Urteil vom Landgericht Köln - 30 O 493/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 1/2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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T a t b e s t a n d
2Die Kläger schlossen als Darlehensnehmer zwecks privater Immobilienfinanzierung mit der beklagten Bank als Darlehensgeberin im Jahr 2007 zwei Darlehensverträge, und zwar einen unter dem 16./26.01.2007 über 115.000,00 € und einen unter dem 08./10.02.2007 über 80.000,00 €. Die Vertragsunterlagen enthielten jeweils eine gleichlautende Widerrufsbelehrung wie folgt:
3Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopien der Vertragsunterlagen in Anlage DB2 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 28.08.2015 erklärten die Kläger den „Widerruf der Darlehensverträge“ und teilten mit, an einer Umschuldung zu aktuellen Marktzinsen interessiert zu sein (Anlage DB3). Außergerichtliche Korrespondenz zwischen den Parteien blieb – auch nach Einschaltung der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger – ohne Erfolg.
4Die Kläger sind der Ansicht, der Widerruf sei wirksam, da mangels ordnungsgemäßer Belehrung der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Belehrung sei aufgrund des Wortes „frühestens“ fehlerhaft und die Beklagte könne sich wegen optischer und textlicher Abweichungen vom amtlichen Muster nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. So seien maßgebliche Abweichungen in der Verwendung der 1. Person Singular/Plural zu sehen, der Schreibweise „2“ statt „zwei“, der optischen Gestaltung und der Überschrift außerhalb der Umrandung. Es fehle nach Ansicht der Kläger an einer hinreichend deutlichen optischen Hervorhebung der Belehrung und an Pflichtangaben gemäß Art. 247 § 6 EGBGB.
5Die Kläger beantragen nach Umformulierung des Antrages zu 1) und Erweiterung um den Antrag zu 2) nunmehr,
61. festzustellen, dass sich die Darlehensverträge mit der Nummer ####21 über 115.000,00 € vom 16.01.2007 und mit der Nummer ####80 über 80.000,00 € vom 08.02.2007 durch den Widerruf der Kläger vom 28.08.2015 in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben;
72. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.371,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln und das Fehlen eines Feststellungsinteresses gerügt. Sie ist der Ansicht, die Gesetzlichkeitsfiktion greife vorliegend mangels inhaltlicher Änderungen im Belehrungstext ein, so dass von einer ordnungsgemäßen Belehrung auszugehen sei und der Widerruf verfristet erfolgt sei. Ein etwaiges Widerrufsrecht sei zudem verwirkt und dessen Ausübung rechtsmissbräuchlich.
11Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14I.
15Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht örtlich zuständig, da der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO im Hinblick auf den Wohnsitz der Kläger in Köln zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beim Landgericht Köln begründet ist und überdies die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung rügelos zur Sache verhandelt hat, § 39 Satz 1 ZPO.
16Das für den Feststellungsantrag gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, da die Beklagte den von den Klägern erklärten Widerruf zurückgewiesen hat und im Hinblick auf das noch laufende Darlehen eine abschließende Bezifferung etwaiger den Klägern aufgrund des von ihnen erklärten Widerrufs zustehender Ansprüche noch nicht möglich ist.
17II.
18In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg.
19Der von den Klägern erklärte Widerruf ihrer Vertragserklärungen zum Abschluss der streitgegenständlichen Darlehensverträge aus dem Jahr 2007 war unwirksam, denn das den Klägern gem. §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 23.07.2002 bzw. 02.12.2004 zustehende Widerrufsrecht bestand zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung vom 28.08.2015 nicht mehr, weil die 14-tägige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB schon abgelaufen war.
20Entgegen der Ansicht der Kläger hatte die Widerrufsfrist bereits im Jahre 2007 zu laufen begonnen. Die Kläger können sich nicht darauf berufen, die seinerzeit erteilte Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft gewesen, weshalb die Frist nicht zu laufen begonnen habe.
21Die erforderliche optische Hervorhebung der Widerrufsbelehrung ist aufgrund der vorhandenen Einrahmung und grauen Unterlegung, die eine ausreichende ins Auge fallende Abgrenzung zum übrigen Vertragstext bewirken, gegeben.
