Urteil vom Landgericht Hamburg (11. Zivilkammer) - 311 S 2/19
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 19.12.2018, Az. 49 C 77/18 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 260,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
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Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 250,00 € aus §§ 556d Abs. 1 Satz 3 i.V.m. §§ 812 ff. BGB.
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Die Kammer folgt nicht der Auffassung des Amtsgerichts Hamburg-Mitte, wonach die Mietpreisbegrenzungsverordnung vom 23.06.2015, wie sie im amtlichen Anzeiger Nr. 69 vom 01.09.2017 von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen veröffentlicht wurde, wirksam ist. Eine ex-nunc Heilung der Mietpreisbegrenzungsverordnung durch eine nachgeschobene Veröffentlichung der Begründung kommt nicht in Betracht (vgl. Hinweis der Kammer vom 23.04.2019). Insoweit schließt sich die Kammer der Auffassung des Amtsgerichts Hamburg- Altona mit Urteil vom 02.10.2017 - 316 C 206/17 (Rn. 33 bei juris) an. Ebenso hat das Landgericht Frankfurt in seiner Entscheidung vom 27.03.2018 unter dem Geschäftszeichen 11 S 183/17 zur hessischen Mietpreisbegrenzungsverordnung ausgeführt, dass ein Begründungsmangel dazu führe, dass die Verordnung von Anfang rechtswidrig und damit unwirksam sei (Rn. 36 bei juris). Ein Mangel im Normsetzungsverfahren kann nicht rückwirkend geheilt werden. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17.07.2019 – VIII ZR 130/18 diese Auffassung des Landgerichts Frankfurt bestätigt (Rn. 38 bei juris).
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Der Bundesgerichtshof führt insoweit aus (a.a.O., Rn. 41 bei juris): „Da die Pflicht zur Begründung der Gebietsverordnung zwingender Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage des § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB ist und eine Rechtsverordnung zur Bestimmung von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt ohne öffentlich bekannt gemachte Begründung mit dem Wortlaut und Normzweck der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist, handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, deren Fehlen zur Nichtigkeit der Verordnung führt (zur grundsätzlichen Nichtigkeit fehlerhafter Rechtsverordnungen Maunz/Dürig/Remmert, aaO Rn. 137; Ossenbühl in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 3. Aufl. § 103 Rn. 79; Brenner in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 80 Rn. 82; Dreier/Bauer, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 80 Rn. 58).“
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Die Kammer verkennt nicht, dass der hier zu entscheidende Fall etwas anders gelagert ist. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs betraf die Frage, ob die hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2015 wirksam ist, obwohl eine Verordnungsbegründung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 27.11.2015 (noch) nicht vorlag. Die Begründung der Mietpreisbegrenzungsverordnung vom 23.06.2015 der Freien und Hansestadt Hamburg wurde zum 01.09.2017 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Beschlussfassung der Mietpreisbegrenzungsverordnung vom 22.06.2015 des Senats erfolgte mit der später veröffentlichten Begründung der Verordnung. Nach der Auffassung der Kammer führt allein der Umstand der nachträglichen Veröffentlichung der Verordnungsbegründung zur Unwirksamkeit der Mietpreisbegrenzungsverordnung.
