Urteil vom Landgericht Kiel (8. Zivilkammer) - 8 S 70/07, 8 S 73/07

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Eckernförde vom 19.02.2007 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.073,33 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 89 %, die Beklagte 11 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Im übrigen wird die Berufung beider Parteien zurückgewiesen.

Tatbestand

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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1, § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

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Die Parteien sind durch ein Mietverhältnis betreffend das Einfamilienhaus T. in B. vom 15.05.1990 verbunden.

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Die Beklagte ist Erbin ihres 1999 verstorbenen Ehemannes, der Miterbe der damals als Vermieter auftretenden Erbengemeinschaft war. Die Beklagte hat das Eigentum an dem Mietobjekt sodann im Juli 2003 im Wege der Zwangsversteigerung erworben.

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Die Klägerin als Mieterin verfolgt Ansprüche wegen von ihr auf das Mietobjekt gemachten Verwendungen und verlangt Rückzahlung von Miete wegen angeblich zu geringer Wohnfläche und wegen Wertminderung des Mietobjekts infolge von Mängeln.

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Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.627,60 € nebst Zinsen zu zahlen und hat im Übrigen die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

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Die von beiden Parteien eingelegte Berufung führt im Ergebnis zu einer nur geringfügigen Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils.

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1. Berufung der Beklagten

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a. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, weil die Klägerin die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 536a Abs. 2 BGB bzw. § 538 Abs. 2 BGB a. F. nicht dargelegt hat. Richtig ist zwar, dass die Vermieterseite nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag verpflichtet war, die Schönheitsreparaturen durchzuführen (§ 3 Abs. 2 des Mietvertrages) was auch grundsätzlich der gesetzlichen Regelung entspricht. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht aber nur dann, wenn der Vermieter mit den von ihm geschuldeten Arbeiten in Verzug ist. Bereits insoweit hat die Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht ergeben, dass die von der Klägerin benannte Zeugin J. nicht in der Lage war, einzelne konkrete Mängelrügen und Aufforderungen zur Mangelbeseitigung bzw. Vornahme von Schönheitsreparaturen darzulegen. Darüber hinaus fehlt es an hinreichendem Vortrag zu der Frage, welche Arbeiten konkret mit welchem Aufwand in den Jahren von 1991 bis 2002 durchgeführt worden sind. Der Vortrag der Klägerin in erster Instanz war ersichtlich nicht geeignet, einen entsprechenden Anspruch zu begründen, weil das Vorbringen der Klägerin unsubstanziiert ist. Es reicht nicht aus, die konkrete Berechnung des Aufwandes durch Bezugnahme auf abstrakte Wertermittlungsrichtlinien zu ersetzen.

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b. Auch auf den Hinweis auf die fehlende Substanziierung in der Ladungsverfügung konnte dieser Mangel der Substanziierung nicht behoben werden. Es wurden lediglich zwei Rechnungen vorgelegt betreffend Arbeiten an der Heizungsanlage, und zwar vom 10.05.1994 über 137,31 DM sowie vom 13.11.2000 über 256,07 DM. Aber auch insoweit ist nicht erkennbar, dass vor den entsprechenden Arbeiten konkrete Mängelbeseitigungsforderungen der Klägerin gegenüber dem damaligen Vermieter ausgesprochen worden wären. Soweit die Klägerin in Bezug auf die letztgenannte Reparaturrechnung darauf hinweist, sie habe damals nach dem Tod des ursprünglichen Vermieters 1999 nicht gewusst, wer Vermieter gewesen sei und habe deshalb keine Aufforderung zur Mängelbeseitigung aussprechen können, führt auch dieser Einwand der Klage im Ergebnis nicht zum Erfolg. Denn die Klägerin räumt ein, jedenfalls im Juni 2001 gewusst zu haben, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin geworden war. Klage wurde erst im Jahre 2005 eingereicht. Dazwischen lag ein anwaltliches Mahnschreiben vom Oktober 2003. Auch in der Klage vom 01.08.2005 wurde nicht konkret die Reparaturrechnung vom 13.11.2000 geltend gemacht. Dieses geschah erst in der Berufungsinstanz. Unter diesen Umständen ist eine eventuell denkbare Forderung wegen Aufwendungsersatz in Höhe von 256,07 DM jedenfalls verwirkt. Die Klägerin hat es lange Zeit, nämlich über vier Jahre lang, unterlassen, ihr bekannte Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Das Umstandsmoment der Verwirkung ist deshalb gegeben, weil auf Vermieterseite eine Rechtsnachfolge eingetreten war. Bei einer derartigen Rechtsnachfolge ist der Rechtsnachfolger naturgemäß nicht in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vermieter in der Lage, an ihn gerichtete Ansprüche des Mieters wegen angeblich zu einem früheren Zeitpunkt vorhandener Mängel der Mietsache nachzuvollziehen. Das gilt erst recht, wenn der ursprüngliche Vermieter verstorben ist. In einem solchen Fall darf der Rechtsnachfolger erwarten, dass der Mieter zeitnah zu dessen Kenntnis von der Rechtsnachfolge seine Ansprüche geltend macht. Geschieht das nicht, so ist nicht nur das Zeitmoment, sondern auch das Umstandsmoment der Verwirkung erfüllt. Bereits zum Zeitpunkt des anwaltlichen Mahnschreibens vom 14.10.2003 war Verwirkung eingetreten, nachdem die Klägerin bereits mehr als zwei Jahre zuvor Kenntnis von der Rechtsnachfolge erlangt hatte.

