Urteil vom Landgericht Kiel (1. Zivilkammer) - 1 S 6/14

Tenor

Auf die Berufung des KIägers wird das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 22.11.2013 (Az. 120 C 150/13) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.373,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 684,14 € seit dem 4.7.2013 und auf 684,14 € seit dem 5.8.2013 zu zahlen, Zug um Zug gegen Nachweis der Anlage der von der Beklagten gemäß § 6 Nr. 1 des Mietvertrags vom 17.4.2003 geleisteten Mietkaution bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz unter Angabe des Verwendungszwecks „Kautionskonto“.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten nach einem beendeten Mietverhältnis darüber, ob der beklagten Mieterin gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Zahlung zweier Monatsmieten ein Zurückbehaltungsrecht im Zusammenhang mit der Anlage der Mietkaution zusteht. Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein Ziel nach erstinstanzlicher Abweisung der Klage weiter.

2

Wegen des zwischen den Parteien unstreitigen und streitigen Sachverhalts sowie der in I. Instanz gestellten Anträge wird auf die Feststellungen des Amtsgerichts im Urteil vom 22.11.2013 (Bl. 64 d.A., vorgeheftet) verwiesen. Zur Ausgestaltung des namentlich auf die Rechtsvorgängerin des Klägers lautenden Sparbuchs bei der Kieler Volksbank und der hiermit verwalteten Mietkaution wird auf die Anklage K 2 (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen. Dem Antrag des Klägers, die Beklagte zur Zahlung der unstreitig ausstehenden Mieten zu verurteilen, ist diese mit Verweis auf ein aus ihrer Sicht zustehendes Zurückbehaltungsrecht entgegengetreten.

3

Mit dem am 22.11.2013 verkündeten Urteil - auf dessen Entscheidungsgründe (Bl. 66 f. d.A.) gleichfalls Bezug genommen wird - hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass der Kläger die Zahlung der für Juli und August 2013 ausstehenden Monatsmieten in Höhe von insgesamt (684,14 € + 684,14 € =) 1.373,28 € aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten gemäß § 273 Abs. 1 BGB nicht verlangen könne und die Klage aus diesem Grund abzuweisen sei. Denn der Kläger habe die geleistete und auf dem Sparbuch der Kieler Volksbank angelegte Kaution in Höhe von 1.526,22 € nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 BGB entsprechend verwaltet. Zwar werde der Betrag - wie es der Wortlaut der Vorschrift fordere - getrennt vom Vermögen des Klägers angelegt. Doch fordere der Zweck der Regelung zusätzlich, dass der Vermieter nach außen deutlich mache, dass es sich um treuhänderisch verwaltete Beträge handele. Das sei hier nicht der Fall. Ferner wirke diese Pflicht auch bis zur Abrechnung über die Mietsicherheit als vertragliche Nebenpflicht fort.

4

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er wiederholt und vertieft das erstinstanzliche Vorbringen. Die Berufung rügt zum einen, das Amtsgericht habe selbst bei Annahme eines Zurückbehaltungsrechts die Klage allenfalls als zur Zeit unbegründet abweisen dürfen. Zum anderen habe der Kläger ausweislich der als Anlage K 2 in Kopie vorgelegten Belege zum Sparbuch seiner Anlagepflicht gemäß § 551 BGB genüge getan. Er habe die von der Beklagten gezahlte Kaution getrennt von seinem Vermögen angelegt. Eine darüber hinausgehende Kennzeichnung des Verwendungszwecks gegenüber der Bank verlange weder § 553 Abs. 3 BGB noch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Insofern verweise er auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 24.6.2003, NJW-RR 2003, vom 7.7.2005, ZIP 2005, 1465, vom 13.10.2010, NJW 2011, 59 und vom 7.5.2014, NJW 2014, 2496. Schließlich bestehe eine Verpflichtung zur Anlage der Mietkaution bei dem unstreitig beendeten Mietverhältnis nicht mehr.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 22.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.373,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf 684,14 € seit dem 4. Juli 2013 und auf 684,14 € seit dem 5. August 2013 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und nimmt im Wesentlichen auf ihr Vorbringen in I. Instanz Bezug.

II.

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Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als dass der Kläger gegen die Beklagte einen entstandenen und nicht untergegangenen Anspruch auf Zahlung der Miete für die Monate Juli und August 2013 in Höhe von 1.373,28 € hat. Der Anspruch ist aber lediglich Zug um Zug durchsetzbar gegen Nachweis der Anlage der Mietsicherheit in der tenorierten Form (1.). Das gilt auch über die Beendigung des Mietverhältnisses hinaus (2.).

