Urteil vom Landgericht Hamburg - 323 S 34/16

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 04.03.2016, Az.: 4 C 300/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 04.03.2016 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 04.03.2016 (Az.: 4 C 300/15) Bezug genommen.

2

Der Kläger macht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall einen Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht geltend.

3

Der Kläger wurde von der Fahrzeugeigentümerin mit der Erstellung eines Schadensgutachtens hinsichtlich des Pkw Renault Limousine mit dem amtlichen Kennzeichen ... beauftragt, der am 22.12.2014 bei einem Verkehrsunfall in H. beschädigt worden war. Eine Honorarvereinbarung wurde nicht getroffen. Die Beklagte ist als Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeugs in voller Höhe für die eingetretenen Schäden einstandspflichtig.

4

Die geschädigte Eigentümerin des Pkw Renault trat am 19.01.2015 ihren Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Kläger ab (Anlage K 1). Das Schadensgutachten wurde von dem Kläger am 20.01.2015 erstattet, wobei er Netto-Reparaturkosten von 3.516,19 €, einen Wiederbeschaffungswert von 1.100,00 € sowie einen Restwert von 30,00 € ermittelte (Anlage K 2).

5

Der Kläger rechnete gegenüber der Fahrzeugeigentümerin einen Brutto-Betrag von 542,16 € ab (Anlage K 3). Davon entfielen im Einzelnen netto

6

- 298,00 €

auf das Grundhonorar

- 16,50 €

auf die EDV-Abrufgebühr

- 18,00 €

auf Nebenkosten/Porto/Telefon

- 25,00 €

auf die Position Restwertbörse

- 22,40 €

auf acht Fotos zu je 2,80 €

- 43,20 €

auf Fahrtkosten (40 km x 1,08 €)

- 32,50 €

auf Schreibgebühren (13 Seiten x 2,50 €).

7

Die Beklagte leistete auf die Sachverständigenkosten vorgerichtlich eine Zahlung in Höhe von 428,40 €.

8

Der Kläger hat in erster Instanz geltend gemacht, der Geschädigte genüge seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe bereits durch die Vorlage der Rechnung. Abzüge könnten nur dann vorgenommen werden, wenn eine Überhöhung der Gebührenrechnung für den Geschädigten bei subjektiver Betrachtungsweise erkennbar sei.

9

Die abgerechnete Vergütung sei auch hinsichtlich der abgerechneten Nebenpositionen auf der Grundlage der BVSK-Honorarbefragung 2013 (Anlage K 4) als üblich einzustufen.

10

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrages von 113,76 € zuzüglich Zinsen zu verurteilen.

11

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

12

Sie hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Die Abtretungserklärung sei zu unbestimmt und umfasse nur das Grundhonorar, nicht aber die Nebenkosten. Sie verstoße zudem gegen das Transparenzgebot.

13

Die Beklagte hat weiter bestritten, dass es sich bei den abgerechneten Nebenkosten um eine übliche Vergütung handele.

14

Es ist bestritten worden, dass angesichts der digitalen Fertigung Kosten für die Entwicklung von Fotos angefallen seien. Diese seien auch grundsätzlich neben der Grundgebühr nicht gesondert abrechnungsfähig.

15

Es ist weiter bestritten worden, dass die Fahrtkosten angefallen sind. Zudem hätte die Geschädigte im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht selbst das Sachverständigenbüro aufsuchen müssen.

16

Die Schreibgebühren seien bereits mit dem Grundhonorar abgegolten und zudem überhöht. Das Gutachten enthalte überdies nur vier beschriebene Textseiten.

17

Die Entstehung einer EDV-Abrufgebühr ist bestritten worden, diese sei mit der Grundgebühr abgegolten.

18

Die Kosten für die Restwertbörse seien mit der Grundgebühr abgegolten.

19

Die Nebenkosten von 18,00 € seien überhöht.

20

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 04.03.2016, dem Klägervertreter zugestellt am 09.03.2016, der Klage in Höhe einer Teilforderung von 30,23 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Gesamthonorar von brutto 458,63 € zu.

21

Es hat zur Begründung ausgeführt, dass für die Berechnung der Vergütung aufgrund einer fehlenden Honorarvereinbarung die Honorartabelle der BVSK-Honorarbefragung 2015 maßgeblich sei, wobei auf den Mittelwert des HB-V-Korridors abzustellen sei.

22

Der Kläger hat mit am 11.04.2016 eingegangenem Schriftsatz gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt und diese mit am 09.06.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

23

Der Kläger macht mit der Berufung geltend, die BVSK-Befragung 2015 habe zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung noch nicht vorgelegen und könne daher nicht herangezogen werden. Zudem sei nicht der Mittelwert der ausgewiesen Korridore maßgeblich, da diese insgesamt den üblichen Rahmen wiederspiegelten.

24

Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz,

25

unter Abänderung des am 04.03.2016 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Hamburg - Az. 4 C 300/15 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 83,53 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

29

Die durch das Amtsgericht zugelassene Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

30

Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe eines Betrages von 83,53 € zu Recht abgewiesen, da der Geschädigten insofern kein Anspruch aus §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG zustand, den sie gemäß § 398 BGB an den Kläger hätte abtreten können.

31

Der Kläger hat aus abgetretenem Recht keinen über den in erster Instanz zugesprochenen Betrag hinausgehenden Anspruch auf Erstattung der Kosten des von der Geschädigten beauftragten Sachverständigengutachtens.

