Urteil vom Landgericht Münster - 02 O 462/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trät der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem angeblichen Verkehrsunfallereignis vom 31.08.2011 gegen 19.10 Uhr in T geltend.
3Der Kläger ist Halter eines Pkw Marke BMW X5, amtliches Kennzeichen C. Dieses Fahrzeug war im Jahr 2009 in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem es einen Frontschaden vorne rechts erlitt. Der von dem Kläger beauftrage Sachverständige L erstattete diesbezüglich am 23.10.2009 ein Schadensgutachten.
4Weiter war das Fahrzeug am 07.08.2010 in einen Verkehrsunfall verwickelt. Dabei fuhr ein Herr D rückwärts in die linke Seite des auf der T1 in T geparkten, von dem Kläger gehaltenen Fahrzeugs. Der auch diesbezüglich durch den Kläger beauftragte Sachverständige L erstattete unter dem 12.08.2010 ein Schadensgutachten (Anlage R II, Blatt 55 ff. d. GA). Danach haben sich die Beschädigungen vom hinteren Bereich der Fahrzeugtür vorne links über die B-Säule bis zum vorderen Bereich der Fondtür links gezogen.
5Der Kläger befuhr am 31.08.2011 gegen 19.10 Uhr in T mit dem Pkw BMW X5 die vorfahrtsberechtigte K, an der er wohnt, von seinem Wohnhaus kommend Richtung T2. Der Beklagte zu 1) kam mit dem von ihm gehaltenen Pkw Marke Renault Kangoo, amtliches Kennzeichen C1, dessen Haftpflichtversicherin die Beklagte zu 2) ist, aus dem – in Fahrtrichtung des Klägers gesehen – links liegenden T2. Vor der Einfahrt vom T2 in die K befindet sich ein Stoppschild. Der Beklagte zu 1) wollte die vorfahrtsberechtigte K überqueren. Der Kläger wollte den T2 überqueren. Es kam zu einer Kollision, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.
6Der Kläger beauftragte wiederum den Sachverständigen L mit der Schadensbegutachtung. Der Sachverständige kam zu Reparaturkosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 7.253,84 €. Wegen der einzelnen festgestellten, angeblichen Beschädigungen wird auf den Punkt „festgestellte Beschädigungen“ des Gutachtens (dort S. 5, Bl. 12 d.A.) konkret Bezug genommen. In dem Gutachten war unter Vorschäden vermerkt:
7„Das Fahrzeug weist einen instandgesetzten Vorschaden im Bereich der Fahrzeugseite rechts vorne auf.
8Das Fahrzeug weist einen instandgesetzten Vorschaden im Bereich der Fahrzeugseite links mittig auf.“
9Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige L mit Rechnung vom 07.09.2011 brutto 945,54 € (Anlage K3, Blatt 28 d. GA). Mit Schreiben vom 12.09.2011 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte zu 2) zur Zahlung eines Gesamtschadens in Höhe von 8.224,38 €, der sich aus den Nettoreparaturkosten gem. Gutachten, den Gutachterkosten und einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 € zusammensetzt binnen 2 Wochen erfolglos auf.
10Am 17.09.2011 gegen 17.30 Uhr kam es wiederum im Kreuzungsbereich K/T2 in T zu einem Unfall, an dem der Kläger mit dem Pkw BMW X5 beteiligt war. Diesmal befuhr der Kläger die K in umgekehrter Richtung in Richtung seines Wohnhauses. In Höhe der Einmündung T2 wollte ein Herr E mit einem Pkw Marke Opel Corsa, amtliches Kennzeichen C2 in Fahrtrichtung des Klägers von links kommend nach rechts in die K einbiegen. Dabei kam es zur Kollision der Fahrzeuge. Dieser Unfall ist Gegenstand des Rechtsstreits 11 O 279/11 Landgericht Münster. Wegen der letzten beiden Unfälle leitete die Staatsanwaltschaft Münster ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in 2 Fällen und eines Betruges in 2 Fällen ein, 91 Js 2567/11 Staatsanwaltschaft Münster. Das Amtsgericht – Schöffengericht – Ahaus sprach den Kläger mit Urteil vom 17.02.2012 von diesen Vorwürfen frei, 2 Ls 94/11 Amtsgericht Ahaus.
