Urteil vom Landgericht Hamburg - 313 O 379/16

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.660,43 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.1.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger macht gesellschaftsrechtliche Ansprüche auf Aufwendungsersatz geltend.

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Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Sie ist seit September 1993 Eigentümerin einer Immobilie in der S.str. ... in B.. Der Ankauf und die Errichtung der Immobilie wurden von der Rechtsvorgängerin der S. Bank AG durch Ausreichung entsprechender Darlehen an die Beklagte fremdfinanziert. Der Kläger ist Kommanditist der Beklagten mit einer Beteiligung von 60.000,00 DM. Der Kläger erhielt in der Folgezeit Ausschüttungen von der Beklagten.

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Nach Auslaufen des Ursprungsmietvertrages für die Fondsimmobilie konnte das von der Beklagten bei der S. Bank AG aufgenommene Darlehen nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden. Indessen stundete die S. Bank AG zunächst, d.h. bis zum 1.3.2010, aufgrund eines „Stillhalteabkommens“ vollständig ihre Forderungen aus dem Kreditvertrag. Zum 1.3.2010 erfolgte dann eine Teil-Fälligstellung der Zinsansprüche aus dem Kreditvertrag.

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Die S. Bank AG wandte sich in der Folge an die Kommanditisten der Beklagten und verlangte von diesen unter Berufung auf § 172 Abs.4 HGB Zahlungen auf die Verbindlichkeiten der Beklagten aus dem Kreditvertrag, insbesondere im Hinblick auf die von der Beklagten an ihre Kommanditisten geleisteten Ausschüttungen, welche nach Auffassung der S. Bank zum Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung geführt hätten. U.a. wurde auch der Kläger in Anspruch genommen. Die S. Bank AG bot den Kommanditisten der Beklagten eine Freistellungsvereinbarung an, wonach die Kommanditisten einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen über die Beklagte an die S. Bank AG zurückzahlen sollten und die S. Bank AG im Gegenzug auf weitergehende Direktansprüche gegen die Kommanditisten verzichten würde. Der Kläger lehnte dieses Angebot auf Abschluss einer Freistellungsvereinbarung ab. Die S. Bank AG verklagte daraufhin den Kläger vor dem LG Münster auf Zahlung des auch im hiesigen Verfahren gegenständlichen Betrages (Az. 14 O 307/11). Nachdem der Bundesgerichtshof in einem Parallelverfahren gegen einen anderen Anleger der Beklagten mit Entscheidung vom 8.10.2013 (Az. II ZR 310/12) im Sinne der S. Bank AG entschieden hatte, leistete der Kläger im November 2013 eine Zahlung in Höhe von 10.660,43 € an die S. Bank AG, woraufhin die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärten und das Landgericht Münster entsprechend der Einigung der Parteien die Kosten des Rechtsstreits mit Beschluss vom 29.1.2014 dem hiesigen Kläger auferlegte.

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Zwischenzeitlich hatte die Beklagte am 20.12.2013 ein notarielles Kaufangebot der N. V. Holding GmbH & Co. KG vom 28.4.2004 über den Erwerb der Fondsimmobilie zu einem Kaufpreis von 30 Mio € durch entsprechende notariell beurkundete Annahmeerklärung angenommen. Die N. V. Holding GmbH & Co. KG erkannte die Wirksamkeit des Kaufvertragsschlusses indessen nicht an, so dass eine Veräußerung der Fondsimmobilie in diese Richtung letztlich nicht erfolgte. In einer Gesellschafterversammlung der Beklagten am 4.9.2016 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten mit einer Mehrheit von 91,97 % der abgegebenen Stimmen, den Kaufvertrag mit der N. V. Holding GmbH & Co. KG aufzuheben und stimmten mit einer Mehrheit von 79,78 % der vertretenen Stimmen dem Verkauf der Fondsimmobilie zu. Der Kläger stimmte hierbei gegen die Veräußerung. Das Protokoll der Gesellschafterversammlung (Anl. B 4) wurde dem Kläger im April 2017 übermittelt (Anlage B 3).

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Die Beklagte führte im Anschluss an die Versammlung vom 4.9.2016 Verhandlungen über einen Verkauf der Fondsimmobilie, die indessen noch nicht abgeschlossen sind. Die Fondsimmobilie ist derzeit vermietet, so dass die Beklagte aus der Vermietung Mieterlöse generiert.

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Der Kläger macht geltend, er könne in Anwendung von § 110 HGB Ersatz der im November 2013 an die S. Bank AG in Höhe des Klagbetrages geleisteten Zahlung verlangen. Er habe insoweit ein Sonderopfer gegenüber der Gesellschaft erbracht, weil er gezahlt habe, ohne rechtlich gegenüber der Beklagten im Innenverhältnis hierzu verpflichtet gewesen zu sein. § 3 Nr.7 des Gesellschaftsvertrages (Anlage B 1) schließe im Innenverhältnis nämlich eine Rückgewährpflicht bezüglich der von den Kommanditisten erhaltenen Ausschüttungen aus.

