Urteil vom Landgericht Magdeburg (11. Zivilkammer) - 11 O 778/12

Tenor

1. Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

2. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 12.947,38 €.

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In der Nacht des 12.8.2011 führten zwei, im Dienste der Klägerin stehende Beamte der Landesbereitschaftspolizei Sachsen-Anhalt, nämlich die Zeugen S und S, auf Anordnung der zuständigen Polizeibehörde eine Streifenfahrt mit einem Zivilfahrzeug ( PKW VW Passat, amtl. Kennzeichen ..., Sonderkennzeichen ...) durch.

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Der Zweck der Streifenfahrt diente der Verhinderung von Straftaten. Die Polizei ging aufgrund ihrer Erkenntnislage im bestreiften Gebiet von einem Kriminalitätsschwerpunkt aus, weshalb sie annahm, dass durch eine Bestreifung Straftaten, insbesondere Einbrüche und Diebstähle, bereits im Vorfeld aufgedeckt bzw. verhindert hätten werden können ( SS 21.8., Seite 1, Blatt 126 d.A.)

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Gegen 23.19 befuhren die genannten Beamten den S in S, bogen schließlich vom S ab und fuhren auf den rückwärtigen Teil des Firmengeländes der Beklagten auf. Im vorderen Teil des Grundstücks betreibt die Beklagte einen Getränkemarkt. Der hintere, streitbefangene Teil des Geländes, besteht u.a. aus einem betonierten Hof, der von zwei Firmengebäuden eingefasst ist.

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Der Hof, den die Beamten der Klägerin zum Durchfahren nutzen wollten, wird etwa mittig von einer von links nach rechts, quer zur Wegrichtung verlaufenden Barriere, in Form einer zweistufigen Treppe unterbrochen, die nach Angaben des Beklagten schon vorhanden war, als das Grundstück vom Voreigentümer übernommen wurde. Auf der anderen Seite der beiden Stufen verläuft der Hof auf einem um ca. 38 cm tiefergelegten Niveau weiter. Die Barriere endet rechtsseitig an einer etwa 2,24 m breiten Rampe, die einen barrierefreien Durchgang ermöglicht. Die Stufe wird nachts durch eine linksseitig angebrachte Neonleuchte beleuchtet. Die andere Seite des Hofs führt zu einem Bürogebäude, das wiederum einen eigenen Zugang zum S hat, der das Grundstück von außen umfasst. Wegen der weiteren Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf die Anlagen K 9 und K 10, Blatt 37, 38 d.A. und das Luftbild Anlage K 20, Bl. 116 d.A. Bezug genommen.

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Da der Beamte S seine Fahrt ohne anzuhalten fortsetzte und die Stufe überquerte, schlug das Dienstfahrzeug aufgrund des Niveauunterschieds auf der anderen Seite der Stufe so heftig mit dem Unterboden auf, dass an ihm erheblicher Sachschaden entstand. Die Beamten selbst blieben unverletzt.

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Die Klägerin behauptet, ihre Beamten hätten beim Abbiegen auf das Grundstück bemerkt, dass sich bei ihrem Eintreffen eine unbekannte Person mit einem weißen „Cross-Bike“ in der Weise in Bewegung gesetzt habe, dass anzunehmen war, der Fahrer habe sich von ihnen entfernen wollen.

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Der fahrzeugführende Beamte S habe sich deshalb entschlossen, dem Führer des „Cross- Bikes hinterherzufahren, um eine Kontrolle durchzuführen, wobei er mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h gefahren sei. Die Beamten hätten jedoch weder Sonder- noch Wegerechte in Anspruch genommen, noch wäre ein konkreter Tatverdacht existent gewesen (SS 21.8.2012, Seite 2, Blatt 127 d.A.).

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Das Grundstück sei nicht eingefriedet gewesen. Die Zufahrt zu dem Grundstück sei weder durch „Absperrmaßnahmen“ unterbunden gewesen, noch seien Hinweisschilder, Warnbänder oder ähnliche Sicherungsmaßnahmen vorhanden gewesen. Die Beleuchtung sei unzureichend gewesen. Der Beamte habe die Barriere nicht rechtzeitig erkennen können. Die Unfallstelle sei deswegen objektiv gefährlich. Das Grundstückstück stehe der Öffentlichkeit zur Verfügung, Grundstücksbefahrungen während des Streifendienstes seien üblich. Die Klägerin müsse deshalb für den entstandenen Schaden haften.