11Der Kläger behauptet:
12Das Fahrzeug der Marke BMW X5 stehe in seinem Eigentum. Der Verkehrsunfall sei für ihn unabwendbar gewesen. Der Beklagte zu 1) habe seine Vorfahrt missachtet, ohne dass er habe reagieren können.
13Durch den Unfall seien die Beschädigungen, wie sie auf Seite 5 des Gutachtens L vom 07.09.2011 aufgeführt sind (Blatt 12 d. GA) entstanden. Vor dem Unfall hätten keine sichtbaren Schäden im Frontbereich bestanden. Die Schäden, die bei dem Unfallereignis, welches mit Gutachten vom 23.10.2009 dokumentiert wurde, entstanden sind, habe er in Eigenregie repariert und dabei auch den Querträger gerichtet. Die in dem vorgenannten Gutachten genannten Schäden habe er zusammen mit seinem Bruder fachgerecht repariert.
14Mit der am 12.01.2012 zugestellten Klage beantragt der Kläger,
151. die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an
16ihn 8.224,38 € zuzüglich 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen
17Basiszinssatz seit dem 27.09.2011 zu zahlen.
182. die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen,
19ihn von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 718,40 €
20zuzüglich 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
21Rechtshängigkeit freizustellen.
22Die Beklagten beantragen,
23die Klage abzuweisen.
24Sie behaupten, bei dem Unfall habe es sich um einen sogenannten provozierten Unfall gehandelt.
25Wegen des weitergehenden Sachvortrages und der Rechtsansichten der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
26Die Akten 11 O 279/11 Landgericht Münster, 91 Js 2774/11, 91 Js 2568/11 und 91 Js 2773/11, jeweils Staatsanwaltschaft Münster und eine Kopie von 91 Js 2567/11, ebenfalls Staatsanwaltschaft Münster, waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
27Das Gericht hat in Bezug auf den Hergang des Unfalls vom 31.08.2011 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin C3. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 07.05.2012 Bezug genommen. Ferner hat es Beweis erhoben gem. der Beweisbeschlüsse vom 07.05.2012, 03.04. und 07.11.2013. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. C4 vom 15.02.2013 und 15.08.2013 sowie die Anlagen zum mündlichen Gutachten vom 02.04.2014 inklusive Anlage E17 sowie in Bezug auf die mündliche Erläuterung des Sachverständigen auf das Verhandlungsprotokoll vom 02.04.2014 Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
29Die zulässige Klage ist unbegründet.
30Die grundsätzliche Haftung der Beklagten als Halter, Fahrer und Versicherer des auf der Beklagtenseite beteiligten Fahrzeugs für die eingeklagten materiellen Schäden ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1, 11, 17 Abs. 3 StVG, § 115 VVG. Die Schäden des Klägers sind bei dem Betrieb des von dem Beklagten zu 1) geführten Kraftfahrzeugs entstanden. Dabei steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger Eigentümer des von ihm gehaltenen Fahrzeugs der Marke BMW X5 war. Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB spricht für den Kläger. Er war Besitzer des Fahrzeugs. Weiter sprechen seine Ausführungen im Rahmen der persönlichen Anhörung der vorgelegte Kaufvertrag sowie die vorgelegte, auf den Kläger lautende Zulassungsbescheinigung Teil II dafür, dass er in den Besitz des Fahrzeugs gelangt ist und es ihm zwecks Eigentumsübertragung übergeben worden ist.
31Der Beklagte zu 1) hat auch rechtswidrig in das Eigentum des Klägers eingegriffen. Dies wäre nicht der Fall, wenn es sich hier, wie von dem Beklagten behauptet, um einen s. g. provozierten Unfall handelt. Dabei provoziert der angeblich geschädigte Provokateur und verursacht durch sein Verhalten oder seine Fahrweise vorsätzlich einen Unfall und damit einen Schaden, um den nicht eingeweihten und meist schuldlosen, jedenfalls nicht vorsätzlich handelnden Unfallgegner als Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Da es dem angeblich Geschädigten gerade auf die Beschädigung seines Eigentums ankommt, wird nicht rechtswidrig in das Eigentum eingegriffen (Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 25. Kapitel, Rn. 14, 11). Dabei obliegt dem Schädiger bzw. der Versicherung die Beweislast dafür, dass der Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat (OLG Hamm, VersR 2001, 1127).
