Urteil vom Landgericht Heidelberg - 2 O 450/09

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 84.148,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2009 aus 82.422,61 EUR sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2010 aus weiteren 1.725,44 EUR Zug um Zug gegen Abtretung von 80 Stück Schuldverschreibungen, begeben von der Lehman Brothers Holdings Inc., New York, Vereinigte Staaten von Amerika, aus der 4,75 % Anleihe, fällig 16. Januar 2014, ISIN XS0183944643, Common Code 018394464, WKN A0ABV8, im Nominalwert von insgesamt 80.000.--EUR, zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.999,32 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 11.11.2009 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 11.11.2009 mit der Entgegennahme von 80 Stück Schuldverschreibungen, begeben von der Lehman Brothers Holdings Inc., New York, Vereinigte Staaten von Amerika, aus der 4,75 % Anleihe, fällig 16.01.2014, ISIN XS0183944643, Common Code 018394464, WKN A0ABV8, im Nominalwert von insgesamt 80.000.-- EUR, im Annahmeverzug befindet.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung.
Die Klägerin hatte zu Beginn des Jahres 2007 aus einer fällig gewordenen Termingeldeinlage etwa 200.000.-- EUR, die bei der Beklagten angelegt waren. Die Klägerin ist alleinerziehende Mutter. Sie hat zwei minderjährige Kinder. Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge hatte sie einen Betrag von 200.000.-- EUR erlangt. Die Klägerin hat eine Haus- und Landwirtschaftslehre absolviert und sich nachträglich zur Buchhalterin qualifiziert. Dies ermöglicht ihr heute, für einen Lohnsteuerhilfeverein zu arbeiten.
Die Beklagte meldete sich bei der Klägerin zum Fälligkeitstermin und bot der Klägerin eine Beratung an. Nachdem die Klägerin zunächst erklärte, sie wolle das Geld wie bisher anlegen, wurde ihr gesagt, sie solle einen Beratungstermin wahrnehmen, da es lukrativere Formen der Geldanlage als die bisher von ihr gewählte Art gebe.
Ein erstes Gespräch fand am 5.2.2007 mit dem Zeugen B. statt. In diesem Gespräch erläuterte die Klägerin ihre Vorstellungen über die Verwendung des zur Verfügung stehenden Kapitals. Sie wies darauf hin, dass der Erhalt des Anlagekapitals Vorrang habe, dass sie das Geld möglicherweise kurzfristig für einen Immobilienerwerb benötige oder das Geld für die eigene Altersvorsorge bzw. für den schulischen Werdegang und den Berufseinstieg ihrer beiden minderjährigen Kinder benötige. Die Klägerin kam bei diesem Gespräch mit dem Zeugen B. überein, dass dieser ihr Anlagevorschläge in schriftlicher Form erstelle. Der Zeuge B. unterbreitete der Klägerin am 12.2.2007 einen schriftlichen Anlagevorschlag (Anlage K 1). Dort heißt es:
„Die Sicherheit bei einer Geldanlage ist Ihnen sehr wichtig. Trotzdem möchten Sie erfahren, unter welchen Bedingungen höhere Erträge zu erzielen sind“ (Anlage K 1, Seite 3 des Anlagenhefts).
Neben einer Inhaberschuldverschreibung der Beklagten und einem festverzinslichen Wertpapier der DZ-Bank empfahl der Zeuge B. als ein „weiteres festverzinsliches Wertpapier“ die Cobold 62-Anleihe. Dort heißt es:
„Die Rendite beträgt aktuell 4,17% bei einer Laufzeit bis 21.09.2010. Bei dieser Anlageform wird eine Verbindung zu Bankhäusern hergestellt. Diese sind: JP Morgan, Morgan Stanley, Merrill Lynch, Lehman Brothers und die Deutsche Bank. Sollte es bei einer der fünf Banken zu einem Kreditereignis kommen (d.h. die Bank kann ihre Schulden nicht mehr vertragsgemäß bedienen), so erhalten Sie statt den weiteren Zahlungen aus der Cobold-Anleihe festverzinsliche Wertpapiere der in Not geratenen Bank eingebucht. Alle Unternehmen verfügen zur Zeit über eine sehr gute Bonitätseinschätzung“ (Seite 5 des Anlagenhefts).
Der Zeuge B. empfahl des Weiteren ein Zertifikat (AKZENT Invest MaxiRend Bonus Control 3) als „sehr renditestarke Anlage“. In dem Schreiben vom 12.2. wird u.a. über dieses Zertifikat Folgendes ausgeführt:
„Sollte in der Zwischenzeit der EuroStoxx nicht mehr als - 35% (Sicherheitspuffer“ gefallen sein, so haben Sie bei der Anlage zum Laufzeitende eine Kapitalgarantie und erhalten am Laufzeitende einen Bonus von 40%. Wird hingegen während der Laufzeit der Sicherheitspuffer unterschritten, so erfolgt die Rückzahlung zum Indexstand, d.h. Sie haben ggfs. ein Verlustrisiko von Teilen Ihres Kapitals. Die Zinszahlungen erfolgen nach jetzigen Steuergesetzen steuerfrei. Details können Sie der beigefügten Produktinformation entnehmen“ (Seite 5 des Anlagenhefts). Ferner heißt es im vorletzten Satz des Schreibens: „Bei allen Anlagen können Sie im Notfall wieder kurzfristig über ihr Kapital verfügen“ (Seite 5 des Anlagenhefts).