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Die Klägerin beantragt.

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.947, 38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 20.12.2011 zu bezahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie stellt zuletzt das Unfallereignis als solches nicht mehr in Abrede, bestreitet jedoch die Einzelheiten des Ablaufs. Die nach Darstellung der Klägerin entstandenen Schäden am Fahrzeug als auch die psychologischen Bedingungen die bei Einleitung einer Verfolgungsfahrt bestehen, sprächen für eine unangemessene Geschwindigkeit. Andernfalls hätten die Beamten die Barriere rechtzeitig erkennen müssen. Jedenfalls aber habe sich der Unfall auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks ereignet. Die Barriere durch die der Hof geteilt werde, lasse bereits aufgrund dieser Baulichkeit erkennen, dass es sich gerade um keine Durchfahrt für Fahrzeuge handele. Der Bereich stehe nur zu bestimmten Zeiten Besuchern und Lieferanten zur Verfügung. Dies sei bereits an der äußeren Gestaltung des Geländes zu erkennen Die Ingebrauchnahme eines Grundstücks oder die bloße Duldung von Verkehr insbesondere Nachts, begründe keine allgemeinen Verkehrssicherungspflichten. Das gelte auch für die Polizei.

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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Unfallstelle, sowie durch Vernehmung der Beamten S und S. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll vom 16.8.2012 und auf das Protokoll vom 18.9.2012 Bezug genommen.

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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil die Beklagte gegenüber dem Kläger weder fahrlässig eine Handlungspflicht verletzt hat, noch sich anderweitig ein rechtswidriges Verhalten zurechnen lassen muss. Für den Schaden an dem klägerischen Dienstfahrzeug hat sie deshalb nicht einzustehen.

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a) Wie bereits der Kläger unstreitig gestellt hat, lag kein konkreter Tatverdacht vor. Es ist auch erwiesen, dass es keinen Anhaltspunkt für eine hinreichend konkrete polizeirechtliche Gefahrenlage gegeben hat, die von dem Grundstück ausgegangen wäre. Anders als der Kläger es dargestellt hat, war es noch nicht einmal so, dass die Polizeibeamten vor dem Abbiegen auf das Grundstück ein „Cross-bike“ wahrgenommen haben, dass sich von ihnen entfernen wollte. Der Beamte S hat als Zeuge vernommen ausgesagt, dass er auf dem S nur ein Motorengeräusch vernommen habe, dass ihre Aufmerksamkeit erregt habe und die Beamten zunächst nur wissen wollten, woher das Motorengeräusch gekommen ist. Dabei sei noch nicht einmal Zeit geblieben, vor dem Losfahren per Funk die vorgeschriebene Standortmeldung durchzugeben. Aus diesem Grunde ist der Zeuge S vom S abgebogen, obwohl er, wie er weiter angab, zwar grundsätzlich über Ortskunde verfügte, die Beschaffenheit des Geländes auf dem Grundstück hingegen nicht kannte. Beide Beamte haben ferner ausgesagt, dass sie, erst nachdem sie auf das Firmengelände eingebogen und zwischen den Gebäuden hindurch gefahren sind, im Licht ihres eigenen Scheinwerfers, auf dem auf der anderen Seite des Hofes verlaufenden S, also auf öffentlichem Grund, ein von rechts nach links vorbeifahrendes Cross-bike erkannt haben wollen.

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b) Dieser Hergang führt zu keinem Anspruch aus § 823 Abs.1 BGB.