32Hier steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich um einen s. g. provozierten Unfall gehandelt hat. Es mag sein, dass die Häufung von 2 Unfällen innerhalb kurzer Zeit jeweils auf der Straße, an der das Wohnhaus des Klägers liegt ungewöhnlich ist. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Dr. C4 steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Unfall für den Kläger unabwendbar war. Dies spricht gerade maßgeblich gegen einen provozierten Unfall. Der Begriff „unabwendbares Ereignis“ i. S. von § 17 Abs. 3 StVG meint ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Bei dem Unabwendbarkeitsnachweis kommt es darauf an, ob auch für einen besonders sorgfältigen Kraftfahrer bei der gegebenen Sachlage der Unfall unvermeidbar gewesen wäre. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab dem Verkehr erforderlichen Sorgfalt i. S. von § 276 BGB. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben (std. Rechtsprechung BGH, Urt. v. 17.03.1992, Az: VI ZR 63/91). Hier hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist und er erst eine Sekunde vor der Kollision die Möglichkeit hatte, auf den von links kommenden, in seiner Fahrspur einfahrenden Pkw des Beklagten zu 1) zu reagieren und sein Fahrzeug abzubremsen oder auszuweichen. Bei einer Reaktionsdauer von 1 Sekunde stand dem Kläger für die Abbremsung/Ausweichbewegung kein Handlungszeitraum zur Verfügung. Daraus lässt sich auch erklären, warum der Kläger keine Abwehrhandlung durchgeführt hat. Da der Kläger den Beklagten zu 1) erst so spät erkennen konnte, konnte er durch seine Fahrweise nicht vorsätzlich den Unfall verursacht haben.
33Die Haftung der Beklagten ist nicht nach §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen. Der Unfall ist nicht durch höhere Gewalt verursacht worden. Ein unabwendbares Ereignis i. o. S. lag für den Beklagten zu 1) nicht vor. Dies steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. C4 fest. Danach hätte der Beklagte zu 1) die Kollision vermeiden können, wenn er sich langsam in die Kreuzung vorgetastet hätte und den rechtsliegenden Verkehrsraum aufmerksam beobachtet hätte. Durch Zurückstellung seiner Anfahrbewegung hätte er die Kollision vermeiden können.
34Grundsätzlich haftet auch der Kläger gem. § 7 Abs. 1 StVG für die Unfallfolgen. Da der Unfall aber wie oben dargelegt, für ihn unabwendbar i. S. des § 17 Abs. 3 StVG war, trifft die Haftung hier die Beklagten grundsätzlich dem Grunde nach zu 100 Prozent.
35Dem Kläger steht hier gegen die Beklagten aber kein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil er seine Ansprüche nach § 242 BGB verloren hat. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Kläger stellt hier eine unzulässige Rechtsausübung dar. Zwar gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhalten hat. Allerdings kann ein besonders grober Treueverstoß eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. A., § 242, Rn. 46/47). Ein Unfallgeschädigter verliert insgesamt seine Ansprüche auf Ersatz der aus dem Unfallgeschehen resultierenden Schäden, wenn er die nachweislich falsche Tatsachenbehauptung aufstellt, die Vorschäden an seinem Fahrzeug seien repariert worden (AG Böblingen, Urteil v. 27.09.2007, Az. 21 C 444/07; LG Berlin, DAR 2001, 225; KG Berlin Urteil v. 16.06.1993, 12 U 2859/92). Der Kläger hat von Anfang an nicht gem. seiner Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO vorgetragen. Die Behauptung, Vorschäden bestünden nicht bzw. seien fachgerecht repariert worden, stellt einen versuchten Prozessbetrug dar. Darin ist ein besonders grober Treueverstoß zu sehen. Der Kläger wäre von Anfang an verpflichtet gewesen, umfassend zu den Vorschäden vorzutragen.