10 
Am 01.03.2007 kam es zu einem weiteren Gespräch. Hier erfolgte die Dokumentation der Kundenangaben vom 01.03.2007 (Anlage K 2, Seite 9 - 11 des Anlagenhefts). Auf Seite 2 dieser Dokumentation sind im Bereich der Überschrift „Anlageziele“ die Felder „Langfristige Anlage“, „Steuersparende Anlagen“ sowie „Altersvorsorge“ angekreuzt. Ferner ist handschriftlich als sonstiges Anlageziel „Verfügbarkeit bei Immobilienkauf“ vermerkt. Unter der Überschrift „Risikobereitschaft“ ist die Kategorie „risikobereit“ angekreuzt. Risikobereit wird wie folgt umschrieben: „Sicherheit und Liquidität werden höherer Renditeerwartung untergeordnet, teilweise Toleranz gegenüber Kursschwankungen bei vorrangiger Substanzerhaltung. Langfristig rendite-/kursgewinnorientiert, kleiner Teil auch in Anlagen mit hohen Wertschwankungen“. Ferner unterzeichnete die Klägerin am 01.03.2007 die sogenannte Dokumentation des Gesprächs (K 3, Seite 13 - 15 des Anlagenhefts). Hier wurde unter der Rubrik „Rentenpapiere (Euro/Fremdwährung)“ angekreuzt, dass mit dem Kunden u.a. folgende Risiken besprochen worden sind: Bonitätsrisiko, Kursrisiko,/Volatilität, Totalverlust. Ferner wurde vermerkt, dass dem Kunden die Basisinformationen über die Vermögensanlage in Wertpapieren (Auflage Nr. 7, Mai 2005), die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte übergeben wurden.
11 
Die Klägerin erwarb am 01.03.2007 DZ-Bank Corporate Bond Linkes Debt (Cobold 62) 3,20 Anleihe, Teilschuldverschreibungen im Nominalwert von 80.000,00 EUR zum damaligen Gesamtpreis von 77.728,00 EUR zuzüglich Stückzinsen (Anlage K 4).
12 
Nach dem Erwerb der Teilschuldverschreibungen erhielt die Klägerin von der Beklagten eine Abrechnung über den getätigten Wertpapierkauf vom 01.03.2007 (Anlage K 6). Für das Jahr 2006/2007 erfolgte eine Zinszahlung in Höhe von 2.560.-- EUR an die Klägerin.
13 
Die Klägerin erfuhr am 22.08.2008 in einem persönlichen Gespräch mit dem Zeugen B. und Herrn G. von der Beklagten, dass die Cobold Anleihe faktisch wertlos sei. Mit Schreiben vom 06.11.2008 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass nach Feststellung der DZ-Bank AG bezüglich der Anleihe gemäß deren Mitteilung das Kreditereignis „Insolvenz“ im Hinblick auf das Referenzunternehmen Lehman Holdings Inc. eingetreten sei, was dazu führe, dass der Anspruch der Anleihegläubiger auf Zahlung weiterer Zinsen und auf Rückzahlung des Nominalkapitals am Endfälligkeitstag erlösche. Gemäß Andienungsmitteilung der Emittentin wird für jede im Depot befindliche Schuldverschreibung „Cobold 62“ im Nominalwert von 1.000.-- EUR eine Schuldverschreibung der Lehman Brothers Holdings Inc. mit demselben Nominalwert geliefert (vergl. Anlage K 9). Mit Schreiben vom 15.11.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Handel mit der Anleihe „Cobold 62“ mit Ablauf des 18.11.2008 eingestellt werde (Anlage K 10).
14 
Mit Abrechnung vom 25.11.2008 bestätigte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Einbuchung der gemäß der Andienungsmitteilung der DZ-Bank AG gelieferten Teilschuldverschreibungen aus der Anleihe 4,75 Lehman Brothers mit einem Nominalwert von 80.000.-- EUR und einem damaligen Kurswert von 6.040.-- EUR (Anlage K 11).
15 
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin verlangte mit Schreiben vom 29.10.2009 von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 82.422,61 EUR Zug um Zug gegen Übertragung der aufgrund des Andienungsrechts der DZ-Bank in das Depot gelangten Lehman-Papiere bis zum 10.11.2009 (Anlagen K 13 und K 14).
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 84.148,05 EUR.