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Es ist zwar aufgrund der Aussage der Zeugen erwiesen, dass ihnen ein Motorengeräusch um diese Zeit verdächtig vorkam und sie eine Verfolgungsabsicht gefasst haben. Auch ist es erwiesen, dass die Barriere auf dem Grundstück für ein durchfahrendes Fahrzeug und seine Insassen ein erhebliches Verletzungs- und Schadensrisiko begründet. Das allein führt aber nicht zu einer zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung der Beklagten. Zwar lässt sich gedanklich auch noch ein äquivalenter Bedingungszusammenhang herstellen, weil die Barriere nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Unfall und damit der Schaden am Fahrzeug entfällt. Allerdings haben die Beamten des Klägers das Grundstück nur bei einer Gelegenheit in Anspruch genommen. Der Grund für diese Inanspruchnahme hat aber weder im Verhalten des Eigentümers, noch im Zustand seines Grundstücks gelegen, sondern in einem Motorengeräusch, das die Beamten als Anlass beurteilt haben, zu reagieren. Die Beklagte hat deshalb weder eine Verfolgung herausgefordert, noch sonst einen polizeilichen Einsatz auf ihrem Grundstück veranlasst, weshalb bei wertender Betrachtung ein Zurechnungszusammenhang zu Lasten der Beklagten ausgeschlossen ist ( vgl. hierzu bereits etwa BGHZ 63, 189, bei Juris Rn 9 f m.w.N. ).

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c) Auch ein Anspruch nach § 823 Abs.1 BGB wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung besteht nicht.

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aa) Eine Verkehrssicherungspflichtigkeit der Beklagten lässt sich, entgegen der Annahme des Klägers, allerdings nicht damit begründen, dass das im Privatbesitz der Beklagten stehende Grundstück nicht „eingefriedet“ und keine Verbots- oder Warntafel aufgestellt war, sondern frei zugänglich gewesen ist. Denn aus dem Eigentum an einem Grundstück allein fließen keine Verkehrssicherungspflichten. Vielmehr ist auch der Eigentümer eines frei zugänglichen Grundstücks derjenige, der rechtlich vor unbefugtem Eindringen geschützt wird, sofern es sich um ein befriedetes Besitztum nach § 123 Abs.1 StGB handelt. Für die Annahme von befriedetem Besitztum genügt es regelmäßig, dass ein privates Grundstück in den Schutzbereich eines bewohnten Hauses oder eines sonstigen Gebäudes einbezogen ist. Es kommt dabei nicht darauf an, dass das Besitztum vollständig abgeschlossen ist, Dritten der Zugang erschwert sein muss oder sie gar vor unüberwindliche Hindernisse gestellt werden. Für die Annahme eines befriedeten Besitztums genügt es bereits, dass eine äußerliche erkennbare Eingrenzung vorhanden ist, wofür bereits eine Markierung durch eine Bodenrinne ausreichen kann ( RGSt, 20, 150; näher bei Fischer, StGB, 58. Aufl, § 123 Rn 8 ). Dass der Unfallort in erkennbarer Weise innerhalb eines befriedeten Besitztums lag, ist unstreitig. Der Ortstermin hat im Übrigen ergeben, dass der öffentliche S ein ungeteerter Schotterweg gewesen ist und der Beginn des Firmengeländes spätestens durch einen Wechsel des Fahrbahnbelags an der Hofeinfahrt gekennzeichnet gewesen ist, weshalb schon im Vorfeld der Unfallstelle keinerlei Missverständnisse haben aufkommen können, auf welchem Grund die Beamten sich befunden haben.

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bb) In einer rechtlich verfassten Friedensordnung soll grundsätzlich jedermann darauf vertrauen dürfen, dass auch die Allgemeinheit die Rechte ihrer Glieder respektiert. Dazu gehört, dass jedermann mit seinem Eigentum in den Grenzen des § 903 BGB nach seinem Belieben verfahren kann. Dieses Recht erlaubt dem Eigentümer oder dem sonstigen ermächtigten Verfügungsberechtigten zunächst selbst, gegenüber jedem Dritten Benutzungsregelungen zu treffen und nach eigenem Belieben zu entscheiden, wer, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Art und Weise Zutritt zu dem Grundstück erhält, soweit mit derartigen Regeln nicht wiederum selbst Eingriffe in Reche Dritter verbunden sind oder zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen (hierzu etwa BGH NJW 2006, 377, bei Juris Rn 25 m.w.N ). Das BGB hat es in § 903 BGB grundsätzlich auch dabei belassen, dass eine Benutzung die sich innerhalb der Grenzen eines Grundstücks hält, auch keiner weiteren Rechtfertigung gegenüber Dritten bedarf (BGH NJW 1984, 729, bei Juris Rn 8).

