sinne des § 275 BGB unmöglich.
37Es handelt sich vorliegend nämlich um einen sogenannten Gattungskauf.
38Bei einem Gattungskauf ist Gegenstand des Kaufvertrags der Parteien die Lieferung eines Kraftfahrzeugs als Gattungsschuld, nicht aber als Stückschuld (Speziesschuld). Eine Gattungsschuld ist in der Regel anzunehmen, wenn ein nicht vorrätiges Fahrzeug beim Händler bestellt wird. Eine Stückschuld liegt dagegen vor, wenn ein konkretes Fahrzeug ab Lager, ein Ausstellungsfahrzeug oder ein "nach Maß" zu produzierendes Fahrzeug gekauft wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.03.1995 - Aktenzeichen 13 U 34/94, BeckRS 1995, 04651).
39Vorliegend wurde das zu einem festgelegten Zeitpunkt zu liefernde Fahrzeug in der schriftlichen Neuwagenbestellung aber nicht individuell bestimmt, sondern nach generellen Merkmalen beschrieben. Das Gericht schließt sich auch insoweit der Auffassung des OLG Düsseldorf an, dass bei dieser Beurteilung die auch im vorliegenden Fall erfolgte Aufzählung einiger als Sonderausstattung gewünschter Zubehörteile dieser Einschätzung nicht entgegensteht. Durch die Angabe der Sondersausstattung wird kein "nach Maß" zu produzierendes Fahrzeug bestellt, sondern festgelegt, welche besonderen Eigenschaften der aus einer vorgegebenen Gattung zu leistende Kaufgegenstand aufweisen sollte.
40Bei einem Gattungskauf erlischt der Anspruch auf Nachlieferung aber, wenn die gesamte Gattung untergegangen ist und nicht mehr hergestellt wird. Es dürfte unstreitig sein, dass Automodelle mit dem streitgegenständlichen Motortyp nicht mehr gebaut werden. Soweit noch Auslaufmodelle vorhanden sind, wären diese von der Abgasproblematik ebenfalls betroffen und daher keine Fahrzeuge in einem mangelfreien Zustand. Ein Fahrzeug aus der neuen Modellreihe kann der Käufer nicht verlangen, weil es nicht zur geschuldeten Gattung gehört (vgl. Steenbuck, MDR 2016, 185, 187).
41c) Es liegt keiner der Fälle vor, in denen die Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich ist:
42Die als Nacherfüllung hier allein in Frage kommende Nachbesserung des Fahrzeuges durch die Beklagte ist für den Kläger nicht unzumutbar im Sinne des § 440 Satz 1 3. Fall BGB.
43Die Unzumutbarkeit ist im Bezug auf den Käufer zu prüfen. Sie kann sich aus der Art des Mangels oder aus anderen tatsächlichen Umständen ergeben. Solche Umstände wären hinsichtlich der Person des Verkäufers etwa Unzuverlässigkeit, eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. 2016, § 440, Rn. 8).
44Die Art des Mangels führt nicht zu einer Unzumutbarkeit im vorgenannten Sinne. Der erhöhte Abgasausstoß führt im gewöhnlichen Fahrbetrieb nämlich zu keinerlei funktioneller Beeinträchtigung in der Nutzung des Fahrzeugs. Insbesondere verfügt das Fahrzeug nach wie vor über alle erforderlichen Genehmigungen zur Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Nacherfüllung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp nicht innerhalb einer überschaubaren Frist angeboten wird. Das Gericht schließt sich insoweit der Auffassung des Landgerichts Paderborn im Urteil vom 17.05.2016 (Aktenzeichen: 2 O 381/15) an, wonach gegen die Unzumutbarkeit unter diesem Gesichtspunkt spricht, dass das Fahrzeug ohne spürbare Beeinträchtigungen weiter genutzt werden kann und erhebliche, über die bloße Zeitspanne bis zur tatsächlichen Vornahme der Nachbesserungsarbeiten hinausgehende Unannehmlichkeiten oder sonstige Nachteile, die mit der angebotenen Nacherfüllung durch die Beklagte einhergehen nicht ersichtlich sind und auch im vorliegenden Fall von dem Kläger jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden sind. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte im Schreiben vom 19.10.2015 (dort Seite 2 oben) auf die Einrede der Verjährung verzichtet.
45Die Unzumutbarkeit ergibt sich auch nicht aus der behaupteten arglistigen Täuschung.
46Auch insoweit ist dem Landgericht Paderborn zu folgen, wonach im Hinblick auf die erforderliche Wissenszurechnung substantiiert dazu vorgetragen werden muss, wann welche verantwortlichen Personen im Konzern Kenntnis von dem Einsatz der Software hatte,
47Darüber hinaus ist auch die weitere Einschätzung überzeugend, wonach hier ein Verlust der Vertrauensgrundlage auf Seiten des getäuschten Käufers, der Grund für den Wegfall der Nacherfüllungsmöglichkeit des Verkäufers in diesen Fällen ist, nicht angenommen werden kann, weil besondere Umstände vorliegen, die eine ordnungsgemäße Nachbesserung erwarten lassen.
48Das Landgericht Paderborn weist zu Recht darauf hin, dass die Nachbesserungsarbeiten der Beklagten in enger Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrtbundesamt und damit unter staatlicher Aufsicht erfolgen und in diesem Zusammenhang das Kraftfahrtbundesamt und die Beklagte einen übergeordneten Maßnahmenplan vereinbart sowie darauf aufbauend konkrete Umsetzungsvereinbarungen getroffen haben, um die Nachbesserungsarbeiten an den betroffenen Fahrzeugen zu gewährleisten.
49Die Fristsetzung zur Nacherfüllung ist hier auch nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Zwar kann das arglistige Verschweigen eines Mangels durch den Verkäufer einen besonderen Umstand im Sinne dieser Norm darstellen, der einen sofortigen Rücktritt rechtfertigt (vgl. nur BGH NJW 2007, 835, 837; 2008, 1371, 1373). Im vorliegenden Fall sind aber – wie oben ausgeführt – zum Einen die Voraussetzungen der Arglist nicht ausreichend dargetan. Zum Anderen fehlt es – wie ebenfalls oben ausgeführt – an dem notwendigen Verlust der Vertrauensgrundlage.
50Der Kläger hat nicht ausreichend dargetan, dass die von der Beklagten beabsichtigte Nachbesserung nicht zu einer Mängelbeseitigung führen werde. Es sind keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgetragen worden, aus denen sich ergibt, dass die beabsichtigte Nachbesserung erfolglos verlaufen wird.
51Ob der Rücktritt wegen einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist, kann dahingestellt bleiben.
522.
53Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
54II.
55Ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht nicht, da es an der notwendigen Hauptforderung fehlt. Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten als Verzugsschaden.
56III.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
58Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 709 ZPO.
59O
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Referenzen
- BGB § 440 Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 2 O 381/15 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- BGB § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung 5x
- BGB § 437 Rechte des Käufers bei Mängeln 1x
- 13 U 34/94 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 434 Sachmangel 2x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 346 Wirkungen des Rücktritts 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 275 Ausschluss der Leistungspflicht 1x