Beschluss vom Landgericht Hamburg (17. Kammer) - 417 HKO 74/17

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Fa. E. AG vom 10.10.17 wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten hat die Antragsgegnerin zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert wird auf € 50.000.- festgesetzt.

Gründe

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1. Der Antragssteller begehrt mit seinem Antrag die Feststellung, dass die Zusammensetzung des bei der Antragsgegnerin bestehenden Aufsichtsrates unrichtig sei.

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Die Antragsgegnerin eine in der Biotechnologie tätige Aktengesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in H. (Handelsregister beim Amtsgericht H., HRB... ). Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin ist derzeit mit insgesamt sechs Mitgliedern besetzt, wie es sich aus § 8 Abs. 1 der Satzung der Antragsgegnerin in der Fassung vom 20. Juni 2017 ergibt.

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Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin. Er vertritt die Auffassung, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin unzutreffend zusammengesetzt sei, da er den Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes widerspreche. Der Aufsichtsrat müsse zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden und zwölf Personen umfassen, da der Konzern weltweit mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftige, §§ 1, 5 MitbestG.

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Seine Forderung gegenüber dem Vorstand der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 lehnte dieser mit der Begründung ab, die Antragsgegnerin beschäftige in Deutschland deutlich weniger als 2.000 Mitarbeiter und die Anzahl der in Tochterunternehmen im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer müssten unberücksichtigt bleiben.

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Die Antragsgegnerin teilt mit, sie beschäftige weltweit 2.178 Arbeitnehmer, davon 2.066 in EU-Ländern und davon insgesamt 508 in Deutschland, davon allerdings lediglich 355 bei der Antragsgegnerin selbst, der Rest in Tochtergesellschaften; mit diesen bestünden keine Gewinnabführungs- oder Beherrschungsverträge. Sie steht auf dem Standpunkt, dass die ausländischen Arbeitnehmer bei der Berechnung der Arbeitnehmer nicht mitzuzählen seien.

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2. Gemäß § 98 Abs. 1 AktG entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk eine Aktiengesellschaft ihren Sitz hat, nach welchen gesetzlichen Vorschriften ihr Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, wenn dies streitig oder ungewiss ist (sogenanntes Statusverfahren). Einen entsprechenden Antrag kann nach § 98 Abs. 2 Nr. 3 AktG jeder Aktionär stellen. Dies begründet die Antragsberechtigung des Antragstellers. Es gilt die Verfahrensordnung des FamFG (§ 99 Abs. 1 AktG). Zuständig sind die bei dem zuständigen Landgericht gebildeten Kammern für Handelssachen (§§ 95 II 2, 71 II 4b GVG)

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Vor den Kammern für Handelssachen des Landgerichts Hamburg sind weitere Verfahren des Antragstellers gegen weitere Aktiengesellschaften mit Sitz in H. anhängig. Das Gericht verwendet in Teilen die Gründe einer Entscheidung der Kammer 3 für Handelssachen vom 6.2.18 (403 HKO 130/17 –B. AG -), die sie für überzeugend hält.

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3. Der Antrag ist zulässig. Dem Antragsteller steht ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nicht richtig besetzt sei. Er ist als Aktionär der Antragsgegnerin gemäß § 98 Abs. 2 Nr. 3 AktG berechtigt, hierüber eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, ohne dass es darauf ankommt, ob er sich dabei von seinen Interessen als Anteilseigner der Antragsgegnerin leiten lässt oder ob es ihm in Wahrheit nur um die Bestätigung seiner Rechtsauffassung geht. Auch der Umstand, dass der Antragsteller Statusverfahren bei zahlreichen weiteren deutschen Aktiengesellschaften betreibt, führt nicht dazu, dass sein hiesiger Antrag als rechtsmissbräuchlich einzuordnen wäre. Der Antragsteller nimmt seine ihm von § 98 Abs. 2 Nr. 3 AktG eingeräumten Rechte wahr.

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4. Der Antrag ist jedoch nach seinem eigenen Vortrag und den nach § 26 FamFG von Amts wegen vorzunehmenden Ermittlungen der Kammer unbegründet.

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Die Antragsgegnerin fällt gemäß § 1 Abs. 1 MitbestG nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, weil sie eine Aktiengesellschaft ist, die in der Regel nicht mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei der Ermittlung, ob die unterschiedlichen Schwellenwerte des MitbestG erreicht werden, sind die Arbeitnehmer in ausländischen Betrieben von Niederlassungen und Tochtergesellschaften nicht mitzuzählen (herrschende Meinung, vgl. LG Düsseldorf, DB 1979, 1451, 1452; Koch in: Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 96 Rn. 4a; Gach in: MünchKomm-AktG, 4. Aufl., § 3 MitbestG Rn. 19; Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl., § 1 MitbestG Rn. 8; Giedinghausen/Kempermann, GmbHR 2015, R 162; Winter/Marx/De Decker, NZA 2015,1111, 1113; Kruchen AG 2017, 385, 387; Schubert, AG 2017, 369, 377; Wienbracke, NZA 2017, 1036, 1039; a.A. LG Frankfurt a.M., AG 2015, 371; Behme AG 2018, 1, 19).

