Urteil vom Landgericht Kiel (12. Zivilkammer) - 12 O 36/12

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin macht als Grundschuldgläubigerin gegen die Beklagte einen Duldungsanspruch wegen der Zwangsverwaltung der im Eigentum der Fa. … stehenden Grundstücke geltend.

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Am 26. Oktober 1990 wurde für die … eine brieflose Grundschuld über 7.600.000,00 DM ((3.885.818,30 €) für die Grundstücke … und …, eingetragen im Grundbuch von …, Blatt … und Blatt … unter Abteilung II Lfd. Nr. … und … zur Gesamthaft eingetragen. Nach Abtretung eines Teilbetrages wurde am 31. Januar 1995 für die …, die später in … umfirmierte, eine Teilgrundschuld von 4.600.000,00 DM eingetragen. Am 14. Januar 2005 wurde die … auf die … verschmolzen, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts … . Diese firmierte mit Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts … am 15. Dezember 2009 in … um. Die Eigentümerin der Grundstücke, die Fa. …, vermietete diese Grundstücke an die Beklagte. Für die Beklagte wurde am 6. August 2002  für beide Grundstücke im Grundbuch ein befristetes entgeltliches Nießbrauchsrecht im Rang nach den für die Klägerin eingetragenen streitgegenständlichen Grundschulden eingetragen. Am 3. Februar 2009 unterwarf sich die Grundstückeigentümerin durch notarielle Beurkundung der sofortigen Zwangsvollstreckung in die Grundstücke. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde der … erteilt. Diese Zwangsvollstreckungsunterwerfung wurde am 13. Juli 2009 im Grundbuch eingetragen. Die Klägerin betreibt gegen die Grundstückseigentümerin einen Rechtsstreit bei dem Landgericht Kiel (15 O 121/11) wegen der Rückzahlung eines Darlehens, für das die Grundschulden zur Sicherung dienen sollten, wobei dort die Valutierung des Darlehens von der Grundstückeigentümerin bestritten ist. Die Klägerin beantragte ebenfalls die Zwangsverwaltung der Grundstücke aus weiteren für sie unter den lfd. Nr. … und … eingetragenen Grundschulden, wobei das Verfahren hinsichtlich der Grundschuld zur lfd. Nr. … seit März 2010 ausgesetzt ist. Die Klägerin erhielt aus dieser Zwangsverwaltung bis zum 31. März 2010 Erlöse in Höhe von insgesamt 432.535,80 €.

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Die Klägerin meint, sie bedürfe der durch Urteil titulierten Duldung durch die Beklagte, um die Zwangsverwaltung auch wegen der vorliegend betroffenen Grundschulden betreiben zu können. Eine Umschreibung der Unterwerfungserklärung der Grundstückseigentümerin habe keine Aussicht auf Erfolg, auch weil die Beklagte sich dagegen wehren würde. Deshalb habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, die (dingliche) Vollstreckung aus der in den Grundbüchern des Amtsgerichts … von … Bl. … und … in Abt. III lfd. Nr. … eingetragenen Grundschuld über insgesamt 3.885.818,30 € zzgl. 15 % Zinsen hieraus seit dem 01.01.2008 in den haftenden Grundbesitz Gemarkung …, Flur 001, Flurstücke … und …, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … von … Bl. … und Gemarkung …, Flur …, Flurstücke … und …, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … von … Bl. … zu dulden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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hilfsweise

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ihr die Geltendmachung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten und die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 6.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 2.000,00 € seit dem 2. Januar 2010, 4. Februar 2010 und 1. April 2010 zu zahlen.

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Die Beklagte meint, die Klage sei unzulässig, da der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Sie könne das begehrte Klageziel einfacher durch eine Umschreibung des Vollstreckungstitels gegen die Grundstückeigentümerin erreichen. Darüber hinaus stehe ihr kein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung zu. Im Übrigen werde der geltend gemachte Zahlungsanspruch wegen der erstrangigen Eintragung einer weiteren Grundschuld für die Klägerin auch bereits durch die Zwangsverwaltung aus der Grundschuld mit der lfd. Nr. … befriedigt. Der hilfsweise geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich aus Teilzahlungen, die die Klägerin bisher im Wege der Zwangsvollstreckung erhalten hat.

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Die Beklagte hat die Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidungen in dem beim Landgericht Kiel anhängigen Rechtsstreit der Klägerin gegen die Grundstückeigentümerin (15 O 121/11) auf Rückzahlung des den Grundschulden zugrundeliegenden Darlehens und in den beim BGH anhängigen Beschwerdeverfahren der Klägerin gegen die Beklagte (VII ZB 54/11) auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus anderen Grundschulden beantragt.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig, da der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für die geltend gemachte Duldungsklage fehlt.

