Urteil vom Landgericht Hamburg (27. Zivilkammer) - 327 O 514/15
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Europäischen Union für Würzmittel, insbesondere Brühwürfel, die Bezeichnung
M.
zu benutzen, insbesondere derartige Waren unter dieser Bezeichnung einzuführen, auszuführen, anzubieten, zu bewerben, in den Verkehr zu bringen und/oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, sofern es sich nicht nachweislich um Waren handelt, die durch die Klägerin oder mit deren Zustimmung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und/oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind.
2. Der Beklagte wird verurteilt, der Vernichtung der 150 Kartons mit Brühwürfeln zuzustimmen, für welche vom Hauptzollamt H.-H., Zollamt W. am 19. November 2015 (Az. D...9) die Aussetzung der Überlassung angeordnet wurde.
3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der vorstehend unter Ziff. 1) bezeichneten Handlungen, und zwar durch Übergabe eines geordneten Verzeichnisses nebst Kopien der fraglichen Rechnungen, Lieferscheine und sonstigen Belege, aus dem sich Folgendes ergibt:
a) die Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren;
b) die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie die Preise, die dafür bezahlt wurden;
c) die mit dem Vertrieb der Waren erzielten Umsätze (in Euro und Stückzahlen) und Gewinne;
d) die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Verbreitungsgebieten und -zeiten.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den in Ziff. 1) bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
5. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist für Klägerin aus den Ziff. 1), 3) und 5) vorläufig vollstreckbar, aus Ziff. 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 175.000,00 EUR, aus Ziff. 3) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 EUR und aus Ziff. 5) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
7. Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten unionsmarkenrechtliche Unterlassungs- und Annexansprüche aufgrund einer an den Beklagten gerichteten und von dem Hauptzollamt H.-H. angehaltenen Lieferung sog. „M.-Brühwürfel“ geltend.
- 2
Die Klägerin ist Inhaberin der Unionswortmarke „M.“ mit einer Priorität vom 23.10.2003, die für Waren in den Klassen 29 und 30 Schutz genießt (Anlage K 1; im Folgenden die „Klagemarke“).
- 3
Der Beklagte betreibt einen Groß- und Einzelhandel für orientalische Lebensmittel, Haushaltsartikel, Geschenkartikel und Wasserpfeifen in Gelsenkirchen sowie zu diesem Zweck die Webseite „www. c..de“ (Anlage K 3).
- 4
Am 19.11.2015 hielt das Hauptzollamt H.-H. an den Beklagten gerichtete Ware gemäß Art. 17 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 608/2013 an. Ausweislich der Mitteilung des Hauptzollamtes H.-H. an die Klägerin über die Anhaltung dieser Waren handelte es sich bei der Lieferung um 86.400 „M.-Brühwürfel“ und war Versenderin ein Unternehmen mit Sitz in B. (L.). Als Ursprungsland der Ware ist in der Mitteilung Ä. und als Herkunftsland der Ware der L. angegeben (Anlage K 4). Die Anhaltung der Waren erfolgte aufgrund des Verdachtes einer Markenverletzung. In Anlage K 5 legt die Klägerin Lichtbilder von Proben der angehaltenen Ware vor.
- 5
Ausweislich des von der Klägerin in Anlage K 6 vorgelegten Schreibens des Hauptzollamtes H.-H. an die für die Klägerin insoweit tätigen Rechtsanwälte G. pp. vom 09.12.2015 widersprach der Beklagte der Vernichtung der angehaltenen Waren.
- 6
Wegen des Widerspruches des Beklagten gegen die Vernichtung der angehaltenen Ware erhob die Klägerin die vorliegende Klage.
- 7
Die Klägerin ist der Auffassung, es liege eine Markenverletzung gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a) und b) UMV, hilfsweise eine Lauterkeitsrechtsverletzung (§ 8 Abs. 1 UWG i. V. m. § 5 Abs. 2 UWG), durch den Beklagten vor. Die von ihr, der Klägerin, geltend gemachten Folgeansprüche folgten aus den Art. 14, 101 UMV i. V. m. den §§ 14 Abs. 6, 18 Abs. 1, 19 f. und 125b Nr. 2 MarkenG.