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Sie verlangt den Kaufpreis in Höhe von 77.728,00 EUR für die Cobold 62 Anleihe sowie den Stückzinsaufschlag bei Erwerb in Höhe von 1.157,26 EUR. Ferner macht sie für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.12.2009 3,5% Jahreszins aus einem Betrag von 78.885,26 EUR geltend, insgesamt also 7.822,79 EUR. Hiervon zieht die Klägerin die erhaltenen Zinsen für das Jahr 2006/2007 in Höhe von 2.560,.-- EUR ab.
18 
Die Klägerin behauptet:
19 
Der Zeuge B. habe der Klägerin keine Anlage mit dem Risiko des Totalverlusts vorschlagen dürfen. Denn ihm sei bekannt gewesen, dass die Klägerin sicherheitsorientiert gewesen sei, wie sich aus dem Schreiben vom 12.02.2007 ergebe. Dem Zeugen B. habe angesichts der Anlageziele „Immobilienerwerb“ und „Altersvorsorge“ klar sein müssen, dass für sie nur eine Anlage ohne Risiko des Substanzverlustes in Betracht komme und keinesfalls eine solche, die mit dem Risiko des Totalverlustes behaftet sei. Die Klägerin habe nur einmal in einen deutschen Aktienfonds für ihre Kinder investiert. Sie habe sonst keinerlei Erfahrungen mit den vom Zeugen B. vorgeschlagenen Anlagen gehabt. Der Zeuge B. habe der Klägerin nicht den Emissionsprospekt vom 21.04.2005 übergeben. Ihr seien keinerlei Unterlagen über die Cobold Anleihe übergeben worden. Die Klägerin sei nicht über das sechsfache Bonitäts- und damit Ausfallrisiko gegenüber einer normalen Unternehmensanleihe aufgeklärt worden. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass sie in ein deutsches Unternehmen, nämlich die DZ-Bank, investiere. Sie sei nicht darüber informiert belehrt worden, dass die DZ-Bank zwar die Emittentin der Cobold 62 Anleihe sei, es jedoch für die Beurteilung der Risikobehaftung der Anleihe nur am Rande auf deren Bonität ankomme, sondern vielmehr darauf, dass es bei den „5 Referenzunternehmen“ nicht zu einem „Kreditereignis“ komme.
20 
Die Klägerin habe großen Wert darauf gelegt, ein sicheres Investment durch Anlage ihres Kapitals bei der DZ-Bank zu tätigen. Hätte sie gewusst, dass sie ihr Anlagekapital in eine Wette auf die Solvenz von fünf sogenannten Referenzunternehmen investiere, von denen ihr vier völlig fern gestanden hätten, so hätte sie dieses Investment keinesfalls getätigt. Die Klägerin sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie das Kreditrisiko des Emittenten übernehme, was faktisch dazu führe, dass die Emittentin mit der Anleihe um so erfolgreicher sei, je schneller bei einem der sogenannten Referenzunternehmen ein Kreditereignis eintrete. Die Klägerin sei nicht darüber aufgeklärt worden, wie die Mechanismen der Cobold Anleihe funktionierten und nicht darüber, dass schon der Eintritt eines Kreditereignisses bei nur einem der fünf Referenzunternehmen zum Totalverlust der Anlage führe. Die Klägerin habe die Fehlvorstellung gehabt, dass das äußerste Risiko der Anlage zum Ausfall der Zinsen, der durch das „Einbuchen von Wertpapieren“ kompensiert werde, bestehe, während das Anlagekapital selbst erhalten bleibe. Die Klägerin sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass und in welchem Umfang die Beklagte für die Vermittlung der Schuldverschreibungen aus der Cobold Anleihe Rückvergütungen enthalte. Die Ausführungen zur Cobold Anleihe im Schreiben vom 12.2.2007 verschleierten das Anlagerisiko. Ergänzend werde die Klage auch auf die Verletzung des Depotvertrages gestützt. Die Beklagte wäre in Erfüllung ihrer Vermögensbetreuungspflicht aus dem Depotvertrag verpflichtet gewesen, die Klägerin im Jahre 2008 zu warnen und ihr den Verkauf ihrer an das Schicksal von Lehman Brothers geknüpften Teilschuldverschreibungen aus der Cobold Anleihe anzuraten. Eine solche Warnung oder Verkaufsempfehlung sei jedoch nicht erfolgt.
21 
Die Dokumentation des Gesprächs (Anlage K 3) sei mitsamt den erfolgten Ankreuzungen unter Ziffer 3 vom Zeugen B. vorbereitet und in fertig angekreuzter Form der Klägerin zur Unterschrift vorgelegt worden. Die Klägerin habe keine Ankreuzungen vorgenommen. Eine Anrechnung von Steuervorteilen entfalle schon deshalb, weil auch die mit der Klage erstrebte Schadenersatzleistung selbst wiederum der Steuerpflicht unterliege.
