Urteil vom Landgericht Hamburg (24. Zivilkammer) - 324 O 291/15

Tenor

I. Der Beklagten wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, die Ordnungshaft zu verstrecken an ihrem Vorstand),

untersagt,

in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen:

1. Wir fragten bei der Zürcher Körpersprache-Expertin T. S. (42, „D. h. K. d. S.“, www. t..de) nach, wie sein Auftreten bei der Siegerehrung zu beurteilen ist. ‚Der junge M. S. wirkt schüchtern, zurückhaltend und in sich gekehrt. So sehen Sieger eher nicht aus‘.“

2. „Und woran lässt sich das genau festmachen? ‚Die Hände hält er während der gesamten Siegerehrung hinter dem Rücken. Bei der Blumen- und Urkundeüberreichung nutzt er diese als Schutz beziehungsweise Abgrenzung‘.“

3. „Ist dieser 15-Jährige trotz seines ersten großen Erfolges mit seinen Gedanken etwa woanders? Vielleicht sogar bei seinem Vater, ...“

so wie dies unter http://www.b..de/....html unter der Überschrift „M. S.: Er wirkt schüchtern, in sich gekehrt“ geschehen ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.141,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2015 zu zahlen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu I. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages

Beschluss:

Der Gegenstandswert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der am … 1999 geborene Kläger ist der Sohn von M1 S.. Er begann seine Motorsportkarriere im Jahre 2008 im Kart-Sport. 2013 und 2014 belegte er jeweils den 3. Platz in der Deutschen Junioren-Kartmeisterschaft. 2014 belegte er zudem in der Europa- und Weltmeisterschaft der Junioren den zweiten Platz. 2015 wechselte er in die „Formel 4“, eine vom ADAC veranstaltete kommerzielle Automobilrennserie, deren Rennen live auf dem Sender „Sport 1“ übertragen werden. Im April 2015 erzielte er dort seinen ersten Rennsieg. Anders als zuvor startet der Kläger in der Formel 4 unter seinem richtigen und vollen Namen.

2

Die Beklagte betreibt die Internetseite unter www.b..de. Dort erschien unter der URL http://www.b..de/....html am 24.09.2014 ein Beitrag mit der Überschrift „M. S. Er wirkt schüchtern, in sich gekehrt“, der sich mit einem Auftritt des Klägers bei einer Siegerehrung nach der Kart-Weltmeisterschaft der Junioren im französischen Essay beschäftigt und die streitgegenständlichen Aussagen enthält. Der Kläger ist dort Zweiter geworden, er war damals 15 Jahre alt. Der Beitrag ist mit einem Foto des Klägers, das ihn bei der Siegerehrung zeigt, versehen. Wegen der Einzelheiten der Berichterstattung wird auf Anlage K 1 Bezug genommen.

3

Der Kläger ließ die Beklagte unter dem 09.06.2014 wegen dieser Berichterstattung abmahnen, Anlage K 2. Die Beklagte erwiderte ablehnend unter dem 11.06.2014, Anlage K 3.

4

Die Beklagte hat Berichterstattungen über den Kläger als Anlage B 2 vorgelegt.

5

Die Klage ist der Beklagten am 09.10.2015 zugestellt worden.

6

Der Kläger trägt vor,
die Äußerungen seien rechtswidrig. Er könne selbst entscheiden, ob und inwieweit sich Dritte seine Persönlichkeit verfügbar machen dürften. Das Lebensschutzbild gelte insbesondere auch in Bezug auf das Charakterbild. Er müsse nicht hinnehmen, dass ein Bild über die innere Persönlichkeitsstruktur und das Seelenleben gezeichnet werde. Die in Rede stehenden Darstellungen vermeintlicher Charaktereigenschaften und Seelenzustände seien dem Kernbestand der Privatsphäre zugehörig.

7

Es sei bei der Abwägung im Rahmen einer Berichterstattung über minderjährige Kinder prominenter Eltern zunächst zu berücksichtigen, dass er ein 15-jähriger Junge und noch Schüler sei. Er habe ein schützenswertes Interesse daran, frei vor einer psychologisierenden Berichterstattung und frei von einer analytischen Betrachtung seiner Körpersprache ungestört aufwachsen zu dürfen. Der Schutz der Persönlichkeit wiege umso höher, je geringer der Informationswert der Veröffentlichung sei. Gehe es um spekulative Rückschlüsse aus der Körperhaltung auf seine Charaktereigenschaften und sein Seelen- und Gefühlsleben könne nicht von einem berechtigten Informationsinteresse ausgegangen werden. Es gehe hier nicht lediglich um seinen Auftritt bei der Siegerehrung, sondern die Siegerehrung diene als Aufhänger für eine unzulässige pseudowissenschaftliche Charakterstudie.

