Beschluss vom Landgericht Hamburg (26. Zivilkammer) - 326 T 36/15

Tenor

1. Die sofortigen Beschwerden des Schuldners gegen die Beschlüsse des Amtsgericht Hamburg vom 11.02.2015 und vom 17.09.2015, Az. 68c IK 975/11, werden zurückgewiesen.

2. Der dem Schuldner monatlich zu belassene pfändungsfreie Betrag wird auf 3.529,52 CHF festgesetzt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen.

Gründe

I.

1

Über das Vermögen des Schuldners wurde am 13.1.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 4.10.2013 wurde das Verfahren aufgehoben. Der Schuldner befindet sich in der Restschuldbefreiungsphase.

2

Mit Schreiben vom 4.8.2013 beantragte der Schuldner die Erhöhung der Pfändungsgrenze gemäß § 850 f ZPO, da er ein neues Arbeitsverhältnis in Z., S. aufnehme und dort höhere Lebenshaltungskosten bestünden. Der Schuldner ergänzte seinen Antrag mit Schreiben vom 21.10.2013, auf das Bezug genommen wird. Da sich in der Folgezeit angesichts der wirtschaftlichen Situation des Schuldners eine Pfändbarkeit von Einkommensteilen nicht ergab, sah das Amtsgericht Hamburg im allgemeinen Einverständnis im Dezember 2013 von einer förmlichen Entscheidung ab.

3

Am 16.3.2014 beantragte der Schuldner erneut eine weitere Erhöhung des unpfändbaren Betrages, da er sich in einer tiefenpsychologischen Psychotherapie befinde, arbeitsunfähig sei und seine Behandlung bezahlen müsse. Ab 1.4.2014 habe er eine neue Arbeitsstelle mit 80-prozentigem Arbeitsumfang. Im ergänzenden Schreiben vom 20.4.2014 stellte er eine Berechnung seiner monatlichen Kosten auf und beantragte darauf bezogen eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages auf 3.823,37 CHF. Seitdem behält der Schuldner im Rahmen seiner Zahlungen an den Treuhänder, dem eine Pfändung des in der Schweiz erzielten Einkommens nicht möglich ist, jeweils diesen Betrag ein. Mit Schreiben vom 9.2.2015 übersandte der Schuldner weitere Belege für seinen Antrag.

4

Der Treuhänder hält in Anerkennung der in der Schweiz geltenden höheren Lebenshaltungskosten eine Summe von 3.000 CHF als angemessenen unpfändbaren Betrag.

5

Mit Beschluss vom 11.2.2015 wies das Amtsgericht den Antrag des Schuldners zurück, ohne einen pfändungsfreien Betrag festzusetzen. Der Beschluss ging dem Schuldner am 2.3.2015 zu. Hiergegen legt er sofortige Beschwerde ein, die am 4.3.2015 bei Gericht einging und 20.3.2015 begründet wurde. Hierin verweist der Schuldner auf seine Anträge/Schreiben vom 21.10.2013, 16.4.2014 und 20.04.2014 und beantragt die Erhöhung des unpfändbaren Betrages auf 3.803,13 CHF.

6

Mit Schreiben vom 9.5.2015 ergänzte er seine Anträge nochmals und teilte mit, eine neue Wohnung bezogen zu haben. Auf Grund seines Mehrbedarfes beantragt er die Erhöhung des unpfändbaren Betrages auf die Höhe von 4.017,85 CHF; hierfür wird auf Bl. 139 d.A. Bezug genommen.

7

Mit Beschluss vom 17.9.2015 wies das Amtsgericht auch diesen Antrag des Schuldners zurück. Der Beschluss wurde am 6.10.2015 an den Schuldner versandt. Am 8.10.2015 übersandte der Schuldner seinen neuen Wohnungsmietvertrag, nachdem die aktuell zu zahlende Miete 1.580,00 CHF beträgt. Mit Schreiben vom 21.10.2015, eingegangen am 27.10.2015, sowie Schreiben vom 1.3.2016 nahm der Schuldner weiter Stellung.

II.

8

Die sofortigen Beschwerden und als solche auszulegenden schriftsätzlichen Eingaben des Schuldners sind zulässig, aber unbegründet.

1.

9

Die sofortigen Beschwerden des Schuldners sind gemäß §§ 4 InsO, 793 ZPO statthaft. Der Rechtsmittelzug richtet sich nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, wenn das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 09. März 2006 – IX ZB 119/04 –, Rn. 3, juris). Das war hier der Fall. Der Streit zwischen Schuldner und Treuhänder über die Festsetzung des unpfändbaren Betrages des Einkommens des Schuldners ist unter Anwendung einer Vorschrift des Zwangsvollstreckungsrechts (§ 850a ZPO) zu beurteilen. Gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3, § 36 Abs. 4 InsO ist für die Entscheidung dieser Frage wie in den Fällen des § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht zuständig.