22 
Die Klägerin beantragt,
23 
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 84.148,05 EUR nebst 5 % Jahreszinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2009 aus 82.422,61 EUR sowie 5% Jahreszinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Tag der Rechtshängigkeit aus weiteren 1.725,44 EUR Zug um Zug gegen Abtretung von 80 Stück Schuldverschreibungen, begeben von der Lehman Brothers Holdings Inc., New York, Vereinigte Staaten von Amerika, aus der 4,75 % Anleihe, fällig 16. Januar 2014, ISIN XS0183944643, Common Code 018394464, WKN A0ABV8, im Nominalwert von insgesamt 80.000.-- EUR, zu bezahlen;
24 
2. die Beklagte des weiteren zu verurteilen, an die Klägerin 1.999,32 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst 5 % Jahreszinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 11.11.2009 zu bezahlen;
25 
3. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 11.11.2009 mit der Entgegennahme von 80 Stück Schuldverschreibungen, begeben von der Lehman Brothers Holdings Inc., New York, Vereinigte Staaten von Amerika, aus der 4,75 % Anleihe, fällig 16.01.2014, ISIN XS0183944643, Common Code 018394464, WKN A0ABV8, im Nominalwert von insgesamt 80.000.-- EUR, im Annahmeverzug befindet.
26 
Die Beklagte beantragt,
27 
die Klage abzuweisen.
28 
Sie trägt vor:
29 
Der Zeuge B. habe am 13.02.2007 den schriftlichen Anlagevorschlag vom 12.02.2007 im Detail und insbesondere im Hinblick auf Funktionsweise, Inhalt und Ausfallrisiko erläutert. Er habe der Klägerin in dem schriftlichen Vorschlag selbst das Kreditereignis in Ziffer 3 dargelegt. Der schriftliche Anlagevorschlag sei der Klägerin am 13.2.2007 mitgegeben worden. Der Klägerin sei erläutert worden, wie die Cobold Anleihe funktioniere und was das sogenannte Kreditereignis bedeute.
30 
Am 01.03.2007 seien der Klägerin nochmals Funktionsweise und Risiken der einzelnen Anlagevorschläge erläutert worden. Die Klägerin habe in Gegenwart des Zeugen B. angegeben, dass sie risikobereit sei und sie habe diese Dokumentation der Kundengaben unterzeichnet, wie sich aus der Anlage K 2 ergebe. Risikobereit bedeute, dass Sicherheit und Liquidität höherer Renditeerwartung untergeordnet würden. Die Unterordnung von Sicherheit und Liquidität stehe in eklatantem Widerspruch zu den Ausführungen der Klägerin, wonach sie gerade auf Sicherheit und Liquidität Priorität gelegt haben wolle. In der Anlage K 3, der Dokumentation des Gesprächs, ergebe sich, dass die Klägerin über das Totalausfallrisiko aufgeklärt worden sei. Darüber hinaus bestehe eine generelle Pflicht zur Aufklärung über die Möglichkeit eines Totalverlustes nicht, sondern nur im Einzelfall. Vor Ausbruch der sogenannten Subprime-Krise sei das Insolvenzrisiko der Lehman Bank lediglich rein theoretischer Natur gewesen. Am 13.03.2008 hätten die drei größten Ratingagenturen Lehman noch positiv bzw. stabil eingeordnet.
31 
Die Beklagte habe am 01.03.2007, dem Tag der Beratung der Klägerin, keinerlei Veranlassung gehabt, auf ein Totalverlustrisiko hinzuweisen. Ungeachtet dessen sei die Klägerin auf das Ausfallrisiko hingewiesen worden. Die Beklagte habe für die streitgegenständliche Anlage keine Provision oder sonstige Vergütungen und auch keine Rückvergütung erhalten. Denn bei dem streitgegenständlichen Geschäft habe es sich um ein sogenannten Festgeschäft gehandelt. Die Beklagte berechne dafür eine Festpreismarge. Eine Depotbetreuungspflicht der Beklagten bestehe nicht. Denn die Klägerin habe mit der Beklagten keinen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen. Der Zeuge B. habe der Klägerin deutlich gemacht, dass gegenüber „normalen“ Anleihen bei den Cobold Anleihen ein größeres Risiko bestehe, aber auch eine höhere Rendite erzielbar sei. Es mache einen erheblichen Unterschied, ob 100 % des verfügbaren Anlagekapitals in eine Cobold Anleihe gesteckt würden oder - wie hier - im Rahmen eines Gesamtanlagekonzeptes ein Teil des Anlagekapitals.
32 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst aller Anlagen Bezug genommen.
33 
Das Gericht hat die Klägerin als Partei angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B.. Wegen des Inhalts der Angaben der Klägerin und des Zeugen B. wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 4.5.2010 (AS 145 - 161) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Klage ist zulässig und begründet.
35 
Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 84.148,05 Euro gegen die Beklagte gemäß §§ 675, 280 Abs. 1 BGB.Die Beklagte hat ihre Pflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Cobold 62 Anleihe verletzt.
36 
Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen (§ 675 Abs. 1 BGB).