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Ist privater Grund und Boden betroffen, folgt hieraus, dass derjenige, der ohne Willen, Kenntnis und Zustimmung des Eigentümers oder eines sonstigen Verfügungsberechtigten ein befriedetes Besitztum betritt, von wenigen besonders schutzbedürftigen Ausnahmefällen abgesehen, keine Schutzrechte beanspruchen kann, sondern sich bereits deswegen wegen Hausfriedensbruch strafbar machen kann. Auf das Vorhandensein zusätzlicher aufgestellter Verbots- oder Warnschilder, die einen Privatbesitz anzeigen, kommt es deshalb rechtlich nicht an.

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cc) Soweit in der Rechtsprechung der Gedanke zum Tragen gekommen ist, dass eine Schutzerwartung aber dann gerechtfertigt sein kann, wenn ein Grundstück bereits wegen eines erlaubtem Eigeninteresses betreten wird ( vgl. hierzu etwa Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, § 14 Rn 34) führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn der Polizei die Aufgabe obliegt Straftaten vorzubeugen und ihr dabei subsidiär auch die Aufgabe des Schutzes von Rechten Privater obliegt ( §§ 2 Abs.1, 1 Abs. 2 SOG-LSA), ferner es im bestreiften Gebiet sogar üblich sein mag, dass die dort ansässigen Gewerbetreibenden auch das Begehen oder Befahren ihrer Grundstücke durch die Polizei dulden, führt die Aufgabenzuweisung des Gesetzgebers an die Polizei jedoch nicht dazu, dass die Klägerin Einsatzrisiken ihrer Beamten deshalb einem unbeteiligten Bürger zurechnen kann, weil der Einsatz auf seinem Grundstück misslungen ist. Nach § 36 Abs. 1 BeamtStG ist – auf allen dienstlichen Ebenen - für die rechtmäßige Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, ausschließlich der jeweils handelnde Beamte für seine Handlungen verantwortlich, weil die rechtmäßige Ausübung einer öffentlichen Aufgabe, stets auf besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen beruht, die erst eine Aussage darüber treffen, mit welchen Befugnissen und damit auch in welcher Art und Weise die Aufgabe zu erfüllen ist. Das bezieht, insbesondere bei komplexeren und arbeitsteilig zu erledigenden Aufgaben, auch die im Rahmen vorausschauender Einsatzplanung zu beachtenden Aspekte der Risikobeurteilung und Eigensicherung der ausführenden Beamten mit ein, weil der Dienstherr, im Rahmen seiner Anordnungsbefugnisse gegenüber seinen Bediensteten, stets auch schutz- und fürsorgepflichtig ist (§ 45 Satz 2 BeamtStG). Gemessen an diesen rechtlichen Maßstäben, lässt die Erwägung einen Spontaneinsatz ohne rechtzeitige Standortmeldung, mit geländeunkundigen Beamten, wegen behaupteter Dunkelheit auf unübersehbaren und damit auch unaufgeklärtem Gelände durchzuführen, überdies noch nicht einmal ein vernünftiges polizeiliches Interesse an der Vorgehensweise erkennen. Denn aus polizeitaktischer Perspektive bedeutet dies, dass die Beamten sich in einem als kriminalitätsbelastet unterstellten Gebiet, ohne Not in eine ungesicherte polizeiliche Lage begeben haben. So liegt der Fall, wenn die Beamten weder das Gelände kannten, wie der Zeuge S bekundet hat, noch über ausreichende Sichtverhältnisse verfügt haben, weil es zu dunkel gewesen sei, sie aber schon aufgrund ihres Streifenauftrags damit zu rechnen hatten, dass sie sich in einem kriminalitätsbelasteten Gebiet bewegen.

