Beschluss vom Landgericht Landau in der Pfalz (1. Zivilkammer) - 1 S 120/10
Die Kammer beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 21.05.2010, Az. 5 C 1719/09, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.
Gründe
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I. Die Berufung hat nach derzeitiger Ansicht der Kammer keine Aussicht auf Erfolg.
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Auf Grundlage des erstinstanzlich festgestellten Sachverhalts hat das Amtsgericht zu Recht eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten verneint.
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1. Das Amtsgericht hat seine Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO hier in zulässiger Weise (vgl. BGHZ 82, 12, 20) auf die - durch informatorische Anhörung weiter aufgeklärte - Parteibehauptung gestützt, die Beklagte habe ihren Sohn zu Fuß begleitet und dieser sei ihr auf Grund eines Missverständnisses „entwischt“. An diese Feststellung, deren Richtigkeit keinen konkreten Zweifeln unterliegt, sieht sich die Kammer gem. § 529 Abs. 1 ZPO gebunden.
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2. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht, die gem. § 832 Abs. 1 S. 2 BGB grundsätzlich vermutet wird, scheidet bei diesem Sachverhalt aus.
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Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Frage, ob und unter welchen Umständen die Eltern eines an Autismus erkrankten Kindes diesem ein Fahrrad zur eigenständigen Teilnahme am Straßenverkehr ohne Verletzung ihrer Aufsichtspflicht überlassen dürfen, hier einer weiteren Aufklärung bedurft hätte, wenn feststünde, dass die Beklagte ihrem Sohn eine selbstständige, unbeaufsichtigte Teilnahme am Straßenverkehr gestattet hätte. So liegt der Fall aber nicht. Vielmehr steht, wie oben ausgeführt, fest, dass die Beklagte ihren Sohn zu Fuß begleitete und dieser überraschend davon fuhr. Eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten kann hierin nicht erblickt werden. Die Ansicht des Amtsgerichts, dass auch an Autismus leidenden Kindern unter elterlicher Aufsicht ein Fahrrad überlassen werden darf, teilt die Kammer. Jede andere Auffassung würde die Entwicklungsmöglichkeiten des betreffenden Kindes unangemessen beschränken.
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3. Der geschädigte Kläger hat damit im Ergebnis die Härte zu tragen, die sich letztlich aus der gesetzgeberischen Entscheidung, Kinder bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres von einer Haftung im Straßenverkehr grundsätzlich freizustellen (§ 828 Abs. 2 BGB), ergibt.
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II. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, liegen auch die weiteren Voraussetzungen für einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vor.
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Dem Kläger wird angeraten, zur Vermeidung weiterer Kosten die Berufung zurückzunehmen. Er erhält Gelegenheit, bis zum 15.10.2010 Stellung zu nehmen.
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