8

Er beantragt:

9

I. Der Beklagten wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem Vorstand, für jede Fall der Zuwiderhandlung – untersagt, in Bezug auf den Kläger zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen:

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1. Wir fragten bei der Zürcher Körpersprache-Expertin T. S. (42, „D. h. K. d. S.“, www. t..de) nach, wie sein Auftreten bei der Siegerehrung zu beurteilen ist. ‚Der junge M. S. wirkt schüchtern, zurückhaltend und in sich gekehrt. So sehen Sieger eher nicht aus‘.“

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2. „Und woran lässt sich das genau festmachen? ‚Die Hände hält er während der gesamten Siegerehrung hinter dem Rücken. Bei der Blumen- und Urkundeüberreichung nutzt er diese als Schutz beziehungsweise Abgrenzung‘.“

12

3. „Ist dieser 15-Jährige trotz seines ersten großen Erfolges mit seinen Gedanken etwa woanders? Vielleicht sogar bei seinem Vater, ...“

13

so wie dies unter http://www.b..de/....html unter der Überschrift „M. S.: Er wirkt schüchtern, in sich gekehrt“ geschehen ist.

14

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.141,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

17

Sie trägt vor,
als jüngster Spross der Rennfahrerfamilie S. lenke der Kläger ein Medieninteresse auf die Rennveranstaltungen, das ihnen sonst nicht zuteil geworden wäre. Er stelle sich mit Unterstützung seiner Berater auf das Interesse an seiner Person professionell ein.

18

Der Kläger sei kein schutzloses Kind, das nur aufgrund seiner prominenten Verwandtschaft in den Fokus der Medien geraten sei. Er sei ein prominenter Nachwuchssportler, der sich über viele Jahre schrittweise immer stärker im Rennbetrieb etabliert habe und inzwischen auf einer Ebene angekommen sei, die man nur als kommerziell und professionell bezeichnen könne. Sein Auftreten in diesem Sport sei eingebettet in eine professionelle Medienstrategie, wie die Beteiligung von Frau K. zeige.

19

Es handele sich bei der Formel 4 nicht um die Bundesjugendspiele. Die Teilnahme des Klägers habe aufgrund seines prominenten Namens einen großen wirtschaftlichen Wert für Veranstalter und Teambesitzer. Dadurch, dass der Kläger nunmehr unter seinem richtigen Namen antrete, werde deutlich, dass er sich auf diese Mechanismen bewusst eingelassen habe.

20

Es bestehe kein Zweifel, dass über die Rennteilnahme des Klägers und seinen Auftritt bei der Siegerehrung berichtet werde dürfe. Bei einem Sportler gehöre die Frage, ob er als „Siegertyp“ rüberkomme, zweifelsfrei zu den naheliegenden Erörterungsgegenständen. Es gebe keinen Sportreporter, der nicht auch Signale der Körpersprache aufnehmen und deuten würde.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Klage ist auch in der Sache begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.

23

Die Verbreitung der in Rede stehenden Äußerungen stellt einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers dar.

24

Der Kläger wird einer Körpersprachenanalyse unterzogen, die seine inneren Gedanken, Gefühle und Einstellungen anhand seiner nach außen hin sichtbaren Körperhaltung ergründen soll. Zwar befasst sich die Berichterstattung mit der Teilnahme des Klägers an einem Sportereignis und seiner Platzierung als Zweiter. Insoweit berührt die Berichterstattung die Sozialsphäre des Klägers. In den streitbefangenen Äußerungen geht es jedoch nicht um das Sportereignis oder eine Bewertung der Leistung des Klägers, sondern um dessen Gedankenwelt und dies auch im Hinblick auf seinen - in der Öffentlichkeit sehr bekannten - Vater, in dessen Fußstapfen als Rennfahrer zu treten der Kläger sich anschickt. So heißt es am Ende des ersten Absatzes der Berichterstattung:

25

„[...] Eine unglaubliche Leistung - auch in Anbetracht der Tatsache, was er und seine Familie zuletzt alles durchmachen mussten ...“

26

Es ist im Wege einer Abwägung zwischen den Persönlichkeitsbelangen des Klägers einerseits und der durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Presse- und Meinungsfreiheit der Beklagten andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welcher Rechtsposition der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BGH, NJW 2004, 762, 763 f.). Die danach vorzunehmende Abwägung fällt zu Gunsten des Klägers aus.