37 
Tritt der Anlageberater einer Bank an den Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages zu beraten, wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen. Vom Abschluss eines stillschweigend abgeschlossenen Beratungsvertrages ist insbesondere davon auszugehen, wenn der Rat für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist, er ihn zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will und der Auskunftgeber über eine spezielle Sachkunde verfügt oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte trat hier an die Klägerin heran, um sie zu beraten, wie sie einen Betrag von 200.000,00 EUR anlegen könnte. Dieses Angebot hat die Klägerin angenommen.
38 
Die Beklagte hat ihre Beratungspflicht verletzt. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (BGHZ 123, 126). Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und die Anlageziele des Kunden und anderseits die allgemeinen Risiken wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben.
39 
Hier hat die Beklagte ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung verletzt. Denn sie hat die Klägerin nicht über das Risiko eines Totalverlustes aufgeklärt. Nach Auffassung des Gerichts muss bei der Darstellung der Cobold Anleihe die Bank darauf hinweisen, dass das Risiko eines Totalverlustes besteht. Dies gilt hier um so mehr, als die Beklagte wusste, dass die Sicherheit einer Anlage der Klägerin sehr wichtig ist. Dies ergibt sich aus dem schriftlichen Anlagevorschlag vom 12.02.2007 (Anlage K 1). Der Zeuge B. hat ebenfalls bekundet, dass die Klägerin erklärt habe, dass die Sicherheit des Geldes grundsätzlich absolut ein Thema sei. Dass die Sicherheit für die Klägerin sehr wichtig war, ergibt sich aus ihrem bisherigen Anlageverhalten. Denn bis zum 01.03.2007 hatte sie den Betrag von 200.000,00 Euro als Festgeld angelegt. In dem schriftlichen Anlagevorschlag wird unter Ziffer 4 bei der Darstellung des Zertifikats ausdrücklich erwähnt, dass die Klägerin ein Verlustrisiko von Teilen eines Kapitals trägt. Dies hätte ebenso klar in Ziffer 3 bei der Darstellung der Cobold Anleihe erfolgen müssen. Dort hätte es nicht heißen müssen, dass sie ein Verlustrisiko von Teilen ihres Kapitals hat, sondern dass das Risiko des Totalverlustes besteht. Da in Ziffer 4 ausdrücklich erwähnt wurde, dass ein Verlustrisiko von Teilen des Kapitals droht und bei der Cobold Anleihe nichts über ein Verlustrisiko ausgeführt wurde, konnte die Klägerin davon ausgehen, dass bei der Cobold Anleihe ein solches Risiko nicht droht. Die Aussage in Ziffer 3, dass die Klägerin bei einem Kreditereignis bei einer der fünf Banken, statt den weiteren Zahlungen aus der Cobold Anleihe festverzinsliche Wertpapiere der in Not geratenen Bank eingebucht erhält, ist missverständlich und nicht klar genug.
40 
Dass die Beklagte bei der Cobold Anleihe über das Totalausfallrisiko aufklären musste, wird aus dem vom Zeugen B. in der mündlichen Verhandlung übergebenen Emissionsprospekt vom 21.04.2005 deutlich. Hier heißt es auf Seite 4 für die Cobold Anleihe 62 unter „Zielgruppendefinition und Risikohinweise“: „Der Kauf von Teilschuldverschreibungen birgt wesentliche Risiken und ist nur für Investoren geeignet, die über Kenntnisse und Erfahrung in finanziellen geschäftlichen Angelegenheiten verfügen, die es ihnen ermöglichen, die Risiken und Vorteile in einer Investition in die Teilschuldverschreibungen zu beurteilen“. Weiter heißt es fett gedruckt: “Gemäß den Anleihebedingungen kann die Rückzahlung der Teilschuldverschreibungen zu weniger als 100% erfolgen und im ungünstigsten Fall zum fast vollständigen Verlust der in diese Teilschuldverschreibungen investierten Mittel führen“ (Emissionsprospekt, gesonderte Anlagenmappe). Über das Totalverlustrisiko war bei Erwerb der Cobold Anleihe aufzuklären, auch wenn am 01.03.2007 alle vier Banken von den Ratingagenturen sehr gut bewertet wurden.
41 
Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin über das Risiko des Totalverlusts nicht aufgeklärt wurde. Die Klägerin hat angegeben, der Anlageberater B. habe gesagt, dass sie eine andere Anleihe erhalte, wenn eine Bank zahlungsunfähig werde. Er habe ihr nicht gesagt, dass sie in einem solchen Fall ihr Geld verlieren könne, also nichts mehr bekomme.