- 8
Die Klägerin beantragt - nach einer Einschränkung des Klageantrages zu Ziff. 2 durch die Herausnahme der Worte „und die damit im Zusammenhang stehenden Kosten zu tragen“ aus diesem -,
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wie erkannt.
- 10
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 12
Der Beklagte behauptet unter Vorlage zweier Schreiben, die jeweils vom 01.12.2015 datieren und eine „No. 3...1“ aufweisen, bei den angehaltenen und an ihn gerichteten Brühwürfeln handele es sich um „Originalprodukte der Klägerin aus dem Werk in Ä.“, die er, der Beklagte, „ordnungsgemäß über die Firma A. aus dem L. bezogen“ habe, wobei ihm versichert worden sei, „dass dies Originalprodukte [seien]“.
- 13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
- 14
Die Klage ist zulässig und begründet.
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1. Das angerufene Gericht ist gemäß § 32 ZPO i. V. m. den Art. 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 lit. a) UMV international und örtlich zuständig, wobei die Reichweite der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch den von der Klägerin geltend gemachten unionsweiten Unterlassungsanspruch umfasst.
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2. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus Art. 9 Abs. 1 lit. a) UMV.
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a) Die Verletzungshandlung des Beklagten ist eine Einfuhr im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. c) UMV.
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b) Es besteht Doppelidentität. Der Beklagte hat ein mit der Klagemarke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit solchen identisch sind, für die die Klagemarke eingetragen ist. Der Schutz der Klagemarke in der Warenklasse 30 umfasst auch Brühwürfel.
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c) Soweit sich der Beklagte darauf berufen hat, bei den angehaltenen und für ihn bestimmten Brühwürfeln habe es sich um „Originalprodukte der Klägerin aus dem Werk in Ä.“ gehandelt, die er „ordnungsgemäß über die Firma A. aus dem L. bezogen“ habe, erfüllt dieser Vortrag die Tatbestandsvoraussetzungen des Erschöpfungseinwandes nach Art. 13 UMV nicht. Zum einen lassen die von dem Beklagten vorgelegten Schreiben einen Bezug der in diesen enthaltenen Aussagen zu den von dem Hauptzollamt H.-H. angehaltenen Waren nicht erkennen und im Übrigen fehlt es gänzlich an Vortrag des Beklagten dazu, dass die - unstreitig aus Ä. bzw. dem L., nicht aber aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union stammenden - angehaltenen Waren unter der Klagemarke von der Klägerin oder mit deren Zustimmung in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht worden wären.
- 20
3. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zur Vernichtung der angehaltenen Ware folgt aus den Art. 14 Abs. 2, 101 UMV i. V. m. § 18 Abs. 1 MarkenG.
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4. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten folgen aus den Art. 14, 101 UMV i. V. m. den §§ 14 Abs. 6, 19 f., 125b Nr. 2 MarkenG und § 242 BGB.
- 22
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Klägerin in ihrem Klageantrag zu Ziff. 2 den Teilantrag „und die damit im Zusammenhang stehenden Kosten zu tragen“ zurückgenommen hat, hatte es sich hierbei um eine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung gehandelt, die keine höheren Kosten veranlasst hat.
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6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätzen 1 und 2 ZPO.
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7. Die Streitwertfestsetzung ist gemäß § 3 Halbsatz 1 ZPO erfolgt.
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Referenzen
- § 5 Abs. 2 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- MarkenG § 14 Ausschließliches Recht des Inhabers einer Marke, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch 2x
- MarkenG § 125b Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes 2x
- MarkenG § 18 Vernichtungs- und Rückrufansprüche 2x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- §§ 14 Abs. 6, 19 f., 125b Nr. 2 MarkenG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung 1x
- § 8 Abs. 1 UWG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- ZPO § 313 Form und Inhalt des Urteils 1x
- §§ 14 Abs. 6, 18 Abs. 1, 19 f. und 125b Nr. 2 MarkenG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x