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c. Die geltend gemachten Ansprüche für behauptete Maßnahmen in den Jahren 1991 bis 2002 bestehen daher nicht.

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2. Berufung der Klägerin

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a. Der Klägerin stehen keine Rückforderungsansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative BGB wegen überzahlter Mieter wegen angeblich zu geringer Wohnfläche des Mietobjekts zu. Zwar ist in dem schriftlichen Mietvertrag bei der Beschreibung des Mietobjekts angegeben, dass die Wohnfläche ca. 200 qm betrage. Unstreitig ist, dass die tatsächliche Wohnfläche nach der Zweiten Berechnungsverordnung lediglich 113 qm beträgt. Einen Sachmangel, der zur Mietminderung berechtigen würde, ist entgegen der Auffassung der Klägerin hierin nicht zu sehen. Zwar erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung ein Recht auch zur nachträglichen Mietminderung an, wenn eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen von der geschuldeten Wohnfläche vorliegt (BGH NJW 2004, Seite 2230). Allerdings weist der BGH auch darauf hin, dass ein allgemeiner, völlig eindeutiger Sprachgebrauch für den Begriff der Wohnfläche sich bislang nicht entwickelt habe, sodass der Begriff der Wohnfläche auslegungsbedürftig ist. Wie das Amtsgericht ist auch die Kammer davon überzeugt, dass mit dem Begriff der Wohnfläche in der fraglichen Vertragsklausel nicht gemeint sein soll, dass der Vermieter für eine bestimmte Wohnfläche im Sinne der DIN-Vorschriften einstehen wolle. Schon der Blick auf die Gesamtansicht des Hauses (vgl. Bl. 48 d. A.) weist aus, dass es sich um ein relativ kleines Haus handelt, das schon auf den ersten Blick kaum eine DIN-Wohnfläche von 200 qm haben kann, allein schon wegen der die Wohnfläche nach DIN deutlich mindernden Dachneigung im Obergeschoss. Tatsächlich hat das Haus, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, eine reine äußere Kantenlänge von 7,9 m x 13,3 m, was 105 qm entspricht, wovon hinsichtlich der Grundfläche noch das Mauerwerk abzuziehen ist. Schon diese Überlegung lässt die Darstellung der Beklagten als ohne Weiteres plausibel erscheinen, dass man zum Zwecke der Angabe im Mietvertrag einfach die Grundfläche geschätzt und wegen der Fläche im Obergeschoss verdoppelt habe. Nach den Ausführungen des amtsgerichtlichen Urteils soll die Klägerin das in der dortigen mündlichen Verhandlung bestätigt haben. Hierauf in der Verhandlung vor der Kammer angesprochen, hat die Klägerin dieses letztlich nochmals bestätigt. Dann aber ist offensichtlich, dass mit der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche nicht Wohnfläche im Sinne der Zweiten Berechnungsverordnung gemeint gewesen sein kann.