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a) Dass es für die Anwendung die Schwellenwerte von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 MitbestG nur auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer ankommt, folgt aus § 3 Abs. 1 MitbestG. Danach sind Arbeitnehmer im Sinne des MitbestG die in § 5 Abs. 1 BetrVG bezeichneten Arbeitnehmer sowie die leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG unter Ausschluss der in § 5 Abs. 2 BetrVG genannten Personen. Für die betriebliche Mitbestimmung gilt jedoch seit jeher das Territorialitätsprinzip – die Vorschriften des BetrVG knüpfen also unabhängig vom Gesellschaftsstatut des Unternehmens ausschließlich an das Belegenheitsrecht des konkreten Betriebs an (BAG, NZA 1990, 658, 659 m.w.N.; BAGE 94, 144, juris-Rn. 28 m.w.N.; BAG, NZA 2008, 1248, 1249).

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Dies bedeutet, dass die Arbeitnehmer, die in ausländischen Betriebsstätten inländischer Unternehmen oder in ausländischen Betriebsstätten ausländischer Tochtergesellschaften beschäftigt werden, nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG erfasst werden und bei der Ermittlung, ob die Schwellenwerte des MitbestG überschritten wird, nicht mitzählen.

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b) Diese Auslegung entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers bei der Schaffung des MitbestG. So wurde im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum MitbestG 1976 festgehalten, dass im Ausschuss Einigkeit bestanden habe, dass sich der Gesetzesentwurf auf Unternehmen und Konzernobergesellschaften beschränke, die ihren Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes hätten; im Ausland gelegene Tochtergesellschaften zählten bei der Errechnung der maßgeblichen Arbeitnehmeranzahl nicht mit (vgl. BT-Drucksache 7/4845 S. 4). Diesem Verständnis ist der Gesetzgeber auch bei späteren Gesetzesvorhaben wie dem MoMiG unverändert treu geblieben. Das lässt sich beispielsweise dem Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG (BT-Drucksache 16/9737) entnehmen, wo zur Begründung der Beschlussempfehlung auf S. 54/55 ausgeführt wurde, dass es für die Mitbestimmung auf die Anzahl der Arbeitnehmer in Deutschland ankomme.

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Es kommt im Übrigen für die Auslegung anhand des Willens des Gesetzgebers nicht darauf an, ob das Territorialitätsprinzip tatsächlich dazu zwingt, die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer nicht mitzuzählen, wenn es darum geht, ob die Schwellenwerte des MitbestG erreicht werden.

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Zwar werden insbesondere in neuerer Zeit beachtliche Argumente dafür angeführt, dass die Einbeziehung der im Ausland beschäftigten Mitarbeiter in die deutschen Mitbestimmungsregeln nicht unbedingt einen Eingriff in die Souveränität oder Gesetzgebungskompetenz der betroffenen Beschäftigungsstaaten darstellen müsse (vgl. Rz. 91 ff. des Schlussantrags vom 04.05.2017 des Generalanwalts des EuGH in der Rechtssache C-566/15, BeckRS 2017,109457). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des MitbestG und bei späteren Gesetzesänderungen davon ausging, dass den von ihm geschaffenen Gesetzen zur unternehmensrechtlichen Mitbestimmung eine derartige räumliche Beschränkung immanent ist und er keine Einbeziehung ausländischer Belegschaften in den Anwendungsbereich – und sei es auch nur bei der Ermittlung der Schwellenwerte - beabsichtigte.

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c) Der Zweck des MitbestG spricht für keine andere Auslegung. Das MitbestG soll eine gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen bewirken, indem sich die Kontrollorgane der großen Unternehmen - die Aufsichtsräte - aus der gleichen Zahl von Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammensetzen (vgl. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucksache 7/4845 S.2). Für dieses Ziel ist es nicht maßgeblich, ob die Arbeitnehmer ausländischer Betriebsstätten oder im Ausland tätiger Tochtergesellschaften mitgezählt werden oder nicht. Die Vorgabe bestimmter Schwellenwerte ist vielmehr notwendig schematisierend. Aus der vom Gesetzgeber beabsichtigten paritätischen Partizipation der Arbeitnehmer an der Kontrolle großer Unternehmen lässt sich nichts dafür herleiten, ob nur die Anzahl der im Inland oder auch die der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer für das Erreichen der typisierend festgelegten gesetzlichen Kenngrößen entscheidend ist. Allerdings spricht der Umstand, dass die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer bei den Wahlen zum Aufsichtsrat de lege lata nicht wahlberechtigt sind, eher dafür, sie auch nicht bei der Zählung für die Schwellenwerte zu berücksichtigen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Berechtigung zum „Wählen“ und die Berücksichtigung beim „Zählen“ in dem hier relevanten Zusammenhang unterschiedlich geregelt werden sollte, auch wenn beides nicht zwingend aneinander gebunden werden muss. Jedenfalls unter dem Aspekt der von der unternehmensrechtlichen Mitbestimmung bezweckten Repräsentanz der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wäre es inkonsequent, die im Ausland beschäftigten Mitarbeiter für die Berechnung der Schwellenwerte heranzuziehen, um sie sodann von der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat auszuschließen.

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d) Eine Berücksichtigung der im Ausland tätigen Konzernarbeitnehmer bei der Berechnung der nach § 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 MitbestG maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer ist auch nicht aus Gründen des europäischen Rechts geboten.

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Allerdings betrifft die vom Antragsteller erwirkte und nach ihm benannte Entscheidung „Erzberger“ des EuGH (C-566/15 = NJW 2017, 2603) nicht unmittelbar die hier maßgebliche Rechtsfrage. Vielmehr ging es in jener Entscheidung darum, ob es gegen die Vorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstößt, wenn Regelungen eines EU-Mitgliedsstaats vorsehen, dass das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat nur den in diesem Mitgliedsstaat tätigen Arbeitnehmern zugebilligt wird und die in anderen Mitgliedsstaaten beschäftigten Konzernmitarbeiter hiervon ausgeschlossen bleiben. Diese Rechtsfrage wurde vom EuGH verneint; Art. 18 und Art. 45 des AEUV seien nicht verletzt.

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Die Grundsätze dieser Entscheidung sind jedoch auf die hier relevante „Zählfrage“ übertragbar. Diese Grundsätze ergeben, dass es auch nicht gegen EU-Recht verstößt, wenn bei der Anwendung eines nationalen Gesetzes zur unternehmensrechtlichen Mitbestimmung nur auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt wird. Das Unionsrecht hindert nämlich einen Mitgliedsstaat nicht daran, in dem bislang nicht harmonisierten Bereich der kollektiven Vertretung und Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen in den Leitungs- und Aufsichtsorgangen einer Gesellschaft nationalen Rechts vorzusehen, dass die von ihm erlassenen Vorschriften nur auf die Arbeitnehmer inländischer Betriebe Anwendung finden (EuGH, a.a.O., Rn. 37). Das bedeutet, dass es weder eine nach Art. 18 AEUV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit noch einen Verstoß gegen die in Art. 45 AEUV geregelte Freizügigkeit darstellt, wenn sich die für die unternehmensrechtliche Mitbestimmung entscheidenden Schwellenwerte allein nach der Anzahl der im Sitzstaat der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer richten.

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e) Schließlich folgt eine andere Auslegung von §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 MitbestG auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen.

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Dem vom Antragsteller eingereichten Rechtsgutachten kann nicht gefolgt werden, soweit darin angenommen wird, die Nichtberücksichtigung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer für die Berechnung der mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerte stelle eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Unternehmen dar. In diesem Zusammenhang wird nämlich übersehen, dass es der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nur gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfG, NVwZ 2004, 597, 602; BVerfG, NJW 2001, 1712). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (BVerfG, NJW 2001, 1712). Der Gesetzgeber verletzt jedoch dann das Gleichheitsgrundrecht, wenn er bei Regelungen, die unmittelbar oder mittelbar Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, NVwZ 2004, 597, 602; BVerfG, NJW 2000, 1855, 1856).

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Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG zu verneinen, wenn für das Erreichen der Schwellenwerte bei der paritätischen Mitbestimmung auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt wird. Es ist nämlich keineswegs willkürlich, sondern durch die Zwecke des MitbestG sachlich gerechtfertigt, nur die inländische Belegschaft in den Blick zu nehmen, wenn es darum geht, ob und wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nach mitbestimmungsrechtlichen Regeln paritätisch mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen ist.

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Wie bereits ausgeführt, orientiert sich das System der betrieblichen Mitbestimmung an den im Inland beschäftigten Arbeitnehmern. Auch wenn das Territorialitätsprinzip möglicherweise nicht dazu zwingt, gibt es für diese Differenzierung zwischen im Inland und im Ausland beschäftigter Belegschaft sachliche Gründe, die sie rechtfertigen. Denn die im Ausland gelegenen Betriebe und deren Arbeitnehmer unterliegen dem Recht des Belegenheitsstaats, welches häufig eigenständige Regelungen zur Mitbestimmung enthält. Eine zusätzliche Überstülpung deutscher betrieblicher Mitbestimmung könnte zu Friktionen mit dem Recht des Belegenheitsstaats führen. Jedenfalls aber würde sie dazu führen, dass die im Ausland gelegenen Betriebsstätten und die dort tätigen Tochtergesellschaften gegenüber anderen dort aktiven Gesellschaften einem erhöhten Bürokratieaufwand ausgesetzt wären, weil sie nicht nur die im Belegenheitsstaat geltenden arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Regularien beachten müssten, sondern auch noch die Vorgaben des deutschen Rechts zur betrieblichen Mitbestimmung. Dies nicht vorzusehen, ist eine willkürfreie und durch sachliche Gründe gerechtfertigte Entscheidung des Gesetzgebers. Dass hierdurch womöglich ein Anreiz geschaffen wird, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, ändert nichts an der sachlichen Rechtfertigung der Differenzierung.

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Diese Erwägungen zur betrieblichen Mitbestimmung gelten in gleicher Weise für die hier maßgebliche „Zählfrage“ im Hinblick auf die Schwellenwerte für die unternehmensrechtliche Mitbestimmung. Es stellt eine willkürfreie und durch sachliche Gründe gerechtfertigte Differenzierung bei der Anwendung von § 1 Abs. 1 MitbestG dar, wenn ein deutscher Konzern, der im Inland mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, in puncto unternehmensrechtliche Mitbestimmung anders behandelt wird als ein deutscher Konzern, der beispielsweise im Inland 1.000 Arbeitnehmer und mehr als 1.000 Arbeitnehmer in ausländischen Betriebstätten und/oder im Ausland tätigen Tochtergesellschaften beschäftigt. Es steht dem Gesetzgeber nämlich frei, das Einsetzen der inländischen unternehmensrechtlichen paritätischen Mitbestimmung an die Anzahl der Mitarbeiter im Inland zu koppeln, weil sie ein sachliches Kriterium dafür darstellt, inwieweit eine gewisse Bedeutung des Unternehmens für die in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmerschaft gegeben ist, ab der die Mitbestimmung greifen soll. Eine Unternehmensgruppe, welche einen Großteil ihrer Belegschaft im Ausland beschäftigt und im Inland den Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmern nicht erreicht, hat im Hinblick auf die Interessen der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer, die gegebenenfalls im Rahmen der unternehmerischen Mitbestimmung repräsentiert werden sollen, eine geringere Bedeutung als ein Unternehmen, welches im Inland über mehr als 2.000 Mitarbeiter verfügt. Es ist jedenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten, beide Gesellschaften im Hinblick auf die unternehmerische Mitbestimmung gleich zu behandeln.

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Gleiches gilt für die in diesem Verfahren interessierenden Schwellenwerte aus § 7 Abs. 1 MitbestG, die für die Größe des paritätisch zu besetzenden Aufsichtsrats maßgeblich sind. Auch hier kann die Ausgestaltung der unternehmensrechtlichen Mitbestimmung aus den angeführten Gründen an die Anzahl der von der Gesellschaft und ihren gegebenenfalls vorhandenen Konzernunternehmen im Inland beschäftigten Arbeitnehmer gebunden werden, ohne dass damit ein Verstoß gegen das Grundrecht der beteiligten Gesellschaften aus Art. 3 Abs. 1 GG verbunden wäre.

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5. Die Kostenentscheidung betreffend die Gerichtskosten beruht auf § 23 Nr. 10 GNotKG und § 99 VI AktG. Nach § 23 Nr. 10 GNotKG hat nicht der Antragsteller, sondern die Gesellschaft, also hier die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit nicht dem Antragsteller die Kosten auferlegt worden sind. Nach § 99 Abs. 6 AktG können die Kosten dem Antragsteller auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dies soll bei offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Anträgen der Fall sein (MüKoAktG-Habersack, § 99 AktG, Rn. 27 mwN.) und hat das Gericht in seinem Beschluss vom 17.11.17 für diesen Fall vertreten. An dieser Ansicht hält die Kammer nicht mehr fest, nachdem der Antragsteller ein umfangreiches Rechtsgutachten eingereicht hat; diesem Gutachten folgt die Kammer zwar nicht, jedoch erscheint der Kammer danach die vom Antragsteller vertretene Ansicht nicht mehr als offensichtlich unbegründet.

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Die Kostenentscheidung betreffend die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 99 VI 2 AktG.

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6. Die Bemessung des Streitwertes ergibt sich aus § § 75 GNotKG.

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7. Gegen diesen Beschluss ist für die in § 98 Abs. 2 AktG genannten Beteiligten die Beschwerde nach § 99 Abs. 3 AktG i.V.m. §§ 72 Abs.1 Satz 2, 74 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG statthaft.

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