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1. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO kam nicht in Betracht. Zum Einen widerspräche eine Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit anderer Entscheidungen dem Zweck des Urkundsprozesses auf beschleunigte Entscheidung zumindest durch Vorbehaltsurteil, weshalb eine Aussetzung vorliegend unzulässig gewesen wäre (vgl. Zöller-Greger, Vor § 592 Rn. 3 m. w. N.). Zum Anderen sind die Entscheidungen in dem Rechtsstreit bei dem Landgericht Kiel 15 O 121/11 und in den Beschwerdeverfahren für den vorliegenden Rechtsstreit nicht präjudiziell. In dem Rechtsstreit 15 O 121/11 geht es um einen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Grundstückseigentümerin aus einem zwischen den dortigen Parteien geschlossenen Darlehensvertrag. Insofern sind schon nicht dieselben Parteien beteiligt. Darüber hinaus können Ansprüche aus den hier in Bezug genommenen Grundschulden, zumal gegen die Nießbraucherin, die nicht Beteiligte des Darlehensvertrages ist, unabhängig von Forderungen aus zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verträgen geltend gemacht werden. Die Beschwerdeverfahren betreffen nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien andere Grundschulden mit unterschiedlichen zeitlichen Konstellationen, so dass auch insoweit keine Vorgreiflichkeit vorliegt.

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2. Die Klägerin, die offenkundig aufgrund des von ihr vorgelegten beglaubigten Handelsregisterauszuges Inhaberin der Grundschulden ist, kann das von ihr begehrte Rechtsschutzziel nach Auffassung des Gerichts durch Umschreibung der Vollstreckungsklausel gegen die Beklagte gemäß § 727, 738, 795 ZPO erreichen, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für das aufwendigere Klagverfahren nicht besteht.

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Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass entsprechend der Entscheidung des BGH vom 14. März 2003, IXa ZB 45/03, bei der erstrebten Zwangsverwaltung auch ein Duldungstitel gegen die – nachrangig eingetragene – Nießbraucherin, hier die Beklagte, notwendig ist. Dieser Titel kann aber nicht nur durch die vorliegend erhobene Duldungsklage, sondern vielmehr einfacher, schneller und kostengünstiger durch Umschreibung der Vollstreckungsunterwerfungserklärung gemäß §§ 727, 794, 795 ZPO erreicht werden. Insofern ist  der eingetragene Nießbrauchsberechtigte, die Beklagte, i. S. d. § 727 ZPO Teil-Rechtsnachfolgerin der Grundstückseigentümerin in dem Recht, die Früchte des Grundstücks, also den Pacht-/Mietzins, zu ziehen (vgl. Zöller-Stöber, § 738 Rn. 2; OLG Dresden Rpflger 2006, 92f.; Alff, Rpflger 2003, 523). Bei Eintragung des Nießbrauchs am 6. August 2002 waren die Grundstücke auch bereits mit den am 26. Oktober 1990 und am 31. Januar 1995 eingetragenen Grundschulden belastet, so dass die erst später eingetretene Vollstreckbarkeit durch die Eintragung der Unterwerfungserklärung der Eigentümerin vom 3. Februar 2009 gemäß § 800 ZPO die Umschreibung nicht hindert. Wenn der Nießbrauch erst nach der Grundschuld bestellt wurde, und die Grundschuld nach § 800 ZPO vollstreckbar ist, kann die Klausel gemäß § 727, 325 ZPO auf den Nießbraucher ausgedehnt werden (Dr. Storz, LMK 2003, 226f.; Alff a. a. O.). Auf den Zeitpunkt der Unterwerfungserklärung kommt es damit nicht an, entscheidend ist vielmehr, dass der Haftungsverband der zuvor eingetragenen Grundschuld bereits das später im Rahmen des Nießbrauchs auf die Beklagte übergangene Recht zur Fruchtziehung erfasste.

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Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin bereits versucht hat, eine notarielle Umschreibung der Unterwerfungserklärung zu erhalten. Bei der von ihr vorgetragenen Weigerung des ersuchten Notars hätte die Klägerin insoweit den Rechtsweg beschreiten können und müssen. Auch von der Klägerin erwartete Rechtsmittel der Beklagten gegen einen Antrag auf Klauselumschreibung führen nicht zum Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses entgegen den genannten Grundsätzen, da es jeder Partei in jedem Verfahren freistehen muss, ihre Rechte wahrzunehmen.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.


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