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1. Der Durchsetzbarkeit des klägerischen Anspruchs auf Zahlung ausstehender Miete in Höhe von unstreitig 1.373,28 € steht das von Seiten der Beklagten einredeweise geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht entgegen. Die Beklagte ist daher nur Zug-um-Zug zu verurteilen, §§ 273, 274 Abs. 1 BGB. Die beklagte Mieterin kann einen Anspruch auf Nachweis der Anlage ihrer Mietkaution in der von § 551 Abs. 3 BGB geforderten Weise im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend machen und der Kläger hat diesen Anspruch durch Übersendung einer Kopie des namentlich auf die Rechtsvorgängerin des Klägers lautenden Sparbuchs bei der Kieler Volksbank zur Verwaltung der Kaution (vgl. zur Ausgestaltung im Einzelnen die Anlage K 2, Bl. 12 d.A.) nicht erfüllt.

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a) Die Beklagte beruft sich in grundsätzlich zulässiger Weise darauf, die Zahlung des noch ausstehenden Mietzinses in Höhe von 1.373,28 € im Wege des Zurückbehaltungsrechts vom Nachweis einer der Regelung des § 551 Abs. 3 BGB entsprechenden Anlage ihrer zu Beginn des Mietverhältnis geleisteten Kaution in (übersteigender) Höhe von 1.526,22 € abhängig zu machen (vgl. insoweit nur BGH NJW 2008, 1152, 1152 f.; BGH NJW 2011, 59, 60, Rn. 19; Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 551, Rn. 74).

13

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung, entspricht die Anlage der Mietkaution auf dem in Kopie als Anlage K 2 zur Akte gereichten Sparbuch mit der Konto-Nr.: 10644446205 unter dem Namen der Rechtsvorgängerin des Klägers nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 S. 3 BGB. Über den Wortlaut der Regelung, wonach die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt zu erfolgen hat und dem Mieter die Erträge zustehen (sog. Prinzip der Vermögenstrennung), verlangt die Vorschrift darüber hinaus nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Regelung wenigstens einen gegenüber dem Kreditinstitut offen gelegten Verwendungszweck (sog. Prinzip der Offenkundigkeit). Die Kammer hält in diesem Fall die Bezeichnung des Verwendungszwecks als „Kautionskonto“ für erforderlich und zugleich ausreichend.

14

Dabei ist dem Berufungsführer zuzugeben, dass weder der Wortlaut der Vorschrift noch die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen eindeutigen Schluss dahingehend zulassen, dass über die hier mit dem gesondert angelegten Sparbuch erfolgte Vermögenstrennung hinaus weitere Anforderungen an eine sog. „insolvenzfeste“ Anlage zu stellen sind. Denn der Bundesgerichtshof äußert sich in den vom Berufungsführer ins Feld geführten Entscheidungen nicht dazu, ob und in welcher Form die Anlage der Mietsicherheit gemäß § 551 Abs. 3 S. 3 BGB nach außen erkennbar erfolgen muss. So sei es lediglich notwendig, dass das Konto „offen ausgewiesen oder sonst nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist“ (BGH NJW-RR 2003, 1375, 1376; BGH ZIP 2005, 1465, dort zu II. 2.). Zu der Frage, unter welchen hinreichenden Voraussetzungen das der Fall ist, verhielt sich der Bundesgerichtshof in den weiteren vom Berufungsführer zitierten Entscheidungen nicht (BGH NJW 2011, 59, 60, Rn. 15 ff.; BGH NJW 2014, 2496, Rn. 11).