42 
Der Zeuge B. hat bekundet, dass er nicht wisse, ob er der Klägerin gesagt habe, dass sie mit der Cobold Anleihe ihr Geld komplett verlieren könne. Er habe damals die Risiken nicht exorbitant hoch eingeschätzt, sondern vielmehr gering, weil alle Banken ein sehr gutes Rating zum damaligen Zeitpunkt hatten. Er wisse nicht mehr genau, was er in dem Zusammenhang zur Klägerin gesagt habe. Er wisse nicht, was er der Klägerin gesagt habe, was passiere, wenn eine Bank in Not gerate. Angesichts dieser Zeugenaussage kann aus der Anlage K 3 nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin über das Totalverlustrisiko aufgeklärt wurde. Denn auch der Zeuge B. hat - ebenso wie die Klägerin - bekundet, dass er die Kreuze bei der Anlage K 3 schon im Vorfeld, also nicht in Anwesenheit der Klägerin, gesetzt hat.
43 
Die mündliche Aufklärung, die nach den Angaben des Zeugen B. anhand des schriftlichen Anlagevorschlags erfolgte, ist nicht ausreichend. Denn in dem schriftlichen Vorschlag steht unter Ziffer 4, unter der das Zertifikat erklärt wird, dass die Klägerin ggfs. ein Verlustrisiko von Teilen ihres Kapitals hat. In Ziffer 3 heißt es, dass ein weiteres festverzinsliches Wertpapier die Cobold 62 Anleihe ist. Dort steht nicht expressis verbis, dass die Klägerin möglicherweise ein Verlustrisiko hinsichtlich des von ihr eingesetzten Kapitals trägt. Dort heißt es nur, dass die Klägerin statt der weiteren Zahlungen aus der Cobold Anleihe festverzinsliche Wertpapiere der in Not geratenen Bank eingebucht erhält, falls es bei einer der 5 Banken zu einem Kreditereignis kommt (d.h. die Bank kann ihre Schulden nicht mehr vertragsgemäß bedienen). Daraus ergibt sich aber nicht für den Durchschnittsanleger, dass ein Totalverlustrisiko droht. Das Totalverlustrisiko wird verharmlost, indem darauf hingewiesen wird, dass bei einem „Kreditereignis“ die Klägerin statt den weiteren Anzahlungen aus der Cobold Anleihe festverzinsliche Wertpapiere der in Not geratenen Bank erhält. Es wird nicht ausdrücklich und unmissverständlich darüber aufgeklärt, dass diese festverzinslichen Wertpapiere der in Not geratenen Bank weit weniger wert sind als das eingesetzte Kapital.
44 
Da eine Aufklärungspflichtverletzung fest steht, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Klägerin bei einem sog. Festpreisgeschäft über ihre Gewinnmarge und damit über ihr Umsatzinteresse aufklären muss.
45 
Zugunsten der Klägerin gilt nach ständiger Rechtsprechung die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Dies bedeutet, dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalablage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (BGHZ 124, 151 ff.). Es ist also davon auszugehen, dass die Klägerin bei richtiger Beratung die Anlage nicht erworben hätte.
46 
Die Klägerin hat insgesamt einen Betrag von 78.885,26 EUR gezahlt, nämlich den Kaufpreis für die Cobold-62-Anleihen in 80.000.-- EUR in Höhe von 77.728,00 EUR und den Stückzinsaufschlag in Höhe von 1.157,26 EUR. Die Klägerin kann ferner gemäß § 252 BGB als entgangenen Gewinn 3,5% Jahreszins für 1020 Zinstage (1.3.2007 bis 31.12.2009) für das eingesetzte Kapital in Höhe von 78.885,26 EUR verlangen. Dies sind 7.822,79 EUR. Hiervon sind die von ihr erhaltenen Zinsen in Höhe von 2560.-- EUR abzuziehen. Dies ergibt dann einen Betrag in Höhe von 5.262,79 EUR. Die Klägerin muss sich keine Steuervorteile anrechnen lassen. Denn die ihr mit diesem Urteil zugesprochenen Zinsen in Höhe von 5.262,79 Euro muss sie versteuern.
47 
Der Zinsanspruch seit dem 11.11.2009 ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
48 
Die Klägerin kann auch außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren, nämlich eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 82.422,61 EUR nebst Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer verlangen. Dies ergibt 1.999,32 EUR.
49 
Auch der Feststellungsantrag, dass sich die Beklagte seit dem 11.11.2009 in Annahmeverzug der 80 Stück Schuldverschreibungen befindet, ist gemäß § 756 ZPO zulässig.
50 
Er ist auch begründet. Denn die Beklagte befindet sich durch das Schreiben vom 29.10.2009 (Anlage K 13) seit dem 11.11.2009 in Annahmeverzug (§ 298 BGB)
51 
Die Klägerin kann nur Rückzahlung der von ihr geleisteten Zahlungen Zug um Zug gegen Abtretung der Schuldverschreibungen verlangen. Dies hat sie der Beklagten auch angeboten, als sie die Beklagte außergerichtlich mit Schreiben vom 29.10.2009 zum Schadenersatz aufforderte.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
53 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Gründe

 
34 
Die Klage ist zulässig und begründet.
35 
Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 84.148,05 Euro gegen die Beklagte gemäß §§ 675, 280 Abs. 1 BGB.Die Beklagte hat ihre Pflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Cobold 62 Anleihe verletzt.