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d) Verkehrssicherungspflichten entstehen im Zusammenhang mit der Nutzung von Privatgrundstücken im Weiteren auch nicht, weil ein Grundstück der Öffentlichkeit bereits deshalb zur Verfügung steht, weil es offen ist, sondern weil es der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden ist. Das verlangt, dass der Eigentümer oder der sonstige Verfügungsberechtigte das Besitztum für einen Verkehr freigegeben hat. Eine bloße Duldung genügt hierfür nicht (etwa OLG Karlsruhe vom 11.10.2000, 7 U 119/99)

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aa) Eine derartige Freigabe geschieht entweder in der Weise, dass der Verfügungsberechtigte (1) auf seinem Grundstück generell oder auch nur in bestimmten Bezügen bestimmte Dritte zum Verkehr zulässt oder ganz allgemein einen Verkehr eröffnet. Oder es geschieht in der Weise, dass er (2) besondere Anreize schafft, aufgrund derer er von vornherein damit zu rechnen hat, dass eine in seinem Herrschafts- und Kontrollbereich liegende Gefahrenquelle auf einen bestehenden Verkehr einwirkt (zur systematischen Erfassung, vgl. allgemein etwa bei Medicus, Bürgerliches Recht 21. Aufl, Rn 648 f).

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Derjenige, welcher sein Grundstück in dieser Weise zum öffentlichen Verkehr bestimmt und einrichtet, ist sodann verpflichtet, das in der Weise zu tun, wie es den Anforderungen der Verkehrssicherheit entspricht (grdl. RGZ 54, 53, 59; seitdem ständige Rechtsprechung, zur historischen Entwicklung und weiteren Aspekten, etwa bei Larenz/Canaris, Schuldrecht Band II, 13 Aufl. § 76 III)

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bb) Auch an diesen Voraussetzungen fehlt es, weil die Beklagte den hier umstrittenen Teil ihres Grundstück weder für Durchfahrtzwecke zur Verfügung gestellt und eingerichtet hat, noch sonstige besondere Anreize gesetzt hat, die es dem allgemeinen Verkehr nahelegen, den Hof zu Durchfahrtzwecken zu nutzen.

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(1) Die von der Klägerin vertretene gegenteilige Annahme ist nicht erwiesen. Hierfür gibt es keinen zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkt. Die Frage, ob eine generelle oder nur eine beschränkte Verkehrseröffnung für einen bestimmten Kreis von Verkehrsteilnehmern oder für bestimmte Zwecke vorgenommen worden ist, wird, weil sich die Verkehrssicherungspflicht an der äußeren Beschaffenheit orientiert, deshalb im allgemeinen auch anhand von Lage und baulicher Beschaffenheit, bei Wegen insbesondere anhand der Anlage eines Weges beurteilt (BGH VersR 64, 323; 65, 260, vgl. auch Geigel, Der Haftpflichtprozess 26. Aufl., § 14 Rn 30 m.w.N.). Danach ist der Hof, gerade aufgrund der vorhandenen Barriere, schon aus diesen zwingenden baulichen Gründen nicht für den Durchfahrtverkehr ausgelegt, weshalb sich vernünftigerweise auch nicht der Rückschluss ziehen lässt, dass die Beklagte diesen Teil des Grundstücks dem Verkehr jemals zu Durchfahrtzwecken zur Verfügung gestellt hat. Da es sich um einen Innenanlage handelt, kommt es auf die Erkennbarkeit von einem Standpunkt außerhalb des privaten Grundstücks insoweit nicht an.