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Allerdings ist die vom Mieter zu leistende Sicherheit nach der Begründung des Gesetzgebers wie Treuhandvermögen zu behandeln, um sie im Falle der Insolvenz des Vermieters zu schützen und um das Pfandrecht der Bank an dem Kautionskonto auszuschließen (BT-Drucks. 9/2079 S. 10). Das verlangt nach Auffassung der Kammer über die bloße Trennung der Vermögensmassen hinaus, dass die mietvertraglich zwischen dem Mieter als Treugeber und dem Vermieter als Treunehmer begründete Treuhandabrede zur Anlage der Mietkaution nach außen für die Gläubiger des Vermieters erkennbar, mithin das Konto seinem Verwendungszweck entsprechend gekennzeichnet ist. Denn allein eine separate Anlage der Mietsicherheit schützt den Mieter ohne Erkennbarkeit des Treuhandverhältnisses nach außen nicht wirksam vor Vollstreckungszugriffen der Gläubiger des Vermieters. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Publizität des Treuhandverhältnisses weder für eine Drittwiderspruchsklage § 771 ZPO (vgl. nur Herget, in: Zöller, 30. Aufl., § 771, Rn. 14, Stichwort „Treuhänder“) noch für das Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO erforderlich ist (vgl. nur Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., § 47 InsO, Rn. 392a). Denn der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 551 Abs. 3 BGB beabsichtigte Schutz des Kautionsguthabens wäre eingeschränkt, wenn ein Mieter auf die Drittwiderspruchsklage bzw. das Aussonderungsrecht mit den dort gleichfalls praktisch wie rechtlich schwierigen Einzelfragen verwiesen wäre. Es bedarf daher eines „entsprechend gekennzeichnete[n] Sonderkonto[s]“ (vgl. BGH NJW 2008, 1152, Rn. 7; Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., § 47 InsO, Rn. 380), welches die mietvertragliche Treuhandabrede zur Verwaltung der Mietsicherheit dinglich - nämlich nach außen erkennbar - vollzieht. Das erfordert im Sinne der gesetzgeberischen Intention die Bezeichnung des Verwendungszwecks des Kontos, etwa als „Kautionskonto“ (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 551, Rn. 65; Ehlert, in: Beck’scher Online-Kommentar, BGB, § 551, Rn. 25; Eckert, ZMR 2010, 10, 13; zur Frage der Kennzeichnung als „Mietkonto“ bzw. als „Kautionskonto“ auch BGH NJW 1991, 101 bzw. OLG Düsseldorf, MDR 1988, 780).

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Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn es lässt sich anhand der mit der Anlage K 2 zur Akte gereichten Belege nicht erkennen, dass das lediglich unter dem Namen der Rechtsvorgängerin des Klägers geführte und darüber hinaus nicht gekennzeichnete Sparbuch dem Zweck der Verwaltung der Mietkaution dient.

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2. Die Feststellung des Amtsgerichts, die Pflicht des Klägers zur dargestellten Anlage der Mietkaution wirke jedenfalls bis zur Abrechnung über die Mietsicherheit fort, ist nicht zu beanstanden. Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass der Zweck eines Zurückbehaltungsrechts als Druckmittel in Frage gestellt ist, wenn der Mieter mit dem Ende der Mietzeit und der Räumung der Wohnung einen Anspruch auf Abrechnung über das Kautionsguthaben und Auszahlung eines etwaigen restlichen Guthabens hat (vgl. nur Weidenkaff, in: Palandt, 73. Aufl., Einf. v. § 535, Rn. 126). Jedoch ist die Anlagepflicht des Vermieters nach § 551 Abs. 3 S. 3 BGB über das Ende der Mietzeit hinaus zu erstrecken. Dafür spricht, dass dem Vermieter ab diesem Zeitpunkt noch eine Prüfungs- und Überlegungsfrist über die Notwendigkeit der Verwendung der Kaution eingeräumt wird (vgl. nur Weidenkaff, in: Palandt, 73. Aufl., § 551, Rn. 14). In dieser Phase ist der Mieter aber dem Insolvenzrisiko des Vermieters im gleichen Maße ausgesetzt, wie während der Mietzeit. Der Vermieter muss daher bis zur Abrechnung über das Kautionsguthaben verpflichtet sein, die Kaution nach außen erkennbar anzulegen. Über die Kaution wurde hier unstreitig noch nicht abgerechnet.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aufgrund der Verurteilung Zug um Zug aus § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 ZPO. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit des Urteils ohne Sicherheitsleistung folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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4. Die Revision wird nach § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen. Der hier zu entscheidende Sachverhalt hat aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Kautionsleistung im Mietverhältnis und der prinzipiellen Anerkennung des Nachweisanspruchs auf Mieterseite im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechts grundsätzliche Bedeutung. Die zu diesem Themenkreis vorliegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und das zitierte Schrifttum enthalten Argumente, die sich unterschiedlich deuten und bewerten lassen. Eine Klarstellung - insbesondere mit Blick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2007, Az. IX ZR 132/06, NJW 2008, 1152 - diente der Fortbildung des Rechts.


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