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Der Kläger macht ferner geltend, er sei auch nicht etwa aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht an der Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs gehindert. Aufgrund des Wertes der Immobilie und der laufend generierten Mieteinnahmen führe die Befriedigung seiner Ansprüche durch die Beklagte nicht zu einer signifikanten Vermögensverschlechterung. Überdies agiere die Geschäftsführung der Beklagten letztlich alleine im Interesse der S. Bank AG. Es gehe ihr lediglich darum, dass die S. Bank AG den von ihr ausgereichten Darlehensvertrag weitestgehend ausgeglichen erhalte, während die Anleger ihr gesamtes eingesetztes Kapital verlören. Zu diesem Zwecke zögere die Beklagte ihre eigene Insolvenz hinaus. Wegen des diesbezüglichen Klägervorbringens wird auf die Seiten 9 ff. der Replik vom 6.4.2017 (Bl. 41 ff. d.A.) Bezug genommen.

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Der Kläger beantragt,

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die beklagte Partei zu verurteilen, an den Kläger 10.660,43 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte macht geltend, die vom Kläger im November 2013 erbrachte Zahlung sei kein Sonderopfer i.S.d. § 110 HGB. Der Kläger habe seinerzeit nicht im Gesellschaftsinteresse gehandelt, sondern zu dem einzigen Zweck, der gegen ihn anhängigen Klage der S. Bank AG die Grundlage zu entziehen.

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Die Beklagte macht weiter geltend, dass ein etwaiger Anspruch nach § 110 HGB jedenfalls nicht fällig sei. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht des Klägers gebiete es, dass dieser nicht durch die aktuelle Forderung die geordnete Abwicklung der Gesellschaft gefährde. Die Beklagte behauptet, sie benötige noch Zeit für die freihändige Veräußerung der Fondsimmobilie. Zu diesem Zweck sei sie auf das Stillhalten der S. Bank AG angewiesen. Dieses Stillhalten wiederum hänge davon ab, dass die laufenden Erlöse aus der Fondsimmobilie weiter an die S. Bank AG flössen und nicht an die Kommanditisten ausgereicht würden.

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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Parteivorbringens auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.

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I. Dem Kläger steht gemäß §§ 161 Abs.2, 110 HGB ein fälliger Zahlungsanspruch in der ausge- urteilten Höhe wegen der im November 2013 an die S. Bank geleisteten Zahlung zu.

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1. Der Kläger hat mit der Zahlung ein „Sonderopfer“ für die Gesellschaft i.S.d. § 110 HGB erbracht. Insoweit ist es ausreichend, dass der Kläger im Innenverhältnis zur Beklagten nicht verpflichtet war, die von der Beklagten erhaltenen Ausschüttungen zu erstatten. Diese Einordnung entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgericht für den hier gegenständlichen Fonds (vgl. Hans. OLG, Beschluss vom 13.8.2015, Az. 11 U 25/15, BeckRS 2016, 10161), welche vom BGH nicht beanstandet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.4.2016, Az. II ZR 276/15, BeckRS 2016, 10111, sowie BGH, Beschluss vom 25.7.2017, Az. II ZR 227/16). Insbesondere schadet demnach die Zahlung unter dem Druck des laufenden Klagverfahrens der Einordnung als „Sonderopfer“ nicht.

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2. Es besteht auch kein Anlass, dem Kläger die Durchsetzung des Anspruchs aus § 110 HGB derzeit zu verwehren. Den Kläger treffen gegenüber der Beklagten keine diesbezüglichen Treuepflichten. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat insoweit ausdrücklich darauf abgestellt, dass eine Liquidation der Beklagten bislang nicht beschlossen worden ist (vgl. Hans OLG, a.a.O., Tz.13). Zwar ist seit Abfassung dieses Beschlusses am 4.9.2016 eine Gesellschafterversamm- lung durchgeführt worden. In dieser ist auch eine Zustimmung zur Veräußerung der Fondsimmobilie beschlossen worden. Indessen trägt auch die Beklagte nicht vor, dass eine Liquidation beschlossen worden wäre. Die Argumentation des 11. Zivilsenats des Hans. OLG trägt also nach wie vor. Dementsprechend hat auch der BGH in seiner jüngsten Entscheidung vom 25.7.2017 (Az. II ZR 227/16) keinen Anlass gesehen, die obergerichtliche Entscheidung zu korrigieren.

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3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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