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Zwar geht das Amtsgericht zur Recht davon aus, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 556d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB nicht verlange, dass die Verordnungsbegründung gemeinsam (in einem Dokument) mit dem Verordnungstext im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes verkündet wird, obgleich dafür Gründe der Rechtssicherheit sprechen (BGH, a.a.O. Rn. 36 bei juris). Daraus folgt aber nicht, dass die Begründung erst nach Erlass der Verordnung veröffentlicht werden darf. Denn der Bundesgesetzgeber hat durch die Normierung der Begründungspflicht einer Mietpreisbegrenzungsverordnung deutlich gemacht, dass die Begründungspflicht eine wesentliche Formvorschrift der Verordnung ist (vgl. hierzu auch S. 29, BT-Drs. 18/3121: „Die Sätze 5 bis 7 enthalten eine Begründungspflicht für die Rechtsverordnungen. Auf diese Weise sollen die Entscheidungen der Landesregierungen nachvollziehbar gemacht werden, insbesondere im Hinblick darauf, aufgrund welcher Tatsachen die Gebiete bestimmt wurden und welche Begleitmaßnahmen geplant sind, um die Anspannung der Wohnungsmärkte zu beseitigen.“). Die Begründungspflicht wäre zudem ohne Sinn, wenn die Begründung ein Internum der Landesregierung bleiben könnte (BGH, a.a.O., Rn. 35, bei juris). Hintergrund der Begründungspflicht ist, dass den verfassungsrechtlichen Maßstäben, insbesondere des Eigentumsschutzes, Art. 14 GG, ausreichend Rechnung getragen wird.
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Da die Begründungspflicht in § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB als Transparenzgebot bzw. -pflicht die Entscheidung der Landesregierungen nachvollziehbar machen soll (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 14.06.2018 – 333 S 28/17, NZM 2018, 745, Rn. 43), ist sie zugleich Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie soll dem Vermieter als Adressat der Verordnung die Möglichkeit geben, den einer Rechtfertigung unterliegenden Eingriff in sein Eigentumsrecht einerseits kontrollieren und anderseits auch nachvollziehen zu können. Der Verstoß gegen die Begründungspflicht und Veröffentlichungspflicht der untergesetzlichen Norm (Mietpreisbegrenzungsverordnung) ist nicht nur wegen Verstoßes gegen (höherrangiges) Bundesrecht nichtig, sondern auch wegen Verstoßes gegen Verfassungsgrundsätze. Eine rückwirkende Heilung einer nichtigen Norm kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Eine nachgeschobene Veröffentlichung kann ebenso wenig wie eine nachgeschobene Begründung die Verordnung heilen. Heilungsvorschriften wie §§ 45 Abs. 1 Nr. 2, 46 VwVfG sind nur auf Verwaltungsakte anwendbar.
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Aus diesen Überlegungen folgt auch, dass die Verordnungsbegründung als formale Anforderung an die Wirksamkeit der Verordnung zeitgleich mit dem Verordnungstext der Öffentlichkeit zugänglich zu machen ist. Dabei kann es dahinstehen, ob der Verordnungstext zumindest deutlich machen muss, dass es eine entsprechende Begründung der Landesregierung gibt und wo diese zu finden ist (BGH, a.a.O., Rn. 37 bei juris). Jedenfalls ist aber die Begründung der Öffentlichkeit in zumutbarer Weise an einer allgemeinen zugänglichen Stelle bekannt zu machen (vgl. BGH, a.a.O., Rn 32 bei juris). Aus diesem Grund ist der klägerische Vortrag mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20.08.2019, dass die Begründung der Verordnung am 23.06.2015 herausgegeben wurde, weil die BILD-Zeitung mit einem Artikel vom 24.06.2015 die Tabelle 4 der Verordnungsbegründung (Entwicklung der Angebotsmieten auf den Hamburger Teilmärkten 2007 bis 2014) auszugsweise abgedruckt habe, nicht entscheidungserheblich. Denn aus dem Protokoll der 9. Sitzung der Bürgerschaft der Freie und Hansestadt Hamburg vom 24.06.2015 ist zum Tagesordnungspunkt Mietpreisbremse festgehalten, dass nicht mal die Bürgerschaft das in der BILD-Zeitung zitierte Gutachten des Senats kenne (vgl. Anlage BB2). Von einer vollständigen Veröffentlichung der Verordnungsbegründung ist daher nicht auszugehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Referenzen
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- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- VIII ZR 130/18 1x (nicht zugeordnet)
- 316 C 206/17 1x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- ZPO § 313a Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen 1x
- 333 S 28/17 1x (nicht zugeordnet)
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