27

1. Die Äußerung,

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Der junge M. S. wirkt schüchtern, zurückhaltend und in sich gekehrt. So sehen Sieger eher nicht aus‘,

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beschreibt mögliche persönliche Charakterzüge des Klägers bzw. seine situationsspezifischen Reaktionen, die auch Vorgänge aus der inneren Gefühls- und Gedankenwelt betreffen. Jene Meinungsäußerungen enthalten spekulative persönlichkeitsbezogene Informationen, die sich auf die weitere Entwicklung des Klägers auswirken können (s. auch zu Horoskopen BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. Juli 2003 - 1 BvR 1964/00 -, juris Rn. 9). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Spekulationen zutreffend sind oder nicht. Der Eingriff wiegt im vorliegenden Fall schwer, da die Gestik des Klägers durch die als „Körpersprachen-Expertin“ vorgestellte T. S. gedeutet wurde, wodurch dem Leser zum einen eine objektive Richtigkeit dieser Deutungen suggeriert wird. Durch die vom Leser angenommene Expertise der Expertin erhalten die Äußerungen gerade ein besonderes Gewicht. Zum anderen wird der Kläger hierdurch Objekt einer psychologisierenden Betrachtung. Für den Kläger erwächst hieraus die Gefahr, zukünftig nicht mehr unbefangen in der Öffentlichkeit auftreten zu können, da durch die Berichterstattung zugleich bestimmte Verhaltenserwartungen ausgedrückt werden, wie der Kläger sich jedenfalls nicht zu verhalten habe, wenn er „als Siegertyp“ gelten möchte. Es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob durch eine Berichterstattung unterstellt wird, es handele sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht um einen „Siegertyp“, oder ob diese Darstellung - wie hier - mit vermeintlichen objektiven Belegen unterfüttert wird.

30

Anders als in dem von der Beklagten geschilderten Sachverhalt handelt es sich nicht lediglich um einen Sportreporter, der die Signale der Körpersprache aufgenommen und gedeutet hat; ein solcher Vergleich scheidet daher aus. Die beanstandeten Charakterisierungen bleiben auch nicht, wie die Beklagte meint, an der Oberfläche. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn die Deutung sich auf die konkrete, womöglich für den Kläger neue Situation bezogen hätte, nunmehr aufgrund seiner Leistungen und der Internationalität des Wettbewerbs „im Rampenlicht“ zu stehen, dies gegebenenfalls auch in vergleichender Darstellung zu seinem Vater. Die gebotene kontextbezogene Betrachtung, bei der die in der Berichterstattung in Bezug genommene schwierige familiäre Situation ausdrücklich thematisiert wird, führt gerade dazu, dass die Deutungen nicht bloß im Hinblick auf die Rennsituation erfolgen. Insoweit unterscheidet sich die hier gebotene Abwägung auch von der seitens der Beklagten herangezogenen Teilzurückweisungsentscheidung der Kammer zum Aktenzeichen 324 O 235/15. Dort hat die Kammer Kriterien aufgestellt, wann eine die Person beschreibende und sein Verhalten bewertende Berichterstattung zulässig ist, wenn und soweit sich diese im Kern mit der sportlichen Leistung der Person auseinandersetzt:

31

Für die umstrittene Beschreibung des Antragstellers bietet das Rennen, welches Gegenstand der Berichterstattung ist, hinreichende Anknüpfungspunkte.

32

Sein Auftritt bei der Siegerehrung und seiner Äußerungen in diesem Zusammenhang können als bescheiden gewertet werden, da auch ein anderer Auftritt vorstellbar ist, (...).

33

Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung insbesondere, dass die Äußerungen im Zusammenhang mit einem öffentlichen Auftritt des Antragstellers stehen. (...)

34

Die Kammer verkennt zwar nicht, dass vorrangig aufgrund der überragenden Bekanntheit des Vaters des Antragstellers dieser im Blickpunkt des Interesses bei einem solchen Rennen steht. Zu berücksichtigen ist auch, dass jugendliche Alter des Antragstellers. Aber so wie der Antragsteller Vorteile aufgrund dieses Verhältnisses genießen dürfte, die ihm möglicherweise auch bei seinem Fortkommen im sog. Rennzirkus helfen, sind hiermit verbundene Nachteile wie ein erhöhtes öffentliches Interesse wegen der Parallelität der Lebensläufe hinzunehmen, wenn nicht das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers überwiegt (s. auch BGH, NJW 2013, 2890). Letzteres mag möglicherweise bei einer Berichterstattung der Fall sein, die eine Art Psychogramm des Antragstellers darstellt. Die hier umstrittene Äußerung überschreitet diese Grenze jedoch nicht.

35

Anders als in jenem Verfahren ist vorliegend das Rennen an sich nicht der Kern der Berichterstattung. Es kommt daher nicht darauf an, ob hier die von der Kammer aufgezeigte Grenze zu einem „Psychogramm“ bereits überschritten wurde. Vorliegend ist Kern der Berichterstattung die Person des Klägers und die Interpretation seines Verhaltens, wohingegen das Rennen selbst nur den Aufhänger der Berichterstattung über seine Person bildet.