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b. Dagegen ist die Berufung der Klägerin wegen der von ihr beanspruchten anteiligen Rückzahlung überzahlter Miete teilweise begründet. Konkret beansprucht die Klägerin anteilige Mietrückzahlung für den Zeitraum von März 2003 bis Juli 2005. Insoweit kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht festgestellt werden, dass derartige Mietminderungsansprüche für den genannten Zeitraum verwirkt seien. Denn das Amtsgericht geht selbst davon aus, dass die Mangelhaftigkeit des Mietobjekts immer wieder seitens der Klägerin gerügt worden ist und stützt sich insoweit auf die Aussage der Zeugin J., die dieses bestätigt hat, auch wenn sie sich auch nicht mehr an einzelne Mängelrügen genau erinnern konnte.

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c. Die Vernehmung des Zeugen L. vor der Kammer hat ergeben, dass das Mietobjekt bereits im September 2002 eine Reihe gravierender Mängel aufwies. Der Zeuge war seinerzeit von der Klägerin als Privatgutachter hinzugezogen worden und er hat die wesentlichen Mängel auch u. a. durch Fotos in seinem schriftlichen Gutachten festgehalten. Daher bestehen aus Sicht der Kammer keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen L. Der Zeuge war bei seiner Vernehmung ersichtlich um Objektivität bemüht. Im Einzelnen hat der Zeuge die nachfolgenden Mängel bekundet:

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d. Das Badezimmer im Erdgeschoss wies an einer Wand einen Schimmelfleck auf, der sich im Laufe der Zeit auch noch vergrößerte, was der Zeuge deshalb sagen kann, weil er das Mietobjekt nochmals kurz vor dem Verhandlungstermin gesehen hat.

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e. Der Fußboden im Obergeschoss war nicht fest, sodass er sich durchbog, was Beeinträchtigungen beim Stellen von Möbeln verursacht.

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f. Im Obergeschoss wirkten sich Undichtigkeiten sowohl von der Dachdeckung her als auch von den Fenstern aus.

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g. Die Sockelfliesen zwischen Hauseingangstür und Badezimmer im Flur waren lose und es zeigten sich Spakflecken im Flur.

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h. Die Hauseingangstür war undicht.

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i. Im Badezimmer waren Fliesen gerissen.

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j. Auf der Terrasse im Obergeschoss war die Absturzsicherung marode, sodass die Benutzung dieser Dachterrasse eingeschränkt war.

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k. Ohne Belang sind allerdings die von dem Sachverständigen bekundeten Mängel der Heizung im September 2002, weil diese Mängel unstreitig im Winter 2002/2003 beseitigt worden sind und daher für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr zur Minderung berechtigten.

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l. Gleichwohl beeinträchtigen die genannten Mängel die Nutzung des Mietobjekts erheblich. Die Kammer erachtet hier eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit um 1/3, bezogen auf die Bruttomiete ( 680 €), für angemessen. Die Miete ist daher für den streitgegenständlichen Zeitraum von März 2003 bis Juli 2005 um monatlich 226,67 € zu mindern. Für 29 Monate entspricht das einer Mietminderung von 6.573,33 €. Diese Überzahlung hat die Beklagte zu erstatten.

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m. Daneben besteht ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kosten für die Begutachtung durch den Zeugen L. Dieser hat bekundet, dass Zweck des Auftrages der Klägerin gewesen sei, Mängel des Mietobjekts festzustellen. Das Gutachten aus dem September 2002 des Zeugen L. ist allerdings ersichtlich so ausgelegt, dass dort die Gesamtkosten der Sanierung veranschlagt werden, was im Hinblick auf etwaige Minderungsansprüche unerheblich ist. Insoweit geht der Umfang des Gutachtens deutlich über das hinaus, was allein zur Feststellung der Mängel geboten gewesen wäre, da für ein reines Mietminderungsgutachten die Feststellung der Ursachen eventueller Mängel in der Regel unerheblich ist. Die Kammer schätzt gemäß § 287 ZPO, dass für ein Gutachten, das sich allein mit der Feststellung vorhandener Mängel des Mietobjekts beschäftigt, ein Kostenaufwand von 1.500,00 € ausreichend ist. Der Kammer sind aus zahlreichen anderen Mietrechtsstreitigkeiten die Höhe der Kosten für derartige Gutachten in etwa bekannt.

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n. Im Ergebnis ist die Beklagte hinsichtlich der Hauptforderung zur Zahlung von 8.073,33 € zu verurteilen.

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Es besteht ein Anspruch auf Verzinsung mit dem gesetzlichen Zinssatz seit Rechtshängigkeit, §§ 291, 288 BGB,

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.


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