36Der Geschädigte muss darlegen und beweisen, welche eingrenzbaren Vorschäden vorhanden waren und durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen sie beseitigt worden sind. Nur dann ist eine hinreichende Abgrenzung möglich, ob und ggfls. in welchem Umfang ein im Bereich der streitgegenständlichen Schadensstelle vorhandener Schaden auf das frühere Schadensereignis zurückzuführen ist oder auf das neue Schadensereignis. Eine solche Abgrenzung ist auch Voraussetzung für die Schätzung eines Mindestschadens.
37Für eine schlüssige Darlegung eines durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursachten Schadens hätte der Kläger daher zunächst im Einzelnen und unter Beweisantritt zu Umfang und Art der Vorschäden und sodann zu deren behaupteter Reparatur vortragen müssen, wozu nicht nur eine Schilderung der einzelnen Reparaturmaßnahmen einschließlich der verwendeten Ersatzteile gehört, sondern auch die Schilderung von Umständen, aus denen sich mit einem für eine richterliche Überzeugungsbildung ausreichenden Grad an Gewissheit ergibt, dass die Reparatur fachgerecht erfolgt ist (KG Berlin, Beschluss v. 12.12.2011, Az. 22 U 151/11, Tz. 4/5; OLG Frankfurt/M, Urteil v. 10.07.2001, Az. 9 U 87/00 – zitiert nach Juris -).
38Daran fehlt es hier. Der Kläger hat zunächst zu Vorschäden gar nicht vorgetragen. Nach einem diesbezüglichen Bestreiten der Beklagten hat er zunächst behauptet, alle in dem Gutachten L vom 07.09.2011 unter „festgestellte Beschädigungen“ aufgeführten Beschädigungen, beruhten auf diesem Unfallgeschehen. Nach Einholung des Sachverständigengutachtens und des Ergänzungsgutachtens hatte der Kläger dann weiter behauptet, Vorschäden, die dem Gutachten L vom 23.10.2009 zugrundeliegen, fachgerecht repariert zu haben.
39Diese Tatsachenbehauptung ist nachweislich falsch.
40Zum einen sind die geltend gemachten Beschädigungen zum Teil nicht durch den Unfall entstanden, was dem Kläger bekannt war. Dies steht nach der Beweisaufnahme aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. C4 fest. Nur die Schäden an der linken Hälfte der Fahrzeugfront des klägerischen Fahrzeugs sind widerspruchsfrei einem Kontakt mit der rechten Seite im Bereich des rechten Vorderrades des querenden Fahrzeugs des Beklagten zu 1) zuzuordnen. Der Kläger fuhr mit der linken Fahrzeugfront gegen die rechte Seite im Bereich des rechten Vorderrades des Fahrzeugs des Beklagten zu 1). Es lag ein Winkel zwischen den Fahrzeuglängsachsen von etwa 90 Grad vor. Aufgrund dieser Kollisionsstellung und der späteren Endstellung der Fahrzeuge steht fest, dass die Schäden an der rechten Hälfte der Front des klägerischen BMW diesem Unfallgeschehen nicht zuzuordnen sind. Nach dem Gutachten L vom 07.09.2011 sollen aber der Kotflügel vorne rechts, das Radhaus vorne rechts, der Hauptscheinwerfer rechts und der Rahmenlängsträger vorne rechts durch den Unfall beschädigt worden sein.
41Zum anderen begehrt der Kläger wissentlich Ersatz für durch den Unfall beschädigte Teile, die schon so vorgeschädigt waren, dass ihnen kein Wert mehr zukam. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. C4 ist dem Kläger durch den Unfall ein materieller Schaden an dem Kraftfahrzeug in Höhe von 1.888,08 € netto entstanden. Die einzelnen ersatzfähigen Positionen ergeben sich aus den Anlagen E12 – E16 der Anlagen zum mündlichen Gutachten vom 02.04.2014 des Sachverständigen Dr. C4. Ein weitergehender Ersatzanspruch des Klägers aufgrund von Beschädigungen seines Fahrzeugs bestünde nicht.