36 
Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen (§ 675 Abs. 1 BGB).
37 
Tritt der Anlageberater einer Bank an den Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages zu beraten, wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen. Vom Abschluss eines stillschweigend abgeschlossenen Beratungsvertrages ist insbesondere davon auszugehen, wenn der Rat für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist, er ihn zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will und der Auskunftgeber über eine spezielle Sachkunde verfügt oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte trat hier an die Klägerin heran, um sie zu beraten, wie sie einen Betrag von 200.000,00 EUR anlegen könnte. Dieses Angebot hat die Klägerin angenommen.
38 
Die Beklagte hat ihre Beratungspflicht verletzt. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (BGHZ 123, 126). Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und die Anlageziele des Kunden und anderseits die allgemeinen Risiken wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben.
39 
Hier hat die Beklagte ihre Pflicht zur objektgerechten Beratung verletzt. Denn sie hat die Klägerin nicht über das Risiko eines Totalverlustes aufgeklärt. Nach Auffassung des Gerichts muss bei der Darstellung der Cobold Anleihe die Bank darauf hinweisen, dass das Risiko eines Totalverlustes besteht. Dies gilt hier um so mehr, als die Beklagte wusste, dass die Sicherheit einer Anlage der Klägerin sehr wichtig ist. Dies ergibt sich aus dem schriftlichen Anlagevorschlag vom 12.02.2007 (Anlage K 1). Der Zeuge B. hat ebenfalls bekundet, dass die Klägerin erklärt habe, dass die Sicherheit des Geldes grundsätzlich absolut ein Thema sei. Dass die Sicherheit für die Klägerin sehr wichtig war, ergibt sich aus ihrem bisherigen Anlageverhalten. Denn bis zum 01.03.2007 hatte sie den Betrag von 200.000,00 Euro als Festgeld angelegt. In dem schriftlichen Anlagevorschlag wird unter Ziffer 4 bei der Darstellung des Zertifikats ausdrücklich erwähnt, dass die Klägerin ein Verlustrisiko von Teilen eines Kapitals trägt. Dies hätte ebenso klar in Ziffer 3 bei der Darstellung der Cobold Anleihe erfolgen müssen. Dort hätte es nicht heißen müssen, dass sie ein Verlustrisiko von Teilen ihres Kapitals hat, sondern dass das Risiko des Totalverlustes besteht. Da in Ziffer 4 ausdrücklich erwähnt wurde, dass ein Verlustrisiko von Teilen des Kapitals droht und bei der Cobold Anleihe nichts über ein Verlustrisiko ausgeführt wurde, konnte die Klägerin davon ausgehen, dass bei der Cobold Anleihe ein solches Risiko nicht droht. Die Aussage in Ziffer 3, dass die Klägerin bei einem Kreditereignis bei einer der fünf Banken, statt den weiteren Zahlungen aus der Cobold Anleihe festverzinsliche Wertpapiere der in Not geratenen Bank eingebucht erhält, ist missverständlich und nicht klar genug.
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Dass die Beklagte bei der Cobold Anleihe über das Totalausfallrisiko aufklären musste, wird aus dem vom Zeugen B. in der mündlichen Verhandlung übergebenen Emissionsprospekt vom 21.04.2005 deutlich. Hier heißt es auf Seite 4 für die Cobold Anleihe 62 unter „Zielgruppendefinition und Risikohinweise“: „Der Kauf von Teilschuldverschreibungen birgt wesentliche Risiken und ist nur für Investoren geeignet, die über Kenntnisse und Erfahrung in finanziellen geschäftlichen Angelegenheiten verfügen, die es ihnen ermöglichen, die Risiken und Vorteile in einer Investition in die Teilschuldverschreibungen zu beurteilen“. Weiter heißt es fett gedruckt: “Gemäß den Anleihebedingungen kann die Rückzahlung der Teilschuldverschreibungen zu weniger als 100% erfolgen und im ungünstigsten Fall zum fast vollständigen Verlust der in diese Teilschuldverschreibungen investierten Mittel führen“ (Emissionsprospekt, gesonderte Anlagenmappe). Über das Totalverlustrisiko war bei Erwerb der Cobold Anleihe aufzuklären, auch wenn am 01.03.2007 alle vier Banken von den Ratingagenturen sehr gut bewertet wurden.
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Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin über das Risiko des Totalverlusts nicht aufgeklärt wurde. Die Klägerin hat angegeben, der Anlageberater B. habe gesagt, dass sie eine andere Anleihe erhalte, wenn eine Bank zahlungsunfähig werde. Er habe ihr nicht gesagt, dass sie in einem solchen Fall ihr Geld verlieren könne, also nichts mehr bekomme.
