Urteil vom Landgericht Hamburg (1. Kammer für Handelssachen) - 401 HKO 7/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 81.342,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.3.2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin macht einen Deckungsanspruch in Höhe von 81.342,00 € unter einer bei der Beklagten eingedeckten Transportversicherung geltend betreffend einen Transportschaden einer Partie von 400 Sack iranisches Lakritzpulver, der auf der Strecke von Bandar Abbas nach Hamburg eingetreten ist.
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Mit email vom 7.1.14 (K 3) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Schaden unter der Police gedeckt sei. Vor einer Regulierung sei allerdings die Zustimmung der US Behörden notwendig, da dieser Vorgang ein Land involviere, welches unter die Wirtschafts- und Handelssanktionen der USA falle.
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Die Klägerin trägt vor,
die Sanktionsklausel in der Police (B 1) betreffe nur Sanktionen und Embargos der EG.
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Ausländische Verbotsnormen seien für dieses Vertragsverhältnis, das deutschem Recht unterliege, unbeachtlich.
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Auch § 138 BGB finde keine Anwendung. Nach den einschlägigen europäischen Verordnungen umfassten die Beschränkungen zum Großteil nur sog. „dual-use-Güter“, die im Zusammenhang mit atomarer Technik stehen können, jedenfalls aber keine Nahrungsmittel und Konsumgüter. Diese bewusste Entscheidung des europäischen Gesetzgebers könne die Beklagte selbstverständlich nicht durch das „Einfallstor“ des § 138 BGB unterlaufen.
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Für eine Aussetzung des Verfahrens bestehe keine Veranlassung.
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Dem 2. Hilfsantrag der Beklagten werde ebenfalls widersprochen. Eine Anpassung des Vertrags (§ 313 BGB) scheitere schon daran, dass die Ursache der Veränderung allein in die Sphäre der Beklagten falle. Die Klägerin habe vor Jahrzehnten bei der W., einer deutschen Versicherung, abgeschlossen. Dass die W. in den amerikanischen Konzern A. eingegliedert worden sei, könne der Klägerin nun plötzlich nicht zum Nachteil werden. Dieses Risiko trage die Beklagte allein.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 81.342,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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1. die Klage abzuweisen.
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2. hilfsweise das Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zu Entscheidung der US Exportkontrollbehörde (Office of Foreign Assets Control) über die Zulässigkeit der mit der Klage beantragten Deckung auszusetzen,
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3. äußerst hilfsweise, der Klage nur stattzugeben mit der Maßgabe, dass die Beklagte nur dann Zahlung zu leisten hat, wenn die US Exportkontrollbehörde (Office of Foreign Assets Control) der Beklagten die Erlaubnis erteilt hat, die fragliche Zahlung zu leisten.
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Die Beklagte trägt vor,
sie sei die deutsche Niederlassung der in den USA ansässigen A. Inc. und als solche zur Einhaltung der von dem Office of Foreign Assets Control (OFAC) erlassenen Handels- und Wirtschaftssanktionen im Zusammenhang mit dem Iran-Embargo, hier der Vorschrift 31 CFR 560.206, verpflichtet.
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Die Police (B 1) enthalte eine Sanktionsklausel, deren Geltung für den vorliegenden Fall das Gericht zu prüfen habe. Im Übrigen werde das Gericht zu prüfen haben, ob der Versicherungsvertrag vor dem Hintergrund von §§ 134, 138 BGB bzw. von § 275 BGB Deckungsschutz begründe.
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Die Mutter der Beklagten habe bei der OFAC den Antrag gestellt, die mit der Klage begehrte Regulierung ausnahmsweise zu genehmigen. Bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens sei die Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits geboten (1. Hilfsantrag).
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Der Beklagten sei es aufgrund der weitreichenden zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen unzumutbar, die fragliche Zahlung zu leisten, sofern die OFAC keine Genehmigung erteile. Rechtsfolge sei, dass der Versicherungsvertrag zumindest gemäß § 313 BGB in dem Sinne anzupassen sei, dass die Beklagte nur dann Zahlung zu leisten habe, wenn die OFAC die fragliche Zahlung auch genehmige (2. Hilfsantrag).
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist vollen Umfangs begründet.
I.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 81.342,00 € aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag.
1.
- 22
Der Versicherungsfall ist unstreitig eingetreten und in der geltend gemachten Höhe gedeckt.
2.
- 23
Die Sanktionsklausel in der Police (B 1) betrifft nur Sanktionen und Embargos der EG, nicht der USA.
3.
- 24
Ausländische Verbotsnormen sind keine Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage, § 134 Rz. 2; BGHZ 59, 82 ff, 85). Eine Anwendung des § 134 BGB bei einem ausländischen Verbotsgesetz kommt nicht in Betracht, weil dieses im Inland unmittelbar keine Verbindlichkeit besitzt (BGH a.a.O.).
4.
- 25
Auch § 138 BGB findet keine Anwendung. Der Export von Lakritzpulver aus dem Iran stellt nach Auffassung der Kammer keinen Verstoß gegen die guten Sitten dar. Vielmehr steht das streitgegenständliche Geschäft im Einklang mit den einschlägigen europäischen Verordnungen. Danach umfassen die Beschränkungen des Handels mit dem Iran zum Großteil nämlich nur sog. „dual-use-Güter“, die im Zusammenhang mit atomarer Technik stehen können, jedenfalls aber keine Nahrungsmittel und Konsumgüter. Die der deutschen Rechtsordnung immanenten Werte und Prinzipien sind damit ebensowenig verletzt wie der ordre public.
5.
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Abgesehen davon, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus dem mit der Klägerin abgeschlossenen Versicherungsvertrag zu leisten, ist der Anspruch der Klägerin auf den genannten Betrag unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes begründet, da die Beklagte sich einem US Konzern angegliedert hat, ohne die Klägerin darauf aufmerksam zu machen, dass sich daraus nach ihrer Auffassung Konsequenzen für den bestehenden Versicherungsvertrag ergeben. Der durch diese Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht der Klägerin entstandene Schaden beläuft sich auf die verweigerte Versicherungsleistung.
6.
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Die Hilfsanträge der Beklagten sind unbegründet.
a)
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Für eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zu Entscheidung der US Exportkontrollbehörde (Office of Foreign Assets Control) über die Zulässigkeit der mit der Klage beantragten Deckung, besteht keine Veranlassung. Die US-amerikanischen Embargonormen sind, wie ausgeführt, für die Entscheidung des vorliegenden Falls durch das Landgericht Hamburg unbeachtlich, die Entscheidung der US Behörde damit nicht vorgreiflich.
b)
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Auf die Erlaubnis der US Exportkontrollbehörde (Office of Foreign Assets Control) an die Beklagte, die fragliche Zahlung zu leisten, kommt es, wie ausgeführt, nicht an.
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Eine Anpassung des Vertrags (§ 313 BGB) scheitert schon daran, dass die Ursache der Veränderung allein in die Sphäre der Beklagten fällt. Die Klägerin hat unstreitig vor Jahrzehnten bei der W., einer deutschen Versicherung, abgeschlossen. Dass die W. in den amerikanischen Konzern A. eingegliedert worden ist, kann der Klägerin nicht zum Nachteil werden. Dieses Risiko trägt die Beklagte allein.
II.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit 2x
- BGB § 313 Störung der Geschäftsgrundlage 3x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 134 Gesetzliches Verbot 4x
- BGB § 275 Ausschluss der Leistungspflicht 1x
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 4x