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(2) Der Ortstermin hat auch keine besonderen, von der Beklagten gesetzten Anreize erkennen lassen, die dem allgemeinen Verkehr, insbesondere den Kunden des Getränkemarktes vermitteln, dass der Zugang des rückwärtigen Teiles des Grundstückes die Verkehrsbedeutung einer Durchfahrt zum Getränkemarkt hat. Der rückwärtige Zugang liegt, gemessen an den Bedürfnissen von Kunden, die den Getränkemarkt aufsuchen, weit abgelegen. Das ergibt bereits der Augenschein der Luftaufnahme (Anlage K 6). Er ist nur über den mit Schlaglöchern übersäten Schotterweg zugänglich und wird, je nach Standort, vom S aus gesehen durch Pflanzenbewuchs sogar teilweise verdeckt. Aufgrund des äußeren Gesamteindrucks der abgelegenen Lage ist der Zugang bereits äußerlich unattraktiv. Das Grundstück weist, so, wie dies bereits aus der Luftaufnahme ( Anlage K 6 ) zu erkennen gewesen ist, auf der gefahrenträchtigen Seite auch keine Kundenparkplätze aus, die einen Anreiz für Kundenverkehr setzen könnten. Diese befinden sich ausschließlich im vorderen Bereich des Grundstücks und auf der anderen Seite des Hofs, der dort über einen eigenen Zugang verfügt. Auch werden keine sonstigen Anreize, insbesondere Hinweise oder gar Wegweiser gesetzt, die einen Kraftfahrzeugführer zu der Annahme verleiten könnten, er könne über eine Durchfahrt durch den Hof den Getränkemarkt oder ein dazugehöriges Bürogebäude erreichen.

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cc)Soweit die Beklagte dargelegt hat, dass der hintere Teil ihres Grundstücks zum Beladen und Entladen von Fahrzeugen, also für Lieferverkehr benutzt wird, bzw. benutzt worden ist, entspricht dieser Verwendungszweck augenscheinlich nicht nur der baulichen Anlage des Hofes, sondern beinhaltet damit in der Sache auch eine auf diesen Zweck beschränkte Verkehrseröffnung. Für diesen Verkehrskreis, als auch für anderweitige Personen die dort Verrichtungen vorzunehmen haben und sich gemessen an diesem Zweck verkehrsrichtig verhalten, ist die Gefahr die von der Stufe ausgeht, hinreichend beherrschbar, weil jedermann der ein Fahrzeug nur zu rangieren hat und Verrichtungen zu Fuß erledigt, die Barriere erkennen und den Höhenunterschied entweder über die Stufe oder die Rampe gefahrlos bewältigen kann. Das gilt wegen der Beleuchtung auch bei Nacht.

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dd) Die Frage, ob der Hof für einen Ortsunkundigen der bei Dunkelheit mit einem Kraftfahrzeug in der Absicht einfährt, zügig auf die andere Seite zu gelangen, hinreichend verkehrssicher ist, wäre aufgrund des Beweisergebnisses zwar zu verneinen, weil es aufgrund der beim Ortstermin angestellten Versuche nicht als ausgeschlossen erscheint, dass die Sekundenbruchteile die für eine Reaktion verbleiben, nicht mehr ausreichen das Fahrzeug anzuhalten. Für den Streitfall ist die Beantwortung dieser Frage aber nicht rechtserheblich, weil der Raum dem öffentlichen Verkehr für diesen Verwendungszweck nicht zur Verfügung gestellt worden ist.

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d) Dem Begriff der Verkehrssicherungspflicht liegt im Übrigen weder die Vorstellung eines allgemeinen Gebotes zugrunde, Dritte vor einer Selbstgefährdung vollständig zu bewahren und auch kein allgemeines Verbot, jedweden Anreiz die Dritte zu einer Selbstgefährdung veranlassen, zu vermeiden (näher bei Palandt-Sprau, BGB 71. Aufl. § 823 Rn 46 m.w.N.). Beiden Aspekten liegt die Vorstellung einer absoluten Sicherheit voraus, die im allgemeinen Verkehr weder tatsächlich noch rechtlich befriedigt werden kann, ohne die von der Rechtsordnung vorausgesetzte Eigenverantwortung aufzugeben. Bei Licht betrachtet, handelt es sich auch bei dieser Sicherheitsfrage, wie sonst auch, um eine Frage der richtigen Balance (dazu BVerfGE 115, 320 ff, bei Juris Rn 129 ).

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e) Da sich die Beklagte das Verhalten der Klägerin und ihrer Beamten nicht zuzurechnen hat, vielmehr die Verantwortung für den erlittenen Schaden gemäß § 36 Abs. 1, 45 S. 2 BeamStG, ausschließlich beim Kläger und ihren Beamten liegt, weil sie die Verantwortung für die Planung, Ausführung und Durchführung des Einsatzes zu tragen haben, war die Klage abzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


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