22Ob die Belehrung inhaltlich irreführend oder fehlerhaft war im Hinblick auf die in ihr enthaltene Angabe, wonach die Frist „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ beginne, kann dahinstehen, da selbst dann, wenn man insoweit von einer fehlerhaften Belehrung ausginge, die Beklagte sich mit Erfolg auf die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gem. § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der Fassung vom 02.12.2004 berufen kann. Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, die Gesetzlichkeitsfiktion sei wegen vorhandener Abweichungen vom Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB InfoV in der Fassung vom 02.12.2004 nicht einschlägig, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Dies gilt sowohl für die optische Darstellung als auch den Inhalt der Belehrung.
23Weder die von der Beklagten verwendete Schriftgröße bei dem Wort „Widerrufsbelehrung“ noch die fehlende Leerzeile zwischen den Absätzen über das Widerrufsrecht und die Widerrufsfolgen noch der Umstand, dass sich die Überschrift „Widerrufsbelehrung“ außerhalb der Umrahmung befindet, sind geeignet, eine relevante Abweichung von der Musterbelehrung zu begründen. § 14 Abs. 3 BGB-InfoV bestimmt ausdrücklich, dass der Verwender des Musters in Format und Schriftgröße von diesem abweichen kann.
24Nichts anderes gilt auch für den Inhalt der Belehrung. Der von der Beklagten vorgenommene Perspektivwechsel dergestalt, dass der die Belehrung empfangende Verbraucher nicht mit „Sie“ angesprochen wird, sondern in der ersten Person Singular/Plural, stellt keine inhaltliche Bearbeitung dar. Eine derart geringfügige, keine inhaltliche Bearbeitung darstellende Abweichung der Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung führt nicht zu deren Unwirksamkeit und steht dem Berufen auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nicht entgegen (BGH, Urt. v. 12.07.2016, XI ZR 564/15; OLG Frankfurt, Urt. v. 07.07.2014, 23 U 172/13).
25Auch die Verwendung des Plurals hinsichtlich der empfangenen Leistung des Verbrauchers kann nicht als relevante inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung angesehen werden. Erst recht gilt dies für die Frage der Schreibweise der Zahl „2“ bzw. „zwei“, die als noch geringere textlichte Abweichung einzustufen ist als z.B. das Ersetzen von Begriffen des Musters durch Synonyme, was der Bundesgerichtshof als unschädlich im Hinblick auf das Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion bewertet hat (BGH, Urt. v. 12.07.2016, XI ZR 564/15).
26Laut Gestaltungshinweis 10 können Ort, Datum und Unterschriftenleiste entfallen und durch die Wörter „Ende der Widerrufsbelehrung“ ersetzt werden, wie die Beklagte es getan hat.
27Insgesamt begründen die vorstehend aufgeführten Umstände daher weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit eine dem Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion entgegenstehende Abweichung von der maßgeblichen Musterwiderrufsbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB InfoV in der Fassung vom 02.12.2004.
28Art. 247 § 6 EGBGB trat erst im Jahr 2010 in Kraft und ist damit im vorliegenden Fall nicht anwendbar, so dass die Kläger sich auf diese gesetzliche Regelung nicht stützen können.
29Ist nach alledem von einer wirksamen Widerrufsbelehrung auszugehen, so bestand zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung der Kläger kein Widerrufsrecht mehr mit der Folge, dass die Klage, ohne dass es auf die weiteren von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen ankommt, in vollem Umfang der Abweisung unterliegt.
30Die geltend gemachten materiellen Nebenforderungen teilen das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
31Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
32Streitwert: bis zu 155.000,00 €.
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Referenzen
- ZPO § 29 Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 39 Zuständigkeit infolge rügeloser Verhandlung 1x
- § 14 Abs. 3 BGB-InfoV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 100 Kosten bei Streitgenossen 1x
- ZPO § 256 Feststellungsklage 1x
- § 6 EGBGB 2x (nicht zugeordnet)
- § 14 Abs. 1 BGB-InfoV 2x (nicht zugeordnet)
- XI ZR 564/15 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 14 Unternehmer 2x
- BGB § 495 Widerrufsrecht; Bedenkzeit 1x
- BGB § 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen 2x
- 23 U 172/13 1x (nicht zugeordnet)