36

Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen sind schließlich auch das Lebensalter des Klägers einerseits und seine Teilnahme an einer durchaus professionellen und wirtschaftlich bedeutsamen Sportveranstaltung andererseits zu berücksichtigen. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Berichterstattung im September 2014 15 Jahre alt, er ist nunmehr gerade 17 Jahre alt. Selbst wenn im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen wäre, ist zugrunde zulegen, dass der Kläger noch nicht volljährig ist und deshalb in seinem Recht auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit einen auf seine Entwicklung abgestimmten Schutz erfährt. Zwar rückt er durch seine Teilnahme an Sportveranstaltungen in den Blick der Öffentlichkeit, jedoch muss - um den kindlichen Schutz nicht völlig leerlaufen zu lassen - das öffentliche Interesse an der hier gegenständliche Deutung seiner Persönlichkeit anhand seines Verhaltens bei der Siegerehrung unter Zuhilfenahme einer „Körpersprache-Expertin“ zurücktreten, da die vorliegende Berichterstattung die Gefahr der Beeinflussung zukünftiger Verhaltensweisen des sich noch in der Entwicklung befindlichen jugendlichen Klägers bei öffentlichen Auftritten in sich birgt und geeignet ist, auch sein Kommunikationsverhalten zu beeinflussen.

37

2. Entsprechend verhält es sich bei den weiter angegriffenen Äußerungen,

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‚Die Hände hält er während der gesamten Siegerehrung hinter dem Rücken. Bei der Blumen- und Urkundeüberreichung nutzt er diese als Schutz beziehungsweise Abgrenzung‘.

39

Auch insoweit birgt die Berichterstattung die Gefahr, dass der Kläger bei künftigen Auftritten in der Öffentlichkeit dieser nicht mehr unbefangen gegenübertreten, sondern sich genötigt fühlen kann, genau auf eine vermeintlich der Situation „angemessene“ Gestik und Mimik zu achten. Auch hier überwiegt daher das Recht des Klägers das Berichterstattungsinteresse der Beklagten.

40

3. Schließlich ist auch die Äußerung,

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„Ist dieser 15-Jährige trotz seines ersten großen Erfolges mit seinen Gedanken etwa woanders? Vielleicht sogar bei seinem Vater, ...“

42

im Kontext der Berichterstattung rechtswidrig und damit zu untersagen. Die Äußerung stellt ebenfalls Spekulationen auf, und zwar, ob der Kläger „bei der Sache“, mithin im „hier und jetzt“ ist, oder sich gedanklich bei seinem Vater befindet. Dies betrifft innere Vorgänge des Klägers, die sein Verhältnis zu seinem Vater berühren. Es kann im Ergebnis jedoch dahinstehen, ob hierdurch thematisch bereits der stärker geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung tangiert ist.

43

Die danach vorzunehmende Abwägung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Klägers überwiegt. Die Äußerung ist im Kontext der gesamten Berichterstattung zu bewerten, in der es unmittelbar vorangehend um die Deutungen der Gestik und Körperhaltung des Klägers geht. Die sich anschließende, in Ziffer 3. angegriffene Äußerung stellt für den Leser den Versuch einer Erklärung für das vermeintlich auffällige, einem „Siegertypen“ nicht entsprechende Verhalten des Klägers bei der Siegerehrung dar, ohne dass die Beklagte hierfür irgendwelche Anknüpfungspunkte vorträgt. Es mag zwar naheliegen zu vermuten, dass der Kläger gerade auch bei Siegerehrungen im Rennsport an seinen Vater denkt, der bekanntermaßen in seiner aktiven Zeit als Rennfahrer sehr häufig auf dem Siegerpodest stand. Hier wird dieser Gedanke jedoch nicht als bloße Frage formuliert, sondern als Erklärung angeboten für das vermeintlich nicht siegerkonforme Verhalten des Klägers. In der Abwägung wirkt sich insoweit zugunsten des Klägers aus, dass er auch in Zukunft damit rechnen müsste, bei gleichartigen öffentlichen Auftritten mit ähnlichen Fragen konfrontiert zu werden, was letztlich auch unter Berücksichtigung seines Alters und dem Recht auf ungestörte Entwicklung dazu führen kann, dass er nicht in gleicher Weise wie andere junge Rennfahrer - selbst wenn sie prominente Eltern haben - in der Öffentlichkeit auftreten kann.

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4. Dem Kläger steht demgemäß auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Kosten für die Abmahnung vom 09.06.2015 gemäß Anlage K 2 zu. Ausgehend von einem angemessenen Gegenstandswert von 30.000,00 Euro und der geltend gemachten 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale ergibt sich der geltend gemachte Betrag von 1.141,90 Euro. Der Zinsanspruch hat seine Grundlage in §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

46

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

47

Der Streitwertbeschluss hat seine Grundlage in § 3 ZPO.

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