42Die Arbeitsposition Nr. 3200590 des Gutachtens L vom 07.09.2011 ist nicht ersatzfähig, da eine elektronische Fahrwerksvermessung nicht notwendig ist. Durch den Anstoß wurde weder die Vorderachse noch das Fahrwerk getroffen. Weiter sind alle Arbeitspositionen, die mit der Frontklappe zu tun haben nicht ersatzfähig (Arbeitspositionen Nr.: 4161600, 4161501, 5123504, 9761501, 9961529 und Ersatzteilnummer 0471). Zwar ist es durch den Unfall zu einer optisch zusätzlichen Beschädigung der Frontklappe gekommen. Sie war aber schon so vorgeschädigt, dass sie sowieso ausgetauscht werden musste. Ihr kam kein gesonderter Wert mehr zu. Wie auf dem Lichtbild Anlage E4 zu erkennen, war die Frontklappe bereits durch das Unfallereignis aus 2009 beschädigt (Ziffer 8). Weiter ist auf dem Lichtbild Anlage E5 zu erkennen, dass dieser Schaden auch nach dem Unfall vom 17.08.2010 fortbestand. So führt auch das Sachverständigengutachten L vom 12.08.2010 unter Vorschäden auf, dass das Fahrzeug einen teilweisen instandgesetzten Vorschaden im Bereich der Fahrzeugseite rechts vorne aufweist. Dieses Schadensbild bestand auch im Zeitpunkt des jetzigen Unfalls weiter fort (Lichtbild Anlage E6). Insofern wirkt sich die weitere Beschädigung der Frontklappe durch den jetzigen Unfall nicht schadenserhöhend aus.
43In Bezug auf die Stoßstange sind nur die Arbeitsposition 5111592 und die Ersatzteilnummer 0317 gerechtfertigt. Alle übrigen Arbeitspositionen und Ersatzteilnummern in Bezug auf die Stoßstange sind nicht ersatzfähig. Auch die Stoßstange war schon so vorgeschädigt, dass sie sowieso ersetzt werden musste. Ihr kam kein Wert mehr zu. Eine etwaige zusätzliche Beschädigung durch den Unfall hat sich nicht schadenserhöhend ausgewirkt. Wie auf dem Lichtbild Anlage E1 der Anlagen zum mündlichen Gutachten vom 02.04.2014 erkennbar, bestand schon im Jahre 2009 ein Riss in der Stoßstange vorne rechts sowie eine weitere Beschädigung vorne rechts außen. Wie auf den weiteren Lichtbildern Anlage E2 und E3 zu erkennen, bestand dieser Schaden die ganze Zeit über bis zum jetzigen Unfallereignis fort. Aus den Lichtbildern wird auch erkennbar, dass auch für einen Laien erkennbar war, dass die Stoßstange vorgeschädigt ist. Sie ist bereits im Gutachten L vom 23.10.2009 als zu ersetzen angegeben worden. Aus dem Lichtbild Anlage E3 ist weiter erkennbar, dass versucht worden ist, den Riss notdürftig durch eine Spaxschraube zu reparieren. Wie aus der Anlage E5 erkennbar, lag auch die schiefhängende Stoßfängerverkleidung schon zum Zeitpunkt des Gutachtens L vom 07.08.2010 vor. Wie oben ausgeführt kann an der vorderen rechten Seite des Fahrzeugs des Klägers kein Schaden durch diesen Verkehrsunfall entstanden sein. Auch die seit 2009 fehlende Abdeckkappe für die Scheinwerferwaschanlage (jeweils Ziffer 3 der Lichtbilder Anlagen E4 bis E6) zeigt, dass es sich um ein und denselben, vorgeschädigten Stoßfänger handelt.