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Der Zeuge B. hat bekundet, dass er nicht wisse, ob er der Klägerin gesagt habe, dass sie mit der Cobold Anleihe ihr Geld komplett verlieren könne. Er habe damals die Risiken nicht exorbitant hoch eingeschätzt, sondern vielmehr gering, weil alle Banken ein sehr gutes Rating zum damaligen Zeitpunkt hatten. Er wisse nicht mehr genau, was er in dem Zusammenhang zur Klägerin gesagt habe. Er wisse nicht, was er der Klägerin gesagt habe, was passiere, wenn eine Bank in Not gerate. Angesichts dieser Zeugenaussage kann aus der Anlage K 3 nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin über das Totalverlustrisiko aufgeklärt wurde. Denn auch der Zeuge B. hat - ebenso wie die Klägerin - bekundet, dass er die Kreuze bei der Anlage K 3 schon im Vorfeld, also nicht in Anwesenheit der Klägerin, gesetzt hat.
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Die mündliche Aufklärung, die nach den Angaben des Zeugen B. anhand des schriftlichen Anlagevorschlags erfolgte, ist nicht ausreichend. Denn in dem schriftlichen Vorschlag steht unter Ziffer 4, unter der das Zertifikat erklärt wird, dass die Klägerin ggfs. ein Verlustrisiko von Teilen ihres Kapitals hat. In Ziffer 3 heißt es, dass ein weiteres festverzinsliches Wertpapier die Cobold 62 Anleihe ist. Dort steht nicht expressis verbis, dass die Klägerin möglicherweise ein Verlustrisiko hinsichtlich des von ihr eingesetzten Kapitals trägt. Dort heißt es nur, dass die Klägerin statt der weiteren Zahlungen aus der Cobold Anleihe festverzinsliche Wertpapiere der in Not geratenen Bank eingebucht erhält, falls es bei einer der 5 Banken zu einem Kreditereignis kommt (d.h. die Bank kann ihre Schulden nicht mehr vertragsgemäß bedienen). Daraus ergibt sich aber nicht für den Durchschnittsanleger, dass ein Totalverlustrisiko droht. Das Totalverlustrisiko wird verharmlost, indem darauf hingewiesen wird, dass bei einem „Kreditereignis“ die Klägerin statt den weiteren Anzahlungen aus der Cobold Anleihe festverzinsliche Wertpapiere der in Not geratenen Bank erhält. Es wird nicht ausdrücklich und unmissverständlich darüber aufgeklärt, dass diese festverzinslichen Wertpapiere der in Not geratenen Bank weit weniger wert sind als das eingesetzte Kapital.
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Da eine Aufklärungspflichtverletzung fest steht, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte die Klägerin bei einem sog. Festpreisgeschäft über ihre Gewinnmarge und damit über ihr Umsatzinteresse aufklären muss.
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Zugunsten der Klägerin gilt nach ständiger Rechtsprechung die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Dies bedeutet, dass der Aufklärungspflichtige beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalablage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte, er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (BGHZ 124, 151 ff.). Es ist also davon auszugehen, dass die Klägerin bei richtiger Beratung die Anlage nicht erworben hätte.
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Die Klägerin hat insgesamt einen Betrag von 78.885,26 EUR gezahlt, nämlich den Kaufpreis für die Cobold-62-Anleihen in 80.000.-- EUR in Höhe von 77.728,00 EUR und den Stückzinsaufschlag in Höhe von 1.157,26 EUR. Die Klägerin kann ferner gemäß § 252 BGB als entgangenen Gewinn 3,5% Jahreszins für 1020 Zinstage (1.3.2007 bis 31.12.2009) für das eingesetzte Kapital in Höhe von 78.885,26 EUR verlangen. Dies sind 7.822,79 EUR. Hiervon sind die von ihr erhaltenen Zinsen in Höhe von 2560.-- EUR abzuziehen. Dies ergibt dann einen Betrag in Höhe von 5.262,79 EUR. Die Klägerin muss sich keine Steuervorteile anrechnen lassen. Denn die ihr mit diesem Urteil zugesprochenen Zinsen in Höhe von 5.262,79 Euro muss sie versteuern.
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Der Zinsanspruch seit dem 11.11.2009 ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
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Die Klägerin kann auch außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren, nämlich eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 82.422,61 EUR nebst Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer verlangen. Dies ergibt 1.999,32 EUR.
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Auch der Feststellungsantrag, dass sich die Beklagte seit dem 11.11.2009 in Annahmeverzug der 80 Stück Schuldverschreibungen befindet, ist gemäß § 756 ZPO zulässig.
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Er ist auch begründet. Denn die Beklagte befindet sich durch das Schreiben vom 29.10.2009 (Anlage K 13) seit dem 11.11.2009 in Annahmeverzug (§ 298 BGB)
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Die Klägerin kann nur Rückzahlung der von ihr geleisteten Zahlungen Zug um Zug gegen Abtretung der Schuldverschreibungen verlangen. Dies hat sie der Beklagten auch angeboten, als sie die Beklagte außergerichtlich mit Schreiben vom 29.10.2009 zum Schadenersatz aufforderte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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