2.

10

Die erste hier noch gegenständliche, gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 11.2.2015 gerichtete Beschwerde vom 4.3.2015/20.3.2015 ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Beschlusszustellung eingereicht worden und damit zulässig. Sie ist aber unbegründet. Denn der Schuldner hat inhaltlich nichts anderes begehrt, als das, was ihm faktisch bereits durchgehend gewährt wurde. Zwar hat das Amtsgericht formell seinen Antrag auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrages zurückgewiesen. Dieser Beschluss war aber – ebenso wie der zu Grunde liegende Antrag – substanzlos; denn tatsächlich hat der Schuldner die von ihm begehrte Freisumme von 3.803,13 CHF unbeanstandet bereits seit längerem auch einbehalten; das Amtsgericht hat einen niedrigen Betrag nicht festgesetzt. Da er durch die amtsgerichtliche Entscheidung vom 11.2.2015 also in der Sache nicht beschwert wurde, sind sein Antrag und seine Beschwerde nicht begründet.

3.

11

Soweit der Schuldner mit Schreiben vom 9.5.2015 eine weitere Erhöhung des unpfändbaren Betrages auf 4.017,85 CHF beantragt hat, hat das Amtsgericht dies mit Beschluss vom 17.9.2015 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

12

Der Beschluss wurde am 6.10.2015 bei der Post aufgegeben worden und gilt gemäß § 8 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 184 ZPO damit als am 20.10.2015 dem Schuldner zugestellt. Seine Schreiben vom 8.10.2015 und vom 21.10.2015 werden als – fristgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde gewertet. Diese ist zulässig, aber wiederum unbegründet.

13

Selbst wenn man die im Vergleich zu Deutschland deutlich höheren Lebenshaltungskosten der Schweiz zu Gunsten des Schuldners zu Grunde legt und die von ihm dargelegten besonderen Bedürfnisse berücksichtigt, so stellt sich die von ihm begehrte Summe von 4.017,85 CHF als nicht im Einklang mit den an einen Schuldner im Restschuldbefreiungsverfahren zu stellenden Anforderungen dar.

14

Bei der Ermittlung des dem Schuldner zu belassenen pfändungsfreien Betrages, der bislang nicht festgesetzt wurde, ist angesichts des Auslandsbezuges eine schematische Anwendung der §§ 850 c ff. ZPO nicht geboten. Aus den in der Akte enthaltenen Unterlagen, die die Situation in der Schweiz berücksichtigen, insbesondere der Existenzminimumberechnung der Stadt Z. vom 10.10.2013, ergibt sich in Abweichung der vom Schuldner im Schreiben vom 9.5.2015 erstellten Auflistung seiner Kosten aber folgendes:

15

Mietkosten für einen Einpersonenhaushalt können nur bis zu einer Höhe von 1.100 CHF zugestanden werden. Die geltend gemachten Kosten für TV/Internet, Mieterverein, Sportstudio, besondere Ernährung, neue Möbel und „Freizeitausgleich“ sind ebenfalls als vom monatlichen Grundbedarf mitumfasst anzusehen und daher nicht hinzuzusetzen, so dass nach der Berechnung des Schuldners unter Abzug dieser Positionen ein Freibetrag von 3.149,52 CHF verbliebe. Das Gericht hält allerdings angesichts des schwierigen Wohnungsmarktes in Z., dessen Preise seit 2013 noch deutlich gestiegen sein dürften, und der aus der Akte ersichtlichen schwierigen Gesamtsituation des Schuldners einen weiteren Umzug für nicht zweckdienlich, so dass die geltend gemachten Mietkosten angesetzt werden können.

16

Damit ist dem Schuldner ein pfändungsfreier Betrag in Höhe von 3.529,52 CHF monatlich zu belassen.

3.

17

Die Kosten des Verfahrens waren niederzuschlagen. Zwar waren die amtsgerichtlichen Beschlüsse nicht aufzuheben, weil diese im Ergebnis jedenfalls nicht falsch waren. Es fehlte ihnen indessen am wesentlichen Inhalt, weil das Amtsgericht es versäumt hat, den dem Schuldner zu belassenen pfändungsfreien Betrag festzusetzen und sich mit der Berechnung seines Lebensunterhaltes auseinander zu setzen. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit durfte sich der Schuldner, der bis dato den abzuführenden Betrag selbst bestimmt hat, veranlasst sehen, das Beschwerdeverfahren zu betreiben. Damit wäre es unbillig, ihn mit den Kosten des Verfahrens zu belasten.

18

Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 574 Absatz 2, 3 ZPO nicht zuzulassen.

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