44Auch ein Anspruch auf Austausch der Vorderwand (Ersatzteilnummer 1009) besteht nicht, da auch die Vorderwand schon so vorgeschädigt war, dass sie hätte ausgetauscht werden müssen. Von daher ist durch dieses Unfallereignis kein weitergehender Schaden entstanden. Schon das Gutachten L vom 23.10.2009 weist aus, das die Vorderwand auszutauschen ist. Dies ist aber nie geschehen. Wie die Lichtbilder Anlagen E8/E9 zeigen, waren schon im Jahr 2009 die Halterungen für den Scheinwerfer durch das damalige Unfallereignis gebrochen. Später sind diese Halterungen bzw. die Reste davon entfernt worden, so dass der Scheinwerfer gar nicht mehr gehalten wurde. Wie sich aus der Anlage E 7 ergibt, sind diese Halterungen an der Vorderwand befestigt. Wie auf den Lichtbildern Anlage E9 zu erkennen, weist die Vorderwand jeweils in Höhe der Halterungen bzw. der Stelle, an der sich die Halterung befunden hat eine kleine helle Beschädigung auf. Auch dies spricht dafür, dass die Vorderwand nie gewechselt worden ist. Gleiches gilt für die kleine weiße Marke, die auf den Lichtbildern Anlage E11 zu erkennen ist, die sich auf dem Teil der Vorderwand rechts vom Kühler befindet. Weiter hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt und es ist auch z. T. aus der Anlage E17 erkennbar, dass die Chargennummer der Vorderwand identisch ist. Wenn sie tatsächlich gewechselt worden wäre, hätte sie jetzt eine andere Chargennummer gehabt.
45Nach der Beweisaufnahme ist das Gericht zudem überzeugt davon, dass der Kläger hier vorliegende Vorschäden bewusst verschwiegen hat. Dem Kläger war bekannt welche Schäden durch den Unfall im Jahr 2009 entstanden waren. Ihm war das Gutachten L vom 23.10.09 bekannt. Er hat gerade behauptet, diese Schäden zusammen mit seinem Bruder fachgerecht repariert zu haben. Er weiß auch, was fachgerecht bedeutet, da er nach eigenen Angaben Kfz-Mechaniker ist und sein Bruder Kfz-Meister. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen war auch für einen Laien erkennbar, dass die Stoßstange hier bereits vorgeschädigt war. Gleiches gilt für die Frontklappe und den rechten Kotflügel sowie die Scheinwerferhalterungen (Lichtbilder Anlagen E4 bis E6, E8, E9). Der Kläger wäre gehalten gewesen, auf der rechten Fahrzeugseite weiter bestehende Vorschäden gegenüber dem Sachverständigen L anzugeben.
46Der besonders grobe Treueverstoß ergibt sich auch aus der Relation der tatsächlich aufgrund des Unfalls entstandenen Schäden in Höhe von 1.888,08 € netto und dem vom Kläger geltend gemachten Reparaturschaden in Höhe von 7.253,84 € netto.
47Aus diesen Gründen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung der entstandenen Sachverständigenkosten. Darüber hinaus besteht ein Anspruch nicht, weil das Gutachten unbrauchbar ist. Nach dem Gutachten sollen Vorschäden im Bereich der Fahrzeugseite rechts vorne und links mittig instandgesetzt worden sein. Dies ist in Bezug auf die Vorschäden im Bereich der Fahrzeugseite rechts vorne nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. C4 nicht richtig. Wie oben dargelegt, wurden die Vorschäden nicht fachgerecht behoben, sondern bestanden zum Zeitpunkt des hier zu beurteilenden Unfalls weiter fort. Dies war für den Kläger wie oben dargelegt erkennbar. Der Kläger hätte dem Sachverständigen den Vorschaden angeben müssen bzw. angeben müssen, dass dieser bislang nicht fachgerecht repariert ist. Damit war für den Kläger auch ersichtlich, dass die vom Sachverständigen festgestellten Beschädigungen auf der rechten Seite nicht durch den hier zu beurteilenden Unfall entstanden sind. Für ein zur Schadensfeststellung nicht brauchbares Privatgutachten hat der Geschädigte jedenfalls dann keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten, wenn er die Mängel des Gutachtens zu vertreten hat, weil sie auf fehlenden oder unzureichenden Informationen über Vorschäden beruhen (OLG Hamburg, NZV 1993, 149, 150).
48Da kein Hauptanspruch besteht, besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sowie die Zinsen.
49Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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