32

Jedenfalls wird nämlich ein zu ersetzender Betrag von brutto 458,63 € unter Berücksichtigung des von dem Kläger abgerechneten Grundhonorars in Höhe von 298,00 € und der erstattungsfähigen Nebenkosten nicht überschritten.

1.

33

Hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers bestehen keine Zweifel. Die Abtretungserklärung der Geschädigten vom 19.01.2015 ist hinreichend bestimmt und bezieht sich eindeutig auf den gesamten Rechnungsbetrag inklusive Nebenkosten (Anlage K 1, Bl. 5 d. A.).

2.

34

Der Geschädigte kann lediglich die für die Einholung eines Sachverständigengutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten ersetzt verlangen, deren Höhe gemäß § 287 ZPO zu bemessen ist. Denn gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen.

35

Im Fall einer Preisvereinbarung kann der Geschädigte Ersatz in Höhe der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei Vornahme einer gewissen Plausibilitätskontrolle beim Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht waren (BGH VersR 2016, 1133; VersR 2018, 240).

36

Fehlt es an einer - wirksamen und plausiblen - Honorarvereinbarung stellt die übliche Vergütung eines Kraftfahrzeugsachverständigen i. S. d. § 632 Abs. 2 BGB den für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen Aufwand dar (BGH VersR 2017, 636).

37

Im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO kann der von dem Sachverständigen erstellten Rechnung allenfalls dann eine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten zukommen, wenn der Geschädigte - anders als im vorliegenden Fall - die Rechnung bezahlt hat (vgl. BGH VersR 2014, 1141; VersR 2016, 1133; VersR 2018, 240).

38

Im Übrigen ist die Höhe der erforderlichen Kosten auf der Grundlage einer geeigneten Schätzgrundlage zu ermitteln.

39

Dabei kann hinsichtlich des in Ansatz zu bringenden Grundhonorars insbesondere auf Honorarumfragen von Verbänden freier Kraftfahrzeugsachverständiger zurückgegriffen werden, wie etwa die Umfrage des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen BVSK (BGH VersR 2017, 1220).

40

Sachgerecht erscheint es, für die Schätzung des üblichen Grundhonorars auf den in der zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags maßgeblichen BVSK-Honorarbefragung aufgeführten Mittelwert des sogenannten HB-V-Korridors abzustellen, da es sich um den Durchschnittswert eines Honorarbereiches handelt, in dem die Mehrzahl der befragten Sachverständigen die Grundvergütung für ihre Tätigkeit abrechnet.

41

Demgegenüber können Nebenkosten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur in einem solchen Umfang in Ansatz werden, in dem mit den einzelnen Positionen tatsächlich entstandene Aufwendungen des Sachverständigenbüros verlangt werden (BGH VersR 2018, 240). Da der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung sogar solche Nebenkosten als für einen durchschnittlichen Erwachsenen erkennbar überhöht bewertet hat, die teilweise unterhalb der in der BVSK-Honorarbefragung 2013 ermittelten Durchschnittswerte bzw. in der BVSK-Honorarbefragung 2015 vorgegebenen Nebenkosten lagen, erscheinen diese Befragungen insoweit als Schätzgrundlage entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Kammer nicht mehr geeignet. Vielmehr sind zur Schätzung - ungeachtet der Unterschiede zwischen der privatrechtlichen Beauftragung und der gerichtlichen Bestellung eines Sachverständigen - die Regelungen des JVEG heranzuziehen, welche auf einer umfangreichen Ermittlung der durch eine Sachverständigentätigkeit tatsächlich entstehenden Aufwendungen beruhen (vgl. BGH VersR 2016, 1133; VersR 2018, 240).

3.

42

Danach können vorliegend neben dem von dem Kläger abgerechneten Grundhonorar in Höhe von netto 298,00 € die geltend gemachten Nebenkostenpositionen in folgendem Umfang erstattet verlangt werden:

43

- 12,00 € für Fahrtkosten (40 km x 0,30 €, vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG)
- 16,00 € für acht Fotos zu je 2,00 € (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG)
- 10,80 € für Schreibgebühren (12 x 0,90 €, vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 JVEG), wobei die Anzahl der Anschläge für die neun Textseiten auf durchschnittlich 1.200 und für die Fotodokumentation auf insgesamt 500 geschätzt wird.

44

Nicht abrechenbar ist eine Nebenkostenpauschale von 18,00 €, da es sich um übliche Gemeinkosten des Sachverständigen handelt, die mit dem Grundhonorar abgegolten sind (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 JVEG).

45

Dahinstehen kann, ob vorliegend Kosten von 16,50 € für eine EDV-Abrufgebühr und von 25,00 € für die Ermittlung des Restwerts tatsächlich angefallen und ob diese als üblicher Aufwand bereits mit dem Grundhonorar abgegolten (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 JVEG) sind oder aber notwendige besondere Kosten darstellen, die gesondert berechnet werden können (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG).

4.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

47

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Der Bundesgerichtshof hat in den zitierten Entscheidungen - insbesondere zuletzt im Urteil vom 24.10.2017, Az.: VI ZR 61/17 = VersR 2018, 240 - konkrete Vorgaben zur schadensersatzrechtlichen Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten aufgestellt, die mit dem vorliegenden Urteil umgesetzt werden.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen