Urteil vom Landgericht Hamburg (5. Zivilkammer) - 305 O 48/18

Tenor

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 29.01.2018, Az.: 17-3933416-0-6, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend.

2

Die Klägerin betrieb einen ambulanten Pflegedienst zur Kranken- und Altenpflege. Die geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin, Frau S. und Frau B., beabsichtigten, das Unternehmen zu veräußern. Die damalige Mitarbeiterin der Klägerin, die Beklagte, zeigte Interesse an einem Kauf. Ab Ende 2013 führten die Geschäftsführerinnen der Klägerin mit der Beklagten diesbezügliche Gespräche. Thema der Gespräche war zunächst eine Übernahme des gesamten Betriebs mit allen Mitarbeitern und Patienten, Büroausstattung und Kraftfahrzeugen und ein Weiterbetrieb am Standort der Klägerin. Im Mai 2014 kam es zu einem persönlichen Treffen zwischen den geschäftsführenden Gesellschafterinnen und der Beklagten im Café M. in H.. Der genaue Gesprächsinhalt bei diesem Treffen ist zwischen den Parteien streitig. Im August 2014 kam es schließlich zu Problemen zwischen den Pflegekassen und der Klägerin. Die geschäftsführenden Gesellschafterinnen beschlossen daher, den Betrieb des Pflegedienstes bereits zum 30.09.2014 einzustellen. Zum 06.10.2014 wurde der Versorgungsvertrag der Pflegekassen mit dem Pflegedienst der Klägerin gekündigt. Im September 2014 übernahm schließlich ein anderer Pflegedienst, der Pflegedienst „D. A.“, Patienten der Klägerin. Die genaue Zahl der übernommenen Patienten ist zwischen den Parteien streitig. Der Pflegedienst „D. A.“ bot den Patienten an, den Pflegevertrag unter den bestehenden Bedingungen neu mit dem Pflegedienst abzuschließen. Das Angebot zum Wechsel wurde von den meisten Patienten der Klägerin angenommen, jedoch nicht von allen. Die Beklagte wechselte ebenfalls als Mitarbeiterin zum Pflegedienst „D. A.“. Die Beklagte übernahm Patientenakten und Personalakten und brachte diese in den ambulanten Pflegedienst „D. A.“ mit ein. Die übernommenen Patienten wurden von den bisherigen Pflegekräften, die ebenfalls zu dem Pflegedienst „D. A.“ wechselten, weiter versorgt.

3

Nach etwa einem halben Jahr wechselte die Beklagte zu einem anderen Pflegedienst, den sie heute selbst betreibt. Patienten, die zu dem Pflegedienst „D. A.“ gewechselt sind, nahm die Beklagte auch zu diesem Pflegedienst mit, wobei die genaue Anzahl der Patienten auch hier streitig ist.

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Mit Schreiben vom 09.11.2015 wurde die Beklagte durch die Klägerin zur Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von € 250.000,00 unter Fristsetzung zum 09.12.2015 aufgefordert. Die Beklagte leistete keinerlei Zahlung.

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Die Klägerin behauptet, dass ein Kaufpreis von € 250.000,00 mit der Beklagten verbindlich vereinbart worden sei. Man habe sich im Mai 2014 im Café M. auf den Kaufpreis von € 250.000,00 für den Pflegedienst geeinigt. Im August 2014 sei es dann zu den Problemen mit den Pflegekassen gekommen und man habe dann die neue Situation mit der Beklagten besprochen. Diese sei weiterhin an einer Übernahme interessiert gewesen und habe nun nur noch die Patienten und die Mitarbeiter übernehmen wollen. Die Beklagte habe den Patientenstamm und die Arbeitsverhältnisse zu einem anderen Pflegedienst mitnehmen wollen, der abrechnen könne. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Kaufpreis von € 250.000,00 Bestand habe, dennoch wolle die Klägerin nicht mehr fordern als ihr unter Berücksichtigung dessen, was die Beklagte tatsächlich erhalten habe, angemessen erscheine. Der mit der Klage geltend gemachte Betrag belaufe sich daher auf das dreifache eines monatlichen Umsatzes, den die Beklagte mit den übernommenen Patienten erziele, nämlich einen Betrag von € 150.000,00. Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass, sollte sich ein Abschluss des Kaufvertrages nicht beweisen, sie einen Anspruch auf Schadensersatz habe. Die Beklagte hätte dann ihre Zahlungsbereitschaft vorgespiegelt und die Klägerin sei dadurch zur Übertragung des Patientenstammes veranlasst worden. Als Anspruchsgrundlage käme zudem ein Anspruch aus § 812 BGB in Betracht. Von der Beklagten seien sämtliche in der Liste der Anlage K 6 namentlich aufgeführten Patienten übernommen worden. Die Klägerin hätte bei anderweitiger Veräußerung einen Kaufpreis mindestens in Höhe des dreifachen des durchschnittlichen monatlichen Umsatzes, also mindestens in Höhe von € 150.000,00 erzielt. Die entsprechenden Einnahmen für die Monate Januar - August 2014 habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.10.2018 hinreichend dargelegt.

6

Gegen die Beklagte wurde am 29.01.2018 ein Vollstreckungsbescheid erlassen, nach dem diese verpflichtet ist, € 150.000,00 nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Insoweit wird ergänzend Bezug genommen auf den Vollstreckungsbescheid vom 29.01.2018 (vgl. Bl. 2 d. A.). Der Vollstreckungsbescheid wurde der Beklagten am 31.01.2018 zugestellt. Die Beklagte legte Widerspruch gegen den zuvor am 5.1.2018 erlassenen und der Beklagten am 9.1.2018 zugestellten Mahnbescheid ein. Der Widerspruch ging am 29.1.2018 bei Gericht ein und wurde als Einspruch gegen den am 29.1.2018 erlassenen Vollstreckungsbescheid behandelt.

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Die Klägerin beantragt,

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den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 29.01.2018, Az.: 17-3933416-0-6 aufrechtzuerhalten.

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Die Beklagte beantragt,

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den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte behauptet, dass es zu keiner Zeit zu einem Vertragsschluss zwischen den Parteien gekommen sei. Die Beklagte sei Pflegehelferin. Ihr sei es weder im Mai noch im Herbst 2014 möglich gewesen, den Pflegedienst zu übernehmen. Während der Monate Mai und September 2014 sei das Thema „Verkauf des Pflegedienstes“ gegenüber der Beklagten auch gar nicht mehr erwähnt worden. Ende September 2014 sei allen Mitarbeitern bewusst gewesen, dass der Pflegedienst aufgrund des gekündigten Versorgungsvertrages nicht mehr weiterbestehen würde. Es sei dann lediglich darum gegangen, die bislang von der Klägerin betreuten Patienten weiter zu versorgen, die sich schließlich bis dahin auf die Klägerin verlassen hätten. Der Pflegedienst „D. A.“ habe sich dann bereit erklärt, einzelne Patienten weiter zu versorgen und auch einzelne Mitarbeiterinnen des bisherigen Dienstes der Klägerin zu übernehmen. Es sei daher nur um die Verteilung der Patienten auf einen anderen Pflegedienst gegangen. Zu keiner Zeit sei ein Verkauf Gesprächsthema gewesen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018 und 24.05.2019 sowie die eingereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

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Etwaigen Sachvortrag im Schriftsatz der Beklagten vom 7.8.2019 hat das Gericht gemäß § 296a ZPO unberücksichtigt gelassen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

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Die Klage ist zulässig.

16

Der bei Gericht am 29.1.2018 eingegangen Widerspruch war als rechtzeitig erhobener Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zu behandeln (vgl. § 694 Abs. 2 ZPO).

II.

17

Die Klage ist jedoch unbegründet.

1.

18

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 Abs. 2 BGB. Die Klägerin hat auch nach entsprechendem Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018 nicht schlüssig zu den Voraussetzungen des Abschlusses eines Kaufvertrages vorgetragen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin sei die Übernahme des gesamten Pflegedienstes unter Fortführung des Betriebes nicht weiter mit der Beklagten verfolgt und besprochen worden, nachdem es im August 2014 zu Problemen mit den Pflegekassen kam und klar war, dass der Betrieb nicht fortgeführt werden kann. Die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen, dass mit der Beklagten dann eine Einigung über den Kauf der Patientenstruktur zu einem bestimmten Preis vereinbart sei. Die Klägerin stützt sich mit ihrem eigenen Vortrag allein auf eine behauptete Kaufpreisvereinbarung, die über die Gesamtübernahme des Betriebes im Mai 2014 erzielt worden sei und aufgrund derer nunmehr eine (geringere) Zahlung von 150.000,00 € auf Grundlage des dreifachen mit den Patienten erzielten Jahresumsatzes zu zahlen sei. Zu einer konkreten Kaufpreisvereinbarung für die Patientendaten trägt die Klägerin nichts weiter vor. Damit fehlt es an den wesentlichen Voraussetzungen (essentialia negotii) eines Kaufvertragsabschlusses.

2.

19

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten auch keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 BGB.

20

Es fehlt bereits an einem Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts der Klägerin. Die sog. Eingriffskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB gründet auf dem Eingriff eines Fremden in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Bereicherungsgläubiger vorbehalten ist, also auf der Verletzung einer fremden vermögensrechtlich nutzbaren Rechtsposition mit ausschließlichen Zuweisungsgehalt. Der Zuweisungsgehalt der geschützten Rechtsposition entspricht einem Verbotsanspruch des Rechtsinhabers, in dessen Macht es steht, die Nutzung des Rechtsguts einem sonst ausgeschlossenen Dritten zur wirtschaftlichen Verwertung zu überlassen. Der Eingriffskondiktion gem. § 812 Abs.1 Satz 1 Alt. 2 BGB unterliegt danach jeder vermögensrechtliche Vorteil, den der Erwerber nur unter Verletzung einer geschützten Rechtsposition und der alleinigen Verwertungsbefugnis des Rechtsinhabers erlangen konnte (BGH, Urt. v. 18. 1. 2012 − I ZR 187/10 - NJW 2012, 2034, Rn. 40).

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Unstreitig stellte die Klägerin ihren Pflegebetrieb bereits am 30.09.2014 ein. Zum 06.10.2014 wurde der Versorgungsvertrag der Pflegekassen mit dem Pflegedienst der Klägerin gekündigt. Die Einstellung des Betriebs erfolgte wegen Problemen der Klägerin mit den Pflegekassen, nicht in Erwartung einer Übernahme durch die Beklagte. Für den Patientenstamm der Klägerin bestand damit spätestens ab Ende September 2014 keine geschützte Rechtsposition. Im Gegenteil waren die Patienten unstreitig ab Oktober 2014 auf eine anderweitige Pflege angewiesen, da die Klägerin ihren Betrieb eingestellt hatte. Es bestand damit auch kein Verbot für einen anderen Pflegebetrieb mit den Patienten neue Pflegeverträge abzuschließen. Der bloße Umstand, dass die Beklagte über Kontakt zu den einzelnen von ihr zuvor im Rahmen ihrer Anstellung bei der Klägerin betreuten Patienten verfügte und diesen daher schnell eine anderweitige Fortsetzung der Betreuung anbieten konnte, führt zu keinem Eingriff in den ausschließlichen Zuweisungsgehalt einer geschützten Rechtsposition der Klägerin. Die Kenntnis und Kontaktmöglichkeit sind keine geschützten Rechtspositionen, auf die die Klägerin bereicherungsrechtliche Ansprüche stützen kann. Die Einzelübertragung von Patienten - außerhalb eines Unternehmenskaufs - wird zudem, wie sich auch aus dem eigenen von der Klägerin eingereichten Bewertungsgutachten ergibt (vgl. Anlage K 10), am Markt nicht praktiziert, da umfängliche vertrags- und strafrechtliche Probleme bestehen (insb. §§ 299a, 299b StGB). Auch hieraus ergibt sich das Fehlen einer dem ausschließlichen Zuweisungsgehalt der Klägerin zuzuordnenden Rechtsposition, in die die Beklagte hätte eingreifen können.

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Darüber hinaus fehlt es an hinreichendem Vortrag zu dem Umfang einer Bereicherung bei der Beklagten. Den Gläubiger trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und in welchem Umfang der Empfänger Nutzen gezogen bzw. Surrogate erlangt hat und wie viel diese wert sind (vgl. BGH, NJW 1990, 314, BGH NJW 1995, 2627).

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Vorliegend hat die Klägerin nach entsprechenden Hinweisen des Gerichts lediglich vorgetragen, dass die in der Anlage K 6 genannten 47 Patienten von der Beklagten übernommen worden seien. Weiterhin hat die Klägerin dargelegt, welche Umsätze sie im Jahre 2014 in den Monaten Januar - August mit diesen Patienten erzielt hat. Die Klägerin hat jedoch nichts dazu vorgetragen, welchen Nutzen die Beklagte gezogen bzw. welche Surrogate sie erlangt habe und wie viel diese wert seien.

3.

24

Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu. Ein Schadensersatzanspruch folgt nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Es liegt schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin keine Täuschung im Sinne des § 263 StGB vor. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass sich die Parteien nicht auf den Abschluss eines Kaufs des Kunden/Patientenstamms der Klägerin zu einem bestimmten Preis geeinigt haben. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen unter II.1. verwiesen. Die Beklagte konnte daher auch nicht ihre Zahlungsbereitschaft im Hinblick auf die Erfüllung eines Kaufpreises vorspiegeln.

III.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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